1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 2012/2013 - 4. Spieltag

1:2 (0:1)

Termin: 21.09.2012, 20:30 Uhr
Zuschauer: 45.033
Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)
Tore: 0:1 Erwin Hoffer (25.), 0:2 Takashi Inui (60.), 1:2 Sebastian Polter (76.)

 

 

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1. FC Nürnberg
Eintracht Frankfurt

  • Raphael Schäfer
  • Timothy Chandler
  • Per Nilsson
  • Timm Klose
  • Javier Pinola
  • Hanno Balitsch
  • Timmy Simons
  • Robert Mak
  • Hiroshi Kiyotake
  • Alexander Esswein
  • Thomas Pekhart

 


 

Wechsel
  • Timo Gebhart für Robert Mak (60.)
  • Mike Frantz für Alexander Esswein (60.)
  • Sebastian Polter für Timothy Chandler (70.)
Wechsel
Trainer
  • Dieter Hecking
Trainer

 

 

Da kann man nur den Hut ziehen

Spitzenspiel in Nürnberg, wer hätte das zum Saisonstart gedacht, dass der Tabellenzweite am vierten Spieltag auf den ebenfalls noch ungeschlagenen Sechsten trifft, der mit einem Sieg an diesem Freitagabend genau wie die Frankfurter die Tabellenführung übernehmen könnte. Oder gibt es den vierten Sieg für die Eintracht? "Ich fände es gut, wenn es klappen würde. Dann könnte ich mir später ein Buch kaufen und wir würden drin stehen. Vor allem aber hätten wir dann zwölf Punkte“, meint ein gut gelaunter Armin Veh, der jedoch sogleich ernsthaft vor dem Club warnt: “Das ist eine gut geführte Mannschaft. Die Nürnberger wirken sehr geschlossen und sind ein unangenehmer, aggressiver Gegner, der bereits fünf Tore durch Standards erzielt hat. Wir müssen hochkonzentriert sein, laufstark und diszipliniert, so sind auch wir ein unangenehmer Gegner.“ Und zwar mit der gleichen Aufstellung wie beim 3:2-Heimsieg gegen den HSV, denn Schwegler hat seine Grippe überwunden und wird neben Rode im defensiven Mittelfeld beginnen.

"Genau diese Spiele braucht man. Dafür arbeitet man, dafür stellt man die Mannschaft die ganze Woche darauf ein, dafür lebt man die Leidenschaft vor", freut sich unterdessen Nürnbergs Trainer Hecking über den Sieg in Mönchengladbach und das 1:1 gegen Dortmund, nachdem die Franken von den meisten sogenannten Experten zuvor wieder einmal als Abstiegskandidat gehandelt wurden. Nur auf die Frage nach der möglichen Tabellenführung reagiert er weit weniger gelassen als sein Kollege: “So etwas interessiert mich überhaupt nicht, ich schaue nur von Spiel zu Spiel.“

In den Medien schauen sie hingegen verstärkt auf den 22-jährigen Japaner Kiyotake, der bereits drei Vorlagen und einen Treffer auf seinem Konto hat und auch heute im offensiven Mittelfeld neben Mak und Esswein sowie der einzigen Spitze Pekhart beginnen wird. In der Abwehr gibt es ebenfalls keine Veränderungen, so dass der 22-jährige Timothy Chandler, der von 2001 bis 2010 bei der Eintracht kickte, es wohl auf der linken Außenbahn mit dem anderen Japaner zu tun bekommt, der bisher für Aufsehen sorgte, nämlich Takashi Inui. “Dieses Spiel wird alles von uns abverlangen“, meint Dieter Hecking vor dem Spiel und wird Recht behalten.

