30.03.2007

Ein Frosch, ein Vopo und ein Pokal
(oder: Charlys 4. Pokalsieg am 28.05.88) – Vollschlank!

1. Vorab: Viele Chefs in einer Parallelwelt
Was für eine Zeit, so kurz vor der Wiedervereinigung, von der wir damals nichts ahnten. Wir hatten Kohl in der BRD, Honecker in der DDR und Wallmann in Hessen als Chefs. Bei der Eintracht waren wie immer viele Chefs (u.a. Scheppe Kraus als Manager, Kalli Feldkamp vor dem Rasen, unser Charly, ein Herr Detari und seit November Uli Stein auf dem Rasen), nur ich hatte als Student keinen Chef, aber auch keine Kohle. Ach ja, da war noch jener Chef in schmucker Uniform, im Volksmund Vopo (Volkspolizist) genannt, der mich wegen eines Schlaglochs fast das Endspiel gekostet hätte...

2. Zurückgespult (oder: Mike Tyson, der FC Homburg und der schönere Pokal)
Zur Saison 1987/1988 sollte man nicht zu viele Worte verlieren. Vorab wieder mal zu hohe Erwartungen (International spielen! – und das als Vorjahres-15ter mit 25 Punkten!), teure Neueinkäufe (u.a. Lajos Detari für 3,6 Mio. DM und Frank Schulz vom VfL Bochum), zwei Wechsel im November/Dezember (Uli „Wegmannpuncher“ Stein kam – Mike Tyson war damals übrigens Box-Weltmeister im Schwergewicht - und Herr Möller wurde vom weisen Kalli zum BVB „gemobbt“) und nicht erwähnenswerte Spiele (Moment: gegen den FC 08 Homburg, ja, ein Bundesligist, verloren wir 2:5 und 1:2). Die Saison verlief zwischen Niemandsland und Jammertal, ein Paradies für Lederhüte (lest HeinzGründels Historie: "Lederhüte") und Besserwisserstudenten wie mich auf der Gegentribüne Unterrang ungedeckt (am Ende: Platz 9 mit 31 Punkten).

Dann war da aber zum Glück noch jener Wettbewerb, um den weitaus schöneren Pokal, und hier schlugen wir uns beachtlich. Nach Zu-Null-Siegen gegen Schalke, Ulm und Düsseldorf kassierten wir erstmals im Viertelfinale in Uerdingen zwei Tore, gewannen aber 4:2 (im Uerdinger Mittelfeld spielte damals ein gewisser Friedhelm Funkel, auf deren Bank saß ein 20jähriger namens O. Bierhoff). Im Halbfinale schließlich in Bremen - heute unvorstellbar - gewannen wir mit 1:0 (durch den Ex-Bochumer „Schnurrbart“ Schulz). Finale, ohooh. Aber, oh Graus, ausgerechnet gegen Bochum, unseren Angstgegner (87/88: 0:1, 0:1 – 86/87: 1:1, 0:2). Zudem schlug Bochum in der Woche vor diesem Spiel den FC 08 Homburg mit 5:1.

3. Der Frosch, das Loch und kein blaues Laufdingsbums (oder: Parallelwelt 1988)
Finale... und ein Problem: Westberlin. Die unbeugsame, geteilte Stadt, die in jener Zeit genau wie andere Landstriche in Deutschland von Mauern umgeben war. Als Nicht-EFCler, die nicht nur damals zu blöd zum Nachfragen waren, hatten wir drei nur eine Lösung: Holgers Golf - sehr laut, sehr tief und sehr, sehr grün. Sehr laut war nicht nur der Doppelauspuff, der die 75 PS des Froschboliden bändigen musste, sondern auch das Boxengeschwader, das anstelle eines Kofferraums installiert war.

Dann ging das los gegen 5:00 Uhr am 28. Mai 1988: mit wenig Plan, dafür aber viel Büxxebier (Becks in weißen Dosen: schick und lecker). Kurz vor der Grenze (Herleshausen?) ein Stopp: Grenzpipi, Musik aus, Dosen raus und Frisuren geordnet. (Na ja, Bobteil war noch immer in.) Langsam an die Grenze, warten (und cool tun), dann kam es: „PAPIERRRRE?“ knurrte es fröhlich vom Grenzbeamten, während andere militant wirkende Personen unser Auto und uns inspizierten. „ZWECK der RRREISE?“ Pieps: „Nach Berlin zum Fußball, Frankfurt spielt da“. Keine Abschiedsworte, ein kurzer Wink und unser Frosch gurrte langsam weiter.

Nach einigen Km auf der Transitstrecke kam, na klar, unsere studentische Dämlichkeit wieder voll hoch. Wir fuhren nicht zu schnell, nein, wir fuhren LINKS der Schlaglöcher wegen (für den tiefstgelegten Frosch und uns waren die 50 cm tiefen Krater gefühlte 10 Meter, links waren diese nur 20 cm tief). Nach ca. 2 Stunden Fahrt kam er dann, dieser nicht-grün-weiße Wartburg (?) mit blauem Blinklicht und er meinte uns. Nicht im Entferntesten so freundlich knurrend wie der Grenzer stellte er uns, während er Papiere, Auto, Klamotten und Frisuren begutachtete, die Frage nach dem ominösen „Links“, die wir wahrheitsgemäß beantworteten (piep). Stille, Durchsuchung und Warten, ca. 1 Stunde lang (gefühlte 10 Tage, oje Knast, Ausweisung, Folter und schlimmer: kein Endspiel), dann erst kam der Satz, den ich nie vergessen werde: „Die volkseigenen Schnellstrassen der DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN RRREPUBLIK haben KEEEIIIINE SCHLAGLÖCHERRRRR! 80 Mark!!!!“ (Er meinte DM). Pieps: „Bitte schön... Entschuldigung.“ Dann wieder der Wink.

