Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart

Oberliga Süd 1955/56 - 7. Spieltag

0:3 (0:1)

Termin: 16.10.1955
Zuschauer: 13.000
Schiedsrichter: Horn (München)
Tore: 0:1 Waldner (37.), 0:2 Waldner (47.), 0:3 Bühler (79.)

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Eintracht Frankfurt VfB Stuttgart

 


  • Bögelein
  • Retter
  • Liebschwager
  • Dornhecker
  • Schlienz
  • Simon
  • Hinterstocker
  • Waldner
  • Krauß
  • Blessing
  • Bühler

 

Trainer Trainer
  • Georg Wurzer

Feigenspans gutes Debüt

Die Eintracht befindet sich spielerisch auf einem Krebsgang. Ihr Spiel läuft nicht mehr, es ist etwas schablonenhaft und auch altmodisch geworden. Ja, altmodisch ist das richtige Wort, und es mußte jedem wie Schuppen von den Augen fallen, der sah, wie modern der VfB Stuttgart aufspielte und mit seinem modernen Spiel auch zum Erfolg kam.

Innerhalb von vierzehn Tagen weilten die Stuttgarter zum zweiten Male am Main. So war es leicht, Vergleiche zu ziehen, und dabei ist zu sagen: der VfB hat seine Leistung vom Bieberer Berg nicht erreicht! Und doch gewonnen! Für alle, die nicht am Riederwald waren, dürfte mit dieser Feststellung ein Rätsel aufgegeben sein. Es ist ganz einfach zu lösen: die Eintracht fand zu diesem Gegner keine Einstellung. Warum ließ Schymik Waldner oft so ungeschoren und ließ sich von seinem Offensivdrang mitreißen? Waldner war das sehr angenehm, und er baute aus der Tiefe des Feldes gefährliche Angriffe auf. Jeder Vorstoß war von tödlicher Gefahr. Erstens waren die Stuttgarter Stürmer startschneller, zweitens verbreitete Rothuber durch seine Unsicherheit Nervosität unter seinen Vorderleuten. Auf der Tribüne wurde gesagt, Rothuber sei mit einer verstauchten Hand ins Spiel gegangen. Sollte das stimmen, so hätte sich die Eintracht damit einen Bärendienst geleistet.

Daß man nicht mit einer höheren Niederlage vom Feld ging, lag an der mangelhaften Schußkonzentration der Stuttgarter Stürmer und an Hans Wloka. Der alte Recke stand wie eine Eins in seinem Strafraum und putzte aus, als hätte es für ihn nie eine Pause gegeben. Er half auch bei Bechtold und Kudraß aus, wenn es nottat. Und es tat hie und da not, denn Bühler, Blessing, Waldner und Hinterstocker liefen mit Geschwindigkeiten, die auch einem Leichtathleten Ehre machen würden.

Die tiefere Ursache der Niederlage lag in Schymiks vernachlässigten Deckungspflichten, und sie lag wohl auch an Pfaff. Ihm gelangen wohl ein paar Tricks, aber was man von ihm erwartet: Linie ins Eintrachtspiel zu bringen, das brachte er nicht fertig. Es war aber auch schwer. Weilbächer — man hatte ihn doch in die Erste genommen, da Kreß von einer Magengeschichte geplagt wurde — verzettelte sich in nutzlosen Einzelaktionen. Bäumler war bei Liebschwager, der hart und trocken wie ein englischer Profi spielte, meistens abgemeldet. Geiger glückten einige Aktionen, und Retter sah gegen den jungen Mann oft nicht gut aus — und revanchierte sich dann durch unfaires Angehen. Aber Geiger ist immer noch ein Pechvogel, es fehlt ihm Selbstvertrauen. Den Rest werden ihm bald die Pfeifer auf den Rängen geraubt haben.

Blieb also nur noch Feigenspan übrig. Feigenspan feierte ein erfolgreiches Punktspiel-Debüt, wenn auch vielleicht verschiedene Zuschauer von ihm mehr erhofft hatten. Wunder konnte Feigenspan, fast allein auf sich gestellt, nicht vollbringen. Immerhin stand ein Schlienz gegen ihn und dessen Routine gab oft den Ausschlag. Doch Feigenspan zwang durch seine Beweglichkeit Schlienz, ihm bis zur Mittellinie und an die Seitenlinien zu folgen. Wäre jetzt ein Draufgänger vorhanden gewesen, die Lücke in der Stuttgarter Abwehr hätte zu einem Dammbruch werden können.