Freitagabend, Flutlicht, eine riesen Stimmung und viel zu viel Rauch aufgrund der Bengalischen Feuer im Frankfurter Block. Es ist angerichtet für das Spiel um die Tabellenführung. Der Club startet sehr aggressiv und macht den Gästen das Leben mehr als schwer, so dass sich die Eintracht zu Beginn nur durch kleine Fouls zu helfen weiß, auf die Kiyotake und seine Kollegen scheinbar nur lauern. So in der 2. Spielminute nach einem Foul von Inui, als sein ehemaliger Mannschaftskollege in Osaka den Ball von der linken Seite in den Strafraum schlenzt. Pekhart steigt höher als Meier, doch Trapp kann den platzierten Kopfstoß reaktionsschnell um den rechten Pfosten lenken. Auch in der Folgezeit drückt Nürnberg weiter, so dass die Frankfurter sich auf einige wenige Konter beschränken müssen. Immerhin, Chancen erarbeiten sich die Franken dank der gut stehenden Gästeabwehr zunächst nicht mehr, während die Eintracht nach Flanke von Rode zu ihrer ersten Möglichkeit kommt, Esswein aber vor Jung klären kann (12.).

Kurz darauf wird es blutig, nachdem Balitsch und Schwegler bei einem Kopfballduell zusammenknallen und Schwegler mit einer klaffenden Stirnwunde liegen bleibt. Für den Kapitän, der mit elf Stichen genäht werden muss, kommt Lanig in die Partie (15.). Dann wird es hektisch, nachdem ein langer Ball von Pinola den Weg durch die Lücke findet und Zambrano den startenden Pekhart kurz vor der Strafraumgrenze am Trikot zupft und von den Beinen holt. Schiedsrichter Zweyer drückt zwei Augen zu und schickt den bereits verwarnten Zambrano nicht mit Gelb-Rot vom Platz, was Trainer Hecking am Seitenrand sichtlich auf die Palme bringt (19.). Nachdem Esswein den fälligen Freistoß knapp neben den rechten Pfosten zimmert, muss Armin Veh erneut wechseln, da sich Occéan eine Oberschenkelzerrung zugezogen hat, so dass jetzt Hoffer kommt (21.).

"Wir haben zwei richtige Nackenschläge hinnehmen müssen", klagt der Trainer, doch trotz der Wechsel dreht die Eintracht gegen die bislang sehr diszipliniert deckenden Nürnberger richtig auf, was selbst Armin Veh zum Staunen bringt: “Was die Mannschaft danach geleistet hat, wenn ich einen Hut auf hätte, würde ich ihn ziehen." Denn tatsächlich gibt es jetzt Vollgas, während bei den Clubberern scheinbar immer noch alle am Meckern sind, was selbst Dieter Hecking eingesteht: "Wir haben uns zu lange mit dieser Szene aufgehalten. Auch ich. Das hat Unruhe reingebracht.“ Welche die Frankfurter zu nutzen verstehen. Nachdem Aigners Schuss zur Ecke abgefälscht wird, klärt Chandler Inuis Hereingabe von rechts zwar aus dem Strafraum, doch Rode köpft die Kugel 25 Meter vor dem Tor geradewegs wieder zurück. Anderson im Strafraum verlängert, während Hoffer nach vorne sprintet und Pinola das Abseits aufhebt. Mit einer schnellen Drehung haut der Österreicher das Leder mit seinem zweiten Ballkontakt aus halbrechter Position zum 1:0 flach ins linke Toreck (25.).

“Wir sind schwer ins Spiel gekommen, aber ab der 20. Minute waren wir die bessere Mannschaft und hatten die besseren Chancen“, analysiert unterdessen Bruno Hübner und recht hat er. Die Kombinationen klappen wie am Schnürchen, Hoffer und Aigner fügen sich hervorragend ein und Inui schließt den nächsten Konter mit einem verdeckten Schuss aus 25 Metern ab, den Torhüter Schäfer aber gerade noch mit einer Faust zur Ecke abwehren kann (30.). Der Club will aber den Ausgleich und legt nach, Esswein ist es, der nach innen flankt, Pekhart köpft, aber Trapp klärt sicher (31.). Noch gefährlicher wird es in der 38. Minute, als Kiyotake plötzlich ansatzlos aus über 25 Metern abzieht, doch der Torhüter taucht blitzschnell ab und kann die Kugel mit den Fingerspitzen an den Pfosten lenken.

