Hannover 96 - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1971/1972 - 16. Spieltag

3:1 (2:1)

Termin: Sa 27.11.1971, 15:30 Uhr
Zuschauer: 14.500
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 0:1 Bernd Hölzenbein (35.), 1:1 Hans Siemensmeyer (37., Handelfmeter), 2:1 Hans-Joachim Weller (40.), 3:1 Hans-Joachim Weller (51.)

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Hannover 96 Eintracht Frankfurt

  • Franz-Josef Pauly
  • Jürgen Bandura
  • Peter Anders
  • Hans-Josef Hellingrath
  • Rainer Stiller
  • Horst Bertl
  • Horst Berg
  • Ferdinand Keller
  • Hans-Joachim Weller
  • Hans Siemensmeyer
  • Willi Reimann

Wechsel Wechsel
Trainer
  • Hans Hipp
Trainer

 

Die Schattenseite der Diva

Mit breiter Brust fahren die Hessen heute an die Leine. Immerhin hat man aus den letzten beiden auswärtigen Auftritten drei Punkte geholt und am letzten Samstag den bis dahin ungeschlagenen Tabellenführer aus München im Waldstadion vom Thron gestoßen und den Bayern so den Startrekord verdorben. Was soll ausgerechnet das Schlusslicht aus Hannover, das zuletzt sechs Niederlagen in Folge verkraften musste, dem schon entgegenzusetzen haben?

Bei den Niedersachsen hat es in dieser Woche zudem einen Trainerwechsel gegeben. Helmuth Johannsen, über lange Jahre bei Eintracht Braunschweig Coach und 1967 dort überraschend Deutscher Meister geworden, musste sein seit dem Sommer 1970 laufendes Engagement bei den 96ern wegen der Niederlagenserie vorzeitig beenden - die zweite Trainerentlassung der laufenden Saison. Hans Hipp betreut nun die Hannoveraner. Ein neuer Trainer setzt ja manchmal neue Kräfte frei, dennoch glaubt kaum einer, dass es für die Niedersachsen heute für ein "Hipp, Hipp, Hurra" reichen wird. Bisher hat Hipp bei Westfalia Herne, dem TSV Marl-Hüls, Arminia Hannover sowie Göttingen 05 lediglich Regionalligaerfahrung sammeln können und war in der letzten Spielzeit in der Stadtliga Berlin bei Tasmania tätig.

Die Frankfurter können zudem heute wieder auf die Dienste von Gert Trinklein zurückgreifen, der seine Sperre abgesessen hat. Trinklein muss allerdings zunächst auf der Auswechselbank Platz nehmen, Trainer Ribbeck lässt die siegreiche Elf, die vor 14 Tagen die Bayern besiegt hat, beginnen. Die beiden Freundschaftsspiele in Ender Koncas Heimat, von denen keines gewonnen werden konnte, haben dem Trainer auch keinen Anlass gegeben, seine Startaufstellung zu verändern.


Kunter klärt vor Keller

Und wie erwartet beherrscht die Eintracht ihren Gegner vom Anpfiff an. Hipps neue Mannschaft ist verunsichert, was angesichts des miesen Laufs, den "die Roten" hinter sich haben, auch keine Überraschung ist. Die Gäste dagegen trumpfen nach Belieben auf und wirken spielerisch gelöst. Nach den Erfolgen der letzten Wochen haben sie auch Grund dazu.

Nach einer knappen halben Stunde kommen die Hannoveraner jedoch langsam auf. In der 30. Minute schlägt dann überraschend der Torjäger der Gastgeber zu: Ferdinand Keller trifft mit einem Kopfball zur vermeintlichen Führung. Schiedsrichter Weyland aus Oberhausen gibt das regelkonforme Tor jedoch nicht.

Zu allem Überfluss für die Niedersachsen verletzt sich Willi Reimann drei Minuten später nach einem harten Einsatz seines Gegenspielers Wirth so schwer, dass er mit einer tiefen Fleischwunde vom Platz getragen werden muss. Das ist doppeltes Pech für Reimann, der nach seiner Sperre, für die er zudem vereinsintern mit einer Geldstrafe belegt worden war, gerade erst am letzten Spieltag ins Team zurückgekehrt war. Georg Beichle, der zu Saisonbeginn von Kickers Offenbach zu 96 gewechselt ist, kommt für den Hannoveraner Stürmer ins Spiel. Ein echter Ersatz ist Beichle wohl kaum. Es ist erst sein 5. Bundesligaeinsatz und nur zweimal stand er bei Anpfiff bereits auf dem Rasen. Immerhin – ein Tor hat er bei seinem Einsatz gegen den MSV Duisburg Ende Oktober erzielen können.

Die unschönen Ereignisse für die Gastgeber reißen nicht ab. Nach dem nicht gegebenen Tor und der Verletzung von Reimann kommt die Eintracht nach 35. Minuten auch noch zum Führungstor. Bernd Hölzenbein erzielt es nach einem Freistoß von Grabowski per Kopf. Ist Hannover lange vor dem Abpfiff schon am Ende angelangt?

