Eintracht Frankfurt - Kickers Oxxenbach

Bundesliga 1970/1971 - 16. Spieltag

3:0 (1:0)

Termin: Sa 28.11.1970, 15:30 Uhr
Zuschauer: 40.000
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 1:0 Jürgen Papies (26.), 2:0 Bernd Nickel (80.), 3:0 Jürgen Grabowski (86.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Kickers Oxxenbach

 


  • Karlheinz Volz
  • Nikolaus Semlitsch
  • Erwin Spinnler
  • Hans Reich
  • Helmut Kremers
  • Walter Bechtold
  • Egon Schmitt
  • Klaus Winkler
  • Helmut Schmidt
  • Horst Gecks
  • Winfried Schäfer

 

Wechsel Wechsel
  • Roland Weida für Erwin Spinnler (46.)
  • Hermann Nuber für Winfried Schäfer (71.)
Trainer Trainer
  • Rudolf Gutendorf



Befreiungsschlag

Jetzt darf die Frankfurter Eintracht wieder hoffen! Eine entfesselte Truppe kanterte vor 40.000 Zuschauern die Offenbacher Kickers 3:0 nieder. Revanche auch für das Pokalspiel, das die Offenbacher im August an gleicher Stätte in gleicher Höhe gewonnen hatten, womit sie sich die Tür zum stolzen Pokalsieg öffneten. Das 1:0 der ersten Halbzeit von dem diesmal großartigen Papies (26.) war längst verdient. Aber dann war die Eintracht doch in unendliche Bedrängnis gekommen, ehe sie schließlich durch Nickel (80.) und Weber (86.) nach raffiniert getretenen Freistößen von Papies und Grabowski noch zum klaren Sieg kam. Die Kickers hatten sogar Mitte der zweiten Halbzeit Hermann Nuber ins Spiel gebracht, aber auch er konnte das Geschick nicht wenden.

Die Ränge füllten sich nur langsam im Frankfurter Stadion. Nur sachte kamen die 40.000 zum „Schicksalsspiel am Main" zusammen. Und sie sahen eine Eintracht, die gar nicht wiederzuerkennen war. In jedem einzelnen Spieler war das „Alles oder nichts" weit mehr verankert als bei den Kickers. In der Offenbacher Spielhälfte wurde in der ersten Halbzeit mit aufgekrempelten Ärmeln gekämpft. Nickel wurde zum „Mister Überall", der sich immer wieder anbot. Grabowski ließ sich von Semlitsch nicht den Schneid abkaufen, Hölzenbein rannte und kämpfte wie lange nicht mehr. Papies, der bisher in Frankfurt noch gar nicht überzeugt hatte, bekam diesmal weit mehr Beifall als Pfiffe.

Trinklein und Kalb sorgten dafür, daß der Druck nach vorn anhielt, und auch gegen die Ersatz-Verteidiger Manfred Wirth und Heese war vorerst einmal von den gefürchteten Offenbacher Sturmspitzen Gecks und Winkler nichts zu spüren. Der erste tolle Schuß flog zwar an Feghelms Tor vorbei. Helmut Kremers hatte von rechts aus spitzem Winkel losgedonnert, nachdem er Rohrbach aussteigen ließ, aber danach war drüben weit mehr Betrieb.

Immer wieder mußte sich Egon Schmitt strecken und die prächtigen Flanken von Hölzenbein und Grabowski wegköpfen. Einmal rettete Reich vor Grabowski, dann hätte Spinnler vor dem anrennenden Hölzenbein fast ein Eigentor produziert, als er sich mit Torwart Volz nicht verstand. Aber Spinnler selbst schaffte den Ball noch von der Linie weg.

An tollen Schüssen hatte Volz dennoch vorerst nicht allzuviel zu meistern, bis dann jene turbulente Minute kam, zwischen der 25. und 26., die mit einem Freistoß von Papies begann. Toll schoß der Ex-Düsseldorfer, Volz fischte den Ball aus dem langen Eck. Er boxte zur Ecke. Die Ecke kam, von Grabowski getreten, wieder zentimeternah vor sein Tor, flog über die langen Arme des Kickers-Hüters hinweg, und der wusselige Rohrbach köpfte ein. Aber Schiedsrichter Henning aus Duisburg hatte eine Behinderung des Kickers-Torwartes durch Hölzenbein gesehen — und wieder einmal wurde der Eintracht ein Tor nicht anerkannt.

Aber diesmal resignierte sie nicht, sondern kämpfte sofort weiter und startete, als der Kickers-Angriff abgefangen war, einen blitzschnellen Angriff über vier Stationen hinweg. Grabowski legte zu Hölzenbein, Trinklein startete in den freien Raum, bekam den Paß, schlenzte eine Flanke nach innen, wo Papies und Torwart Volz fast zusammenprallten, aber Papies hatte die Stiefelspitze am Ball und er kullerte über die Linie. Das 1:0 in der 26. Minute war erkämpft.

