Holstein Kiel - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1996/1997 - 1. Hauptrunde

2:4 (1:2)

Termin: 11.08.1996
Zuschauer: 4.500
Schiedsrichter: Byernetzki (Hamburg)
Tore: 0:1 Kachaber Zchadadse (11.), 0:2 Johnny Ekström (33.), 1:2 Lars Habermann (40.), 1:3 Maurizio Gaudino (47.), 2:3 Sven Bertermann (82.), 2:4 Urs Güntensperger (90.)

 

>> Spielbericht <<

Holstein Kiel Eintracht Frankfurt

  • Sebastian Breuß
  • Thomas Rux
  • Peter Peters
  • Nydahl
  • Helge Lammers
  • Lars Habermann
  • Dirk Köhlert
  • Jens Borchert
  • Stefan Schmidt
  • Sven Bertermann
  • Timo Hempel

 


 

Wechsel

  • Rohde für Jens Borchert (67.)
  • Bohlert für Lars Habermann (88.)

Wechsel

Trainer

  • Jens Martens

Trainer

 

 

Zum richtigen Zeitpunkt getroffen …

Nur kurz ist die Pause nach dem ersten Heimsieg in der noch jungen Saison und schon wieder müssen die Frankfurter mit dem Bus hoch in den Norden reisen. Die erste Runde im DFB-Pokal gegen den Regionalligaabsteiger Holstein Kiel steht auf dem Programm. Ohne die verletzten Bommer und Komljenovic muss Dragoslav Stepanovic seine Mannschaft mal wieder umstellen, hält sich aber mit Forderungen nach Verstärkungen zurück, zumal der italienische Defensivmann Marco Rossi wohl doch verpflichtet werden wird: "Wir können nur neue Leute gebrauchen, die uns auch weiterhelfen. Deshalb werden wir sparen, um im richtigen Moment einen zu holen, der eine echte Verstärkung ist." So übernimmt Roth die Rolle von Bommer im defensiven Mittelfeld, Bindewald rückt wieder auf die linke Außenbahn und auf rechts soll sich Dworschak beweisen. Dafür bilden Gaudino, Ekström und Güntensperger wie gehabt das Offensivtrio.

Das waren noch Zeiten, als die Frankfurter 28.000 Zuschauer in das Holsteinstadion lockten. "Die Hütte war rappelvoll. Und dann macht die Eintracht drei Minuten vor dem Abpfiff durch Hubert Schieth auch noch den 1:0-Siegtreffer", erzählt ein älterer Archivar wehmütig über die Begegnung in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft im Mai 1953. Doch inzwischen ist es mehr als trist geworden um “Die Störche“, die seit dem jüngsten Abstieg in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein vor durchschnittlich 500 Zuschauern spielen. Mit immerhin 5.000 Zuschauern rechnet Manager Schneekloth, der kleine Brötchen zu backen gelernt hat: "Wir sind die Nachlassverwalter der 30jährigen Dauerkrise. Unser Teufelskreis: Private Geldgeber wie Zuschauer fordern zunächst Erfolge, erst dann öffnen sie ihr Portemonnaie." So ist der Kader in dem Verein, bei dem Andreas Köpke seine Torwart-Karriere startete, überschaubar. Neben dem verletzten Eggert Dolling und Ex-HSV-Spieler Jens Bochert, die beide über Zweitligaerfahrung verfügen, stehen nur unerfahrene Akteure zur Verfügung, die den Wiederaufstieg in die Regionalliga und heute vielleicht eine kleine Sensation schaffen sollen.

Doch danach sieht es zunächst nicht aus, denn nach einigen Minuten des Abtastens übernimmt die Eintracht mit ruhigem Spiel die Kontrolle, um nach einem Standard schnell in Führung zu gehen. Bei einem Eckball von Menze steigt Zchadadse mindestens eine Kopf höher als seine zwei Widersacher und köpft den Ball zur 1:0-Führung ins Netz (11.). Auch danach bestimmen die Gäste bei drückender Schwüle und Nieselregen zwar das Geschehen, lassen allerdings die notwendige Konsequenz vor dem Strafraum mangeln. So wagt sich auch einmal Kiel nach vorne, Habermann prüft mit einem Schuss von der Strafraumgrenze Oka Nikolov, der sicher parieren kann (30.). Doch drei Minuten später setzen die Frankfurter über Dickhaut erfolgreich nach, der sich aus der Abwehr löst und einen tollen Doppelpass mit Güntensperger spielt. Er behält die Übersicht und passt das Leder sogleich in die Gasse zum startenden Ekström, der freistehend auf 2:0 erhöht.

Prima, alles sieht nach einem geruhsamen Nachmittag aus, als Güntensperger sich mit einem beherzten Sprint in den Strafraum aufmacht, um noch einen drauf zu setzen. Doch Torhüter Breuß kann den Schuss parieren und den Ball sofort nach vorne schlagen. Der aufgerückte Habermann kommt an die Kugel, nutzt den Freiraum und haut sie aus spitzem Winkel zum überraschenden 1:2-Anschlußtreffer in die Maschen (40.).

Nachdem erneut Güntensperger und Hempel auf der anderen Seite an der Größe des Tores scheitern, geht es in die Pause. Geht da noch was für den Oberligisten? Nicht, wenn es nach Gaudino geht, der kurz nach dem Wiederanpfiff ausgerechnet mit seinem lädierten rechten Fuß Maß nimmt. Aus gut zwanzig Metern nimmt er einen hohen Ball volley und schlenzt ihn ins linke Toreck zum 3:1 für die Eintracht (47.).

