Bayern München - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 2000/2001 - 13. Spieltag

1:2 (1:1)

Termin: Sa 18.11.2000 15:30
Zuschauer: 47.000
Schiedsrichter: Edgar Steinborn
Tore: 1:0 Paulo Sergio (13.), 1:1 Alexander Schur (38.), 1:2 Jan-Aage Fjörtoft (63.)

 

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Bayern München Eintracht Frankfurt

     

  • Oliver Kahn
  • Willy Sagnol
  • Samuel Osei Kuffour
  • Ciriaco Sforza
  • Michael Tarnat
  • Stefan Effenberg
  • Jens Jeremies
  • Thorsten Fink
  • Giovane Elber
  • Paulo Sergio
  • Hasan Salihamidzic

 

 

Wechsel

  • Carsten Jancker für Stefan Effenberg (64.)
  • Mehmet Scholl für Jens Jeremies (64.)
  • Alexander Zickler für Willy Sagnol (78.)

Wechsel

Trainer

  • Ottmar Hitzfeld

Trainer

 

 

Ein Pyrrhussieg?

"Da wollen wir was riskieren, denn wenn man normal spielt, hat man schon verloren. Wenn nicht gegen die Bayern, wann und wo sollte ich sonst mal was versuchen? Keiner erwartet doch, dass wir hier punkten", erklärt Felix Magath vor dem Spiel gegen den aktuellen Tabellenzweiten, bei dem die Eintracht zuletzt im Dezember 1976 auswärts die Punkte entführen konnte. ’Erwartung‘ ist wohl wirklich das falsche Wort, denn in den sechs Auswärtsspielen dieser Saison wurde bei einem Torverhältnis von 2:14 nur ein Punkt geholt. Zudem fallen Kutschera und Gebhardt verletzt aus, so dass der Trainer seine Mannschaft im Vergleich zum 3:1 gegen Kaiserslautern auf drei Positionen ändern muss. Wimmer spielt mit Kracht und Preuß sowie Libero Houbtchev in der Abwehrreihe, davor sollen Branco, Schur und Lösch statt Sobotzik den Spielfluss der Bayern unterbinden. Für das "riskante Spiel" bringt er nur drei Spieler, Heldt im zentralen Mittelfeld sowie Reichenberger und – erstmals in dieser Saison in einem Auswärtsspiel von Beginn an – Fjørtoft.

Laut geworden ist unterdessen Trainer Hitzfeld, nachdem die Bayern am vergangenen Spieltag trotz zweimaliger Führung 2:3 auf Schalke verloren hatten, es war bereits die vierte Saisonniederlage: "Wir haben gedacht, wir könnten den Vorsprung locker über die Zeit retten. Einige Spieler dachten wohl nach dem guten Start, 80 oder 90 Prozent würden reichen. Aber das war ein Fehler. Ein Sieg gegen Frankfurt ist nun Pflicht." Hierfür rotiert er diesmal nicht, sondern verändert die Mannschaft nur auf zwei Positionen. Für den angeschlagenen Andersson rückt Kuffour in die Viererabwehr und Fink spielt anstelle von Scholl im defensiven Mittelfeld neben Jeremies. Im Sturm sollen mit Unterstützung von Effenberg Salihamidzic, Elber und Sergio die Tore gegen die auswärtsschwächste Mannschaft der Liga erzielen.

Und so legen die Bayern auch los. Schnell wird die Eintracht in die eigene Hälfte gedrängt, so dass Schur alle Hände voll zu tun hat, den emsigen Effenberg einigermaßen in seinem Elan zu stoppen. Auch in der Abwehr hat jeder seinen festen Mann, Preuß ist bei Sergio, Wimmer versucht Salihamidzic zu folgen und Kracht klebt an Elbers Fersen. Bis zur 13. Spielminute jedenfalls, als die Frankfurter bei Ballbesitz zu weit aufrücken. Das Leder wird abgefangen und Tarnat schlägt es aus der eigenen Hälfte hoch und weit nach vorne. Sergio sprintet los, gewinnt dabei das Laufduell gegen Kracht und haut das aufspringende Leder von der Strafraumlinie aus wuchtig unter die Latte zum 1:0 für die Bayern.

