Eintracht Frankfurt - Borussia Mönchengladbach

DFB-Pokal 1971/1972 - Achtelfinale, Rückspiel

3:2 (1:1)

Termin: 22. 02. 1972
Zuschauer: 37.000
Schiedsrichter: Jan Redelfs (Hannover)
Tore: 1:0 Roland Weidle (31.), 1:1 Jupp Heynckes (35.), 2:1 Jürgen Grabowski (61.), 3:1 Bernd Hölzenbein (75.), 3:2 Günter Netzer (81.)

 

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Eintracht Frankfurt Borussia Mönchengladbach

 


  • Wolfgang Kleff
  • Rainer Bonhof
  • Ulrich Surau
  • Klaus -Dieter Sieloff
  • Hartwig Bleidick
  • Hans-Jürgen Wittkamp
  • Günter Netzer
  • Dietmar Danner
  • Christian Kulik
  • Jupp Heynckes
  • Ulrik le Fevre

 

Wechsel Wechsel
  • Hans-Jürgen Wloka für Hans-Jürgen Wittkamp (12.)
Trainer Trainer
  • Hennes Weisweiler

 

 

Ein großes Pokalspiel

Vor dem Rückspiel im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach heute Abend um 20 Uhr im Frankfurter Waldstadion beschäftigt die Anhänger der Hessen vor allen Dingen eine Frage: Spielt Jürgen Grabowski? Der Frankfurter Fußballnationalspieler leidet seit dem Heimspiel gegen den MSV Duisburg Mitte Dezember an einer komplizierten Knöchelverletzung, seine Rückkehr war für heute avisiert, doch nun sind die Trainingsversuche nicht ganz nach Wunsch verlaufen. "Von seinem Einsatz hängt viel ab", sagt Trainer Ribbeck, der um die Bedeutung des Kapitäns und des Kopfes der Mannschaft weiß.

Beide Teams gehen mit einem Erfolgserlebnis aus dem letzten Bundesligaspieltag in die Partie. Die Eintracht konnte den Abstiegskandidaten aus Dortmund mit 5:2 schlagen, während die Borussen mit einem 1:0-Sieg in Stuttgart ihre Chance auf eine Titelverteidigung gewahrt haben. Der amtierende Deutsche Meister vom Bökelberg liegt nun mit vier Punkten Rückstand auf Tabellenführer Schalke auf Rang drei, zwei Punkte hinter Bayern München. Die Eintracht hat auf den Spitzenreiter 11 Punkte eingebüßt, liegt aber aktuell – so unerwartet wie erfreulich – mit einem Spiel weniger auf dem 5. Platz.

So ansprechend wie die Platzierungen der Kontrahenten ist auch die Kulisse im Waldstadion. 37.000 Zuschauer wollen miterleben, ob die Eintracht gegen Weisweilers "Fohlen" einen Zweitorerückstand aufholen kann und wer ins Viertelfinale einziehen wird. Und wenn sie darüber hinaus gekommen sind, um die Rückkehr von Jürgen Grabowski zu sehen, haben sie schon vor dem Anpfiff Grund zur Freude: "Grabi" wird von Beginn an spielen.

Noch überraschender ist allerdings die Antwort, die Erich Ribbeck für die Frage gefunden hat, wer von der zuletzt erfolgreichen Elf für den Kapitän auf die Ersatzbank weichen muss. Fans und Journalisten hatten spekuliert, dass es Roland Weidle oder Ender Konca treffen könnte, gleichwohl der Vertreter Grabowskis wie auch der türkische Außenstürmer ansprechende Leistungen gezeigt und gegen Dortmund ihre Torgefährlichkeit unter Beweis gestellt hatten. Doch weder Weidle noch Konca finden sich auf der Bank wieder, sondern Thomas Rohrbach, der offenbar doch noch etwas unter der Kopfverletzung leidet, die er sich im Spiel gegen den BVB zugezogen hat. Eine Platzwunde am Schädel, die genäht werden musste, wird Rohrbach möglicherweise bei Kopfbällen immer noch behindern. Ribbeck hat aber noch eine weitere Überraschung parat: Anstelle des schnellen Rohrbach nimmt Bernd Hölzenbein den Platz als Außenverteidiger ein.


