VfL Neu-Isenburg - Eintracht Frankfurt

Bezirksliga Main 1926/27 - 2. Spiel

1:1 (1:0)

 

Termin: 12.09.1926
Zuschauer: 3.000
Schiedsrichter: Boeres (Lahr)
Tore: 1:0 Feldbusch, 1:1 Karl Döpfer (75.)

 

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VfL Neu-Isenburg Eintracht Frankfurt

  • Hubeler
  • Gerhardt
  • Rockmann
  • Waider I
  • Remy
  • Schnell
  • Feldbusch
  • Waider II

 


 

Trainer

Spielertrainer

 

V. f. L. Neu-lsenb. - Eintracht Frankf. 1:1

Es gibt Leute, die mir durchaus einreden wollen, ich stamme aus Neu-Isenburg. Mein Name beweise dies eklatant, meine Ortskentnisse verrieten mich. Ich bestreite alles und glaube, die Leute irren sich. Weder in der Hirtengasse, noch in der Waldstraße oder sonstwo in Isenburg sieht es raubrittermäßig genug aus, als daß dort das Stammschloß meiner gewiß hochfeudalen Ahnen gestanden haben könnte. Nicht daß ich mich einer etwaigen Herkunft aus diesem nicht nur fußballsportlich so bedeutsamen Platze zu schämen hätte. Neu-Isenburg ist die Perle Hessens und hat seine Berühmtheiten, in deren Glanze sich selbst das große Frankfurt sonnt. Was wären - nur um so Beispiele zu nennen - die weltberühmten Frankfurter Würstchen, wenn sie in Isenburg nicht gemacht würden; wo nähmen die Frankfurter ihre blüteweißen Hemdkragen her, wenn die unzähligen Großbetriebe der Offenbacher Straße in Neu-Isenburg nicht wöchentlich dreimal die „schmutzig Wäsch" (schmutzige Vereinswäsche ausgenommen!) aus Frankfurt abholten; wo hätten in den Jahren des Hungers 1916 ff die Frankfurter Käsekuchen herkriegen sollen, wenn ihn das Cafe Maak jenseits der preußischen Grenze nicht gebacken hätte; wo wäre der Ewigkeitsruhm des Aeppelweins, wenn man bei Völcker die Kostproben nicht bembelweise vorgesetzt bekäme? Ja. ja; Neu-Isenburg ist berühmt, auch ganz ohne mich, und mit mir weder verwandt noch verschwägert. Ich muß das schon mit großem Nachdruck erklären, denn ich darf gerade in meinem heutigen Bericht durch nichts als "erblich belastet" erscheinen. Denn ich muß Neu-Isenburg loben, weniger diesmal Neu-Isenburg im allgemeinen, als seinen „Verein für Leibesübungen" ganz im besonderen.

Der VfL Neu-Isenburg ist gerade eben aus der Kreisliga in die Bezirksliga aufgerückt. Er hat sich schnell und gründlich akklimatisiert und schlug gegen die Frankfurter Eintracht keine üble Klinge. Es war ein Massenaufwand an Schneid und Schnelligkeit, mit dem die Hessen ihren gefürchteten Gegner in Schach hielten. Der riesige Eifer der zum Teil noch sehr jugendlichen Mannschaft ist verblüffend. Gewiß, die Spielkultur ist noch alles andere eher als reif, kann auch niemals auf einem solch wenig sportgerechten Boden zur Entwicklung kommen. Aber die Isenburger haben es verstanden, sich aus der Eigenart ihres Platzes einen so zuverlässigen und wertvollen Bundesgenossen zu machen, daß man als Fußballspieler niemals den Tag vor dem Abend wird loben dürfen. Umso weniger, als der VfL. auf diesem Sandboden eine Beweglichkeit entwickelt und eine Genauigkeit im Zuspiel, daß der Gegner, wie auch immer er heißen möge, in 2 mal 45 Minuten kaum Zeit finden wird, hinter all die tausend Schliche und Raffinessen zu kommen, mit denen er dort von dem ortskundigen VfL. empfangen wird. Gewiß, auch der VfL. ermüdet manchmal ziemlich früh, aber sehr oft, meistens möchte ich sogar sagen, hat er bis zum beginnenden Kräftenachlaß so ganz von ungefähr ein 1:0 oder 2:0 herausgeholt und kann sich dann gemächlich auf seine Verteidigung verlassen, die „die Stellung zu halten" versteht. Die Leute im Sturme sind ungeheuer flink, fast so flink, als sie noch jung sind. Ich habe seither den Rechtsaußen, Dietz, immer für den produktivsten Mann des Angriffs gehalten. Von nun ab schwöre ich auf Waider II, der am linken Flügel tadellose Vorstöße machte und famose Flanken herein gab. Allerdings wäre er vielleicht nur halb so gut, hätte er in seiner brüderlichen Liebe, Waider I, nicht einen Läufer hinter sich, mit dem er sich aufs beste versteht. Feldbusch, der Halblinke, ist das Schußtalent im hessischen Lager, der aus jeder Lage genau berechnete Schüsse abgibt. Sein diesmaliger Treffer aus fast 25 Meter Entfernung war eine Glanzleistung, auch wenn Trumpp den Ball mit den Händen abgewehrt hätte, statt mit dem Fuße ein Loch in die Waldluft zu kicken. Remy ist ein routinierter Centrehalf, die bessere Ballabnahme zeigte aber Schnell, sein rechter Nebenmann. Ein ganz großes Spiel lieferte wieder Rockmann, der technisch und taktisch zu.glänzen wußte und bei aller Wucht, mit der er seine ballsicheren Schläge ausführt, immer vorbildlich fair bleibt. Gerhardt ist neben ihm so etwas wie sein kleinerer Bruder, aber dieser kleinere Bruder kann auch ziemlich viel. Recht gut hielt sich Hubelier als Torwart. Er war aufgeregt, das merkte man ihm an, und er mußte nach manchem Balle zwei- und dreimal greifen, bis er ihn fest in Fingern hielt, aber er ließ sich nur ein einziges Mal schlagen.

