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Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
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Bundesliga 1969/1970 - 31. Spieltag
4:0 (1:0)
Termin: Sa 11.04.1970, 15:30 Uhr
Zuschauer: 9.500
Schiedsrichter: Herbert Lutz (Bremen)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (5.), 2:0 Horst Heese (59.), 3:0 Horst Heese (75.), 4:0 Horst Heese (83.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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… und dann schlug Heese zu Eintracht Frankfurt und der VFB Stuttgart nehmen es mit der Statistik sehr genau. Zuhause wird der Gegner glatt abgefertigt. Viermal hintereinander haben das die Stuttgarter getan und und viermal hintereinnander revanchierte sich die Eintracht, diesmal mit einem 4:0 (1:0). Und dreimal schlug wieder der Bomber vom Dienst zu. 60 Minuten stand Heese im Schatten von Jürgen Grabowski, dem überragenden Stürmer auf dem Platz. Und als schon keiner mehr mit daran glaubte, setzte er Stuttgarts Torhüter drei „Eier“ ins Netz. Die 12.000 „Aufrechten“, die trotz des Dauerregens den Weg ins Frankfurter Stadion nicht gescheut hatten, brauchten ihr Kommen also nicht zu bereuen. Da oder gerade weil es um ein beruhigendes Plätzchen im Mittelfeld der Tabelle ging, spielten die Eintracht das Gast aus Stuttgart frisch und frei auf; keine Verkrampfung, keine übertriebener Wettstreit der Defensiv-Künstler, sondern ein offener Schlagabtausch. Auf Stuttgarter Seite waren es Olsson und Haug, die durch ihr Mittelfeldspiel für eine leichte Feldüberlegenheit des VfB sorgten — bei der Eintracht war es Nationalspieler Jürgen Grabowski, der die Gegenangriffe einleitete. Und wie er das tat: Stuttgarts Torhüter Heinze hatte dabei mehr als einmal Gelegenheit, sein Talent unter Beweis zu stellen, während Grabowski-Bewacher Arnold wohl schon lange nicht mehr so gehetzt wurde wie in Frankfurt. Grabowski dribbelte, schoß und flankte, als käme er direkt aus einem Trainingslager und nicht aus einem schweren Länderspiel (in Stuttgart gegen Rumänien). Daran konnte Arnold auch nichts ändern, als er den Eintracht-Stürmer nach seiner Musterflanke zum 1:0 (Hölzenbein) in der fünften Minute noch energischer attackierte. Er versuchte es mit Abstellen, mit Halten, mit Grätschen und Rempeln — Grabowski entwischte ihm dennoch: In der 32. Minute ließ er ihn mit einer Drehung aussteigen — seinen Schuß aus sechs Metern aber lenkte Heinze im Hechtsprung zur Ecke. In der 35. Minute knallte eine Grabowski-Bombe gegen die Latte, und in der 40. Minute war es wieder Heinze, der einen Grabowski-Schuß in letzter Sekunde entschärfte. „Ein toller Hecht“, zollte Eintracht-Trainer Ribbeck dem VfB-Schlußmann seine Anerkennung. „Es läuft so gut bei uns, aber dieser Heinze hält ja fast alles!“ Nun, er durfte auch so zufrieden sein — Frankfurts Schütze vom Dienst, Heese, machte noch alles klar — mit einem Abstauber zum 2:0, einer Granate zum 3:0 und einem Kopfball-Torpedo zum Endstand von 4:0. Heinze traf dabei kaum eine Schuld. Der überragende Grabowski hatte inzwischen einen Gang zurückgeschaltet. Kein Wunder: „Der Arnold hat mir ja auch ganz schön zugesetzt“. Arnold blockte ihn ab, wie man einen Handball-Stürmer stoppt mit vorgestreckten Armen. Tore: 1:0 Hölzenbein (5.) auf Vorlage Grahowski. 2:0 Heese (59.) im Fallen in das leere Tor aus 8 m. 3:0 Heese (75.) im Stand aus der Drehung hoch ins Dreieck. 4:0 Heese (85.) mit Kopfball auf Flanke von Hölzenbein.