Nein, denn just, als sich alles gegen die 96er verschworen zu haben scheint und die Hessen sich bereits am Ziel ihrer Wünsche wähnen, schalten die Gäste einen Gang zurück und Hannover schlägt zurück. Nur 120 Sekunden nach dem Frankfurter Führungstreffer kann Hans Siemensmeyer nach einem Steilpass von Weller aus vollem Lauf zum 1:1 ausgleichen. Der 31-jährige Kapitän der Gastgeber trifft zum ersten Mal in dieser Saison und bringt seine Mannschaft wieder ins Spiel.

Die Eintracht wird in dieser Phase des Spiels für die Überheblichkeit bestraft, die sie ihre Konzentration gekostet hat. In der 40. Minute geht Hannover 96, das sich vor der Pause in einen wahren Rausch spielt, durch einen schönen Treffer von Weller sogar in Führung. Dieses Mal hat Siemensmeyer für Weller die Vorarbeit geleistet, bevor der sein Solo zum 2:1 startete.

Nach der Pause lebt der Kampfgeist der 96er – beflügelt durch die unerwartete Führung – erst richtig auf. Weller macht in 51. Minute mit seinem zweiten Treffer aus etwa sieben Metern Torentfernung schon früh alles klar, Libero Friedel Lutz macht gegen den Torschützen keine allzu gute Figur. Ein ungewohntes Gefühl für Weller, der von Göttingen gekommen in der letzten Spielzeit gegen die Eintracht wie heute zwar auch einen Treffer vorbereitete, jedoch in der gesamten Saison in 27 Punktspielen nur ein Tor erzielte – gegen Kickers Offenbach. Die beiden Treffer gegen die Eintracht sind seine ersten in dieser Bundesligaspielzeit.

Während sich der sonst als "Stehgeiger" verschriene Weller als Mittelfeldmotor seiner Elf auszeichnet, lassen die Hessen den Siegeswillen vermissen, der sie zwei Wochen zuvor gegen die Bayern so ausgezeichnet hatte. Jürgen Grabowski, der sich in der Türkei erneut eine Bänderzerrung zugezogen hat, reibt sich gegen Hannovers "Terrier" Stiller förmlich auf und Ender Konca muss man an diesem Tag fast als Ausfall bezeichnen.

Die Frankfurter kommen trotzdem noch einmal auf. Der famos aufgelegte Parits sowie Hölzenbein machen der Abwehr der Niedersachsen zu schaffen und in der 66. Minute knallt ein Freistoß von Parits aus 35 (!) Metern an die Unterkante der Latte des 96er Tores. Zu mehr reicht es jedoch nicht, ein zweiter Treffer will der Eintracht einfach nicht gelingen.

Dagegen hat der Hannoveraner Kapitän in 85. Minute sogar die Gelegenheit zum 4:1, als Dr. Kunter Ferdinand Keller im Strafraum umstößt. Siemensmeyer scheitert jedoch am Frankfurter Torhüter Dr. Kunter, der bereits seinen dritten Elfmeter in dieser Saison hält.

Siemensmeyers überragende Leistung schmälert dieser Fehlschuss nicht. Für das Sportmagazin "Kicker" ist er sogar "Der Mann des Tages". Ein Mann, der weiß, wo sein Platz ist, seit er 1965 von Oberhausen an die Leine wechselte. "Wo sollte ich denn auch hingehen?", fragte der 31-Jährige anlässlich seiner kürzlichen Vertragsverlängerung um zwei weitere Jahre. 1965 sah das anders aus, da war 1860 München an dem Mittelfeldspieler interessiert. Doch bis Oberhausens fast allmächtiger Gönner und Vereinspräsident Peter Maaßen die Freigabe erteilt hatte, war das Angebot der Sechziger hinfällig geworden.

"Hannovers Kampfgeist hat den Ausschlag gegeben", kommentiert Trainer Ribbeck den verdienten Sieg des Schlusslichts richtig, ohne hinzuzufügen, dass sich dieser Kampfgeist erst nach Reimanns schwerer Verletzung einstellte. "Ich hoffe, dass der Erfolg keine Eintagsfliege war", reagiert Trainer Hipp denn auch auf den am Ende möglichen Kantersieg abwartend. Er wird sich in den nächsten Wochen ein eigenes Bild vom wahren Leistungsvermögen seiner Truppe machen. Vor dem Spiel gegen die Eintracht musste er auf das Urteil derer vertrauen, die er zukünftig beurteilen soll. In Unkenntnis der aktuellen Form habe er sich "in vielen Gesprächen mit den Spielern dieses und jenes sagen lassen." Gerade der Spieler, mit dem Hipp in der vergangenen Woche "nicht ganz klar gekommen" sein soll, hat heute jedoch den Unterschied ausgemacht: Hans-Joachim Weller.

Hannovers frisch gewählter Vizepräsident Rolf Edelhoff lässt sich von den vergangenen Misstönen und der ungewissen Zukunft seine gute Laune nicht verderben und strahlt: "Endlich, endlich kämpfen die Jungens." Die rote Laterne können die 96er aber trotz des Sieges nicht abgeben und bleiben Tabellenletzter. Die Eintracht fällt durch diese vermeidbare Niederlage wieder vom 8. auf den 9. Rang zurück. In der nächsten Woche geht es zum Hinspiel der 1. Runde des DFB-Pokals zum Regionalligisten Schweinfurt 05. (rs)


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