Eintracht Frankfurt - 1. FC Kaiserslautern

Bundesliga 1967/1968 - 20. Spieltag

5:2 (3:0)

Termin: Sa 20.01.1968, 15:30 Uhr
Zuschauer: 13.000
Schiedsrichter: Rolf Seekamp (Bremen)
Tore: 1:0 Oskar Lotz (3.), 2:0 Walter Bechtold (6.), 3:0 Lothar Schämer (31., Foulelfmeter), 4:0 Wolfgang Solz (68.), 5:0 Jürgen Friedrich (78.), 5:1 Gerhard Kentschke (84.), 5:2 Gerd Roggensack (87.)

 


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Eintracht Frankfurt 1. FC Kaiserslautern

 


  • Wolfgang Schnarr
  • Herwart Koppenhöfer
  • Dietmar Schwager
  • Gerd Schneider
  • Uwe Klimaschefski
  • Heinz-Dieter Hasebrink
  • Ernst Diehl
  • Heinz-Dieter Hansing
  • Gerd Roggensack
  • Helmut Kapitulski
  • Gerhard Kentschke

 

Wechsel
Wechsel
  • Andrija Ankovic für Heinz-Dieter Hansing (64.)
Trainer Trainer

 

 

Abwanderungsgedanken und Abstiegskampf

Zum Fest der Sportpresse am Freitag, den 2. Februar, in der Frankfurter Festhalle wird es ein Derby geben, das einmal, im Jahre 1959, zum deutschen Fußball-Endspiel wurde. Damals siegte die Frankfurter Eintracht gegen Kickers Offenbach. In der Festhalle kommt es zu einer Art Gedächtnisspiel. Unter der Leitung von Altbundestrainer „Sepp“ Herberger stehen sich im Fußballtennis Pfaff, Sztani, Höfer und Loy aus Frankfurt und Berti Kraus, Nuber, Preisendörfer & Co. aus Offenbach gegenüber. Jörg Steffen wird dazu singen: „So ein Tag, so wunderschön wie damals …“

Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Eintracht steht aktuell mit 14 Punkten auf Rang 15. Statt im Kampf um die Meisterschaft finden sich die Frankfurter im Tabellenkeller wieder, wobei sie wie der nächste Gegner aus Kaiserslautern, der mit 16 Punkten auf Rang 13 platziert ist, aktuell noch ein Spiel weniger ausgetragen haben als die Masse der Konkurrenz. Das Ziel des 1. FC Kaiserslautern in Frankfurt ist es, einen Punkt zu ergattern, um die Eintracht auf Distanz zu halten, sagt Lauterns Trainer Otto Knefler. Dabei muss er allerdings auf Mittelstürmer Windhausen verzichten, der sich im Training den Mittelfußknochen angebrochen hat: „In dieser Beziehung sind die Eintracht, die ebenfalls ohne wirkliche Spitze auskommen muss, und wir so etwas wie Leidensgenossen.“

Nachdem die Lauterer die letzte Saison überraschend auf Platz 5 abgeschlossen haben, finden sie sich in dieser Spielzeit in gewohnter Situation wieder – in der unteren Tabellenhälfte der Bundesliga. Überraschend ist dabei aber, dass die Pfälzer sich mit fast der Hälfte all ihrer Punkte in der Fremde eingedeckt haben. „Ich kann ja meine Betriebsgeheimnisse nicht verraten“, hält sich Trainer Knefler bedeckt, wenn es um die Auswärtsstärke seiner Mannschaft geht, die unter Vorgänger Gyula Lorant wie gehabt nur am heimischen Betzenberg eine Macht war: „Jeder hat halt seine eigene Handschrift.“ „Vorsicht ist die Mutter ihrer Erfolge“, meint die Frankfurter Rundschau über die Lauterer Elf im Gespräch mit Knefler, worauf dieser entgegnet: „Schreiben Sie aber dazu, dass das nicht der Otto Knefler gesagt hat. Nachher kriegen wir fünf Stück rein und die Leute lachen mich aus!“ Otto Knefler kennt dieses Gelächter, denn seine Truppe kassierte auswärts auch empfindliche Niederlagen wie bei dem 2:8-Debakel in Mönchengladbach, der 0:5-Klatsche in Köln und den 1:4-Schlappen in Nürnberg und bei Bayern München: „Wenn wir auswärts verlieren, dann gleich mit Pauken und Trompeten. Der Grund ist einfach. Wir sind nun mal langsame Starter, und wenn es am Anfang im eigenen Strafraum kracht, dann müssen wir raus aus dem Hintergrund, dann kann der Gegner kontern, und alle schönen Pläne stimmen nicht mehr.“

