KSV Hessen Kassel  - Eintracht Frankfurt

Freundschaftsspiel 1962/1963

4:5 (2:0)

Termin: 01.08.1962
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Sparring (Kassel)
Tore: 1:0 Seißler (9.), 2:0 Burjan (40.), 3:0 Jendrosch (48.), 4:0 Jendrosch (55.), 4:1 Lothar Schämer (64., Elfmeter), 4:2 Wolfgang Solz (64.), 4:3 Erich Hahn (71.), 4:4 Erwin Stein (78.), 4:5 Erwin Stein (83.)

>> Spielbericht <<

KSV Hessen Kassel Eintracht Frankfurt

  • Nolte
  • Vollmer
  • Alt
  • Michel
  • Zatopek
  • Simon
  • Burjan
  • Aßmy
  • Velhorn
  • Jendrosch
  • Seißler

 


 

Wechsel
  • Kleim für Michel (73.)
Wechsel
Trainer
  • Willibald Hahn
Trainer

Eintracht-Gewitter im Kasseler Stadion

KSV Hessen Kassel — Eintracht Frankfurt 4:5 (2:0)

Nach einer Stunde sah die Eintracht aus wie ein Faustkämpfer, der fürchterliche Schläge bezogen hat, der ständig mit einem Auge zum Sekundanten schielt, ob der nicht endlich das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe in den Ring wirft. Die Kasseler aber marschierten einem strahlenden Sieg entgegen. Sie führten 4:0, und das Spiel rollte in endlosen Wogen dem Frankfurter Tor entgegen. 4:0 nach 60 Minuten! Verlegenheit und Resignation, Mutlosigkeit und Zorn standen in den Gesichtern der Männer vom Riederwald. Wann je lag die Eintracht nach einer Stunde Spielzeit 0:4 zurück? Am Spielfeldrand saßen Paul Oßwald, Ernst Berger und einige Ersatzspieler, und niemand sprach ein freundliches Wort.

Nach 90 Minuten hatte die Eintracht 5:4 gewonnen. Ueber die Kasseler war ein Gewitter gefahren. Es donnerte und es blitzte, es fielen Tor auf Tor. zwei weitere Treffer für die Eintracht wurden nicht akzeptiert, weil der Schiedsrichter vorher gepfiffen hatte. Ganz zuletzt erst zogen die Kasseler noch einen Endspurt an, aber diesem letzten Aufbäumen fehlte die Kraft, die vorher, eine Stunde lang, hinter jeden Angriff saß Und ohne Kraft war die nun beschwingte, lockere und leichte Eintracht nicht mehr abzudrängen.

Der Kasseler Zusammenbruch und das Erwachen der Eintracht haben nur zum Teil mit einer Reihe von Umstellungen zu tun, die sich Paul Oßwald in der Halbzeit einfallen ließ. Für Loy spielte Eisenhofer im Tor, für den Außenläufer Schymik kam Horn, für die Verbinder Lindner und Horn kamen Hahn und Solz. Diese neuformierte Truppe mußte, ehe sie die Hauptrolle spielte, zu den beiden Gegentoren aus der ersten Halbzeit noch zwei Tore schlucken. Zweierlei kam zusammen: Der Glücksfall der beiden Gegentreffer binnen einer Minute, als aus dem 0:4 blitzschnell ein 2:4 wurde, außerdem der rapide Kräfteabfall der Kasseler. Wo blieb, als die erste Stunde vorbei war, der vor der Pause so mächtig drängende und schießende Halbrechte Aßmy? Wo war Velhorn geblieben, wo Zatopek, der Stopper, vorher ein so meisterlicher Gegenspieler Erwin Steins? Rundherum wurden die Kasseler schwächer, und die frischen Leute der Eintracht, allen voran Wolfgang Solz, zogen nun die große Show ab. Als auch noch Richard Kreß das Resignieren aufgab und sich Weilbächer weit vorne postierte, unmittelbar hinter seinem Sturm, der nun wirklich ein Sturm war, begann das Feuerwerk.

Die Wirkung des großen Spielers Wolfgang Solz wurde erhöht durch eine Fleißarbeit. Der Radius reichte von einen bis zum anderen Strafraum. An Solz richtete sich die Eintracht auf. An Solz verzweifelte Kassels Deckung Der brave Michel, der vorher gegen Horn wenigstens halbwegs bestand, ging gegen Solz unter. Nach 73 Minuten schied Michel einer Gesichtsverletzung wegen aus. Sein Nachfolger wurde Kleim. Es änderte sich wenig. Dem neuen Mann des KSV merkte man wenigstens an, daß er noch frisch war.

Ihren Erich Hahn empfingen die Kasseler teils mit reserviertem Händeklatschen, teils mit Buhrufen und Pfiffen. Ihm scherte weder das eine noch das andere. Er war, unauffälliger als es sonst seine Art ist, gleichfalls einer der Eintracht-Motore Wegbereiter bei einem der Tore, Vollender eines zweiten Und gerade ihm standen seine ehemaligen Mannschaftskameraden mit besonderer Aufmerksamkeit zur Seite.

Solz und Hahn erste Wahl

Die Diskussionen um die künftige Gala-Formation der Eintracht wurden durch die Kasseler Erfahrungen munter vorangetrieben. Als Halbstürmer sollten nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung eigentlich nur Solz und Hahn in Frage kommen. Lindner schleppt, wie er in der ersten Halbzeit demonstrierte, immer noch seine Krise mit sich, die in erster Linie physische Gründe zu haben scheint. Horn kam als Außenläufer weit besser zur Geltung als in der ersten Halbzeit, da er Halbstürmer spielen sollte und doch mehr in der Läuferreihe wirkte.

Wie sehr das Auswechseln der Verbinder die Eintracht auf den Weg zum Sieg brachte, bewies der Aufschwung des Richard Kreß und der des Erwin Stein. In der ersten Halbzeit mußten sich beide selbst die Wege zum Tor freikämpfen, später wurden sie von derartigen Belastungen erlöst und mußten nichts anderes sein als Glieder in der Kette der Kombinationen und Spitzen des Eintrachtsturmes. Und beide fühlten sich in der zweiten Halbzeit weit wohler.

Die Deckung der Eintracht ließ der vier Gegentore wegen erschrecken. Wenigstens eines ging zu Lasten Eisenhofers, der seine Nerven anfangs noch nicht in der Gewalt hatte. In der letzten Viertelstunde erst wurde er zur Verstärkung, als er mit imponierenden Paraden den Sieg rettete. Lutz näherte sich im Sprintertempo seiner Normalform. Höfer aber kam noch nicht recht mit. Etliche Duelle mit Burjahn überstand er nur als zweiter Sieger. Herbert Windecker

Kassel braucht Kondition

Die Kasseler müssen eigentlich, um vollwertiges Mitglied der Oberliga zu werden, nur noch Kondition pauken. In der Elf steckt ein immenser Bestand an spielerischem Format, verstärkt noch durch den brillanten Außenläufer Simon und den schweren Aßmy. Auch Zatopek imponierte. Indessen versanken alle gute Eindrücke in der Finsternis der letzten halben Stunde. Eine Stunde lang repräsentierte der KSV süddeutsche Spitzenklasse. Später erfuhr er mit fünf knallenden Toren, daß jedes Spiel 90 Minuten dauert. (aus 'Der neue Sport' vom 06.08.1962)

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