Grabowski riß Lücken Der VfB Stuttgart enttäuschte in Frankfurt gewaltig. Nur 20 Minuten vermochten die Schwaben das von der Eintracht vorgelegte Tempo mitzuhalten, dann wurden sie zusehends langsamer. Obwohl die Gäste in beiden Halbzeiten bei einem Eckenverhältnis von je 5:3 vorn lagen, blieben ihre Torchancen mäßig. Dr. Kunter, der seine Verletzung noch nicht restlos überwunden hat, aber sehr sicher wirkte, wurde nicht halb so stark beschäftigt wie sein Gegenüber Heinze, der oft von einer Ecke in die andere flog; sonst wären es wohl doppelt so viele Tore für die Schwaben geworden. Vor diesen beiden guten Schlußleuten gingen die Leistungen beider Mannschaften weit auseinander. Während die Frankfurter Abwehr mit Wirth und Lutz als besten Spielern sehr sicher stand, konnte beim VfB nur Günther Eisele einigermaßen mithalten. Im Mittelfeld leistete Amateurnationalspieler Kalb etwa das doppelte Laufpensum wie der Franzose Gress auf der anderen Seite, der erst nach der Pause etwas stärker nach vorn rückte. So fiel von der Frankfurter Mittelfeldachse nur der Österreicher Huberts ab, der zu viele Zweikämpfe verlor und zu sehr in die Breite spielte, während die Stuttgarter Nummer zehn, Horst Haug am meisten rackerte und vorn für einigen Druck sorgte. Aber keiner war da, der richtig mitgezogen hätte. Dagegen riß Kapitän Grabowski mit seinen brillanten Dribblings immer neue Lücken in der Schwaben-Deckung auf, in die dann meistens Mittelstürmer Heese hineinstieß. So schoß und köpfte der Ex-Wuppertaler, der spielerisch wieder sehr schwach wirkte, allein drei Tore. Damit rechtfertigte er abermals seine Aufstellung, die Trainer Ribbeck gegen alle Kritiker stets aufs neue verteidigt. Heese dankt es ihm.
„Schneider“ Kalb Heeses Hattrick demoralisierte VfB Das Eintracht-Schiff segelte wie in allen letzten Heimspielen auf höchstem Kurs. Es ließ dem VfB weder Zeit noch Raum zur Orientierung. Am Ende fragten die durchnäßten Zuschauer, wie diese Schwaben den Münchner Bayern das Fell über die Ohren ziehen konnten. Nur die halbe Wahrheit lag in der Überform von Grabowski, Hölzenbein, Wirth, Lutz, Schämer usw. Wenn dem anfangs schwächsten Mann des Siegers, Heese, schließlich noch ein Hattrick gelingt, kann ja nichts schiefgehen. Es fiel gar nicht auf, daß Huberts einen ganz schwarzen Tag erwischt hatte und stets als zweiter Sieger aus den Zweikämpfen hervorging, daß Bellut den verletzten Trinklein nur brav, aber keineswegs gut ersetzte, daß Nickel viel mißlang und Dr. Kunter immer noch nicht richtig gesund ist. Der VfB war kein ernsthafter Partner. Die Frankfurter ließen nach dem ersten Tor noch so viele gute Chancen aus (Kalb), daß der VfB die Hoffnung eine Stunde lang nicht zu begraben brauchte. Er hatte schließlich einen Heinze, an den sich die müden Stuttgarter lange klammern durften, einen nimmermüden H. Eisele und einen Haug, der anfangs noch eifrige Mitstreiter hatte. Doch der VfB hatte keinen Hölzenbein und keinen Kalb. Im Mittelfeld zerschnitt gerade Kalb alle VfB-Fäden rechtzeitig. Von dort aus starteten vornehmlich in der zweiten Halbzeit Hölzenbein und Kalb ihre Sturmläufe, die schließlich zu den Heese-Toren führten, die das wankende Schwaben-Schiff leck schlugen. Die Chancen wurden nur so aus dem