Pläne ganz anderer Art haben drei Spieler der Frankfurter Eintracht: Wolfgang Solz, Istvan Sztani und Peter Blusch. Ihre Verträge bei den Riederwäldern laufen, wie die von Lindner, Friedrich und Kraus, am Ende dieser Saison aus und der als Reisender in Sachen US-Fußball in diesen Wochen durch Europa ziehende Rudi Gutendorf hat auch ihre Blicke nach Übersee gelenkt. Gutendorf, der sich als Trainer in Duisburg und in Stuttgart einen Namen machte, hat mit Solz Kontakt aufgenommen, wie der Eintrachtspieler auf Anfrage der Frankfurter Rundschau (FR) bestätigt: „Es stimmt, ich habe mit Herrn Gutendorf gesprochen.“ Allerdings sei dies vor gut einem Vierteljahr geschehen und inzwischen habe er vom jetzigen Manager beim Profi-Club in St. Louis nichts mehr gehört „Ich ginge auch mit meiner Familie für zwei Jahre nach den USA“, betont der „Brasilianer“ und macht aus seinem Beweggrund kein Geheimnis: „Wenn ich dort in einem Jahr so viel bekomme wie hier in zwei bis drei Jahren, stelle ich mich doch besser. Die geschäftlichen Angelegenheiten kann ich für diese Zeit ohne Schwierigkeiten regeln.“

Solz, der wegen einer Verletzung am letzten Wochenende in Bremen zu seinem Bundesligacomeback und erst 6. Ligaspiel in dieser Runde kam, hält in Frankfurt nichts mehr, wie es scheint. „Ich bin fast zehn Jahre bei der Eintracht und glaube, immer meine Pflicht erfüllt zu haben. Wenn meine Forderungen erfüllt werden, unterschreibe ich auch wieder einen Vertrag bei meinem Verein. Das Treuegeld in voller Höhe ist für mich eine legale Forderung. Ich will keine Almosen, nur das, was mir zusteht“, sagt Solz, der zusammen Adolf Zimmermann eine Versicherungsagentur betreibt. Zimmermann ist dem Werben des Profifußballs übrigens nicht erlegen; er spielt bei der SG Westend. „Ich bin noch der einzige geborene Frankfurter in unserer Elf. Ich muss an mich denken“, gibt Solz zu, der vor zwei Jahren bereits vom 1. FC Nürnberg umworben wurde: „Es bleiben mir noch drei bis vier Jahre, in denen ich an der Spitze mitmischen und Geld verdienen kann. Es wird schließlich immer gesagt, wir sind Profis. Also greift man dort zu, wo die besten Möglichkeiten bestehen.“

Solz’ Mannschaftskamerad Istvan Sztani, Mitglied der Frankfurter Meistermannschaft von 1959, der aber seit seiner Rückkehr 1965 nicht mehr an frühere Leistungen anknüpfen kann und seit nach dem 30. September des letzten Jahres keinen Pflichtspieleinsatz mehr bestritten hat, wird mit Toronto in Verbindung gebracht, wo der legendäre László Kubala als Manager der Falcons tätig ist. Frau Sztani bestätigt gegenüber der FR das Angebot: „Aber wir haben uns noch nicht entschieden.“ Von Peter Blusch, so berichtet die FR, weiß man schon seit Wochen, dass er nur allzu gern von einem Angebot aus den USA spricht. Um welchen Verein es sich handelt, ist nicht bekannt.

„Im Augenblick, da die Elf auf dem schmalen Grat zwischen Mittelfeld und Abstiegszone balanciert, ist eine verschworene Kämpfertruppe von Nöten, um die große Gefahr zeitig abzuwenden“, kommentiert die FR: „Es mag tröstlich sein, dass die Spieler mit Abwanderungsgedanken versichern, dass sie bis zur letzten Spielminute dieser Saison mit heißen Herzen und ganzer Kraft für die Eintracht einstehen. Doch der frühzeitige Ausblick von Spielern und Trainern nach neuen Ufern hat bisher immer geschadet, wie das Beispiel der Münchener Bayern erst kürzlich bestätigte. Auch bei der Eintracht steht ein Trainerwechsel am Ende der Runde bevor, und er bringt genauso Unruhe in den Verein wie die Wandergelüste der Spieler. Eintracht-Präsident Rudi Gramlich hat in diesen Tagen wiederholt von einschneidenden Maßnahmen gesprochen, die getroffen werden. Vielleicht ist es wichtig, sie bald zu treffen, ehe es zum unerbittlichen Kampf um den Klassenerhalt kommt. Denn im Kämpfen ist die Eintracht stets einige Nummern kleiner als im Spielen gewesen.“

Über die Worte, die in einer Sondersitzung der Eintrachtmannschaft am Dienstag gefallen sind, wird nichts bekannt. Aber das Trainingsspiel am Donnerstag sorgt für Gerüchte über eine neuformierte Elf, weil am Riederwald mit einer völlig veränderten Aufstellung geübt wird. Am Samstag ist dann aber alles beim Alten. Nur Pressewart Manfred Birkholz überrascht, als er seinen Tipp für die Partie abgibt: 5:0.

