26.03.2007

Ich war nie bei den „großen“ Spielen

Ja, ich bin Frankfurter, sogar geboren in Sachsenhausen und doch irgendwie weiter weg als viele. Ich möchte mich auch mit meinen Erinnerungen beteiligen, und ich werde sie so wiedergeben, wie ich sie tatsächlich noch habe.

Geboren wurde ich also im Januar 1966 in Sachsenhausen (Schifferstraße), aber wirklich lange verweilte ich dort nicht. Mein Vater, gebürtiger Berliner, und meine Mutter, gebürtige Frankfurterin, zogen schon kurz nach meiner Geburt nach Senden in Westfalen. Mein Gott, war das damals ein Nest. Mörfelder Landstrasse 172, diese Adresse werde ich mein Lebtag nicht vergessen: Das war die kleine gemütliche Stube meiner Großeltern. Wann immer ich konnte, war ich dort. Ich weiß noch genau, ich wollte Straßenbahnfahrer werden und immer beim Vorbeifahren meine Großeltern grüßen. Na ja, manchmal kommt es anders.

Meine frühesten Erinnerungen an das Waldstadion sind nur noch schemenhaft. Ich erinnere mich an ein Spiel, das ich mit meinem Vater, einem bekennenden Herthafan, besuchte; es war natürlich gegen die Hertha. Ich meine es war ein Pokalspiel, welches die Eintracht gewann, und bei dem es noch ordentlich her ging. Mein erstes Fanutensil war ein selbstgestrickter schwarz-weißer Schal, meine Ma machte ihn damals für mich. Sogar eine „Kutte“ hatte ich, nur war ich mir damals der Bedeutung nicht so wirklich bewusst. Ein kleiner Stöpsel halt, aber ich hatte eine glückliche Zeit damals. Es gab zu der Zeit so einige Besuche im Stadion, mit Onkel, Opa usw., aber vieles ist einfach aus der Erinnerung verschwunden.

So wuchs ich dann halt in Westfalen auf, zwischen Dortmundern, Schalkern usw., aber meine „Kutte“ trug ich in den frühen Jahren auch dort und es war alles andere als ein Geheimnis, für welchen Verein mein Herz schlug. Nein, anders als bei meinen Lebenspartnerinnen, gab es nie eine andere Liebe, nicht mal einen Flirt.

Ich wurde größer und irgendwann entschied ich mich dafür, dem Vaterland für 12 Jahre treu zu dienen, nicht aber ohne mir mit meiner damaligen Freundin Fußball 2000 anzusehen, Gott, war das schön und für diese Zeit konnte ich sogar sie, die Westfälin, für die Eintracht begeistern. Aus dieser Zeit erinnere ich mich an ein Spiel in Wattenscheid - es muss schon weiter in der Saison gewesen sein, denn viele hatten Radios am Ohr, und wenn ich mich nicht täusche, war besonders interessant wie Stuttgart spielte. Ich bin mir auch sicher, dass wir gewannen und Stuttgart unentschieden spielte oder gar verlor.

