Glasgow Rangers - Eintracht Frankfurt

Freundschaftsspiel 1961/1962

2:3 (0:2)

Termin: 17.10.1961
Zuschauer: 104.679
Schiedsrichter: Davidson (Airdrie)
Tore: Tore 0:1 Richard Kreß (8.), 0:2 Lothar Schämer (17.), 0:3 (49.) Höfer, 1:3 (52.) Davis, 2:3 (55.) Davis

>> Spielbericht <<

Einweihung der Flutlichtanlage Hampden Park

Glasgow Rangers Eintracht Frankfurt

  • Ritchie
  • Shearer
  • Caldow
  • Davis
  • Patterson
  • Baxter
  • Scott
  • McMillan
  • Miller
  • Brand
  • Wilson

 


 

Wechsel
Wechsel
Trainer
  • Scot Symon
Trainer

 

Eintracht-Triumph vor 104.679 Zuschauern

3:2-Sieg der Riederwälder im Glasgower Hampdenpark gegen die Rangers

Schwerstes und dramatischstes Spiel seit Jahren

Unser Redaktionsmitglied Bert Merz berichtet von der Großbritannienreise der Eintracht

Im Glasgower Hampdenpark bestand die Frankfurter Eintracht eine neue Probe auf internationalem Parkett. 104.679 Zuschauer und eine entfesselte Rangerself konnten den Riederwälder Sieg über den schottischen Rekordmeister nicht verhindern. In einem Spiel, das an Klasse, an Dramatik und an Sensationen kaum mit einem zweiten vergleichbar ist, holte sich Trainer Oßwalds Mannschaft einen 3:2-Sieg, den dritten gegen die Rangers nach den beiden Europapokalbegegnungen des vergangenen Jahres. Es war das schwerste Spiel der Eintracht seit langem! Um so höher der Wert des Erfolges, der vor einer Zuschauerzahl erkämpft wurde, die als Weltrekord für ein Freundschaftsspiel bezeichnet wird.

In der Geschichte der Frankfurter Eintracht wird Glasgow und der Hampdenpark eine hervorragende Stellung einnehmen. Es gibt nur wenige Punkte in der Welt, an denen man so viele Freunde der Frankfurter Fußballmannschaft antrifft wie in dieser typisch englischen Stadt im hohen Nordwesten Europas. Hier spielten sich in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren die größten Triumphe der Riederwälder Fußballer ab, der letzte von ihnen ist noch keine Woche alt. Wer diese drei Kämpfe miterlebte, braucht nicht nachzudenken bei der Frage nach den unvergeßlichen Spielen.

Wenn die schottischen Fußball-Experten, die in ihrer Kritik herb sein können und in ihrer Begeisterung nie hinter dem Berg zurückhalten, von einem Spiel reden und schreiben, wie es der traditionsreiche Hampdenpark noch nie gesehen habe, kann man ungefähr ermessen, welches einmalige Fußball-Schauspiel sich am 17. Oktober 1961 dort abspielte. Wenn jemand im Eintrachtlager nur im entferntesten geahnt hätte, was dieser Abend bringen würde, wäre das zweite Spiel auf der Insel bei Sheffield United zwei Tage später wohl nicht mehr in den Reiseplan aufgenommen worden.

Die Umstände schienen überhaupt nicht für die Eintracht geschaffen. Der Nebel in Frankfurt am Montag der vergangenen Woche warf den Flugplan und den Vorbereitungsplan der Riederwälder völlig über Bord. Zur Zeit, als Trainer Paul Osswald den ersten Besuch im Hampdenpark mit seiner Elf am späten Nachmittag vor hatte, landete die Maschine mit der Eintracht gerade auf dem Londoner Flughafen. Warten, warten und warten, war die einzige Aufgabe am ersten Reisetag. Diese 14 langen Stunden zwischen dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt und der Endstation, Hotel St. Enoch in Glasgow, konnte auch der „Magier" Osswald nicht mehr seinen Burschen aus den Beinen bringen.

Bei der Ankunft in Glasgow in den frühen Morgenstunden am Dienstag regnete es in Strömen, und beim Besuch des Hampdenparks am Nachmittag triefte der Rasen noch vor Nässe. Aber zum Glück fegte ein scharfer, kalter Wind über die graue und geschäftige Stadt am Clyde-Busen, und bis zum Abend war das Spielfeld etwas abgetrocknet. Wenn wir die Fußballfreunde auf den Straßen und die Experten, von denen sich im St. Enoch ständig neue einstellten, um die Eintracht zu begrüßen, nach den erwarteten Besuchern fragten, schwankten die Angaben zwischen 60.000 und 80.000. Höher lagen keine Voraussagen. Aber überall war das Interesse zu verspüren und die Hochachtung, die sich die Eintracht in den beiden vorausgegangenen Spielen erworben hatte.

