Eintracht Frankfurt - FC Bayern München

Bundesliga 1999/2000 - 5. Spieltag

1:2 (1:0)

Termin: Sa 18.09.1999 20:00
Zuschauer: 59.500
Schiedsrichter: Heynemann (Magdeburg)
Tore: 1:0 Bachirou Salou (20.), 1:1 Giovane Elber (66.), 1:2 Samuel Osei Kuffour (80.)

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Eintracht Frankfurt FC Bayern München

 

     

  • Oliver Kahn
  • Samuel Osei Kuffour
  • Michael Wiesinger
  • Thomas Strunz
  • Bixente Lizarazu
  • Giovane Elber
  • Thomas Linke
  • Stefan Effenberg
  • Thorsten Fink
  • Carsten Jancker
  • Hasan Salihamidzic

 

Wechsel

Wechsel

  • Mehmet Scholl für Michael Wiesinger (37.)
  • Bernd Dreher für Oliver Kahn (55.)
  • Michael Tarnat für Bernd Dreher (62.)

Trainer

Trainer

  • Ottmar Hitzfeld

Niederlage gegen drei bayrische Torhüter

"Die Bayern machen ja richtig auf Understatement, inzwischen habe ich schon gehört, sie würden mit der B-Mannschaft kommen", bemerkt Trainer Berger ironisch bei der Pressekonferenz vor dem Spiel, um zu ergänzen, dass dies natürlich "absoluter Quatsch" sei und zudem ein untauglicher Versuch, der Eintracht die Favoritenrolle zuzuschieben. Wie er gegen den Vorjahresmeister spielen wird, lässt Berger wie gewohnt offen: "Ich muss noch drüber schlafen, ob ich die ganz mutige oder die etwas vorsichtigere Taktik wähle." Immerhin kann er wieder auf Falk sowie Dombi zurückgreifen und auch Bulut zeigt inzwischen "ausgezeichnete Trainingsleistungen“, wie Berger betont.

Und der Trainer wählt tatsächlich die vorsichtigere Taktik, für Zampach kommt als zusätzlicher Verteidiger Kutschera zum Einsatz, zudem spielt Fjørtoft anstelle von Yang im Sturm.

Für die Münchener begann die Saison etwas holprig, einem glücklichen 2:2 in Hamburg folgte eine Niederlage in Leverkusen und zuletzt gab es zwei nur knappe Siege gegen Unterhaching und Duisburg. Zu wenig für den Rekordmeister, der auch in dieser Saison wieder das Tripple anstrebt, nachdem es zuvor nach der Finalniederlage in der Champions League gegen Manchester in der Nachspielzeit und der Niederlage nach Elfmeterschießen im Pokalendspiel gegen Bremen “nur“ zur Meisterschaft langte.

“Die erste Elf gibt es nicht mehr“, sagt der Erfinder des Rotationsprinzips, Ottmar Hitzfeld. Im Vergleich zum 2:1-Sieg gegen Eindhoven am Mittwoch in der 1. Vorrunde der Champions League bringt er gleich auf sechs Positionen neue Spieler. Für Sergio, Matthäus, Andersson, Jeremies, Scholl und Santa Cruz beginnen die Bayern mit Jancker, Linke, Fink, Salihamidzic, Wiesinger, dem Neuzugang aus Nürnberg, und Elber.

Ausverkauftes Haus und wie nicht anders zu erwarten, ist es ein sehr abwartender Beginn, geprägt von vielen Zweikämpfen und Querpässen im Mittelfeld. Heldt wird ungewohnt eng vom gelernten Stürmer Salihamidzic gedeckt, aber auch Schur und Weber lassen den von Hitzfeld zum Kapitän beförderten Effenberg sowie Thorsten Fink nicht zur Entfaltung kommen. Auch nach 15 Minuten gibt es noch keine einzige nennenswerte Chance, es ist ein langweiliges Spiel. Doch dies wird sich ändern, am Ende wird es unvergesslich.

Es läuft die 20. Spielminute, Heldt passt zu Fjørtoft, der sich gegen Linke durchsetzt und mit einem flachen Pass durch die Mitte Salou auf die Reise schickt. Der 29jährige Togolese setzt sich im Laufduell gegen Kuffour durch und haut das Leder vorbei an Torhüter Kahn ins Tor. Das 1:0 für die Eintracht! Riesenjubel im Waldstadion, die zuvor fast eingenickten Fans brüllen die Adler nun endlich lautstark nach vorne, jeder Ballkontakt der Bayern wird mit einem Pfeifkonzert bedacht.