1990 verschlug es mich nach Oldenburg und die Zeit, in der ich mich am weitesten von der Eintracht entfernte begann. Ich lernte meine zukünftige Frau kennen und die Eintracht war eigentlich nur noch am Fernsehen für mich existent. Mein ganzes Umfeld, welches sich teilweise auch für Fußball begeisterte, war nicht mehr vorhanden. Seltsamerweise änderte sich das 1993 ausgerechnet mit einer Versetzung nach Regensburg. Ich kam in einen Altherrenstab, eine gemischte Dienststelle, zivil und militärisch. Alle dort einte aber eines: Sie waren sport- und besonders fußballbegeistert. Jeden Mittag gingen wir in die Halle und kickten. Ich als Eintrachtler zwischen Bayern und ganz besonders Nürnbergern und ich kann nur bestätigen, dass Fan-sein verbindet. Nie war es bösartig, aber immer mit liebenswerten Sticheleien untereinander und vor allem mit Respekt dem „Andersfühlenden“ gegenüber. Ich war schon immer ein wenig sprunghaft und so folgte 1996 der große Sprung in den Norden, nach Rotenburg an der Trümmer. Das ist schon Hamburger Einzugsbereich und hier begann ich Eintracht auch wieder aktiv zu leben. Plötzlich war ich nicht mehr allein. Es hatte mich wieder in eine sportverrückte Stabsabteilung verschlagen und beim Kick am Mittag, sechs gegen sechs, standen da plötzlich drei Herren im Eintrachttrikot in der Halle. Besonders erinnere ich mich da an den „Himbeertoni“, meinen Vorgänger im Amt. Mit ihm bin ich nach Gütersloh gefahren, um die Eintracht zu gucken. Ja, Gütersloh! Dort standen wir dann zwischen einer beachtlichen Schar von Duisburgern, welche für die Eintracht angereist waren. Ein grauenvoller Tag. Nicht nur, dass ich geblitzt wurde, viel schlimmer war: Die Eintracht bekam die Hucke voll - gegen Gütersloh. Aber diese Zeit hatte Charme, man lernte Orte kennen, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt.

2000 endete mein Dienst und ich ließ mich in der Berufsförderung zum Netzwerktechniker weiterbilden. Eigentlich hatte ich ja die letzten Jahre vorher nichts anderes gemacht, Computer und kicken. Inzwischen war ich dann in dem Alter, wo sich vieles zu ändern beginnt. Meine Großeltern waren lange gegangen, meine Tanten und Onkel auch. Der so ziemlich letzte Bezugspunkt nach Frankfurt, mein Vater, verstarb 2001 - meine Eltern hatten sich lange vorher getrennt und ihn hatte es wieder an den Main verschlagen. Mit der Auflösung seines Haushaltes wusste ich, es würde nicht mehr viele Reisen nach Frankfurt geben.

Meine Ehe war inzwischen auch beendet, meine Liebe zur Eintracht aber nicht. Wohnlich hatte es mich inzwischen nach Bad Oeynhausen verschlagen - nahe der Stadt, die es nicht gibt. Aus dieser Zeit ist mir besonders ein Spiel in Ahlen in Erinnerung, das Spiel, in dem wir eigentlich den Aufstieg verspielten. (Es kam ja doch noch anders.) Ein wunderschöner strahlender Sommertag, Heimspiel der SGE in Ahlen. Dieses Spiel ist ganz besonders für mich, denn trotz der großen Enttäuschung merkte ich, wie verbunden Mannschaft und Fans sind. Ich war stolz, auch den Adler zu tragen. Dazu muss ich sagen, auch wenn ich nicht der Mensch aus der Kurve bin, ich leide wahnsinnig mit der SGE, oft wohl schon zu übertrieben. Wenn es mal nicht läuft, ist das ein richtiger seelischer Schmerz, der mich und damit auch mein Umfeld runterzieht. Ich fühle mich dann krank, meine Partnerinnen können ein Lied davon singen. Das ging teilweise soweit, dass sie sich mit einem Glücksschwein vor den Fernseher setzten, in der Hoffnung, so das Wochenende zu retten. Nun bin ich 41 und wieder in Senden Westfalen (ihr erinnert euch?) gelandet. Es fehlt jetzt eigentlich nur noch der Weg zurück nach Frankfurt, dann schließt sich mein Kreis. Heimweh nach einer Stadt, in der ich nie wirklich lebte. Inzwischen besuche ich die Eintracht, wann immer Zeit und Geld es ermöglichen, der Grottenkick in Hannover, das 3:4 in Bochum usw. usw. Alle etwas ganz Besonderes,

aber bei den wirklich „großen“ Spielen war ich nie.

Gruß Armin


Der Autor “Armin66“ ist Armin Trommnau aus 48308 Senden,
Eintrachtfan natürlich von Geburt 1966, klar denkend geschätzt ab etwa 1974.


 

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