Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart

Bundesliga 1967/1968 - Nachholspiel vom 18. Spieltag

4:0 (2:0)

Termin: Mi 03.04.1968, 20:00 Uhr
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Rudolf Frickel (München)
Tore: 1:0 Bernd Nickel (11.), 2:0 Walter Bechtold (29.), 3:0 Walter Bechtold (64.), 4:0 Peter Blusch (69.)

 


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Eintracht Frankfurt VfB Stuttgart

 


  • Günter Sawitzki
  • Gerd Menne
  • Günter Seibold
  • Theodor Hoffmann
  • Klaus-Dieter Sieloff
  • Helmut Huttary
  • Gilbert Gress
  • Hartmut Weiß
  • Bo Larsson
  • Karl-Heinz Handschuh
  • Horst Köppel

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Gunther Baumann

 

 

Es geht aufwärts

Zu einem gewaltigen Sprung nach oben in der Tabelle kann die Eintracht am heutigen Mittwochabend unter dem Flutlicht des Frankfurter Stadions ansetzen. Denn ein Sieg im Nachholspiel gegen den VfB Stuttgart bedeutet nicht nur zwei Punkte, sondern bringt auch mindestens den siebten, eventuell sogar den sechsten Tabellenplatz. Dies wäre das erste Mal in dieser Saison, dass sich die Riederwälder in die obere Tabellenhälfte expedieren würden - nach Monaten in der Nähe der Abstiegsplätze ein gleichsam beruhigendes Ziel.

Unverhofft kann Trainer Schwartz heute bei der Mannschaftsaufstellung mit Walter Bechtold, dem zweifachen Torschützen des letzten Spiels in Neunkirchen, planen. Denn der junge Stürmer, der am 1. April zur Bundeswehr eingezogen wurde, hat nach Intervention "einflussreicher Leute" bereits heute Ausgang bis zum Wecken erhalten und soll um 19 Uhr - also eine Stunde vor dem Anpfiff der Partie - auf direktem Weg von der Garnison in der Umkleidekabine eintreffen. Zusammen mit Bechtold bilden Lotz, Nickel und Racky den Sturm, und auch ansonsten bleibt die Mannschaft gegenüber dem 4:1-Sieg am letzten Samstag in Neunkirchen unverändert.

Gegner Stuttgart kommt mit der Empfehlung eines 4:1 im letzten Spiel gegen Alemannia Aachen. Auch bei den Schwaben, die bislang ebenfalls hinter den Erwartungen zurückblieben und derzeit mit 27:27 Punkten den 13. Tabellenplatz einnehmen, hat sich ein junger Stürmer in den Mittelpunkt des Interesses geschoben: Horst Köppel. Der 19-jährige Linksaußen ist der beste Torschütze des VfB und konnte mit seinen Leistungen auch Bundestrainer Helmut Schön überzeugen. So absolvierte er im März des Jahres beim 3:1-Sieg der DFB-Auswahl in Belgien sein erstes Länderspiel.

Los geht das Spiel vor 15.000 fröstelnden Zuschauern mit der klassischen Rollenverteilung zwischen Heim- und Auswärtsmannschaft: Während die Eintracht den Vorwärtsgang einlegt, stehen die Stuttgarter tief und sind vor allem auf die Absicherung des eigenen Tores bedacht. Das klappt anfangs auch recht gut - allerdings nur bis zur 11. Minute, als Hoffmann mit einem derben Foul an Racky einen Freistoß in unmittelbarer Nähe des Strafraums verursacht. Nach einem kurzen Anlauf drischt Schämer, Freistoßschütze vom Dienst der Eintracht, den Ball durch die löchrige Schwabenmauer, so dass VfB-Keeper Sawitzki zu einer Parade gezwungen wird, die Kugel aber nicht festhalten kann. Sehr zur Freude des Eintracht-Anhangs ist es Nickel, der am schnellsten schaltet und zur 1:0-Führung abstaubt.

Dieser frühe Lohn für ihr engagiertes Auftreten lässt die Heimmannschaft weiter den Torerfolg suchen, wobei sich in der Defensive allerdings der ein oder andere Fehler einschleicht. So stellt Handschuh Torhüter Tilkowski mit einem Effetschuss auf die Probe, den der Frankfurter gerade noch zur Ecke lenken kann. Und Weiß kann gerade noch vor dem Eindringen in den Strafraum bebremst werden, nachdem Lindner und Blusch den Ball leichtfertig vertändelt hatten. Insgesamt ist es aber die Eintracht, die das Spiel bestimmt.

Der zweite Treffer des Spiels fällt nach 28 Minuten, als Bechtold den Ball aus mehr als 20 Metern direkt aus der Luft scharf und platziert in Richtung Sawitzkis Kasten drischt und sich der Stuttgarter Torhüter vergebens streckt. Die Stuttgarter Abwehrspieler quittieren dieses schöne Tor mit einem ungläubigen Kopfschütteln. Kurz darauf setzt sich Bechtold nach einem Doppelpass mit Friedrich erneut in Szene, wird aber im letzten Moment von zwei Gegenspielern am erfolgreichen Abschuss gehindert.

Auch die letzte Viertelstunde vor dem Halbzeitpfiff gehört der Eintracht. Racky spult ein großes Pensum auf den Flügeln ab und hat in Nickel einen engagierten und spielstarken Mitstreiter. In der Mitte sorgt Bechtold ein ums andere Mal für Gefahr für den VfB-Kasten, und auch die Abwehrspieler Schämer, Blusch und Jusufi schalten sich wiederholt in die Angriffe ein. So donnert Blusch bei einem seiner Vorstöße kurz vor der Pause den Ball an den Pfosten.

