Hamburger SV - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1964/1965 - 7. Spieltag

2:1 (1:1)

Termin: Sa 10.10.1964 15:15
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Günther Baumgärtel (Hagen)
Tore: 1:0 Peter Woldmann (27.), 1:1 Lothar Schämer (35.), 2:1 Peter Wulf (86.)

 

 

>> Spielbericht <<

Hamburger SV
Eintracht Frankfurt

  • Horst Schnoor
  • Lothar Kröpelin
  • Gerhard Krug
  • Holger Dieckmann
  • Willi Giesemann
  • Peter Woldmann
  • Harry Bähre
  • Peter Wulf
  • Horst Dehn
  • Heiko Kurth
  • Fritz Boyens

 


 

Trainer
  • Georg Gawliczek
Trainer

 

 

Die krankhafte Sucht

Drei Mal ist die Frankfurter Eintracht in der noch jungen Runde zu Hause angetreten, hat dabei jedoch insgesamt nur einen mageren Punkt erzielen können. Auswärts ist die Truppe vom Main dagegen eine Macht und weist mit drei Siegen bei drei Auftritten eine makellose Bilanz auf. Und doch ist Vorsicht geboten, denn die Elf erweist sich auch sonst als wankelmütig. Dem 0:7 gegen den Abstiegskandidaten KSC im Waldstadion folgte drei Tage später im Messe-Pokal das 1:5 beim schottischen Vertreter FC Kilmarnock.

Der HSV, bei dem man heute antreten muss, hat dagegen an den ersten sechs Spieltagen nur eine Niederlage hinnehmen müssen und den Hessen in der vorherigen Saison an der Elbe eine 3:0-Schlappe zugefügt. Allerdings muss Trainer Georg Gawliczek, der im April bei Schalke 04 die Kündigung erhielt und seit dem Sommer die Hamburger betreut, auf seinen etatmäßigen Sturm verzichten: Uwe Seeler, der von den fünf Hamburger Treffern gegen die Eintracht in der letzten Saison allein vier erzielte, fehlt mit einem Muskelfaserriss ebenso wie Gert „Charly“ Dörfel, der das fünfte Tor beisteuerte. Zudem fällt Gerts Bruder Bernd mit einer Rückenwirbelverletzung ebenfalls aus. Das ist schade, denn der junge Mann hat bereits vielversprechende Ansätze gezeigt.

Noch keine Alternative ist der finnische Neuzugang Juhani Peltonen, der schon seit Wochen in seiner Heimat mit den Hufen scharrt: „Ich warte ungeduldig auf den Tag, an dem ich für den HSV spielen kann“, hat er bereits Mitte September übermitteln lassen. Sein aktueller Klub will den Flügelstürmer jedoch erst mit dem Ende der Meisterschaftsrunde in Finnland ziehen lassen und der Generalsekretär des finnischen Fußballverbandes teilte dem Hamburger Abendblatt in dieser Woche auf dessen Anfrage hin telefonisch mit: „Nationalspieler Juhani Peltonen wird von seinem Verein Haka Valkeakoski für das HSV-Spiel am Sonnabend gegen Frankfurt nicht freigegeben, weil er am Sonntag sein letztes Punktspiel bestreiten soll.“

Gawliczek, der auf den beim torlosen Unentschieden in Bremen schwachen Andreas Maté verzichtet, setzt deswegen auf den Flügeln Fritz Boyens und Heiko Kurth sowie Peter Woldmann als Vertreter von Mittelstürmer Uwe Seeler ein. Das ist keine geringe Bürde für den 21-jährigen Woldmann, der in der letzten Saison auf zwei Einsätze kam, und heute vor seinem dritten Bundesligaspiel steht. 30.000 Zuschauer werden ihm dabei zusehen. Eine beachtliche Kulisse, die sich weder von der Verletztenmisere des HSV noch vom Wetter hat abschrecken lassen.

Der Gastgeber tut es von Beginn an seinem Publikum gleich und lässt sich von den widrigen Umständen nicht aufhalten. Gewiss, man merkt der Elf an, dass sie in dieser Formation nicht eingeübt ist, doch was ihr an blindem Verständnis naturgemäß fehlen muss, macht die Truppe durch großen Einsatz wett. Und die Eintracht ist in diesem Spiel nicht der Gegner, der daraus Kapital schlagen könnte, dass die Hausherren anfänglich noch ein bisschen auf der Suche nach sich selbst sind.


Das 1:0 durch Woldmann

Bei den Hessen braucht übrigens der wiedergenesene Friedel Lutz ebenfalls eine Weile, bis er zur bekannten Form aufläuft. Für Mittelläufer Lutz ist Richard Weber in die Verteidigung gerückt, wo gegen die Hertha am letzten Spieltag noch Neuzugang Peter Blusch an der Seite von Hermann Höfer stand. Auffällig ist, dass Mittelstürmer Woldmann selbst in den Duellen mit den erfahrenen Kämpen Höfer keinerlei Respekt an den Tag legt, bis auf die Flügel hinaus munter seine Kreise zieht und den Abschluss sucht, sobald sich die Möglichkeit bietet. Und so ist es kein Zufall, sondern ein verdienter Lohn des aufmerksamen Angreifers, dass er in die 27. Minute zur Stelle ist, als Loy einen Ball von Peter Wulf zu kurz abwehrt, und das 1:0 für die Gastgeber erzielt.