„In den ersten Minuten haben wir schon viele unnötige Tore schlucken müssen, weil wir zu langsam starteten. Geht deshalb hier in Frankfurt gleich bissig 'ran“, hat Gästetrainer Knefler seinen Spielern mit auf den Weg gegeben, doch schon nach drei Minuten steht es 1:0 für die Eintracht. Der stürmende Außenverteidiger Jusufi hat nach innen gegeben, wo der Lauterer Schwager über den Ball säbelt und Lotz in Position bringt. Der steht frei, zieht aus 12 Metern ab und lässt Gästetorwart Schnarr, der die Eintracht in der letzten Saison im Waldstadion fast zur Verzweiflung getrieben hätte, keine Chance. Auf Lotz hätten die Pfälzer nun wirklich besser Acht geben müssen, denn schließlich war er es, der in der Hinrunde nach Klimaschefskis vergebenen Elfmeter in der 85. Minute 180 Sekunden später den 1:1-Endstand markierte.

Die Eintracht begnügt sich nicht mit dieser schnellen Führung, sie stürmt weiter. Friedrich köpft eine von Schnarr abgewehrte Lotz-Ecke zurück in den Strafraum, wo Schnarr und Koppenhöfer sich auf der Torlinie behindern, Bechtold als lachender Dritter mit dem Hinterkopf Kopf an den Ball kommt und diesen ins Netz des 1. FC Kaiserslautern verlängert. 2:0 nach sechs Minuten.

Fast im Gegenzug muss der seit Beginn dieser Saison für die Eintracht spielende ehemalige Nationaltorhüter Hans Tilkowski seine Klasse beweisen, als Hasebrink ihn zu einer Parade zwingt, doch alles in allem ist Kaiserslautern in der Folge sichtlich beeindruckt. Dabei kann man nicht sagen, dass irgendein Eintrachtspieler über sich hinauswachsen und eine außerordentliche Leistung abrufen würde. Nein, es genügt völlig, dass endlich einmal jeder wieder so gut spielt, wie er es im Normalfalle zu tun vermag.


Solz gegen Koppenhöfer

Huberts spielt mannschaftsdienlich, verzichtet auf die sich bei diesem Gegner anbietenden Kunststücke, und unterstützt so Lindner und Blusch in der Deckung. Heute müssen sie nicht umher hetzten, um als Einmannlöschzüge die Brandherde zu bekämpfen, die ihre Mitspieler gelegt haben. Die Hintermannschaft der Eintracht steht so sicher wie selten in den letzten Wochen.

Nach einer halben Stunde lässt die Elf von Elek Schwartz dann auch den verdienten dritten Treffer folgen. Eben noch hat Schiedsrichter Seehausen Gnade vor Recht ergehen lassen, als Koppenhöfer dem in den Strafraum kurvenden Lotz das Bein stellte, doch als Solz erneut in den Strafraum stürmt, dabei den Ball auf den falschen Fuß bekommt und von Schwager zu Fall gebracht wird, erkennt der Unparteiische auf Foulelfmeter. Schämer vollstreckt diesen mit der Wucht einer Abrissbirne.

Auch Bechtold zeigt heute seine Normalform, was bei seinem Repertoire besonders wertvoll ist. Er besitzt trotz seiner Jugend die Übersicht, ein Spiel aus der Rolle eines Beobachters zu lesen, um dann mit seinen Pässen die Mitspieler auf die richtigen Wege zu setzen. Lotz profitiert vom ebenso feinsinnigen wie robusten Architekten des Angriffswirbels der Eintracht, dessen mit blauen Flecken übersäten Waden und Schienbeine Zeugnis davon geben, dass auch dem unterlegenen Gegner die Quelle der Gefahr nicht entgangen ist.