Und nun kamen natürlich die großen Konter der Kickers, aber Gefahr brachten sie nur zweimal bei 18-Meter-Freistößen. Den einen schoß Helmut Kremers, den anderen Bechtold. Beide Male hielt Sigi Feghelm, und damit waren der Eintracht auch um diesen Reservisten einige Sorgen genommen. Er war kaltblütig an diesem heißen Nachmittag.

Daß die Kickers aber nun mehr und mehr ein Übergewicht bekamen, lag an ihrem Mittelfeld mit den Rackerern Schäfer und Helmut Schmidt. Die Eintracht rettete ihr 1:0 in die Pause hinein, und die Kickers kamen nach dem Wechsel mit Weida für Spinnler, der vorher offensichtlich mit Hölzenbein nicht fertig geworden war. Die erste große Chance hatte wieder einmal die Eintracht, als Grabowski einen langen Sololauf startete, aber sein Flankenball zu dem völlig frei stehenden Papies fing Torwart Volz ab.

Jetzt, in der zweiten Halbzeit, da machten die Kickers allen Dampf auf, da war ihre Hälfte verwaist, da fanden die großen Fights vor Feghelms Tor statt. Und manchmal war es Glück für die Eintracht, daß Winkler, Bechtold und Weida die herzhaften Schüsse weit über den Kasten setzten.

Aber die besseren Chancen hatte die Eintracht nach wie vor. Grabowski war ganz allein durch, und es war nur noch eine Frage, ob er oder Volz eher an den Ball kommen würde, da riß Semlitsch den Frankfurter am Trikot zu Boden Und der junge Weber (er war in der 63. Minute für Rohrbach aufs Feld gekommen) setzte dann Grabowski so prächtig ein, daß er nur Volz zu überwinden brauchte. Aber schoß den Kickers-Torhüter an.

In der 70. Minute dann der große Gag von Rudi Gutendorf, wie er ihn angekündigt hatte: Herman Nuber kam aufs Spielfeld. Der Mann mit seinen 35 Jahren auf dem Buckel wurde in die vorderste Linie gestellt. Trinklein nahm sie sofort seiner an. Nuber als Sturmspitze! Aber retten konnte auch e nichts mehr. Im Gegenteil. Die Eintracht befreite sich aus dem Druck, rannte nicht mehr nur mit Kontern sondern wieder mit geballten Massen nach vorn, und dann gab es zwei Freistöße

Den ersten in der 80. Minute. Papies schlenzte raffiniert, Nickel stand richtig und drückte den Ball mit dem Körper ins kurze Eck. Dann in der 86. Minute: Grabowski schoß den Freistoß, Weber und Nickel kamen gleichzeitig angesaust, Helmut Kremers war noch im Spiel, und wieder wurde der Ball ins kurze Eck gedreht. Wer zuletzt die Stiefelspitze daran hatte, ob einer der beiden Eintrachtler oder der Offenbacher, das war gar nicht zu sehen.

Der Sieg, der lange umsorgt war, weil die Kickers wirklich machtvoll nach vorn gedrängt waren, war nun sogar noch hoch ausgefallen. Verständlicher Jubel bei den Frankfurter Fans. So hatten sie ihre Eintracht lange nicht mehr gesehen.

Stimmen zum Spiel

Rudi Gutendorf (Kickers Offenbach): „Bei uns trat das alte Übel wieder deutlich hervor. Aus einer Vielzahl von Chancen können wir keine Tore machen. Besonders in der zweiten Halbzeit, als wir das Spielgeschehen bestimmten, versagte der Sturm. Nuber sollte mit einem Kopfballtor das Blatt noch einmal wenden."

Erich Ribbeck (Eintracht Frankfurt): „Die Konsequenzen einer Niederlage wären für uns nicht auszudenken gewesen. So aber haben wir mit diesem 3:0 bewiesen, daß wir durchaus Tore schießen und über weite Strecken einen guten Fußball spielen können. Wer befürchtet hatte, daß Fegheim, Heese und Papies unsere drei schwachen Punkte sein würden, der sah sich getäuscht. Für mich zählten diese Spieler im Derby zu den Besten."


Kämpferische Tugenden

Das 3:0 war ungewöhnlich. Erst zehn Minuten vor Schluß wurden die schwarzen und die heiteren Lose endgültig verteilt. Bis dahin rannten die Kickers dem Ein-Tor-Vorsprung der Riederwälder nach. Das Unentschieden lag in Reichweite. Offenbach schickte in der 70. Minute Hermann Nuber auf die Fläche. Er sollte vielleicht noch einen Kopfball in die Maschen setzen, wie Gutendorf hoffte. Erich Ribbeck setzte Heese an Nubers Seite. Das Duell der Kopfballspezialisten gewann Heese. Im Endspurt legte die Eintracht noch zwei weitere Tore zu. Die Rechnung aus dem Pokalspiel Anfang September wurde auf Heller und Pfennig zurückgezahlt. Kickers Offenbach fühlte sich unter Wert geschlagen wie seinerzeit die Eintracht. Fazit des Derbys: Es wird weitergezittert, diesseits und jenseits des Mains.