Es bestand kein Zweifel: die Glasgow Rangers waren gerüstet und auf Revanche eingestellt, das Publikum ebenfalls. Es spricht für die Art und Weise, in der die Riederwälder diese dritte, so dramatische Begegnung gestalteten, daß die 104.679 Zuschauer am Ende die Rangers-Niederlage sofort vergaßen. Pech, Elfmeter verschossen, Lattenschüsse, alles spielte keine Rolle mehr. Die Leute, die über 90 Minuten lang den berühmten Hampden-Roar ertönen ließen, die nach dem 3:2 das Lied „Fellows on" anstimmten, sie überschütteten am Ende die Spieler im roten Dreß und den weißen Strümpfen mit Ovationen wie wohl keine Gastmannschaft zuvor an dieser Stelle. Wenn es noch einen Zweifel gab, nach dem letzten Dienstag sagte es ein maßgebender Mann des Glasgower Clubs mit folgenden Worten: Für uns gilt Rangers for ever, aber auch Eintracht for ever. („Rangers for ever" lautet der Spruch im Wappen des Vereins).

Als wir eine Stunde vorher mit der Eintrachtmannschaft im Bus in das größte europäische Stadion einfuhren, war die neue prächtige Flutlichtanlage noch nicht eingeschaltet. In der Dunkelheit aber hatten schon Zehntausende von Besuchern Platz genommen. Nur die 14.000 Tribühnenplätze, seit Wochen schon ausverkauft, hatten noch einige Lücken. Man hörte die Massen nicht anrücken wie bei uns. Es vollzog sich in Ruhe und Disziplin. Erst als die Mannschaften im Tunnel der Haupttribüne auftauchen, wurden die 100.000 lebendig. Erst dann erscholl der Hampden-Roar, der für knapp zwei Stunden kaum mehr einmal unterbrochen wurde.


Glasgower Jahrmarkt der Sensationen

Der Anfang hatte so vieles gemeinsam mit dem letzten Spiel zwischen den Rangers und der Eintracht auf dem eigenen Platz der Glasgower im Ibrox-Park. Auch damals starteten die Rangers, als hätten sie seit Wochen auf die Eintracht gewartet, um sie sofort zu überrollen. Damals schlich sich Dieter Lindner nach gut sieben Minuten durch die halbverlassene Rangers-Hälfte und schreckte die Schotten mit einem tollen Schuß ins Netz auf, diesmal zog der junge Schämer mit Weilbächers Steilpaß davon. Es gab zwar nur eine Ecke. Aber man mußte zweimal hinsehen. Schämers Eckball wurde auf dem Elfmeterpunkt von Richard Kreß aus der Drehung mit dem linken Fuß direkt aus der Luft genommen. Und mitten ins Ranger-Tor schlug dieser Schuß ein, zwischen Hüter und Verteidiger. „Der linke Fuß ist Richards starkes Bein", meinte Trainer Oßwald später. Die anderen brauchten eine Zeitlang, ehe sie begriffen, daß Oßwald nicht flachste. Der linke Fuß ist Richards Schußbein!

Nun, den Richard Kreß kannten die Glasgower. Er hatte schließlich gegen Real das Führungstor geschossen, er schoß es diesmal gegen Rangers. Und wie aus einem solchen Vorstoß Weilbächer—Schämer ein komplettes Tor zu machen ist, wurde dann in der 17. Minute vorgeführt. Auch diesmal stemmte sich der Verteidiger Shearer gegen den blonden Linksaußen vom Riederwald, der sich nicht abdrängen ließ und an Ritchie vorbei die Kugel ins lange Eck hämmerte, daß sie unter dem Netz hindurch noch hinter das Tor flitzte.

Eine jede andere Mannschaft als die Rangers wäre eigentlich an solch einem Auftakt zerbrochen, nicht aber diese Burschen vom Ibrox. Ich kannte sie schließlich gut, sah, was sie dort unten leisteten, und glaubte nach dem 3:0 dann doch: eben ist der Rangers-Hahn abgedreht. Und dann lagen sie, nicht einmal sieben Minuten später, mit 3:2 wieder auf Ausgleichsnähe hinter der Eintracht.

