Eintracht Frankfurt - Karlsruher SC

Oberliga Süd 1954/55 - 15. Spieltag

3:3 (2:1)

Termin: 26.12.1954
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Scheuring (Schweinfurt)
Tore: 1:0 Hans Weilbächer (13.), 1:1 Kunkel (17.), 2:1 Alfred Pfaff (39.), 3:1 Alfred Pfaff (53., Elfmeter), 3:2 Adolf Bechtold (60., Eigentor), 3:3 Strittmatter (70.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Karlsruher SC

 


  • R.Fischer
  • M.Fischer
  • Baureis
  • Roth
  • Geesmann
  • Dannenmeier
  • Kohn
  • Sommerlatt
  • Traub
  • Kunkel
  • Strittmatter

 

Trainer Trainer
  • Adolf Patek

Eintrachts Abwehr rissig und brüchig

Loys Faust als Nothelfer

Bravo, Karlsruher SC! Das war ein wirkliches Meisterstück. In der Höhle des Löwen eine halbe Stunde vor dem ganzen Halt noch mit 1:3 im Hintertreffen zu liegen, und am Ende dem Siege näher zu sein als der Gastgeber — das war eine Leistung, die den Sonder-Applaus der 10000 Zuschauer wohl verdiente, der die tapfere Mühlburger Elf in die Kabine begleitete.

Auch wir hatten, als Alfred Pfaff, der die Festtagsstimmung mit aufs Feld gebracht hatte, bei einem seiner Slalom-Läufe gelegt und den diktierten Elfer selbst zum 3:1 verwandelt hatte, den Kampf für entschieden gehalten. Die königsblauen Mühlburger hatten der Eintracht zwar schon bis dahin schwer eingeheizt und ihr in einem tempostarken und mit drei Tonnen Dynamit geladenen Kampf den Feiertag zu einem sauren Werktag gemacht. Aber wir glaubten, dieser Pfaff-Elfmeter werde ihre Moral in Fetzen reißen und sie zur Resignation zwingen. Es erwies sich als Irrglaube. Für die Mannen um den Dreh- und Angelpunkt Sommerlatt, den Mann mit den vier Pferdelungen, blieb das Wörtchen „Kapitulation" ein unbekannter Begriff, statt auseinanderzufallen und zusammenzubrechen, schalteten sie den Schnellgang ein. Sommerlatt und Dannenmeier drückten mit der Macht eines 1000pferdigen Riesen-Schiebers ihren Viermännersturm nach vorne und innerhalb von zehn Minuten war der beruhigende Vorsprung der Eintracht im Putzeimer.

Der Zwischenspurt, den die Karlsruher in diesen zehn Minuten hinlegten, hatte die Wucht des Orkans, der am Heiligen Abend über Frankfurt hinweggebraust war, er deckte das Deckungsdach der Riederwälder ab und riß breitklaffende Risse in die Eintracht-Abwehr. Kudraß war machtlos dem Quecksilber Traub ausgeliefert, Bechtold sah zumeist nur noch Strittmatters Rücken und der blutjunge Luxemburger Kohn sprang mit Wloka um wie mit einem blutigen Anfänger. Er stoppte die Bälle kaltschnäuzig wie ein alter Profi, ging hurtig wie ein Reh an seinem Bewacher vorbei und legte mit einem Solo Pfaffscher Güte den Grundstein zum Ausgleich. Nachdem Bechtold mit einem Eigentor, das ebenso überflüssig war wie ein Kropf, den Karlsruhern wieder zur Tuchfühlung verholfen hatte, lief der Luxemburger mit dem Ball am Fuß an Heilig und Kudraß vorbei und knapp vor der Seitenlinie zog er das Leder so flach und präzis zur Mitte, daß Strittmatter nur noch den Fuß hinzuhalten hatte. Der lange Loy versuchte mit einem Spreizschritt von vier Meter Länge das Unheil noch aufzuhalten — aber selbst dieser Vier-Meter-Schritt war noch zu kurz. Eine Minute vor Schluß winkte den Karlsruhern sogar noch die Siegeschance, als Kohn wieder Wloka genarrt und sich freies Schußfeld verschafft hatte. Sein halbhoher Schuß war gut placiert — aber Loy riß instinktiv die Faust hoch, und das Leder schwirrte wie eine fliegende Untertasse über die Latte zur Ecke. Loys Faust rettete der Eintracht wenigstens noch einen Punkt — der andere freilich wanderte an der Seite der glückstrahlenden Mühlburger mit nach Karlsruhe.

Eintracht-Verteidiger wankten

Auch in diesem wundervollen Feiertags-Spiel — das in seiner Dramatik, in seinem schnellen Szeneriewechsel, seiner Rasanz und seinem Gehalt zu den besten Treffen des ganzen Jahres gehörte — zeigte sich, wie anfällig zur Zeit die Eintracht-Abwehr ist. Dem quirligen, gescheiten Spiel der vier Karlsruher Stürmer, die freilich durch Sommerlatt immer wieder tatkräftige Hilfe erhielten, waren die beiden Eintracht-Verteidiger Bechtold und Kudraß nicht gewachsen, sie wurden ein ums anderemal überlaufen, schlugen, aus Nervosität und aus Angst, die Bälle schlecht und ungenau ab und begingen Stellungsfehler, die zwei so ausgekochten Routiniers eigentlich nicht passieren durften. Auch Wloka hatte nicht seinen besten Tag — auch er wurde verschiedentlich an der Nase herumgeführt und aus Wut darüber ließ er sich einigemal zu Handlungen hinreißen, die sich beim besten Willen nicht mit dem Motto des Tages „Friede auf Erden" vereinbaren ließen. Ein Foul an Krohn in der ersten Halbzeit war reif zum Platzverweis!