Der Dammbruch geschah nicht, und der VfB entführte beide Punkte. Das Eintrachtspiel ließ einmal etwas von der Frische eines Märzwindes verspüren. Heuer erinnerte es an den Herbst. Nun folgt auf jeden Herbst wieder ein Frühling. Dieses Naturgesetz gilt auch für den Fußball. Man hofft im Eintrachtlager, daß der Frühling bald anbricht. Schiedsrichter Horn (München) leitete unauffällig und konnte auch energisch sein. Ueber den vom Publikum geforderten Elfmeter (Retter hatte sich aufstützend den Ball mit der Hand berührt) konnte man geteilter Meinung sein.

Bereits in der 4. Minute öffnete ein Steilpaß von Kudraß dem links durchgelaufenen Geiger die freie Bahn, seine Flanke schoß Feigenspan jedoch knapp vorbei. Im Gegenstoß kam Hinterstockers Flanke etwas zu weit, so daß Kraus den Ball nur schräg vor das leere Eintrachttor köpfte, wo Wloka noch wegschlagen konnte. Ein schöner Angriff über den rechten Flügel brachte eine erneute Eintrachtchance, aber die massierte Stuttgarter Deckung wehrte ab. In der 18. Minute stoppte Simon Feigenspans Flachschuß, und der Nachschuß von Weilbächer wurde von Bögelein über die Latte gefaustet. Jetzt war die Eintracht wie aufgedreht, aber die Stuttgarter, die ihre Verbinder weit zurückhängen ließen, zeigten sich der Situation gewachsen, allerdings war die gesamte Deckung von Weilbächer in der 23. Minute praktisch ausgespielt, als dieser sogar Bögelein umdribbelt hatte. Der Frankfurter kam zu weit rechts, so daß sein Schuß, den man vorher schon ins leere Tor erwartet hatte, von Schlienz auf der Linie weggeschlagen wurde.

In der 28. Minute verfehlte Kudraß einen Steilpaß, aber Kraus schoß freistehend über die Latte. Sechs Minuten später kam Waldners Steilpaß aus der eigenen Hälfte, Rothuber stürzte dem Ball entgegen, ließ ihn durch die Beine, aber Kraus, der vor dem leeren Tor stand, schoß über die Latte. Zwei Minuten später setzte sich Wa1dner an Schymik vorbei und schoß aus spitzem Winkel das 0:1.

Es mag für den Leser lächerlich klingen. Aber die Eintracht hatte auch nach Halbzeit größere Vorteile. Sie drängte, weil sie sehr eifrig war. Aber dieser Eifer konnte die spielerische Linie, die völlig fehlte, nicht ersetzen. Die Stuttgarter machten alles mit mehr Ueberlegung, Routine und ihr Zuspiel bestach durch Genauigkeit. Rothuber mußte jedenfalls auch nach Halbzeit zuerst einen Schuß von Hinterstocker halten. Dann ging Feigenspan mit einem Steilpaß durch, wurde im Strafraum durch den von rechts anbrausenden Retter unsanft gestoppt, beide stürzten, und dabei berührte Retter den Ball mit der Hand. Die Zuschauer tobten, forderten stürmisch einen Elfmeter, der beim 1:0 für die Eintracht sicher das große Glück gewesen wäre.

Aber drei Minuten später schien die ganze Eintrachtdeckung zu träumen. Wloka, der schmerzverzerrt durchhielt, sah ebenso sorglos zu, wie Kudraß und Remlein, der nach Halbzeit wieder mit Schymik gewechselt hatte, als Waldner seelenruhig einen Querpaß annahm und mit einem Drehschuß flach ins Eck schoß. Rothuber reagierte zu spät. Die Eintracht kämpfte, rannte, aber je mehr sie rannte, um so ruhiger wurden die Stuttgarter, die nun auch Kraus und oft auch ihre beiden Halbstürmer taktisch klug zurücknahmen. Als man den Anschlußtreffer der Eintracht erwartete, fiel die endgültige Entscheidung. Simons Steilpaß verfehlte Wloka im Zweikampf mit Bühler. Der Stuttgarter lief etwas nach rechts, an Remlein vorbei, Rothuber rannte aus dem Tor, und Bühler brauchte nur noch einzuschieben.

Feigenspan schoß aus einem Gedränge heraus rechts vorbei. Dann bewies Bögelein seine große Klasse. Ein von ihm abgewehrter Eckball fiel Remlein vor die Beine. Ali erfaßte die Situation rasch, schoß, aber Bögelein warf sich am Elfmeterpunkt nach dem Ball und hielt ihn sicher. Jetzt hatte man den Eindruck, daß es die letzte große Gelegenheit war, zumal nun auch Alfred Pfaff sich in die eigene Deckung zurückgezogen hatte, und auch die Stuttgarter längst mit dem Erreichten zufrieden waren. (aus 'Der neue Sport' vom 17.10.1955)

 

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