SV Meppen - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1996/1997 - 2. Hauptrunde

6:1 (3:1)

Termin: 31.08.1996
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Jansen (Essen)
Tore: 1:0 Alexander Ukrow (1.), 2:0 Andreas Helmer (5.), 2:1 Johnny Ekström (17.), 3:1 Christian Claaßen (37.), 4:1 Mario Lau (48.), 5:1 Damir Bujan (58.), 6:1 Bernd Winter (59.)

 

>> Spielbericht <<

SV Meppen Eintracht Frankfurt

  • Stefan Brasas
  • Thomas Böttche
  • Bernd Deters
  • Eckhard Vorholt
  • Carsten Marell
  • Damir Bujan
  • Manfred Schulte
  • Marko-Olavi Myyry
  • Andreas Helmer
  • Alexander Ukrow
  • Christian Claaßen

 


 

Wechsel

  • Bernd Winter für Thomas Böttche (35.)
  • Mario Lau für Alexander Ukrow (35.)
  • Karsten Imort für Bernd Deters (64.)

Wechsel

Trainer

  • Paul Linz

Trainer

 

Hinter den sieben Torfmooren wartet die Mutter aller Blamagen …

"Schaut, im Pokal gibt's fünf Spiele plus eins, das Endspiel. Das ist jetzt das zweite Spiel und wir können das gewinnen. Dann bekommst du vielleicht ein leichtes Los in Runde drei, wurschtelst dich so durch und plötzlich stehst du im Finale", philosophiert Dragoslav Stepanovic vor der Reise ins Emsland, wo die Eintracht beim Synonym für Pampa und Provinzfußball, dem Ligakonkurrenten aus Meppen antreten wird. Trotz der jüngsten Euphorie im Umfeld bleibt der Trainer skeptisch, denn überzeugt hat ihn bislang nur die Offensive mit Gaudino, Ekström und Güntensperger: “Alles, was wir bislang erreicht haben, steht noch auf Glasfüßen. Unser Mittelfeld hat bislang noch nicht gezeigt, was es kann und auch in der Abwehr ist jetzt Schluss mit den Experimenten. Dickhaut ist und bleibt mein Libero.“ So wird der Kapitän heute gemeinsam mit Pejovic und Roth - der den bei der georgischen Nationalmannschaft weilenden Zchadadse ersetzt - in der Abwehr stehen, vor der Komljenovic und Menze agieren. Die Außenbahnen besetzen wie schon beim 3:1-Sieg gegen Fortuna Köln Rossi auf der linken und Bindewald auf der rechten Seite.

Seit neun Jahren sind sie bereits in der zweiten Liga und tummelten sich meist im Mittelfeld herum. So auch in der letzten Saison, als sie zwar lange am Tabellenende lagen, aber nach der überraschenden Trennung von Trainer Horst Ehrmantraut mit Nachfolger Paul Linz einen Endspurt von neun Spielen ohne Niederlage hinlegten, um am Ende Zehnter zu werden. Dieses Jahr wollen sie mit dem Abstieg nichts zu tun haben, alle Stammspieler konnten gehalten werden und mit Ukrow von Kickers Emden wurde ein kämpfender Stürmer verpflichtet. Getreu dem Motto des Trainers, dem Kampf, Einsatz und eiserner Willen über alles geht: “Früh attackieren und Bälle gewinnen.“ Bislang zuhause mit Erfolg, denn zuletzt verloren sie am 7. April gegen Bochum ein Heimspiel. Doch ausruhen ist nicht und so stichelte der Trainer vor dem Pokalspiel gegen die Eintracht seine Mannschaft, um neue Kräfte zu wecken: “Ich habe einen kleinen Streit provoziert, denn die Jungs waren mir zuletzt zu bequem geworden.“