Genau richtig für das angekratzte Selbstbewusstsein der Münchener, die nun das Spiel völlig unter Kontrolle haben, während die Eintracht nur versucht, die ständig rochierenden Sergio und Salihamidzic in den Griff zu bekommen und das Leder aus der eigenen Hälfte zu schlagen. Zudem schaltet sich auch Sforza immer wieder in die Angriffswellen ein, so dass sich meist alle Adler in der eigenen Hälfte tummeln. Doch richtige Chancen erspielen sich die Gastgeber nicht, so dass schon Torhüter Heinen mit einem missglückten Befreiungsschlag nachhelfen muss. Tarnat bekommt das Leder und knallt es sofort aufs Tor, aber Heinen kann den Flachschuss um den Pfosten lenken (19.). Auch danach bleibt der Strafraum weitgehend tabu, so dass es Jeremies (27.) und Effenberg (33.) aus der zweiten Reihe probieren, aber mit ihren Schüssen an Torhüter Heinen scheitern. "Uns fehlt der Killerinstinkt", moniert Ottmar Hitzfeld zu Recht.


Schur köpft das 1:1

Es läuft bereits die 38. Spielminute, noch immer ist von der Eintracht im Angriff nichts zu sehen. Nun aber gibt es nach einem Foul an Branco Freistoß aus dem Halbfeld. Heldt schlenzt den Ball aus 35 Metern in den Strafraum der Bayern, Tarnat und auch Torhüter Kahn zögern, nicht aber Schur, der hochsteigt und das Leder in Richtung rechtes Toreck köpft. Kahn kommt zwar noch ran, kann den Ball jedoch nur noch ins Netz patschen. Die erste Torchance bringt den 1:1-Ausgleich!

Und der wirkt wie ein Aufputschmittel, plötzlich spielen die Frankfurter mutig und so selbstbewusst, wie man es bislang nur im Waldstadion gesehen hat. Immer wieder treibt Heldt den Ball im Zusammenspiel mit Branco und den beiden emsigen Spitzen Fjørtoft und Reichenberger nach vorne. Sie erarbeiten sich gefühlt mehr Torchancen, als in den gesamten Auswärtsspielen zuvor, doch zur Pause bleibt es beim inzwischen mehr als verdienten 1:1, mit dem Schur sehr zufrieden ist: "Davor hat doch ganz Fußball-Deutschland gedacht, wir kriegen drei, vier, fünf Dinger von den Bayern eingeschenkt. In der Kabine dachten wir dann, dass der uns ein bisschen loben würde." Doch Felix Magath denkt gar nicht daran, ergänzt Alex: "Er hat uns erst einmal klar gemacht, was für einen Scheiß wir gespielt haben. Angsthasenfußball würden wir spielen, ohne Mumm, und wir sollten gefälligst ein bisschen mehr Mut zeigen, dann würden wir hier auch was holen."

Zur zweiten Halbzeit kommt Rasiejewski für Lösch und die Eintracht bleibt spielbestimmend, doch die erste Torchance hat Salihamidzic, dessen Kracher aus 20 Metern Torhüter Heinen jedoch pariert (49.). Das war es dann auch schon mit der bajuwarischen Herrlichkeit. Vier Minuten später erkämpft sich Schur im Mittelfeld den Ball, sprintet nach vorne und legt klasse für Reichenberger auf, der aus 14 Metern jedoch nur den Pfosten trifft (53.).

Die Bayern werden nun immer konfuser und versuchen es mit Gewalt, doch ein Ballverlust folgt dem nächsten, während die Adler klasse kombinieren. "Dieses Mal war derjenige, der den Ball führte, nicht die ärmste Sau", freut sich Schur, gegen den ‘der große‘ Stefan Effenberg nun keinen Stich mehr macht. Dann die 63. Spielminute, ein Angriff der Bayern wird abgefangen und nun spielen sie schnell. Über den für Preuß eingewechselten Bindewald und Reichenberger kommt der Ball zu Heldt im linken Halbfeld, der den Ball über die zurück sprintende Bayernabwehr genau zu Fjørtoft vor dem Strafraum lupft. Oliver Kahn lauert vor der Fünfmeterlinie, aber Fjørtoft juckt die Anwesenheit des Titans gar nicht. Er hebt den vor ihm aufspringenden Ball einfach über den Nationaltorhüter ins Netz. Zum 2:1 für die Eintracht! "Ich bin Norweger, wir sind ganz cool in Norwegen", flachst Fjørtoft, um schnell zu ergänzen: "Ich bin nur das Endprodukt, das war eine klasse Vorarbeit von Horst Heldt."