Das größere Feuer und der Schwung gingen von der Eintracht aus, und ihre Freunde fühlten sich in bessere Zeiten zurückversetzt. Mitunter blitzten jene bekannten spielerischen Qualitäten wieder auf, die längst vergessen waren. Die weniger bekannten kämpferischen Tugenden überraschten noch mehr. Auch Kurt Schreiner bestätigte sie mit den Worten: „Kämpferisch war die Eintracht selten so stark."

Die Kickers hatten in die Pokalkiste, zum Schreinerschen 4-4-2, gegriffen. Ihre Aufstellung wich nur wenig vom Finale in Hannover ab. Weilbächer fehlte, Weida wurde erst nach der Pause für Spinnler eingesetzt. Ob der teilweise Verzicht auf den Roboter im Offenbacher Mittelfeld richtig war, wird offenbleiben. Spinnler sollte Hölzenbein stören, Semlitsch Grabowski. Die Kickers-Hoffnungen erfüllten sich in diesen Punkten nicht. Solange Spinnler mitwirkte, war Hölzenbein einer der Eintrachtstars. Später ging der Zug in die andere Richtung. Weida trommelte die Kickers mit nach vorn, Hölzenbeins Breaks aus der eigenen Deckung wurden seltener.

Semlitsch wirkte tapfer und zäh gegen Grabowski. Aber den Tatendrang des Nationalspielers konnte er nur zuweilen bremsen. Die Zuschauer erkannten diesen kämpfenden, spurtenden und in der Deckung aushelfenden Grabowski kaum wieder. Zum Schluß konnte ihn Semlitsch nur noch regelwidrig stoppen. Zwei dieser Freistöße führten schließlich zum 2:0 und zum 3:0.

Die Moral der Eintracht war so groß, daß sie die Schiedsrichterentscheidung in der 25. Minute bei einem Kopfballtor von Rohrbach (abseits) schluckte und in der nächsten Minute doch das 1:0 erzielte. Vorausgegangen war die wohl beste Ballstafette auf der rechten Seite, von Trinklein über Grabowski zu Nickel wurde der Ball wie an einer Schnur gezogen. Nickels Rechtsflanke drückte Papies aus nächster Nähe ein. Volz hatte die Kugel schon halb erwischt, ließ sie aber noch wegrutschen.

Die rechte Seite benutzten die Frankfurter als Hauptaufmarschgebiet. Grabowski zog seinen Bewacher meistens zur Mitte. Hölzenbein, Nickel und andere stießen in den freien Raum. Das längst fällige gute Spiel von Papies kam hinzu. Wenn die Form vom Derby anhält, hat sich Ribbecks Warten auf den Ex-Düsseldorfer doch gelohnt. „Dort wo unsere Schwächen eigentlich sind, waren wir stark", sagte Ribbeck. Er meinte Papies, die Außenverteidiger, wahrscheinlich auch Feghelm, der ruhig und sicher wirkte und nur nach der Pause kompliziertere Arbeit zu verrichten hatte.

Das Experiment mit Heese als rechtem Außenverteidiger gegen Winkler glückte. Nach anfänglichen Rangeleien herrschte Heese so souverän, daß Ribbeck ihn zum Gegner von Nuber auswählte und Trinklein gegen Winkler ansetzte. Manfred Wirth kam gegen Gecks kaum einmal in echte Schwierigkeiten, Kalb war auf dem Weg nach oben, Lutz Chef der Abwehr.

Bei der Eintracht paßte fast alles, bei den Kickers ging vieles schief. Es lag nicht allein daran, daß die Rotweißen einen Schützen weiterhin mit der Lupe suchen müssen. Das Aufgebot an prächtigen Mittelfeldspielern trat weit weniger als erhofft in Erscheinung. Bechtold, Helmut Schmidt, Schäfer führten Angriffe wie auf Breitleinwand vor. Nur mitunter zuckten solche Vorstöße wie in großen Pokaltagen auf. Wo sich im Mittelfeld die Wege der Kontrahenten kreuzten, waren die Frankfurter um den berühmten Schritt schneller.

Trinkleins Pensum war größer als das von Bechtold, Kalb übertraf das von Helmut Schmidt, Hölzenbein das von Schäfer. Schließlich gab Gutendorf für Weida die Parole zum Stürmen in vorderster Linie aus. Auch Nuber spielte Spitze. Aber die Kickers blieben selbst in ihrer besten Zeit, eine halbe Stunde nach dem Wechsel, zahmer als zu Hause auf dem Bieberer Berg, obwohl zeitweise die ganze Deckung aufrückte. Schließlich mußte Schäfer Nuber Platz machen. Gutendorf: „Er hätte bestimmt kein Tor mehr geschossen."

Die Eintracht wäre schon früher über die Runden gekommen, hätte Grabowski nach einem Flankenlauf von Weber nicht aus zwei Metern auf Volz gezielt (70.). Erst zehn Minuten später verlängerte Nickel einen Freistoß von Papies ins kurze Eck, und dorthin nahm auch der Freistoß Grabowskis vier Minuten vor Schluß seinen Weg. Fast von der Eckfahne kam das Leder hereingedreht. Nahe am Pfosten sprangen zwei Eintrachtler über den Ball. Der Trick klappte! Volz hatte nicht damit gerechnet.

 

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