Daß die Abwehr so ins Schwimmen geriet, war freilich auch auf die mäßige Form der beiden Außenläufer zurückzuführen. Remlein war nicht ausgesprochen schwach, kam aber doch nicht so zu Wort wie sonst, weil Kunkel, wie alle Mühlburger, unheimlich schnell im Start war und auch seine Ballführung sich nicht hinter den Spiegel zu verstecken brauchte. Bei Heilig aber wirkte sich die „Tiefe des Geläufs" fühlbar aus — nach gutem Start verschwand er mehr und mehr von der Bildfläche, er kam im Tempo nicht mehr mit, vergaß alle Deckungspflichten und wurde mit zum neuralgischen Punkt der ganzen Eintracht-Elf.

Loy reagierte vielleicht beim ersten Treffer der Karlsruher nicht rasch genug —aber wer konnte auch annehmen, daß Kudraß solange neben Kunkel herlaufen würde, bis dieser endlich auf halbrechts freies Schußfeld hatte! Gegen den Bombenschuß Strittmatters, der bereits nach fünf Minuten an die Latte sauste, wäre er ebenso machtlos gewesen, wie Rudi Fischer es gegen den Schrägschuß Weilbächers war, der die Eintracht in Führung brachte. Aber wie Loy Mühlburgs Siegeschance zerstörte, das allein kennzeichnete die Klasse des Eintracht-Hüters.

So wollen wir Pfaff sehen!

Der Sturm der Riederwälder schoß gegen die Mühlburger, die nach altbewährtem Rezept wieder Roth als Ausputzer amtieren ließen, während Sommerlatt die Doppelrolle des Halbrechten und rechten Läufers übernahm, drei Tore — das allein beweist, wie gut er aufgelegt war. Kreß (der später allerdings wieder vorn Egoismus-Bazillus angesteckt wurde) und Weilbächer (dessen Kopfbälle an den Ungarn Sandor Kocsis erinnerten) leisteten Akkordarbeit im Mittelfeld, Pfaff war aufgedreht wie ein Hochzeiter, er versetzte die Mühlburger, daß diese allen Orientierungssinn verloren, spitzelte einen Freistoß so raffiniert ins kurze Eck, daß selbst der abgebrühteste Zuschauer in Exstase geriet und entwickelte mehr Kampfgeist als im ganzen abgeflossenen Jahr zusammen. Wir waren hell begeistert — und wünschten uns nur, diesen Pfaff im Jahre 1955 dauernd so aufgelegt zu sehen, Bäumler wurde von dem harten Geesmann schwer aufs Korn genommen, aber er schüttelte seinen „Bobby" immer wieder ab und gab von rechts und links Musterflanken herein und Höfer hatte ein unbezahlbares Plus: er spielte den Ball stets so schnell ab, wie es gerade gegen einen Gegner, der so messerscharf, unbarmherzig und konsequent deckte wie es die Mühlburger vorpraktizierten, notwendig erschien.

Wir wissen nicht, was uns bei den Karlsruhern mehr imponierte: Ihre Fixigkeit im Lauf und im Denken, ihre Kunst, das Leder so lange zu treiben, bis sich eine Lücke zum Durchstoß geöffnet hatte, ihre famose Kondition, die ihnen noch eine Temposteigerung gestattete, als Matthäi am letzten schien oder die Klarheit ihres weitmaschigen und wuchtigen Spiels aus der Tiefe heraus. Gewiß: Die Eintracht gab zumeist den Ton an und hielt das Leder eine weit längere Zeit in ihren Reihen — aber die blitzartigen Gegenstöße der Mühlburger waren stets verteufelt gefährlich und verwirrten die Eintracht-Deckung so, daß diese allmählich allen Halt verlor. Sommerlatt war das A und O der Mühlburger, ungemein produktiv im Zerstören und geschickt im Spinnen der Fäden, der kleine Traub verrichtete ein unheimliches Laufpensum und gab sich bis zur Erschöpfung aus, Krohn entpuppte sich als Vollblutstürmer, und Max Fischer verlor den Mut nicht, sooft ihn auch Pfaff stehenließ. Roth räumte aus wie eine Kehrmaschine, Geesmann stoppte hart und umsichtig, und Rudi Fischers „Flugparaden" waren reif fürs Photoalbum. Wie er einmal einen Kopfball Weilbächers in einem phantastischen Sprung aus den Regenwolken herunterfischte — das war eines Oskars wert.

Die Mühlburger jubelten am Ende — aber das zufriedenste Gesicht machte Paul Oßwald, der Trainer der Offenbacher Kickers. Bis zum 9. Januar, wenn die große Revanche steigt, wird die Eintracht ihre Abwehr fest zusammenkitten müssen, um nicht zum Jahresanfang die Neuauflage der bitteren Enttäuschung vom Jahresabschluß hinnehmen zu müssen!

Als Schiedsrichter stellte sich ein Liga-Neuling vor, Herr Scheuring aus Schweinfurt. Er verriet keinerlei Lampenfieber, stopfte Kudraß rasch den Mund, als er meckern wollte und brachte das Spiel recht gut über die Zeit —, über kleine Schnitzer, die ihm unterliefen, wollen wir den Mantel der christlichen Nächstenliebe decken. (aus 'Der neue Sport' vom 27.12.1954)

 

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