Nach dem Rückstand erhöhen die Bayern das Tempo und die Aggressivität in den Zweikämpfen. Immer wieder ist es Effenberg, der im zentralen Mittelfeld als Zerstörer und Aufbauspieler zugleich herausragt. Doch noch hält die Abwehr um Torhüter Nikolov, auch wenn sich die Torchancen mehren. Es läuft die 33. Spielminute, Schur wirft sich in einen wuchtigen Schuss von Lizarazu und bleibt schmerzverkrümmt am Boden liegen. Tatsächlich sind zwei Rippen gebrochen, erneut muss Alex 3 bis 4 Wochen pausieren. Für ihn kommt Dombi ins Spiel. Aber auch die Bayern müssen verletzungsbedingt wechseln, für den angeschlagenen Wiesinger kommt Scholl (37.).

Die Stimmung bleibt aufgeheizt, es gibt Ecke für die Bayern von der linken Seite. Effenberg will anlaufen, zuckt dann aber zusammen und regt sich zu Recht mächtig auf, denn er wird von einer von den Rängen geworfenen Trillerpfeife am Kopf getroffen. Immerhin spielt er nicht den sterbenden Schwan und macht weiter, wer weiß, was bei einer Auswechslung passiert wäre. Fjørtoft spricht aus, was wohl die meisten denken: "Solche Volltrottel sollen besser zu Hause bleiben."

Kurz darauf ist Pause, Zeit genug, sich abzuregen und neu zu sortieren. Ohne Wechsel geht es in die zweite Halbzeit und die Adler können sich nun ein wenig vom Druck des Vorjahresmeisters befreien. Die 52. Spielminute, ein schneller Angriff der Adler, der weit aufgerückte Kutschera kommt im Strafraum ans Leder, hat aber keine Zeit sich zu sortieren, denn Kuffour hat ihn ungestüm von den Beinen geholt. Riesenjubel im Waldstadion, denn Schiedsrichter Heynemann entscheidet sofort auf Elfmeter.

Wie bereits gegen Unterhaching nimmt sich nicht Weber oder Salou, sondern Fjørtoft das Leder. Kurzer Anlauf, ein Schüsschen - und Torhüter Kahn hält den Ball! "Ich bin ein Trottel, den Schuss hätte auch mein Sohn gehalten. Nun bin ich der ex-beliebteste Spieler der Eintracht“, sagt ein mit Recht enttäuschter Fjørtoft nach dem Spiel. “Ralf Weber oder Jan waren vorgesehen. Jan fühlte sich wohl sicher, war aber dann doch nicht sicher genug. Kein Vorwurf an ihn, aber das war der Knackpunkt des Spiels, das 2:0 wäre eine gewisse Vorentscheidung gewesen", meint Jörg Berger dazu.

Drei Minuten später, erneut ist die Eintracht im Angriff, ein hoher Ball fliegt in den Strafraum, Torhüter Kahn will an das Leder, auch Kuffour versucht zu klären, was ihm jedoch gründlich misslingt. Mit voller Wucht trifft er seinen Torhüter mit dem Knie am Kopf. Olli Kahn sinkt zu Boden und bleibt minutenlang bewusstlos liegen. “Es sah schlimm aus", sagt später Thomas Strunz, Kahn wird mit einer schweren Gehirnerschütterung in die Frankfurter Uniklinik gebracht. Ersatzkeeper Bernd Dreher geht in den Kasten.

Die Bayern bleiben weiter überlegen im Mittelfeld, doch die Abwehr um Libero Janßen steht nun sicher und kann sich der bayerischen Angriffswellen erwehren, um selbst zu kontern. So in der 61. Spielminute, als Dombi geschickt wird und sich endlich einmal gegen Strunz durchsetzen kann. "Als Dombi angestürmt kam, wollte ich den Winkel verkürzen, verlagerte mein Gewicht auf die rechte Seite, während mein linkes Knie extrem nach links ausschlug, weil ich auch noch im Rasen hängenblieb“, beschreibt Ersatztorhüter Dreher die folgende Szene. Er kann zwar klären, sackt aber dann wie Minuten zuvor Kahn mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Die erste Diagnose lautet auf Kreuzbandriss.

Hektische Betriebsamkeit auf der Ersatzbank der Bayern, während viel zu viele Eintrachtfans ein höhnisches "Oh, wie ist das schön" anstimmen. "Dann habe ich gefragt, wer ins Tor möchte und Michael Tarnat wollte unbedingt rein“, erzählt Hitzfeld später, der überlegt hatte, Stefan Effenberg ins Tor zu stellen, weil der "doch groß ist und auch große Hände hat". Tarnat selbst ist kein Greenhorn zwischen den Pfosten. "In der D-Jugend stand ich mal im Tor und nach dem Training stelle ich mich hinten gelegentlich rein“, erzählt der 29jährige Nationalspieler, der sich das Torhütertrikot von Dreher überzieht und in den Kasten geht (62.).