Trainer Hitzfeld reagiert sofort und bringt mit Jancker und Scholl für Jeremies sowie Effenberg zwei frische Offensivkräfte (64.), um drei Minuten später auch noch Zickler für Verteidiger Sagnol einzuwechseln. Doch das Spiel des Vorjahresmeisters wird immer konfuser, die Spieler verbringen viel Zeit damit, sich gegenseitig anzupflaumen, während die Adler sich heimlich ins Fäustchen lachen: "Wir wussten, dass wir mehr Kraft haben als die Bayern. Die kochen doch auch nur mit Wasser", meint etwa der heute bärenstarke Horst Heldt. So sind es Einzelaktionen, die für Gefahr sorgen, wie in der 68. Spielminute, als sich Elber in einem Verzweiflungsdribbeling gegen drei Frankfurter durchsetzt, mit seinem Flachschuss jedoch an Heinen scheitert. Auf den Punkt bringt es Oliver Kahn: "Nach dem Gegentor sind wir zusammengebrochen. Man hatte einfach nicht das Gefühl, dass wir noch gewinnen können."

In der Tat, weder die Eintracht noch Schiedsrichter Steinborn lassen sich, so das kicker-Sportmagazin, von den "Münchner Schauspieleinlagen nach angeblichen Fouls - speziell in der Schlussphase – beeindrucken", so dass die Eintracht völlig verdient ihre ersten drei Auswärtspunkte holt. Nicht nur der Sieg, auch ein Blick auf die Tabelle lässt einen strahlen. Mit 20 Punkten liegen die Adler auf Rang 5, einen Platz hinter den Bayern, die 22 Zähler haben. Wer kann da schon ahnen, dass die nächsten Punkte erst wieder am 20. Spieltag geholt werden …


Stimmen zum Spiel

Felix Magath: "Unverhofft kommt oft. Ich war vorher der Meinung, dass wir hier wenig erben können. Durch den Ausgleich wurde ich überrascht. In der zweiten Halbzeit sind wir aggressiver zu Werke gegangen und haben nicht ganz unverdient gewonnen."

Oliver Kahn sarkastisch: "Wir sollten den Spielbetrieb einstellen. Ich denke, die Meisterschaft ist gelaufen. Wir sollten nicht mehr auflaufen."

Jan-Aage Fjørtoft grinsend zu seiner Auswärtsbilanz: "Ein Spiel - ein Tor - ein Sieg. Ein Sieg gegen den FC Bayern, diesen Weltklasse-Verein, ist der Höhepunkt meiner Karriere. Bayern kennt sogar meine Tochter, und die ist drei Jahre alt."

Thomas Reichenberger: "Jan macht die Tore, die wir brauchen. Es macht unheimlichen Spaß, mit ihm zu spielen. Ich gönne ihm den Erfolg."


Quo vadis Fjørtoft?

"Mir war schon nach dem Sieg über Kaiserslautern klar, dass Jan auch auswärts eine Chance verdient hat. Die hat er in München bekommen. Und er hat sie genutzt. Nicht nur wegen des Siegtores, sondern auch, weil er oft den Ball gehalten und so unser Spiel geordnet hat. Vielleicht wäre es mit ihm auch früher schon besser gelaufen. Doch das kann niemand sagen", sagt Felix Magath, der Fjørtoft noch immer nur als Stürmer Nr. 4 hinter Ciric, Yang und Reichenberger ansieht. Fjørtoft aber will spielen, im Zweifel beim norwegischen Erstligisten Stabaek JF: "In Norwegen wird viel weniger bezahlt. Aber ich will hier nicht der sechste oder siebte Stürmer sein. Die heiße Kartoffel liegt nun bei der Eintracht, bei den Fans habe ich sicher so viel Unterstützung, wie früher Leonid Breschnew bei den Sowjet-Wahlen, glaube ich". Sportdirektor Dohmen verspricht daher: "Wir werden wie vereinbart Gespräche führen und zwar kurzfristig, da die Sache plötzlich zu einem heiklen Thema geworden ist."

Nach dem nächsten Heimspiel steht es dann aber fest: Am 17. März gegen den HSV wird Fjørtoft sein letztes Spiel für die Eintracht bestreiten und zu Stabaek JF wechseln. Magath hält dies für eine gute Lösung und verweist auf sein eigenes Karriereende: "Ich bin immer noch froh, dass ich mit 32 Jahren aufgehört habe. Denn so behielten mich alle als einen guten Spieler in Erinnerung." (tr)


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