Freundschaftlich: Grabowski und
Netzer vor dem Anpfiff

Bevor es losgeht, treffen sich die beiden Kapitäne im Mittelkreis und tauschen einen freundschaftlichen Händedruck aus. Grabowski und Netzer – zwei Spieler, die sich offensichtlich gegenseitig schätzen und auch einiges gemeinsam haben. Beide sind sie Spielführer ihrer Mannschaft und darüber hinaus die überragenden Akteure ihrer Teams, die neben großartigen technischen Fähigkeiten auch den Blick und den Fuß für die genialen Momente des Spiels teilen. Doch so unbestritten die exponierte Stellung der beiden Liebhaber schneller und teurer Autos im Verein ist, so diskutabel ist ihr Platz in der DFB-Auswahl. Zwei vom gleichen Schlag sind sie sicher nicht und doch verbindet die beiden Spieler mehr als sie trennt.

Einig sind sich die beiden Mannschaften auch in ihrem Ziel – das Viertelfinale des DFB-Pokals. Und beide Seiten versuchen dieses Ziel zu erreichen, in dem sie dem Gegner nichts schenken. Die Härte, die die Partie vom Anpfiff des Schiedsrichters an begleitet, ist nicht untypisch für ein Pokalspiel. Horst Heese allerdings hätte – auch in Anbetracht seines Rufs bei den Unparteiischen – gut daran getan, die 90 Minuten etwas verhaltener zu beginnen. Schon nach sechs Minuten holt sich der "Wachhund" Netzers nach einem Foul am Gladbacher Regisseur seine erste Verwarnung ab, was dazu führt, dass Heese sich in seinem Ehrgeiz jetzt sehr bremsen muss, um keinen Platzverweis zu riskieren. Schiedsrichter Jan Redelfs macht Heese jedenfalls klar, dass der Frankfurter unter seiner Beobachtung steht.

Den gelben Karton bekommt auch Bernd Hölzenbein von Redelfs unter die Nase gerieben. Das böse Foul, das sich Bleidick vorher gegen "Holz" geleistet hatte, konnte der Frankfurter in diesem Pokalkampf offensichtlich nicht unbeantwortet lassen. Und so ist es dem Schiedsrichter natürlich nicht entgangen, dass Hölzenbeins Gruß in Richtung Bleidick alttestamentarischer Art war - Auge um Auge, Zahn um Zahn und Tritt um Tritt.

Ohne Absicht prallen dagegen Wittkamp und Hölzenbein bei einem Kopfballduell zusammen. Wittkamp scheint benommen, torkelt auf dem Platz, und alle Versuche, das Spiel wieder aufzunehmen, scheitern. Mit dem Ex-Schalker muss einer der Torschützen aus dem Hinspiel schon nach 12 Minuten den Platz verlassen. "So ein Verletzungspech haben auch nur wir. Nach Müller, Vogts und Wimmer jetzt Wittkamp", klagt Trainer Weisweiler, während Wittkamp mit einer schweren Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht wird. Der junge Hans-Jürgen Wloka nimmt derweil Wittkamps Platz in der Borussenelf ein.

Abseits der hart, aber nicht unfair geführten Zweikämpfe wird rasanter, wenn auch technisch nicht unbedingt fehlerfreier Fußball gespielt. Es ist der Eintracht deutlich anzumerken, dass sie die 2:4-Schlappe auf dem Bökelberg ausgleichen will. Die Riederwälder wissen selbst am besten, dass die Niederlage am Niederrhein höher ausgefallen ist, als es nach der eigenen 2:1-Führung nötig gewesen wäre. Aus diesem Bewusstsein heraus entwickeln sie einen Eifer und eine Angriffslust, an die man sich mittlerweile im Waldstadion gewöhnt hat. Das frühe Tor, das in der letzten Zeit fast schon zur Regel geworden ist, will dieses Mal allerdings nicht fallen.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde hat aber auch dieses Warten ein Ende: Weidle wird im Strafraum der Gäste vorzüglich bedient, Ballannahme und unvermutete Drehung sind eins, so dass der Schwabe im Trikot der Eintracht freie Schussbahn hat. Er versucht sein Glück jedoch nicht mit einem bei einem einfallsloseren Spieler durchaus naheliegenden Gewaltschuss, sondern mit einem perfekt ausgeführten Schlenzer über Torwart Kleff hinweg. Hinter dem Gladbacher Schlussmann senkt sich der Ball zur verdienten Frankfurter Führung ins Netz.

