1. FC Köln - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1971/1972 - 19. Spieltag

1:1 (0:1)

Termin: Di 07.03.1972, 20:00 Uhr
Zuschauer: 13.000
Schiedsrichter: Horst Herden (Hamburg)
Tore: 0:1 Bernd Nickel (10.), 1:1 Wolfgang Overath (74., Foulelfmeter)

 

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1. FC Köln Eintracht Frankfurt

  • Gerhard Welz
  • Jupp Kapellmann
  • Bernhard Cullmann
  • Wolfgang Weber
  • Harald Konopka
  • Paul Scheermann
  • Heinz Simmet
  • Hennes Löhr
  • Wolfgang Overath
  • Heinz Flohe
  • Bernd Rupp

 


 

Wechsel
  • Detlev Lauscher für Paul Scheermann (68.)
  • Jürgen Glowacz für Heinz Flohe (74.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

Labile Deckung trifft kölsche Krankheit

Das Auswärtsprogramm der Frankfurter Eintracht ist in diesen Tagen alles andere als anspruchslos. Nach der schweren Prüfung beim zu Hause verlustpunktfreien Tabellenführer aus Schalke, ist heute das Nachholspiel beim Tabellenvierten in Köln an der Reihe. Am Wochenende geht es dann zu einem der beiden direkten Konkurrenten um Platz fünf an die Spree – die alte Dame Hertha bittet zum Rendezvous. Die Berliner haben übrigens vor drei Tagen bereits in Köln vorgespielt und mit 0:3 eine deutliche Abfuhr erhalten.

Die Kölner haben sich einiges vorgenommen, das gilt für die Mannschaft, als auch für einzelne Spieler. Nach Overaths Jubiläumseinsatz soll nämlich auch Löhrs Jubiläumstor folgen. Der schnelle Linksaußen will seinen 100. Bundesligatreffer schießen. Frankfurts Trainer Ribbeck hat andere Sorgen, denn auf ihn kommt zur bekannten Auswärtsschwäche seiner Elf – bisher nur magere drei Punkte auf fremden Plätzen - ein weiteres Problem zu: Mit dem begnadeten Techniker und Kapitän Jürgen Grabowski hat sich zweifellos sein wichtigster Mann am letzten Samstag erneut eine Knöchelverletzung zugezogen. Dabei war es gerade Grabis drittes Spiel nach zehnwöchiger Verletzungspause ... "Ich weiß noch nicht, wie ich die Lücke schließe", sagt sein Trainer mit Blick auf die Auswärtsaufgabe am Dienstag in Köln: "Zur Auswahl stehen Rohrbach, Aust, Wirth oder Schämer. Ich will noch das Training am Montagmorgen abwarten."

Mit dem verletzten Kapitän ist die Verletztenliste der Hessen allerdings noch längst nicht zu Ende. Der sicherste Frankfurter Elfmeterschütze Jürgen Kalb fehlt nach seiner Operation ebenso wie der unter Achillessehnenproblemen oder einer Fersenprellung leidende Ender Konca – die Meldungen über die Art seiner Verletzung sind widersprüchlich. Über Koncas Ausfall ist Ribbeck allerdings nicht ganz so traurig wie über den der drei anderen - die Leistungen des Linksaußen waren in den letzten Wochen ja auch nicht gerade überwältigend.

Auf diese Art und Weise kommt Thomas Rohrbach mit der Nr. 11 wieder ins Spiel und außerdem auch noch "Kalla" Wirth mit der Nr. 5. Aber die 11 auf dem Rücken von Rohrbachs Trikot gehört eher in die Reihe "tarnen und täuschen", denn wie sich bald herausstellt, ist er auf Flohe angesetzt, während Heese Overaths Schatten spielen soll.

Als Vierter im Bunde fehlt übrigens Torwart Dr. Kunter. Wie bereits gegen Düsseldorf muss also Siegbert Feghelm die unumstrittene Nummer 1 der Eintracht ersetzen. Erich Ribbeck sprüht vor dem Spiel nicht gerade vor Zuversicht, die Deutlichkeit seiner Aussage überrascht die Journalisten aber doch: "Vor allem meine Deckung ist einfach zu labil. Ich bin froh, wenn die Niederlage hier nicht allzu hoch ausfällt."