Aber reden wir von diesem dritten Tor, das eines der mir unvergeßlichsten bleiben dürfte, die ich auf vielen Plätzen der Welt sah. Gegen dieses Tor war Höfers Treffer im Meisterschaftsspiel gegen den VfB Mannheim ein Kinderspiel. Zuerst galt es für den Eintracht-Verteidiger einmal in Höhe der Mittellinie Scott, den mittelbaren Gegner, auszuschalten. Und dann marschierte Höfer, zwei ihn angreifende Schotten mit einer Körperdrehung täuschend, vom Spielfeldrand nach innen. Es folgte ein Querpaß, der von Kreuz sofort in eine lange Vorlage Richtung Strafraum abgefälscht wurde. Von links spurtete Höfer im spitzen Winkel hinter dem Ball her und zielte mit einem prachtvollen Schuß hoch unter das Dach in die lange Torecke. Fast auf der verlängerten Torlinie blieb Höfer erst einmal liegen, um zu verschnaufen. Dort nahmen ihn seine jubelnden Kameraden in Empfang.

Und dann packten die Rangers ihre Reserven aus. Wo sie diese hernahmen, das war kaum verständlich. Wie viele Angriffe hatten sie schon gestartet, wie viele Bälle verzielt und auch in der 29. Minute einen Elfmeter durch Brand neben den Pfosten gesetzt. Aber jetzt kam die Stunde des Harold Davis, jenes Kraftathleten vom Modell Kleiderschrank. Er schoß den Ball, den Loy zur Ecke wehrte, er setzte diese Ecke mit einem Kopfball (zehn Meter Anlauf) wie ein Rammpfahl in die Ecke und er köpfte auch den Freistoß von Baxter in der 55. Minute an Loy vorbei ein.

Stand Davis abseits?

Beim zweiten Tor kam eine Panne in der Eintrachtdeckung zu Hilfe. Als von siebzehn Meter auf der linken Seite der Freistoß ausgeführt wurde, standen Scott und Davis, jenseits der Mauer völlig frei. Dort kam der Ball hin, und die Eintrachtspieler schwören jetzt noch, daß die beiden Rangers-Spieler abseits standen. Der ganz schwache Protest brach sofort ab, als Linienrichter und Schiedsrichter nach der Mitte liefen.

Was die Rangers-Stürmer mit dem Fuß nicht fertigbrachte, machte ihnen dieser David per Kopf vor. Im Kopfballspiel waren die Schotten ohnehin großartig. Loy lenkte später einen mit der Stirn gestoßenen Ball des unglücklichen Elfmeterschützen Brand zur Ecke, der bei fast jedem anderen Torhüter keine Reaktion mehr ausgelöst hätte. Loy war der große Held der letzten Zeit! Aber auch die anderen kämpften um das 3:2 bis zu den Außenstürmern, die oft genug zum eigenen Strafraum zurückkamen.

Mitten in dieser Phase sah es besonders schlecht aus, als Lutz im Kampf gegen Wilson am Boden liegen blieb. Er schied mit einem Wadenkrampf aus. Landerer wurde Stopper und Eigenbrodt Verteidiger. Das erstaunliche, daß der Ex-Münchner zu einem solchen Zeitpunkt als neueintretender völlig „kalter" Mann in einer hektischen Atmosphäre nie die Ruhe und Uebersicht verlor. Das war ebenfalls ein Beitrag zum Sieg.

Eine Viertelstunde vor Schluß löste Lindner dann Kreuz ab, der keine Mittel besaß, um den „Riesen" David zu stören.

Stinka hatte Oßwald zum Halbrechten gemacht, und diese Maßnahme hatte bei den Angriffen der ersten Hälfte guten Erfolg. Dann aber ließ der sonstige Läufer etwas nach, um erst wieder in der Schlußviertelstunde zum wertvollsten Sturmmitglied zu werden. Ob er bei dem harten, oft defensiven Kampf in der Deckung mitgekommen wäre, braucht schließlich nicht mehr diskutiert werden. Dort zeigte Schymik, was er als disziplinierter und erfahrener Mann Wert sein kann. Und schließlich hatten es Schymik und Lutz gegen den Flitzer Wilson besonders schwer. Doch auch Weilbächers Part soll nicht unerwähnt bleiben. Er hatte es mit McMillan zu tun, dem gleichen Mann, von dem mir einmal Emil Oesterreicher sagte, daß er einer der besten Halbstürmer sei und er ihn jederzeit bei Real Madrid einbauen würde.