“Nur nicht abwartend spielen, nicht in Konter laufen, genauso weiterspielen“, fordert Bruno Hübner zur Pause und die Spieler in der Kabine hören wohl seinen Ruf. Hoffer ist es, der ein Laufduell gegen Pinola gewinnt, geschickt den Ball abschirmt und aus halbrechter Position abzieht, aber leider zu hoch (48.). Bei Ballbesitz der Nürnberger ziehen sich die Frankfurter jetzt anders als noch gegen Hamburg konsequent zurück und machen es den Gastgebern mehr als schwer, zu Chancen zu kommen. So resultiert die nächste Möglichkeit aus einem Standard, diesmal einer Ecke von Kiyotake. Klose steigt höher als Anderson, aber Rode steht goldrichtig am linken Pfosten und kann den Kopfball auf der Linie klären (58.). Kurz darauf schlägt die Stunde von Inui. Er erhält das Leder von Lanig am linken Flügel und zieht nach innen, wo er parallel zum Strafraum zwischen Mak und Chandler vorbei geht, auch den nächsten Verteidiger stehen lässt, und schlenzt schließlich die Kugel um den vierten Clubberer herum flach ins rechte Eck. Was für ein herrliches Tor zum 2:0 (60.)!

Dieter Hecking reagiert sofort und bringt Frantz für Mak sowie Gebhart für Esswein. Aber es bleibt dabei, den Franken gelingt es gegen die erstaunlich stabile Defensive der Eintracht nicht, Torchancen aus dem Spiel heraus zu kreieren. Dies ist auch ein Verdienst von Lanig, an dem es kein Vorbeikommen gibt und der bei hohen Bällen in den Strafraum stets der Sieger ist. Zudem bleiben die Frankfurter bei Kontern brandgefährlich, Rode setzt sich auf der linken Seite prima durch und flankt flach in den Strafraum. Leider ein wenig zu lang, so dass Hoffer nicht direkt abziehen kann, sondern der Kugel hinterher hetzt, um sie aus spitzem Winkel knapp neben den Kasten von Schäfer zu setzen (63.). "Aus dem Spiel heraus hatten wir sie im Griff, aber ihre Standards waren immer gefährlich", analysiert Armin Veh leider zu recht. Denn in der 76. Minute schlägt Kiyotake einen Freistoß aus dem Halbfeld vor den Fünfmeterraum, Meier kommt nicht ran und auch Lanig verschätzt sich, nicht aber der für Chandler eingewechselte Polter, der das Leder zum 1:2 ins linke Toreck köpft.

Nun knistert es, die Schlussphase ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Zunächst treibt Hoffer den Ball nach vorne und kann auf Aigner passen, dessen Schuss aber am Tor vorbei geht. Zwei Minuten später setzt sich Gebhardt gegen Jung durch und spielt zu Frantz, der ans linke Strafraumeck läuft, aber die Kugel gut einen Meter über das rechte Toreck zimmert (81.). Die Minuten verrinnen viel zu langsam, noch immer sind es vier Minuten. Der Club drückt weiter, kommt aber nicht zur Ausgleichschance, während nun Matmour für Hoffer kommt, was dieser nachvollziehen kann: “Der Trainer wollte defensiver spielen, das ist okay.“ Noch zwei Minuten, Trapp faustet wieder einmal den Ball aus seinem Strafraum, doch nach einem verunglückten Pinola-Schuss schlägt Gebhart den Ball von rechts erneut nach innen, wo Polter wenige Meter vor dem Tor frei zum Abschluss kommt, den Ball aber um Zentimeter am rechten Pfosten vorbei ans Außennetz schießt. Durchatmen und weiter konzentrieren, denn es werden drei Minuten Nachspielzeit angezeigt.