Nun fehlt der Eintracht noch ein Tor, um den Hinspielsieg der Gladbacher auszugleichen. Doch allzu lange hält dieser Zustand nicht an. Josef Heynckes erobert nur vier Minuten nach Weidles Treffer den Ball von Nickel und zieht auch an Lutz vorbei, der den kürzeren Weg als der Gladbacher zur Kugel hat und dennoch zu spät kommt, weil er es an Entschlossenheit fehlen lässt. Heynckes schließt seinen Angriff aus halblinker Position ab und das Leder schlägt hinter Dr. Kunter zum Ausgleich an. Der Keeper der Eintracht macht nicht unbedingt eine bessere Figur als seine Mitspieler Nickel und Lutz zuvor, denn zu behaupten, dass dieser Schuss unhaltbar gewesen sei, würde dem Gladbacher Angreifer zu viel der Ehre antun.

Abgesehen von vereinzelten, sehr sparsamen Vorstößen stand der Deutsche Meister bisher auf eigenem Terrain und damit fast auf verlorenem Posten, wenn sich die mit jungen Spielern gespickte Meistermannschaft nicht ihrer Haut zu wehren gewusst hätte. Doch nun liefert Weisweilers Elf quasi im Nachgang zum bereits erzielten Ausgleich die dazu passende Begründung, in dem sie Kombinationsstafetten zeigt, die den Applaus eines neutralen Zuschauers herausfordern. Die Führung der Eintracht ist damit ebenso Geschichte wie die optische Überlegenheit, für die sich Ribbecks Truppe aber ohnehin nichts kaufen konnte.

Grabowski ist in seinen Aktionen für seine Maßstäbe zurückhaltend, aber das kann nach einer mehr als zehnwöchigen Pause niemanden ernsthaft in Erstaunen versetzen. Um die notwendigen Impulse im Spiel der Eintracht macht sich dafür besonders Bernd Nickel verdient, der zudem Torwart Kleff mit einer Auswahl kerniger Schüsse beschäftigt. Was den Gastgebern abgeht bei all den gut gemeinten Versuchen, deren beste Exemplare zudem am Tor der Gladbacher vorbei zischen, sind die klaren Einschussmöglichkeiten im Sechzehner der Gäste. Hier konnte man angesichts der durch das Fehlen von "Berti" Vogts und "Luggi" Müller geschwächten Borussenabwehr etwas mehr von den Frankfurtern erwarten.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit agieren die Gladbacher weiterhin überwiegend sicher, streckenweise gar souverän und erwecken nicht den Eindruck, als würden sie Gefahr laufen, ein weiteres Mal von der Eintracht an die Wand gedrückt zu werden. Die Angriffe der Männer um Jürgen Grabowski wirken in dieser Phase nicht durchdacht oder wenigstens zwingend genug, um Druck auf die Gästedefensive ausüben zu können.

Doch just als den Frankfurtern nach knapp einer gespielten Viertelstunde im zweiten Durchgang die Zeit davon zu laufen beginnt, schwingt sich der Netzerbewacher Horst Heese an Grabowski und Nickel vorbei zu dem Mann auf, der die gewinnversprechenden Angriffe einleitet. Der erste findet Parits, der sich mit Heeses Zuspiel gegen seinen Bewacher Surau durchsetzt, aber dann vor Kleff mit seinem Schussversuch aus der Drehung scheitert – er tritt über den Ball.

Der Nächste, den Heese mit einem Pass bedient, kennt die Hast, die Parits zuvor zu seiner Fehlleistung getrieben hat, doch im Gegensatz zum Österreicher macht er sich die gebotene Eile zu Nutze und verwandelt sie in Geschwindigkeit. Grabowski zieht, kaum dass er das Leder am Strafraum vom nach innen drängenden Heese erhalten hat, sofort kurz und trocken ab. Assistiert vom glücklichen Umstand eines unterwegs abgefälschten Balls bringt er die Eintracht nach 61 Minuten erneut in Front. Kleff ist chancenlos.