In der ersten Viertelstunde nach der Pause legen die Frankfurter eine kleine Verschnaufpause ein, die Stuttgarter melden sich kurz zu Wort. Doch die Angriffe der Schwaben blieben durchsichtig und werden stets rechtzeitig abgeblockt. Insgesamt aber ist in diesen Minuten nicht zu verkennen, dass die Gäste bestrebt sind, den Anschlusstreffer zu erzielen und es durchaus schaffen, die Eintrachtabwehr zu beschäftigen.

Just aus der Defensive der Riederwälder kommen aber auch die Aktionen, die der Eintracht dann wieder die Dominanz auf dem Platz sichern. Ein erstes Ausrufezeichen setzt Lindner bei einem forschen Vorstoß an den VfB-Strafraum, sein Abschluss aber ist überhastet. Anschließend ist es Bechtold, der sich weit hinten den Ball erkämpft und durchläuft. Ohne von einem Stuttgarter angegriffen zu werden, kommt er zum Schuss, zielt dabei aber knapp über das Tor von Sawitzki.

In der 64. Minute kann Sawitzki einen scharfen Schuss von Friedrich nur zur Ecke abwehren. Racky schlägt den Ball in den Fünfmeterraum, wo Bechtold goldrichtig steht und die Kugel aus der Drehung mit dem linken Fuß zwischen Torwart und Pfosten hindurch zum 3:0 in die kurze Ecke knallt. Sind die Eintrachtanhänger jetzt schon aus dem Häuschen, kennt der Jubel fünf Minuten kaum noch Grenzen. Verantwortlich für die Beifallsstürme ist Blusch, der ein Zuspiel von Huberts aufnimmt und den Ball mit dem linken Fuß aus 25 Metern zum 4:0 ins lange Eck zimmert.

Mit dem Viertorevorsprung im Rücken lässt es die Eintracht nun etwas geruhsamer angehen. In der 80. Minute humpelt der leicht angeschlagene Jusufi vom Platz, für ihn kommt Wirth. Zwar versucht der VfB in der Schlussphase, zumindest noch den Ehrentreffer zu erzielen, scheitert dabei aber an der konzentriert arbeitenden Abwehr der Eintracht, die Chancen für Gress, Sieloff und Handschuh zunichtemacht. Dem fünften Tor dieses Spiels kommt freilich die Eintracht am nächsten, doch der Versuch von Racky wird von Hofmann, der den Ball zur Ecke lenkt, blockiert. So feiert die Eintracht schließlich mit 4:0 den bislang höchsten Sieg in dieser Bundesligaspielzeit.

Belohnt werden die Riederwälder für ihre Glanzleistung an diesem Abend mit dem sechsten Tabellenplatz. Belohnt werden sie aber auch durch das Lob des Gästetrainers Gunter Baumann, der nach dem Spiel konstatiert, er habe im letzten Vierteljahr keine bessere Mannschaft spielen sehen. „Was soll ich da zu meiner Mannschaft sagen. Frankfurt spielt so gut, so gut können wir gar nicht spielen“, findet der VFB-Trainer. Die Tore, so Baumann weiter, seien so schön gewesen, wie sie sich ein Trainer nur wünschen könne.

Frankfurts seit Monaten außer Gefecht gesetzter Nationalspieler Jürgen Grabowski hat Mitleid mit Stuttgarts Torwart Günter Sawitzki: „Ehrlich, wenn der Bechtold im Strafraum ist, möchte ich kein Torwart sein …“ Die Tore von Walter Bechtold vergleicht Paul Palmert in der „Bild“ mit den „radargesteuerten Raketen eines Eusebio“, die vom Frankfurter Anhang so besungen werden: „Lustig, lustig, tralalala, heut ist Walter mit dem Hammer wieder da.“ VfB-Trainer Baumann, voll des Lobs über die „wunderbare" Eintracht: „Diese Tore waren fast zu schön, um wahr zu sein“, findet VfB-Trainer Baumann, während sein Frankfurter Kollege Schwartz feststellt: „Das war kein Zufall. Bechtold hat schon oft bewiesen, dass er Ausnahme-Tore schießen kann.“

"Es war heute aber auch so, dass alle Spieler restlos in guter Form spielten, was ja nicht immer der Fall sein kann. Ich kann einfach bei dieser Mannschaftsleistung keinen hervorheben", sagt er und kündigt an: „So, Freunde, jetzt hat die Wiedergutmachung bei uns begonnen.“ Huberts bestätigt: „Jetzt haut alles hin, was zu Beginn der Saison schiefging.“ Der Österreicher bedauert allerdings: „Schade, a bisserl zu spät. Sonst würden wir mal zeigen, wie man dem Club die Meisterschaft vermasselt.“ „Aber ein paar Plätze wollen wir uns doch noch verbessern. So auf dem sechsten Platz wollen wir stehen“, kündigt Trainer Schwartz an. Das ist - vorläufig - geschafft.

Nach einem Tag Ruhepause geht es für die Riederwälder am Freitag nach Lüneburg, wo sie sich auf die samstägliche Ligapartie gegen den HSV vorbereiten. (fgo/rs)

 

 

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