Aber diese werden überstanden, auch dank eines Schwächeanfalls von Zambrano, der zu einer fast einminütigen Spielunterbrechung führt und Trainer Hecking mal wieder wie ein HB-Männchen am Seitenrand toben und mit Bruno Hübner zusammenrauschen lässt. Aber so schnell er kommt, so schnell verfliegt er auch: "Ich bin nun einmal emotional. Das ist aber schon ausgeräumt, und darum ist es nicht der Rede wert", erklärt er kurz darauf. Mehr als der Rede wert ist allerdings, dass nach vier Spielen bei den Frankfurtern vier Siege zu Buche stehen, so dass sie für einen Tag Tabellenführer sind, bevor die Bayern am nächsten Tag leider zu torreich nachlegen.


Stimmen zum Spiel

Armin Veh: "Es war ein gutes und sehr intensives Spiel beider Mannschaften, wobei wir am Anfang 15 Minuten gebraucht haben, um ins Spiel zu kommen. Die beiden frühen, verletzungsbedingten Auswechslungen waren zwei Nackenschläge für uns und normalerweise würde ein Team einbrechen. Deswegen ziehe ich den Hut vor meiner Mannschaft, wir haben nichts zugelassen und nach vorne immer wieder Nadelstiche gesetzt.“

Dieter Hecking: “Die Eintracht hat das klasse gemacht, sie hatte die reifere, bessere, klarere Spielanlage, sie war das eine Tor besser.“

Heribert Bruchhagen: “Als Aufsteiger muss man sich normalerweise hinten anstellen. Die Tatsache aber, dass wir bei jedem Ballgewinn mutig und gefährlich nach vorne spielen, zeugt nicht nur von großem Selbstvertrauen, sondern auch von der individuelle Qualität jedes einzelnen Spielers. Wir spielen wie ein etablierter Bundesligist. Jetzt müssen wir es nur noch werden.“

Sebastian Jung: "Es war mit Sicherheit nicht das allerbeste Spiel, was wir in dieser Saison gemacht haben, aber vom Kampfgeist und Willen her haben wir das sehr gut gemacht und sind am Ende als verdienter Sieger vom Platz gegangen."

Pirmin Schwegler: "Viele Dinge bei uns sind im Augenblick richtig gut. Die Mannschaft ist so gefestigt. Im Moment könnte man wahrscheinlich sogar den Zeugwart einwechseln."

Süddeutsche Zeitung (Print-Ausgabe): "Mit den Frankfurtern leistet sich die Liga einen kleinen Anachronismus, aber es ist einer, der beim Zuschauen Spaß macht. Die Eintracht spielt keinen modernen Fußball im akademischen Sinne, keiner spielt hier gnadenloses Pressing, keiner zählt hier die Sekunden, die zwischen Balleroberung und Torabschluss vergehen. Dieser Elf ist gelehrtes Getue ebenso fremd wie ihrem Trainer. Diese Elf wirkt zeitlos schön, sie spielt guten Fußball auf eine Art, wie man in allen Epochen guten Fußball spielen konnte…"


Randnotiz: Die schwingende Südkurve

“Der Block 24 wurde in Schwingungen versetzt“, was jedoch nicht Besorgnis erregend sei. “Das ist auch erforderlich, damit die Ränge nicht brechen“, erklärt Ronald Höfler, der Werksleiter des Frankenstadions auf besorgte Nachfrage, denn Frankfurter Fans hatten hier am Freitag “mit organisierten Hüpfaktionen“ ihre Mannschaft gefeiert. Dennoch sei dieser Block eigentlich nur offen für Heimfans und gemäßigtes Publikum, eine bessere Verteilung von gegnerischen Fans sei daher künftig geboten. Höfler droht sogar ordnungspolitische Maßnahmen an, sollte sich das öfter wiederholen: “Man müsste dann den Block sperren.“ (tr)

 

 


 

 

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