Ärmel geschüttelt. Dem VfB schwamm allmählich alles davon. Er ließ sich zu viel Zeit, wenn die Gunst der Stunde winkte. Sie winkte nicht oft. Sekunden vor dem 1:0 für Haug, der sich über Kunter hinweg um Zentimeter verzielte, später noch ein paarmal am Strafraum. Aber die Schüsse kamen als harmlose Roller. Da hatte Heese beim 3:0 mehr Dampf, als er das „Tor des Tages“ in den Winkel schmetterte. Oder war sein Kopfball zum 4:0 brillanter? Der Star hieß Grabowski, der von Arnold oft umklammert wurde, aber nie zu bremsen war, der eine Vorlage zum ersten Treffer lieferte, die von Beckenbauer oder Overath sein konnte, der mit seinen Schüssen allerdings weniger Glück bei Heinze hatte. Hölzenbein stand auf gleicher Höhe. Wirth (obwohl muskelverletzt) fiel in der insgesamt starken Deckung besonders auf. Spieler wie diese drei (und wie die nächsten drei stärksten) besaß der VfB nicht. Selbst Gress wirkte nach der Pause so konfus wie ein Fremder in der Elf. Trainerstimmen Erich Ribbeck (Eintracht Frankfurt): „Wir haben in den letzten drei Spielen nicht nur gut gespielt, sondern auch 15 Tore erzielt. Entscheidend war unsere Stärke im Mittelfeld. Hölzenbein zeigte sein bestes Spiel und ließ Gress schlecht aussehen. Ich hatte eigentlich vor den Stuttgartern gerade hier etwas Angst. Heese ist für uns ein wertvoller Spieler, auch wenn viele es nicht einsehen. Wer macht noch solche Tore wie das dritte und das vierte? Wirth ist etwas verletzt: Muskelverhärtung. Er soll laut ärztlicher Anweisung am Mittwoch in Dortmund nicht spielen. Auch Kunter hat noch Schmerzen. Aber er strahlt große Sicherheit aus.“ Franz Seybold (VfB Stuttgart): „Der Sieg der Frankfurter war klar verdient Das war nicht der VfB der letzten Wochen. Es lief vorn nichts zusammen, und die Abwehrschwächen wurden schonungslos aufgedeckt Wir haben keinen schnelleren Spieler gegen Grabowski. Kalb ist zweimal so viel gelaufen wie alle unsere Spieler. Arnold trug eine erhebliche Prellung davon und dürfte ausfallen.“
„Du hast kein Talent!“ Es gibt keinen Spieler in seiner Mannschaft, dessen Aufstellung Eintracht-Trainer Erich Ribbeck gegen offene und versteckte Kritik so oft hätte verteidigen müssen wie Horst Heese. Es gibt aber auch keinen Spieler in der Frankfurter Bundesliga-Truppe, der es seinem Fürsprecher so gedankt hätte. Nicht durch technische Brillanz, sondern durch bedingungslosen Einsatz. Der letzte Sieg war ein Musterbeispiel dafür. In der ersten Halbzeit des Heimspiels gegen den VfB Stuttgart, als ihm lange gar nichts glückte, als er laufend den Ball verlor und wie blind in die Gegend ballerte, forderten die Zuschauer lautstark, den Heese vom Platz zu schicken. Ribbeck tat nichts dergleichen und nach der Pause schoß und köpfte der Vielschmähte drei Tore innerhalb von 24 Minuten. Ein lupenreiner Hattrick, der die Zahl seiner Bundesligatore auf elf erhöhte. Erich Ribbeck wurde abermals in seinem Urteil bestätigt. „Ich weiß, Heese ist kein guter Fußballer, aber er ist ein wertvoller Mann für unsere Mannschaft!“ Schon Vater Heini Heese, als deutscher Leichtgewichtsmeister ein gefürchteter Amateur im Boxring, hielt nichts von der Fußballkarriere seines Sohnes Horst: „Du hast kein Talent!“
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