Zusammenfassend, kann man von der Mannschaft sagen, daß rastloser Eifer ihr Hauptmerkmal ist. Das Kopfspiel wird nur von einigen Spielern hinreichend beherrscht, die Kombination klappt manchmal vorbildlich gut. Alle Angriffe sind als Flügelangriffe gedacht, der Schwerpunkt liegt — mit Recht — auf der linken Seite.

Auch die Eintrachtelf darf nicht getadelt werden. Sie lieferte eine weit bessere Partie, als es das für sie so magere Spielergebnis besagen will. Spaziergänge lassen sich auf dem Platze des VfL. nun einmal nicht machen. Dafür ist der Boden viel zu schwer, und — der Gegner kann zu viel. Eintracht hatte einen ihrer unglücklichen Tage: Torchance auf Torchance wurde verpaßt, die Zeit verstrich. Einige Schwächen waren vorhanden: Schütz wehrte sehr oft schlecht ab. Egly hielt nicht durch. Kellerhoff war zu langsam und Weber mehrfach kopflos. Man darf aber nicht vergessen, daß die wunderbare Technik und auch die Taktik dieser Mannschaft immer wieder versöhnend wirkt. Wenn Eintracht verliert, ist es manchmal ein größeres sportliches Erleben, als wenn man sonstwo Bombensiege geschaut hat. Der Kenner wird mich verstehen, jeder andere mag denken, was er will. Ich denke z.B. an Pfeiffer. Mag er die Bälle 5 Meter vorm freien Tor darüber hauen er tat es heute dreimal!), sein Feingefühl in der Ballbehandlung und seine Intelligenz in der Ballverteilung bleiben eine Delikatesse. Ich denke an Dietrich, den Taktiker und Täuschungskünstler, ich denke an den jungen Küber, der der Liebling Maurice Parrys war. Die Leute können viel und werden demnächst auch wieder einmal vom Pech loskommen. Des Lebens ungemischte Freude, ward keinem Irdischen zu Teil. Nach langer Siegesserie ging heute der erste Punkt verloren. Er ruhe in Frieden!

Schnelle Spiele sind immer spannend. Das Spiel in Neu-Isenburg war sehr schnell. Anfangs war es gut ausgeglichen, technisch beherrschte Eintracht das Feld, VfL. versuchte es mit Hingabe und Aufopferung. Der Versuch gelang. Feldbusch gab einen scharfen Flachschuß knapp in Kniehöhe aufs Eintrachttor. Trumpp verfehlte mit dem Fuße. Tor für Neu-Isenburg, das sein Tempo noch verschärft und kurze Zeit vorne liegt. Dann kommt die größere Routine der Gäste zu Wort. Nach Halbzeit hat VfL. nur gelegentliche Durchbrüche zu machen, die von Waider II mit großer Wucht vorgetragen werden. 15 Minuten vor Schluß erfolgt der Ausgleich durch Döpfer, der den Ball nach mehrfachem Innenspiel erhält. Der Rest der Spiezeit hat wieder mehr ausgeglichenes Gepräge.

Herr Boeres, seines Zeichens Stadtobersekretär und Mitglied des Fußball Vereins Lahr in Baden, war als Schiedsrichter eine vollkommene Neuerscheinung im Mainbezirke. Anderwärts soll er sich bereits mehrfach gut bewährt haben, und seine heutige Spielleitung spricht ganz entschieden für recht ausgiebige Weiterverwendung. Er amtierte erstundlich korrekt und sehr aufmerksam Nur einmal mußte er sich auf das Urteil eines Linienlichtern verliassen und da war er verlassen. Es handelte sich um einen Eckball für Eintracht, der zu Unrecht in Torabstoß für Neu-Isenburg umgewandelt (bitte, lieber Setzerlehrling, schreib' nicht: umgehandelt!) wurde. Auch ein Einwurf sollte den Weißen strittig gemacht werden, wenigstens wollte das der Herr Linienrichter so, aber da war Herr Boeres selbst auf dem Plan. Es war merkwürdig, daß die Linienrichterfrage nicht im Sinne der neutralen Beschlüsse des Heidelberger Verbandstages geregelt war. Nicht das ist wesentlich, daß die Herren Linienrichter von der Schiedsrichterortsgruppe ernannt werden, sondern wesentlich ist es, daß sie keinem der beiden spielenden Vereine angehören. Es entzieht sich meiner Kenntnis, von wem hier schwer gesündigt wurde, aber mit den Linienrichtern stimmt es nicht in Neu-Isenburg, das habe ich schon wiederholt wahrgenommen Videant consules!     Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 14.09.1926)

 

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