Kleff pariert einen Schuss von Grabowski

Auch wenn die Eintracht in der Folge wenig Sinn in überlegt herausgespielten Angriffszügen sieht und sich stattdessen auf ein unverdrossenes Anstürmen verlegt, erhält sie nun eine Tormöglichkeit nach der anderen. Gladbachs Keeper Kleff zeigt nun verstärkt sein Können. In der 68. Minute pariert er eines von Nickels Geschossen, das bei einem weniger aufmerksamen und reaktionsschnellen Tormann das sichere dritte Tor für die Frankfurter bedeutet hätte. Nicht lang danach versucht es Heese auf eigene Faust, bricht tatsächlich durch die Abwehrreihe der Gladbacher, bekommt aber im letzten Moment von Kleff den Ball vom einschussbereiten Schlappen stibitzt.

Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Heese, im Offensivspiel der eigenen Truppe Akzente zu setzen und im Rückwärtsgang die Kreise des Gladbacher Spielmachers Günter Netzer einzuengen. Heese lässt Netzer auch bei seinen Ausflügen nicht aus den Augen, doch auszuschalten ist der blonde Regisseur der Weisweiler-Elf an einem guten Tag nicht. Und je länger die Partie dauert, desto deutlicher wird, dass Netzer heute einen sehr guten Tag erwischt hat. Der Aufwand, den Heese betreiben muss, ist enorm und schwächt auf Dauer auch den kräftigsten Spieler, Netzer jedoch scheint immer noch so leichtfüßig zu sein, wie zu Beginn dieser Auseinandersetzung.

Es ist von großem Nutzen für die Eintracht, dass Ribbecks anderer Schachzug glänzend aufgeht. Hölzenbein, der im Hinspiel als Netzers Schatten zu gefallen wusste, stellt in seiner Rolle des Ersatzaußenverteidigers den schnellen Danner vor ein ungeahntes Hindernis. Danner kommt an dem ebenso flinken und gewitzten Frankfurter kaum vorbei.

Aber "Holz" wäre nicht "Holz", wenn er sich mit seinen Erfolgen in der Defensive zufriedengeben würde. Eine Viertelstunde ist noch zu spielen und ein Tor fehlt der Eintracht, um mit den Gladbachern gleichzuziehen, als Hölzenbein auf der linken Seite zu einem Solo ansetzt. Ein Solo, bei dem er Sieloff aussteigen lässt, wie einen ertappten Schwarzfahrer aus der Straßenbahn, um dann aus der Drehung mit einem Schuss ins lange Eck, das 3:1 zu erzielen – damit hat Kleff nicht gerechnet.

Das Waldstadion bebt, das Viertelfinale ist nah! Auf dieser Welle der Begeisterung, getragen von den Anfeuerungen durch die eigenen Fans, hat die Eintracht Möglichkeiten für einen vierten Treffer, der den Meister aus dem Wettbewerb befördern würde. Doch sechs Minuten nach Hölzenbeins Tor schlägt der – man muss es einfach neidlos und sportlich anerkennen – beste Spieler auf dem Platz zu. Zwar scheint er im Strafraum schon aufgehalten, einige halten die Luft an und warten auf den Elfmeterpfiff von Redelfs, doch da angelt sich Netzer den verloren geglaubten Ball noch einmal und schießt aus etwa acht Metern unhaltbar für Dr. Kunter ein. Die Gladbacher feiern das Anschlusstor ihres Kapitäns wie ein Siegtor und das ist es in der Addition ja auch, zumindest, wenn den Gastgebern in den verbleibenden neuen Minuten nicht doch noch der vierte Treffer gelingen sollte.

Ribbeck grübelt nicht lange und wirft keine 60 Sekunden nach dem 3:2 Rohrbach für den angeschlagenen Parits in die Partie. Rohrbach, den Ribbeck zum Außenverteidiger umgeschult hat, ist immerhin gelernter Angreifer, pfeilschnell und trickreich. Es besteht Hoffnung, dass er in den verbleibenden Minuten noch einmal für eine Chance sorgen kann. Doch die Hoffnung erfüllt sich nicht, es fällt kein weiteres Tor mehr und nach einem spannenden Pokalkampf zieht mit Gladbach die um einen Treffer bessere und etwas clevere Mannschaft in die nächste Runde ein.

Dieses Spiel war wohl der Beweis dafür, dass ein Fußballspiel nicht durchgängig hochklassig sein muss, um erstklassig zu sein. Das sieht auch DFB-Auswahltrainer Helmut Schön so. "Kleff im Borussiator hat eine großartige Partie geliefert", hebt Schön zuerst den Schlussmann der Gladbacher besonders hervor und urteilt abschließend: "Ein großes Pokalspiel!" Das war es. (rs)

 


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