Die Führung macht lässig. Schön wollen sie jetzt spielen und sich schonen, mit Hacke und Spitze. Doch daraus wird nichts, denn der Oberligist bekommt die zweite Luft und verlagert das Spielgeschehen zusehends in die Hälfte der Frankfurter. Die eigenen Fans peitschen die Störche jetzt nach vorne, während bei der Eintracht nicht nur Menze und Roth den Faden verlieren. Das Leder wird nur noch raus geschlagen, Kampf ist nun Trumpf, was nicht nur Gaudino sichtlich irritiert: "Warum wir nach dem 3:1 nicht mehr in der Lage waren, den Ball in den eigenen Reihen zu halten, ist mir unverständlich. Das war dann natürlich auch von mir zu wenig." Dafür hat jetzt Nikolov eine Menge zu tun und kann sich bei zwei Schüssen von Köhlert auszeichnen, der von Zchadadse kaum noch zu halten ist. Und es wird nicht besser, nachdem Stepanovic umstellen muss. Denn zunächst muss Dworschak mit dem – sich nicht bestätigenden – Verdacht auf Jochbeinbruch nach einem Zusammenprall mit Schmidt vom Platz und dann zwickt der rechte Oberschenkel von Gaudino. Für die beiden kommen Reuter und Beuchel in die immer hektischer werdende Partie (64./78.).

Dann passiert es, bei einem langen Ball in den Strafraum missglückt Pejovic die Kopfballabwehr, Nikolov zögert auf der Linie, nicht aber Bertermann, der den Ball zum 2:3 in den Kasten hämmert (82.). "Ich hatte mir die Frankfurter am letzten Wochenende in Lübeck angeschaut, da habe ich schon gesehen, dass sie nach 60 Minuten platt sind", frohlockt Störche-Trainer Martens, während Bernd Hölzenbein auf der Tribüne außer sich ist: "Uns fehlt ein Spieler, der die Ruhe und Übersicht behält, wenn wir einmal unter Druck geraten. Es kann doch nicht sein, dass eine solche Gurkentruppe wie Kiel uns solche Probleme bereitet." In der Tat, sie wanken bedenklich, die Profis.

Dragoslav Stepanovic reagiert und bringt Becker für Ekström, der sogleich die große Chance hat, für das 4:2 zu sorgen, aber überhastet schießt und an Breuß scheitert (85.). So drückt Kiel weiter und Trainer Martens versichert: "Wenn wir hier das 3:3 machen, dann kann ich für nichts mehr garantieren." Muss er auch nicht, nachdem Rohde neunzig Sekunden vor Schluss das Kunststück fertig bringt, bei einer Maßflanke über das Runde zu treten, anstatt es einfach im Kasten zu versenken. Roth kommt dafür an den Ball und treibt ihn sofort nach vorne, um auf Güntensperger zu passen. Diesmal bleibt der Schweizer Stürmer eiskalt und macht mit seinem Treffer zum 4:2 zur großen Erleichterung aller Frankfurter alles klar. "Wir haben unsere Tore zum richtigen Zeitpunkt geschossen", freut sich Dragoslav Stepanovic, der sich ansonsten mit Kritik zurück hält und lieber Streicheleinheiten verteilt: “Es gibt für uns noch viel Arbeit, aber über weite Strecken zeigt die heutige Leistung, dass wir eine Mannschaft haben, die in der Zweiten Liga oben mitspielen kann.“

Dies wird sie auch in der nächsten Pokalrunde beweisen müssen, denn dann müssen sie nach Meppen, um die Emsländer ein paar Tage später in Frankfurt im Kampf um Zweitligapunkte zu empfangen. Nicht eben Kassenschlager, den bei den Ostwestfalen wird es keinen warmen Fernseh-Geldregen für die Frankfurter geben, nachdem schon das Spiel in Kiel gerade einmal 20.000 Mark in die marode Kasse geplätschert hat. Genau der Betrag, den die Eintracht bei einem Freundschaftsspiel als Antrittsgeld kassiert...


Die Eintracht verpflichtet Marco Rossi

Bereits im Trainingslager in Seefeld testete Dragoslav Stepanovic den 32-jährigen Italiener, der zusammen mit Gaudino in Mexiko gespielt hatte und wollte ihn unbedingt verpflichten, was der Verwaltungsrat allerdings aus Kostengründen zum Ärger des Trainers ablehnte. Nun also die Kehrtwende. “Es ist nicht so, dass wir im Geld schwimmen, aber bei der Überprüfung der Finanzen haben wir festgestellt, Rossi war noch drin. Die sportliche Notwendigkeit war sowieso vorhanden", erklärt Interimspräsident Lindner, während Manager Hölzenbein betont, dass das Gesamtvolumen aus Ablösesumme und Gehalt unter 450.000 Mark liege und mit den Mexikanern Ratenzahlungen vereinbart werden konnten. Doch der Italiener, der die Baustelle linke Außenbahn schließen soll, setzt auch den Trainer unter Zugzwang, wie Dieter Lindner vor dem Hintergrund des bislang unerwartet hohen Zuschauerzuspruchs unzweideutig betont: "Ich möchte niemanden unter Druck setzen. Aber das alles zeigt, dass die Anhänger etwas von uns erwarten. Wir wollen diese Situation nutzen. Wir wollen den Aufstieg und werden deswegen angreifen." (tr)

 

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