Was sich nun auf dem Rasen abspielt, ist eigentlich unglaublich, die Bayern suchen ihr Heil im Angriff, bedrängen die Eintracht bei Ballbesitz bereits in der eigenen Hälfte. Und die Adler spielen wie aufgescheuchte Hühner, "keiner hat einen klaren Kopf behalten", stellt Trainer Berger verärgert fest und bringt in der 65. Spielminute Yang für den schwachen Fjørtoft. Nur eine Minute später bekommt die Eintracht die Quittung für ihr Spiel. Die Bayern erkämpfen sich das Leder im Mittelfeld, Fink flankt zu Elber am Strafraum und der 27jährige Brasilianer knallt das Leder mit Links in die Maschen. Der 1:1-Ausgleich (66.).

Statt Ruhe zu bewahren, versucht die Eintracht nun noch hektischer, nach vorne zu spielen. Sinnlose Zweikämpfe und weite hohe Bälle nach vorne sind jedoch ein gefundenes Fressen für die Abwehr der Bayern, die nun, so Berger, ihre "ganze Routine, Cleverness und Klasse ausspielen. Meine Mannschaft hat hingegen gemeint, die Brechstange herausholen zu müssen." Heldt und Guié-Mien wirken genau wie Weber völlig überfordert. Sie spielen quasi mit dem Kopf nach unten gegen die Wand, obwohl es ein flacher Pass auf die schnellen Dombi, Salou oder Yang doch auch tun würde. So wie in der 76. Spielminute, als Salou an das Leder kommt und in Richtung Strafraum marschiert. Der Togolese könnte nun auf das von einem Feldspieler gehütete Tor schießen, entscheidet sich aber für einen Querpass zu Yang, der von Linke geklärt werden kann. Unfassbar, Tarnat im Tor der Bayern musste noch nicht einmal eingreifen.

Viel Arbeit hat dafür Torhüter Nikolov, denn dank der ungestümen Angriffsversuche der Adler kommen die Bayern immer wieder an das Leder und zu Torchancen. In der 80. Spielminute schlägt Effenberg eine hohe Flanke in den Strafraum, Torhüter Nikolov bleibt auf der Linie kleben, ausgerechnet Unglücksrabe Kuffour bedankt sich und köpft den Ball zum 2:1 für die Bayern ins Netz. "Dieses Tor geht auf meine Kappe“, meint der zerknirschte Oka nach dem Spiel zu Recht.

Und weiter geht es bei der Eintracht kopflos mit Gewalt nach vorne, doch es gibt kein Vorbeikommen an Effenberg und Strunz. Als es Weber dann doch einmal gelingt, haut ihm Strunz brachial in die Beine. Der Kapitän muss mit einer Außenbanddehnung im Knie ausgewechselt werden, ist aber dennoch erleichtert: “Ich bin froh, dass das Knie heil geblieben und nichts gerissen ist. Wir vermuteten zunächst Schlimmeres." Für ihn kommt Patrick Falk ins Spiel (85.).

Fünf Minuten später pfeift Schiedsrichter Heynemann das Spiel ab, die Adler haben es in den letzten 30 Minuten nicht geschafft, Michael Tarnat auch nur einmal in Bedrängnis zu bringen. Zu Recht verlieren sie daher dieses bemerkenswerte Spiel und rutschen nach der zweiten Niederlage in Folge auf Rang 7 ab.

Zwei Tage später gibt es eine schöne Geste, die eigentlich von manch einem der Fans hätte kommen können: Per Brief entschuldigen sich Spieler und Trainerstab der Eintracht bei den Bayern für den Pfeifenwurf gegen Effenberg und die Spottgesänge nach dem Torwart-Dilemma. "Dazu hat uns niemand aufgefordert, diese Aktion ging von uns aus, weil wir dieses Verhalten nicht akzeptieren", sagt hierzu Jörg Berger. (tr)


Stimmen zum Spiel

Jörg Berger: "Der Wille war da, aber die Bayern waren cleverer und haben mehr Klasse gezeigt. Wir haben nie von internationalen Träumen gesprochen und sowohl nach den ersten Siegen als auch nach den Niederlagen ruhig weiter gearbeitet. Es ist einfach so, dass uns der Alltag wieder hat."

Rolf Heller "Der Sieg war greifbar nahe. Die Bayern sind europäische Spitze und deshalb immer die große Herausforderung der Saison."

Bayern-Trainer Hitzfeld unmittelbar nach dem Spiel: "Michael ist für die nächste Woche im Tor gesetzt."

 

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