TSG Ulm 1846 - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1962/1963 - 13. Spieltag

1:1 (0:0)

Termin: 25.11.1962
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Riegg (Augsburg)
Tore: 1:0 Ruoff (48.), 1:1 Erwin Stein (68.)

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TSG Ulm 1846 Eintracht Frankfurt

  • Fahrian
  • Faltermeier
  • Stocker
  • O.Deißler II
  • Burger
  • Engel
  • Siebert
  • R.Deißler I
  • Beichter
  • Ruoff
  • Praxl

 


 

Trainer
  • Fred Hoffmann
Trainer

Der Ritt über das Schneefeld

Herbert Windecker fuhr zum Eintracht-Spiel nach Ulm

Ulm 1846 - Eintracht Frankfurt 1:1 (0:0)

Nach Eckbällen lag die Eintracht am Ende 5:1 vorne, nach meßbaren, hochprozentigen Chancen etwa 5:3. Die Ulmer spielten in der ersten Halbzeit leicht überlegen. Die Eintracht knebelte ihren Gegner in der letzten halben Stunde, trieb ihn mit Mann und Maus in die eigene Hälfte und jagte mit wehenden Fahnen dem Sieg entgegen, während von den dichtbesetzten Stehrängen das Häuflein der Frankfurter Schlachtenbummler sein „Eintracht vor..." in den grauen Himmel schrie. Aber es blieb beim 1:1, und die Ulmer feierten ihr Unentschieden wie einen Sieg. Es war ja für sie auch ein Sieg. Die Prognosen vor dem Spiel bewegten sich im Ulmer Lager in tiefem Pessimismus. Sie schwankten auf der Pressetribüne zwischen 2:1 und 4:1 für die Eintracht. So gut ist ihr Ruf.

Indessen hatten die Ulmer schon etwas getan, um die Dinge halbwegs ins Gleichgewicht zu rücken. Sie hatten nämlich nichts getan. Keine Hand rührte sich vor dem Spiel, um die auf dem Platz lagernden Schneemassen zu zertrampeln oder wenigstens in den Brennpunkten, etwa vor den Toren oder um den Mittelkreis, wegzuräumen. Der Schnee sollte ihr Verbündeter sein, und er war es denn auch. Während die Eintracht begann wie auf grünem Rasen, mit weitgesteckten Kombinationen, mit Planungen, als sei nie eine Flocke vom Himmel gefallen, packten die Ulmer alles viel gescheiter an. Sie spielten Stafetten-Fußball.

Wer den Ball am Fuß trug, schlug ihn weit nach vorne. Wer dem Ball am nächsten stand, rannte ihm nach. Wer in der Nähe des Tores angekommen war, schoß. So war der Schnee den einen ein Bundesgenosse, den anderen ein Hindernis erster Ordnung. Das 0:0 zur Halbzeit entsprach denn auch nicht den Dingen, die bis zu dieser Zeit geschehen waren. Das System der Ulmer behauptete sich.

Schnee und Gegenspieler bremsen Solz Das 1:0 durch Ruoff

 

Die Akklimatisierung der Eintracht währte etwa eine halbe Stunde. Um diese Zeit wuchs nach einem flinken Slalom des Wolfgang Solz die erste Eintracht-Chance, nach einem Schuß Lindners, den sich Fahrian griff, die zweite. Die Zeichen der Wende waren nicht zu übersehen. Aber bis die Eintracht ganz die Eintracht war, mußte der Gegner dann doch ein Tor schießen. Es fiel, wie nicht anders zu erwarten, im Bereich von Lutz, dem Praxl, Ulms kleinster, hartnäckigster und bester Stürmer, wieder einmal entwichen war. Praxl lieferte die Vorlage maßgerecht, Ruoff hämmerte den Ball unter die Latte. Mit dieser Sekunde erlosch aller Ulmer Glanz. Die Eintracht kam.

Am augenscheinlichsten drückte sich der Umschwung im Bereich Stocker—Kreß aus. Dem Ulmer Verteidiger wurden zur Halbzeit Beifallsovationen bereitet, weil er dem Richard mit einer gnadenlosen, oft nicht astreinen Partie, garniert mit Härte und viel Erbitterung, anscheinend den Nerv gezogen hatte. Es kam anders. Richard kam mit seiner zweiten Luft, Stockers Luft ging aus. In der Folge, bis zur letzten Sekunde der 90. Minute, nahm Richard Kreß seine eigene Rache an seinem Beherrscher der ersten Halbzeit und bereitete mit diesem Werk den Sieg der Eintracht vor. Der Sieg blieb aus, weil die Ulmer nun eine schier undurchdringliche Mauer vor dem Tor gezogen hatten, eine Mauer, in der Stürmer und Verteidiger Seit' an Seit' standen. Stocker mußte einen Stein-Schuß aus dem Tor schlagen, der Halbrechte Deißler einen Kreß-Schuß. Es fiel nur das 1:1 durch Erwin Stein, der eine Solz-Flanke aus der Luft annahm und den Ball ins Tor nagelte. Fahrian sperrte den Mund auf.

Höfers und Landerers Verdienste

Die Besserungserscheinungen der Eintracht blieben unübersehbar. Kummer machte nur der lange, beschwerliche Anlauf, aber daran war wohl der Schnee schuld. Später gings Stück für Stück nach oben. Zuletzt spielte die Eintracht genau so, wie es die Ulmer von ihr erwartet hatten. Daß die Ulmer Reise wenigstens einen Punkt einbrachte, war jenen Männern zu verdanken, die am schnellsten mit beiden Füßen im Schnee standen, einmal Höfer, der das Duell mit Siebert so ernst nahm, als spiele er gegen Herrn Pele persönlich, zum zweiten Landerer, der nach einigen Bocksprüngen in den allerersten Phasen mit bajuwarischer Ruhe sein Lager vor dem Strafraum aufschlug und die Funken sprühen ließ.

Die anderen kamen erst später. Schymik mußte die ersten Prüfungen in der eigenen Hälfte ablegen, ehe er sich nach vorne orientieren durfte, Horn pendelte über geraume Zeit zwischen Landerer und Lutz einher, um als zusätzliche Stütze die Gefahr von Rückschlägen zu mindern — Vorsicht ging um diese Zeit vor alles. Es war richtig so.

Später gehörte die Vorsicht der Vergangenheit an. Die Eintracht stürmte nun. Das Tandem Solz—Lindner übte fleißig die Positionswechsel, Stein kam zum Schießen, Kreß führte seinen Stocker an der Nase herum — alles klappte, bis auf das eine, zweite Tor, das partout nicht fiel und bis auf Stinka, dem der Schnee anscheinend noch mehr ausmachte als allen anderen. Aber das fiel um diese Zeit längst nicht mehr auf, denn der Aufschwung aller anderen Stürmer hatte Schymik, Horn und selbst Höfer nach vorne gelockt. (aus 'Der neue Sport' vom 26.11.1962)

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