Als Grabowski in der zweiten Halbzeit zu seinen Soli am Flügel ansetzt, macht Bechtold rasch Platz und wechselt auf die andere Seite, um dort weiter Druck auf den Kessel zu geben. Jusufi und Schämer sind heute für erhöhten Angriffsdruck nicht vonnöten, wobei auch das Pressing der gesamten Mannschaft zur Entlastung der beiden beiträgt, die sich meist hinter der Mittellinie postieren können. Der wenig durchschlagskräftige Angriff der Gäste ist somit ausgebremst, bevor er Fahrt aufnehmen kann. Schneider in der Abwehr, Hasebrink und Kapitulski im Mittelfeld sowie mit Abstrichen Kentschke im Sturm können halbwegs mit ihren Gegenspielern mithalten, ihre Mannschaftskameraden aber wirken in ihren Duellen wie David gegen Goliath - allerdings ohne Schleuder.

Weit über eine halbe Stunde zaubert die Eintracht, kombiniert wie aus dem Lehrbuch und erspielt sich beste Chancen. Allein das Toreschießen tritt in dieser Zeit noch einmal in den Hintergrund. Doch vier Minuten nachdem Andrija Ankovic, der in der letzten Saison beim 1:1 im Waldstadion das Lauterer Tor erzielte und später des Feldes verwiesen wurde, zu seinem dritten Bundesligaeinsatz dieser Spielzeit kommt, schlägt die Eintracht wieder zu. Nach einem Eckball von Grabowski wehrt Schnarr mit der Faust zu kurz ab und Solz schnellt in die Flugbahn der von Lotz abgefeuerten Kugel und lenkt sie per Kopf zum 4:0 in die Maschen.


Das 5:0 durch Friedrich

Zehn Minuten später, es ist die 78. Minute, kommt der Ball zu Grabowski auf den Flügel, wo der begnadete Techniker und Dribbler seine Gegenspieler in aller Ruhe zu einem Tänzchen bittet, dessen Schrittfolge die Lauterer erst durchschauen, als Grabowski die Flanke an ihnen vorbei in den Strafraum gezogen hat. Jürgen Friedrich erwartet am Fünfmeterraum die gefühlvolle Hereingabe und lenkt unbedrängt vom zu weit entfernten Koppenhöfer aus der Drehung zum 5:0 ein. Ein herrlicher Treffer.

In der Schlussphase lässt die Konzentration einer bis dahin sicheren und fast fehlerlosen Eintracht-Deckung nach, die im Gefühl des sicheren und eindeutigen Sieges die Diva in der Elf zu ihrem Recht kommen lässt. Die Dame ist nun der Meinung, dass sie sich nach ihrem Galaauftritt bereits auf der Bühne ans Abschminken machen kann und lässt den Gegner gewähren. Der kommt so durch Kentschkes Effetschuss aus spitzem Winkel in der 84. Minute zum ersten Treffer, der im oberen Toreck einschlägt. Auch Roggensack darf drei Minuten später mit der Immunität eines Diplomaten unbehelligt das fremde Territorium passieren und schickt seinen dankbaren Gruß aus sechs Metern flach in Tilkowskis Kasten.

Der mit randloser Brille wie ein Studienrat wirkende Otto Knefler bilanziert die 2:5-Schlappe, mit der seine Mannschaft bestens bedient ist, gefasst: „Die beiden Treffer nach sechs Minuten haben unser Abwehrkonzept über den Haufen geworfen. Mit dem 2:0 war die Partie schon entschieden. Solche Fehler wie wir darf man ungestraft nicht machen.“ „Es hat sich gezeigt, dass der Angriff die beste Verteidigung ist“, meint sein Kollege Schwartz: „Bei fünf eigenen Toren ist es nicht tragisch, dass der Gegner zwei schießt, schließlich ist Kaiserslautern eine sehr gute Mannschaft.“ Diese Meinung teilen an diesem Tag aber sicher nicht alle, auch wenn Gästetorhüter Schnarr mit einem verkniffenen Gesicht über die schnelle Eintracht-Führung motzt: „Das waren doch Masseltore. Was soll man da machen? Ich habe wohl einen Unglückstag erwischt. Und dann läuft bei uns in der Elf überhaupt nichts.“

Aus neutraler Sicht beurteilt Altbundestrainer „Sepp“ Herberger die Partie: „Es war das erste Spiel nach meiner Augenoperation und es hat mir gut gefallen. Oder wie ich früher zu sagen pflegte: Ich habe gesehen, was ich sehen wollte.“ Herberger ist so angetan, dass er es sich nicht nehmen lässt, Eintracht-Trainer Elek Schwartz anzurufen und diesem zu gratulieren: „Eine solche Demonstration von 4-2-4 habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.“ (rs)


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