Möglicherweise ist Ribbecks Erstaunen zu Beginn der Partie so groß wie das der 13.000 Zuschauer, denn erstens schlagen sich Rohrbach und Heese in ihren Duellen gegen Flohe und Overath recht gut, und zum anderen werden die beiden Kölner Mittelfeldstrategen noch vom Frankfurter Regisseur Bernd Nickel übertroffen. Und Bernd Nickel ist es auch, der für einen wahrhaft gelungenen Start in dieses schwere Auswärtsspiel sorgt. Der bereits in der letzten Spielzeit erfolgreichste Frankfurter Schütze zeigt sich gewohnt treffsicher, als Parits nach einem Nickel-Pass von Cullmann gerempelt wird und es in der 10. Minute einen Freistoß aus 18 Metern für die Eintracht gibt. Nickel läuft an und hämmert das Leder flach in das Tor des Kölners Welz, der völlig verblüfft aufschaut. Auf den Hammer von Bernd Nickel ist eben Verlass.

Verlass ist heute erstaunlicherweise auch auf die Frankfurter Abwehr. Die Außenverteidiger Peter Reichel und Karl-Heinz Wirth sind in glänzender Form, Gert Trinklein spielt einen formidablen Libero und Friedel Lutz steht in der Innenverteidigung so unüberwindbar wie eine deutsche Eiche. Löhr hat gegen Reichel einen ebenso schweren Stand wie Scheermann gegen Lutz.

So ergeben sich kaum echte Kölner Chancen. Ein Schuss von Overath nach Nickels Führungstor sowie eine Szene, in der Löhr nach schöner Vorarbeit durch einen Doppelpass von Overath und Flohe bei der folgenden Flanke am Ball vorbei tritt, sind im Grunde die einzigen bemerkenswerten Chancen. Die anderen passabel angesetzten Schüsse, besonders von Flohe, streichen über das Tor des langen Feghelm, der nur dreimal rettend einzugreifen brauchte.

Das Frankfurter Mittelfeld ist dem der Kölner – trotz Overath – weit überlegen. Overath bietet wie Simmet lediglich eine durchschnittliche Vorstellung, allein Heinz Flohe zeigt eine überdurchschnittliche Leistung. Die muss man dem tadellosen Bernd Nickel auf Seite der Frankfurter ebenfalls bescheinigen, der jedoch mit Horst Heese und Thomas Rohrbach die stärkeren Mitspieler an seiner Seite hat. Den Aktionsradius, den Nickel hat, die Pässe, die er schlägt, sind sehenswert. Und zusammen mit Hölzenbein, der zwar die Nr. 7 trägt, aber einen verdeckten Linksaußen spielt, sowie Weidle und Parits stiftet Nickel gewaltige Verwirrung vor dem Kölner Strafraum.

Im Kölner Sturm überzeugt nur Löhr; der Torschütze vom Dienst, Bernd Rupp, hat heute wie es scheint eine Ladehemmung. Die Eintracht kann den fleißigen Weidle und den wendigen Parits in vorderster Reihe aufbieten und diese gefährliche Angriffsreihe mit Bernd Hölzenbein krönen. Hölzenbein ist zusammen mit Bernd Nickel ohne Frage der beste Frankfurter Spieler in einer wahrlich nicht durchschnittlichen Elf vom Riederwald. Die Eintracht ist so selbstbewusst und clever, wie man es von einer Spitzenmannschaft erwarten würde.

In der Pause freut sich Nickel immer noch über seinen Treffer zum 1:0 und erzählt: "Diesen Trick hatten wir lange geübt. Weidle stand zunächst in der Mauer, sprang aber plötzlich hinaus, als ich schoss. Dadurch hatte der Ball freie Bahn." Rohrbach hat sich in der ersten Halbzeit verletzt. Für ihn ist nun ab der 46. Minute Aust im Spiel. Erich Ribbeck stellt um und lässt nun Friedel Lutz gegen Flohe und Aust gegen Scheermann spielen. Die Kölner Großoffensive ist aber dennoch nicht zu verhindern und die Eintracht hat einiges Glück: Da prallt bei einem Freistoß der Ball gleich viermal hintereinander von der Mauer ab, da verpasst sowohl Feghelm wie dann auch Rupp eine glasharte Flanke von Flohe, da geht der Ball in einer Szene einmal an den rechten, einmal an den linken Pfosten, und Siegbert Feghelm fliegt hin und her und spitzelt ihn schließlich aus dem Torraum heraus.