Die Frankfurter sollten also gewarnt sein, könnte man meinen. Doch schon beim Anstoß wird es lässig, nachdem die Kugel in der Frankfurter Hälfte landet, wo Rossi sie quer auf Dickhaut spielt. Statt das Leder einfach nach vorne zu schlagen, passt der es gemütlich quer zu Bindewald auf der rechten Seite, der ebenso gemächlich auf die Ankunft des Spielgerätes wartet. Doch er macht seine Rechnung ohne Andreas Helmer, der in den Pass spritzt und sofort vor den Fünfmeterraum flankt, wo Ukrow nach nicht einmal 20 Sekunden ungehindert zum 1:0 einköpfen kann. Was die Frankfurter aber nicht sonderlich beeindruckt. Schließlich will man sich doch von diesen Provinzeiern, die mal eben ihre Gummistiefel gegen Kickschuhe eingetauscht haben, nicht aus der Fassung bringen lassen. Die aber setzen mit viel Einsatz und direktem Spiel konsequent gegen die Großkopferten nach. Wieder läuft der Ball über die linke Seite mit Helmer, der Bindewald einfach stehen lässt, nach innen zieht und aus 20 Metern ein Brett loslässt. Nikolov zuckt, doch zu spät, der Ball zappelt bereits zum 2:0 im Netz (5.).

“Wenn man bereits nach 10 Sekunden in Führung geht, bekommt man natürlich eine breite Brust“, freut sich Paul Linz am Seitenrand, während Dragoslav Stepanovic an der Linie tobt, seinen Kapitän her zitiert und ihn lautstark bereits nach fünf Minuten wieder vor die Abwehr zieht, so dass Komljenovic die Libero-Position übernimmt. Wollte er das mit den Experimenten in der Abwehr nicht lassen? Naja, immerhin kann sich die Eintracht ein wenig vom Anfangsdruck der Emsländer befreien und erste vorsichtige Gegenangriffe starten. Über Dickhaut landet das Leder bei Bindewald, der sich auf der rechten Seite durchsetzen kann und präzise vor den Fünfer flankt. Ekström ist zur Stelle und köpft die Kugel zum 1:2-Anschluss in die Maschen (17.). Es geht doch, aber dieser Angriff bleibt ein Strohfeuer. Die Frankfurter tun sich weiter schwer, den Ball auch nur halbwegs vernünftig nach vorne zu tragen. Denn Gaudino erfreut sich allerengster Bewachung durch Helmut Schulte, der ihm keinen Fußbreit von der Seite weicht, sämtliche fairen und unfairen Register zieht und so den Motor der Eintracht aus dem Spiel nimmt. Dickhaut bemüht sich zwar, aber die Unterstützung fehlt ihm, Menze ist mehr mit sich selbst beschäftigt, Rossi trabt bei Ballbesitz nur wie ein übergewichtiger Freizeitjogger an der Seitenlinie entlang und Bindewald ist alles, nur eben kein Antreiber auf der Außenbahn.

Behäbig, arrogant und dennoch hilflos wirken die Gäste, was nach gut einer halben Stunde auch SV-Torhüter Brasas nur den Kopf schütteln lässt: "Die glaubten wohl, als Bundesliga-Absteiger könnten sie mal kurz vorbeischauen und ein bisschen mit uns spielen." Denn umgekehrt wird ein Gummistiefel draus. Meppen spielt weiter schnell, direkt und die Gäste schwindlig. Ein ums andere Mal lassen sich Rossi und Pejovic von ihren schnellen Gegenspielern düpieren und auch Roth hat seine liebe Mühe mit den ständig rochierenden Sturmspitzen. Fast folgerichtig, was in der 37. Spielminute passiert. Nachdem Rossi einmal mehr einfach überlaufen wird, eilt Pejovic nach außen, um Winter am Durchmarsch zu hindern. Was diesen wenig stört, der 25-Jährige schlenzt die Kugel in hohem Bogen vor den Fünfmeterraum, wo Nikolov auf der Linie kleben bleibt und Claaßen viel Platz hat, um die Kugel genüsslich zum 3:1 einzuköpfen.

“Wir können noch gewinnen, aber es kann auch ein Debakel geben", grummelt Manager Bernd Hölzenbein zur Pause, während der Trainer sich sein Team in der Kabine laut und ausgiebig zur Brust nimmt. Entgegen seiner Ankündigung stellt er die Abwehr erneut um, da “Bindewald und Roth wenigstens mal einen Zweikampf gewinnen.“ Dafür übernimmt Becker jetzt die rechte Außenbahn und Reuter die linke Seite, damit sich Pejovic und Rossi nun auf der Bank schämen dürfen. Während dessen können die Zuschauer im Stadionheft den Hauptpreis der Pokal-Verlosung begutachten, einen Gartensauger: "Er saugt nicht nur Laub, sondern zerkleinert es zugleich. Das robuste Häckselwerk reduziert somit das Material auf ein Siebtel seines Volumens." Wie passend, denn ähnliches passiert gerade mit dem ach so stolzen Bundesligaabsteiger. Mit dem Wiederanpfiff stellt Meppen sofort auf Vorwärtsgang und kommt sogleich zur ersten Ecke im zweiten Abschnitt. Nikolov bekommt den angeschnittenen Ball nicht zu fassen, so dass Lau sich bedankt und zum 4:1 einköpft (48.).