Die Führung des HSV durch Woldmann währt allerdings nur acht Minuten, dann stellt Lothar Schämer nach einem Freistoß von Wolfgang Solz den Gleichstand zum 1:1 wieder her. So zwingend erlebt man die Hessen in Hamburg heute nur selten. Zwar lassen sie den Ball durch ihre Reihen mit gewohnter Finesse laufen, doch ihr Zauber beschränkt sich auf das Mittelfeld und löst sich in torgefährlicher Nähe regelmäßig auf.

Die Offensive der Eintracht enttäuscht, wenn auch dank Schämer nicht auf ganzer Linie. Der Torschütze liefert sich mit Lothar Kröpelin spannende Zweikämpfe, doch sonst kann nur der unermüdlich rackernde Solz auf Schämers Seite wenigstens im läuferischen Bereich mithalten. Wilhelm Huberts weiß lediglich zu gefallen, wenn er aus dem Mittelfeld agiert, im Sturmzentrum bleibt er dagegen vieles schuldig und macht gegen Willi Giesemann keine gute Figur und keinen Stich. Auf dem rechten Flügel haben unterdessen der sich oft zurückfallen lassende Horst Trimhold gegen Harry Bähre und Erwin Stein gegen den erneut starken Holger Dieckmann gleichfalls nicht viel zu bestellen. Stein bleibt das unrühmliche Prädikat des schwächsten Stürmers auf dem Feld nur deswegen erspart, weil Boyens beim Gastgeber noch deutlicher abfällt.

Der strömenden Regen lässt wohl kein technisch anspruchsvolles Spiel zu und das Tempo der Partie ist auch nicht beeindruckend, die Zuschauer, soweit sie es mit den Hanseaten halten, kommen aber dennoch auf ihre Kosten. Gerhard Krug, der mit seinen defensiven Aufgaben nicht ausgelastet ist, kurbelt das Spiel seiner Elf in der Rolle eines Regisseurs an und findet dabei Unterstützung durch den zielgerichteten Wulf. Und Kurth, Boyens Pendant am anderen Flügel, sorgt ein ums andere Mal für Gefahr vor dem Frankfurter Tor. Höfer, der schon seit der ersten Halbzeit von einer Zerrung behindert wird, hat auf Geheiß des Trainers mit Weber die Seite getauscht, und muss sich von Kurth, der mit seinen respektablen Schussversuchen allerdings kein rechtes Glück hat, nicht nur einmal überlaufen lassen.

Gegen die im zweiten Abschnitt schwächer werdenden Gäste trumpft der HSV immer stärker auf. Kurths gelungen Fallrückzieher kann Loy mit seinem Können gerade noch parieren, doch als Lutz, vom anstürmenden Woldmann unter Druck gesetzt, kurz davor ist, den Ball ins eigene Netz zu bugsieren, muss anstelle von Loy das Glück der Eintracht zur Seite stehen. Doch das wendet sich kurz vor Spielende von den Hessen ab, so dass nur noch Loy den Sieg der Hamburger verhindern kann. Das gelingt ihm zuerst auch, nachdem der von Kurth steil geschickte Wulf an Lutz, jedoch nicht am Frankfurter Schlussmann vorbei kommt, doch nach Dehns folgender präziser Hereingabe, die Wulf mit der Brust annimmt und unhaltbar zum 2:1 in die Maschen jagt, ist Loy machtlos. Und diesen erneuten Rückstand holt die Eintracht in den verbleibenden vier Minuten nicht mehr auf.

„Es waren sehr wichtige Punkte, und ich kann meiner Elf die Hochachtung nicht versagen“, lobt HSV-Trainer Gawliczek: „Es war gewiss kein großes Spiel. Aber dass dieser Notbehelf eines Sturms so schneidig kämpfte, mit Woldmann an der Spitze der Eintracht so zusetzte, das war allerlei.“ „Was nutzte da der Frankfurter Mittelfeldtraumfußball?“, fragt er und fügt hinzu: „Das Sturmspiel war doch so drucklos, dass unsere Abwehr nur sehr selten wirklich in Gefahr kam.“

„Unsere Mannschaft spielte dagegen viel zu drucklos“, findet sein Frankfurter Kollege Osswald ebenfalls und schimpft: „Unser Innentrio hatte eine krankhafte Sucht, nur für sich selbst zu spielen und die Außen verhungern zu lassen.“ „Diesmal hätten wir sie packen müssen. Es war so leicht wie nie“, trauert er der Chance auf den Sieg und dem entgangenen Remis nach: „Fünf Minuten vor Schluss durfte der eine Punkt nicht mehr verlorengehen!“ „Und nicht nur das“, klagt der Fußballlehrer, „es gibt neue Sorgen. Höfers Zerrung war unbedingt ausgeheilt. Konnte ich nach diesem Spiel glauben, Lutz wieder vollwertig zur Verfügung zu haben, fällt nun Hofer wieder aus.“ Auch hier hat der HSV bessere Nachrichten: „Es ist ein Muskelfaseranriss mit einem handfesten Bluterguss, ich spüre ihn selbst beim Stehen“, berichtet der malade Uwe Seeler: „Doch in Karlsruhe möchte ich wieder dabei sein. Bei mir heilt alles schnell.“ (rs)

 

 

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