In der zweiten Halbzeit ist es mit den schönen Künsten der Eintracht vorbei. Wie so oft in Auswärtsspielen rutscht das Herz, in die Hose und man verbarrikadiert sich, als gelte es Pest und Cholera auszusperren. Einzig, wenn Nickel am Ball ist und wenn Hölzenbein sich auf den Weg macht, strahlen die Frankfurter im zweiten Durchgang so etwas wie Gefahr für das von Welt gehütete Tor aus. "Holz" taucht auch zweimal vor Torwart Welz auf, doch einmal schnappt ihm Kapellmann den Ball noch weg und das andere Mal hält Welz Hölzenbeins Schuss aufs kurze Eck.

Die Kölner dagegen setzen alles auf eine Karte. Den Auftakt dazu bildet in der 55. Minute ein Pfostenschuss von Scheermann. Ebenfalls nur Holz trifft Simmet in der 68. Minute mit einem Kopfball. Flohe ist in dieser Zeit der Motor der Kölner, während Mannschaftskapitän Overath sich gegen den eisenharten Heese merklich zurückhält.

Am Ende benötigen die Kölner einen Elfmeter, um in der 74. Minute wenigstens noch zum Ausgleich zu kommen. Kalla Wirth, der eine treffliche Partie gegen Rupp geliefert hat, hat die Brust breit gemacht und Rupp ist daran ins Straucheln geraten. Für Schiedsrichter Herden ist im Gegensatz zu Aktiven und Beobachtern der Szene die Sache klar, er entscheidet auf Strafstoß. Overath erledigt die Pflichtaufgabe, wie es sich für einen Spieler seiner Klasse geziemt. Siegbert Feghelm besitzt gegen Overaths Schuss nicht den Hauch einer Chance.

In der gleichen Minute verletzt Aust Flohe bei einer Attacke so schwer, dass der beste Kölner Feldspieler den Platz humpelnd verlassen muss - Glowacz kommt für Flohe ins Spiel. Der schon einige Minuten vor dem Ausgleich für Scheermann eingewechselte Lauscher macht bei einem schönen Sololauf auf sich aufmerksam. Doch just als Lauscher abziehen will, wirft sich ein Eintrachtspieler in die Schussbahn und vereitelt einen möglichen Torerfolg.

Erwähnenswert ist noch der bedauernswerte Friedhelm Aust. Der junge Mann, der lediglich beim 1:5-Debakel der Eintracht zum Saisonauftakt in der Startelf stand, das Spielende damals wegen schwacher Leistung jedoch nicht auf dem Platz erlebte, und danach nur noch vier Mal in der zweiten Halbzeit jeweils recht spät eingewechselt wurde, erlebt heute seinen Tiefpunkt: Erst zur zweiten Halbzeit für Rohrbach ins Spiel gekommen, wird er in der 84. Minute für den erfahrenen, alten Recken Lothar Schämer ausgewechselt ... Es ist Lothar Schämer erstes Bundesligapunktspiel in dieser Saison, aber der routinierte Mann sorgt in der kurzen Zeit in der nun doch nervös gewordenen Eintracht-Deckung mit seiner Übersicht und Abgeklärtheit für etwas mehr Ruhe.

Mit dem Unentschieden können vorerst beide ganz gut leben: Köln bleibt auf dem vierten und Frankfurt auf dem fünften Platz. Die Ambitionen der Kölner sind allerdings weitaus größer als die der Eintracht. Gyula Lorant rechnet sich zur allgemeinen Überraschung sogar weiterhin Chancen aus, mit seiner Elf in den Meisterschaftskampf eingreifen zu können ... Das Granteln kann der ehemalige Weltklassespieler und eigenwillige Trainer aber dennoch nicht lassen. "Typisch kölsche Krankheit", schimpft Lorant, "erst sind sie überheblich, und dann müssen sie hinter den Punkten herlaufen." Erich Ribbeck dagegen ist zufrieden: "Eine gute Leistung meiner Mannschaft." Eine Leistung, auf der sich allemal aufbauen lässt. Am besten gleich im nächsten Spiel in Berlin. (rs)

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