Es war ohnehin ein Tag der Athleten, und da die Eintracht genügend Spieler dieser Art besaß, ging der wertvolle Sieg gegen eine Weltklasseelf vom Schlag der Rangers mit nach Hause.

 

 


McMillan, Weilbächer, Landerer, Loy

Nach dem Spiel

Der Neue Sport sprach mit...

...Eintracht-Spielern

Mannschaftskapitän Hans Weilbächer: „Ein solches Spiel gibt es in Jahren nur einmal. Ich freue mich, daß wir es gewonnen haben, denn es war viel schwerer als das Lissabonner Spiel. Vor einer derartigen Kulisse zu spielen, erfordert unerhörte Nerven."

Herrmann Höfer: „Wir haben Wien erlebt und schon zweimal Glasgow. Alles das war nichts gegen diesen Kampf. Das Geschrei und die Anfeuerung waren so, daß wir Spieler oft Minuten lang es gar nicht mehr hörten. Es muß an der Bauweise dieses Stadions liegen, daß die Rufe so rauschen und schallen. Ich habe noch nie so etwas erlebt."

Erwin Stein: „Dieses Spiel hatte keine Pause, es gab keine ruhige Minute. Ich glaube, daß wir so viel gelaufen sind wie sonst in zwei Spielen. Die Anfeuerung durch das Publikum war einmalig. Das tollste aber war das Tor von Herrmann Höfer."

...Rangers-Spielern

Harold Davis: „An einen solchen famosen und guten Kampf kann ich mich in letzter Zeit nicht mehr erinnern. Unsere Mannschaft hat sehr gut gespielt, aber etwas Pech gehabt. Eintrachts Team ist großartig. Welch ein Torwart ist Loy und wie gefährlich sind die Stürmer, wenn sie angreifen."

Ralph Brand: „Es war nicht meine Nacht. Ich schieße sonst die Elfmeter besser."

Eric Caldow: „Torwart Loy war unübertroffen."

...Prominenten

James Robertson (Director Glasgow Rangers): „Die Menge war begeistert von einem solchen Spiel. Wir haben die Eintracht wieder als eine großartige Mannschaft erlebt und wir freuen uns schon auf das vierte Zusammentreffen."

Ernst Berger (Eintracht): „Unsere Mannschaft hat hervorragend gespielt, denn die Rangers sind nun einmal eine Klasseelf. Sie sind mit den Spielen vom Vorjahr kaum mehr zu vergleichen, weil sie heute so modern spielen wie kaum Mannschaften in England oder Schottland. Ich denke, daß wir diesen international hohen Standard bei unserem Spielermaterial noch Jahre halten können. Zu Egon Loy möchte ich noch sagen, daß er nie besser war als zur Zeit."

Willi Treml (Eintrachttrainer 1947/48, heute int. Manager): „Höfer war um eine ganze Klasse besser als alle Verteidiger internationalen Formats, die ich in letzter Zeit spielen sah. Ein Rätsel, daß so ein Mann nicht in der Nationalmannschaft spielt."


Rangers nach Frankfurt

Eintracht in Schottland immer populärer

In Glasgow konnte sich die Eintracht kaum mehr vor Spielangeboten retten. Besonders hartnäckig kämpften die großen Rivalen der Rangers, Celtic Glasgow und Hearts Edingburgh, um einen Termin. Celtic versuchte, die Riederwälder für den 8. November zu einer neuen Schottlandreise zu bewegen. Die einzige Zusage der Eintracht war eine Einladung an die Rangers für Ende der Saison. Ohne einen Augenblick zu zögern, nahm sie Rangers-Direktor Robertson schon beim Bankett am Abend des Spiels an.

Bei dieser Gelegenheit zeigte sich aufs neue die Freundschaft zwischen den beiden Vereinen. Alfred Pfaff, der mit von der Partie war, erhielt von seinem Freund Jonny Wilson jr., dem Sohn des Rangers-Präsidenten, einen neuen steifen Hut, diesmal in brauner Farbe. Die Eintrachtspieler mußten mit ihrem Vorsänger Hans Weilbächer das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute..." anstimmen, und die Glasgower stimmten ihre Rangers-Hymne an.

Als das glanzvolle Bankett vorüber war, ging die Verbrüderung weiter. Mittelläufer Patterson, Mittelstürmer Millar und der Kapitän der Rangers-Reserve saßen mit Hermann Höfer, Eberhard Schymik und Egon Loy noch lange im St.-Enoch-Hotel zusammen. bm. (aus 'Der neue Sport' vom 23.10.1961)

 

 

 

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