"Ich dachte mir gleich beim Aufstehen, dass das ein komischer, ein Scheißtag wird. Nur ich wusste nicht, warum“, schüttelt der 22-jährige Torhüter den Kopf, während die Emsländer die Eintracht weiter nach Herzenslust auseinander nehmen und der Frankfurter Trainer immer ratloser wirkt: "Es war, als ob Meppen 14 Mann hatte und wir nur drei." In der Tat, jetzt kann sich Bujan den Ball in aller Seelenruhe zurecht legen und aus über 20 Metern einfach abziehen. Nikolov zuckt, reagiert aber zu spät, so dass der Ball schon wieder in den Maschen zappelt (58.). Kaum führen sie den Anstoß aus, dürfen sie es kaum sechzig Sekunden später noch einmal probieren. Denn diesmal ist es Bernd Winter, der den Frankfurter Torhüter mit einem Distanzschuss zum 6:1 überwindet und sich so richtig freut: “Unglaublich, das Tor habe ich mit rechts geschossen, dabei bin ich doch Linksfuß.“ (59.)

Zerkleinert und gehäckselt, vorgeführt und lächerlich gemacht. Dragoslav Stepanovic nimmt jetzt Stürmer Güntensperger vom Platz und bringt den defensivstarken Dworschak. Es geht nicht mehr um eine Ergebnisverbesserung, es geht nur noch darum, nicht zweistellig zu verlieren. Oder sind es einfach nur die Leistenprobleme, die den Schweizer seit einer Woche plagen? Wie dem auch sei, Meppen ist gnädig und schaltet ein paar Gänge runter, während die Zuschauer lachen, tanzen und fröhlich die Spieler aus der großen Stadt verhöhnen, die nach 90 Minuten mit hängenden Schultern in die Kabinen fliehen. Und sich nun in aller Ruhe auf das nächste Zweitligaspiel konzentrieren können. Im Waldstadion gegen den SV Meppen… Für die Emsländer ist übrigens in der nächsten Runde Schluss mit Pokal, in Freiburg verlieren sie mit 1:2. (tr)


Stimmen zur Blamage

Dragoslav Stepanovic, der am Vortag seinen 48. Geburtstag hatte: "Das ist mir ja ein schönes Geburtstagsgeschenk. Das einzig Gute an dieser Niederlage ist, dass wir sie bei der Revanche im Punktspiel am nächsten Montag vergessen machen können. Eine Einzelkritik werde ich jetzt nicht machen, denn da würde ich zu lange brauchen, um alles aufzudecken. Aber ich habe es in den Augen der Spieler, das passiert ihnen nicht noch einmal."

Paul Linz, SVM-Trainer: “Bei uns klappte alles, bei Frankfurt nichts. Aber wir sind nur eine Runde im DFB-Pokal weitergekommen, unser Ziel bleiben vorrangig die vierzig Punkte. Leider werden wir auf so eine Frankfurter Mannschaft nie wieder treffen.“

Interims-Präsident Dieter Lindner: "Eine Katastrophe, ein Debakel, eine desolate Leistung, über die wir schnellstmöglich den Mantel des Schweigens drüber hängen sollten. Diese Leistung ist nicht zu entschuldigen, aber möglicherweise im rechten Augenblick der richtige Schuss vor den Bug."

Manager Bernd Hölzenbein hat nur zwei Worte übrig: “Desaster. Blamage.“

Urs Güntensperger: "Noch in der Kabine haben wir geschworen, diese Scharte auszuwetzen und zu zeigen, dass wir wirklich eine Mannschaft sind. Schließlich haben wir ja schon bewiesen, dass wir es können."

 

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg