Karlsruher SC - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1953/54 - 24. Spieltag

5:2 (1:1)

Termin: 14.02.1954
Zuschauer: 14.000
Schiedsrichter: Horn (München)
Tore: 1:0 Traub (5.), 1:1 Friedel Reichert (7.), 2:1 Traub (49.), 3:1 Rastetter (51.), 4:1 Kunkel (57.), 4:2 Alfons Remlein (88., Elfmeter), 5:2 Kunkel (89.)

 

 

>> Spielbericht <<

Karlsruher SC Eintracht Frankfurt

  • Göhringer
  • Bechtel
  • Baureis
  • Sommerlatt
  • M.Fischer
  • Dannenmeier
  • Kunkel
  • Rastetter
  • Traub
  • Rau
  • Strittmatter

 


 

Trainer
  • ??
Trainer

 

 

Henigs schwarzer Tag

Es geschah innerhalb von zehn Minuten und ausgerechnet in jenen zehn Minuten, in denen die Eintracht sonst am stärksten ist: nämlich in der Zeit unmittelbar nach dem Wechsel. Nichts deutete vorher darauf hin. Die Eintracht hatte in der ersten Halbzeit nicht so wie gegen den VfB Stuttgart gespielt — wer konnte das erwarten auf fremdem und grundlosem Boden.

Sie hatte immerhin leichte Vorteile im Mittelfeld, spielte zweckbewußt und eifriger, und die Deckungsschnitzer der ersten Viertelstunde schob man auf die übliche Anfangsnervosität. Sie schien sich bei der Pause längst gelegt zu haben. Schon war man geneigt, den schwelenden Gefahrenherd um Rastetter nicht mehr so ernst zu nehmen. Je mehr die Zeit fortschritt, desto mehr heiterte sich der Himmel auf. Und die Pause wurde in der Eintracht-Ecke in bester Stimmung verbracht. Und dann brachen auf einmal die Planken; das schwelende Feuer um Rastetter griff um sich. Der Mühlburger „Fritz Walter" holte zum großen Schlag aus. Jeder Trick, jeder Paß, jede Täuschung von ihm wirkte auf einmal tödlich. Hugo brachte seine Mitstürmer derart intelligent in Stellung, daß diese einfach nichts mehr verderben konnten.

In diesen zehn Minuten ging die Eintracht am gleichen Uebel zugrunde, wie damals gegen Kaiserslautern. Sie besaß keinen Mann, um den überragenden Stürmer zu bremsen. Es wäre billig, einfach dem guten Heilig die Schuld in die Schuhe zu schieben, obwohl ihm die Bewachung Rastetters oblag. Heilig ist einfach nicht der Mann dazu, einen solchen Windhund wie diesen Gegenspieler an der Kandare zu halten, Er ist physisch und psychisch nicht in der Lage dazu, besonders auf einem Schmierseifenboden, der ihn in seiner Aktionsfähigkeit stark behinderte. Aber warum begegnet man einer solchen Situation nicht einmal durch eine herzhafte taktische Maßnahme? Warum stellte man, als die Dinge immer klarer zutage traten, nicht einmal Kudraß zu Rastetter mit dem Auftrag, nichts weiter zu tun, als diesen Mann unermüdlich in die Karriere zu fahren.

Alle anderen Aufgaben waren lösbar. Obwohl Wloka den Leichtfuß Traub so schnell nicht vergessen wird, obwohl sich prompt alle jene Unsicherheiten in der Eintracht-Deckung einstellten, unter denen sie immer leidet, wenn sie keinen einwandfreien Rasenteppich unter den Füßen spürt, obwohl die Vollzugsorgane Dziwoki und Kreß erst aufwachten, als es 4:1 für Mühlburg stand — die Eintracht hätte mindestens einen Punkt mit nach Hause nehmen können. Es stimmte alles, bis auf die unzureichende Kontrolle Rastetters und bis auf die Fehlzündungen von Henig.

Henig hat Tage, an denen ihm alles gelingt, und andere, wo einfach nichts gelingt. An diesem Tag ging alles schief. Ein Tor war bestimmt haltbar, zwei andere hätte er an anderen Tagen auch gemeistert. Seine Misere rundete sich ab, als er beim Stande von 4:1 mit Kunkel zusammenprallte und stöhnend vom Platz getragen wurde. Man traute seinen Augen nicht, als in einem Augenblick, in dem nichts mehr zu verlieren, sondern nur zu gewinnen war, eine der wesentlichsten Angriffskräfte, nämlich Pfaff für Henig ins Tor ging. Man traute seinen Augen erst recht nicht, als Henig, stark bandagiert, wiederkam und nach Rechtsaußen hinaushumpelte, statt zwischen die Pfosten zurückzukehren, wo es um diese Zeit ohnehin nichts mehr zu halten gab, und man stand innerlich Kopf, als die Eintracht mit zehn Feldspielern ohne ihren Internationalen Pfaff nun beim Stande von 4:1 für den Gegner auf einmal auftrumpfte, wie noch nie in diesen neunzig Minuten.

Der Funke wurde von Weilbächer erzeugt. Was der blonde Hans in diesem Spiel im kraftverzehrenden Schlick an Energien aus sich herausholte, übertraf alles, was man von ihm gewohnt ist. Er arbeitete wie ein Kohlentrimmer. Ihm gehört die Leistungszulage, ihm und dem unermüdlichen Remlein, der allerdings trotz allem weniger Kalorien brauchte. Diese beiden standen die neunzig Minuten durch wie Turbinen. In ihrem Kraftfeld gingen Dannenmaier und Rau unter, und da auch Reichert eine Halbzeit lang mit einer Kaltschnäuzigkeit operierte, wie ein ewiger Stammspieler, schien alles in Ordnung.

Die Tore fielen bündelweise. Zuerst eine Doublette: Traub schoß das Führungstor, als Henig und Wloka aufeinander zurasten und beide im ungünstigsten Moment abstoppten, damit der Karlsruher Mittelstürmer auch ja Zeit genug hatte, um richtig zu zielen. Unmittelbar darauf fiel der Ausgleich, als Remlein wider die Latte knallte und Reichert präzis ins obere Eck nachschoß. Damit war das Soll der ersten Halbzeit erfüllt.

Das zweite Torbündel fiel in den ersten Minuten der zweiten Halbzeit, und zwar vernichtend. Eine Rastetter-Flanke schwebte am Tor vorbei, ohne daß Henig eingriff. Strittmatter legte geschickt zu Traub zurück. 2:1! Rastetter faßte einen verirrten Ball an der 16-Meterlinie ab und schoß halbhoch und scharf. 3:1! Und Kunkel lief über das halbe Feld, hatte gerade noch die Kraft, den Ball auf das Tor zu dirigieren, und über die Hände von Henig rollte das Leder ins Netz. Die Riederwälder hatten gar nicht Zeit, das ganze Ausmaß dieses Schlages zu begreifen, als Henig draußen bandagiert wurde, mit zehn Mann und geschlagen wie noch nie in dieser Saison, vollbrachten sie eine imposante Kraftleistung, die jedoch nur noch zu dem letzten Torbündel führte. In der 88. Minute schlenzte Remlein einen Handelfmeter in die äußerste linke Ecke (Sommerlatt hatte Hand gemacht). Aber die Deckung war inzwischen so blind geworden, daß sie nicht merkte, wie sich Kunkel in den Strafraum schlich und prompt einen Paß aus dem Hintergrund erhielt und den alten Abstand ungestört wiederherstellte. (aus 'Der neue Sport' vom 15.02.1954)

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