Der Rest der Fahrt war gurren (vom Frosch) und piepsen (von uns), dann Westberlin-Parkplatz-Olympiastadion, viel, wirklich viel Bier, dann endlich der erste Schrei aus drei Kehlen „EIIINTRAAACHT“. Wir waren wieder Adler. Wir saßen Gegentribüne nahe Heimkurve (Eintrachtkurve), das Stadion (ohne schlumpfblaue Laufbahn und Plastikdach) war voll (76.000) und guter Stimmung. Ca. 25.000 Adler trafen auf ebenso viele Bochumer, die auch laut waren. Noch mal Angstpipi (OK, Konfirmandenblase), dann endlich die Hymne, offizielles Blabla, Mannschaftsaufstellung, Fahnenmeer und „EINTRACHT, EINTRACHT“ (damals kein Wechselgesang sondern ein gröhliges Stakkato) und los ging’s mit folgender Aufstellung:

Stein – Binz – Schlindwein – Körbel – Kostner (71.Klepper) – Sievers – Schulz – Detari – Roth - Friz (78. Turowski) – Smolarek

4. Halbzeit 1: Der mit dem Problem zwischen den Ohren (oder: Die Fahne)
Nach einem Hallowachschuss von unserem Dieter (Schlindwein) in der 3. lief es zunächst wie gewohnt gegen den VFL, die Sturmadler Friz und Smolarek waren eher Turteltauben, der Rest ist Schweigen. Dann plötzlich in der 19. dieser Reekers, ein Pass in die Mitte... und Blauweiß grölt: Tooor!! Leifeld (O-Ton Werner Hansch: „Ich glaube, sein Problem liegt zwischen den Ohren.“) schoss und traf, aber der Linienrichter, dieser Held, hob die Fahne, Abseits (Welch eine Leistung!!). Blauweiß pfiff, Trainer Gerland machte die Pippi Langstrumpf, nur Kalli saß da unten mit verschränkten Beinen. Wir auch (Puuh, durchatmen wie nach der 80-Mark-Rede). Dann das gleiche Spiel, unser Mittelfeld übte ungepflegte Kurzpässe, die Stürmer turtelten, nur die Abwehr um unseren Charly hatte ihren Schaff mit den Bochumern. 45. Minute: ein Pfiff, Pausentee und ein wohl tobender Kalli.

5. Halbzeit 2: Der VfLer mit dem Adler im Herzen (oder: Detari - ... und weg)
Ein anderes Spiel: Sievers rannte mit nach vorne, Detari fand seine Mitspieler und der Sturm stürmte endlich. Es ergaben sich Chancen, doch erst die 66. Minute sollte entscheidend sein: VfL-Nehl geht, Thomas Epp kommt, der Mann mit dem Adler im Herzen und dem VfL-Trikot über diesem. Er wusste es noch nicht, aber er würde entscheidend sein (und bekommt 1997 aus Dankbarkeit endlich das richtige Trikot). Eintracht stürmt weiter, Epp kann sich noch nicht beweisen, aber dann geht’s los: Konter VfL in der 79., Epp spielt Klepper aus, nun völlig freistehend 10 Meter vor Uli, Schuss... und knapp vorbei. (Puuh und danke!!)

Dann, fast der direkte Gegenzug: Detari ist am Ball, Thomas Epp kommt, hört auf sein Herz und foult Lajos (Danke!!), Freistoss in der 81. Minute, Bochumer 5(?)-Mann-Mauer, Detari nimmt den Ball, schießt... und trifft das linke Eck, Zumdick guckt dumm. „TOOOOOOOR“ aus 25.000 Kehlen, schwarz-weißes Fahnenmeer. Dann, man glaubt es kaum, kein Bibbern nach einer Führung, die Adler stürmen weiter, Zauberfußball jetzt und dann während eines Angriffs von Manni - Schlusspfiff, SIIIIIIIIIIEEEEG!!! - dann schreien, hüpfen, umarmen – minutenlang, stundenlang, glaube ich fast, denn die Pokalübergabe durch Herrn Genscher habe ich nicht wirklich mitbekommen. Die Siegesfeier im Kuhdorf in Berlin sehr wohl...

Sonntag früh Heimfahrt, nur soviel: der Frosch gurrte, wir piepsten heiser und fuhren rechts...

P.S. Vielen lieben Dank an Petermann für die Kickerartikel, die mein Problem zwischen den Ohren verkleinerten! P.P.S. Was machte Detari danach? – Lest Shmiddys Historie "Ich bleibe bei der Eintracht".


Der Autor „gereizt“ ist Thomas Richter aus Langgöns und vom Eintracht-Virus infiziert seit 1980.

 

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