23.06.2006

Eisenbach...

Eisenbach,
Leut´ vom Fach.
Alles unter einem Dach!

Dumpf dröhnte es unter dem Dach der Haupttribüne.

Eisenbach,
Leut´ vom Fach.
Alles unter einem Dach!

Für mich war das mehr als eine bloße Werbedurchsage. Wenn ich diesen Satz hörte, stieg die Anspannung. Gleich würde es richtig losgehen. Alles bisher war nur Vorgalopp gewesen. Die Anreise per Zug, das Durchqueren des Hauptbahnhofs, rüber zum Gleis Richtung Bahnhof Sportfeld, die wachsende Enge im Abteil durch immer nachströmende Eintrachtfans, die verstörten Blicke der kofferbepackten Reisenden mit dem Ziel Flughafen, die Durchsage "nächster Halt: Frankfurt Niederrad ", Ausstieg aus dem Zug, Gleisunterführung, Kontrolle bei dem Verlassen des Bahnhofs, der schnurgerade Weg bis zu den Stadionkassen, dann die Entscheidung G - Block oder Sitzplatz? Haupttribüne oder Gegentribüne? Stadionzeitung. Erst mal Pause und lesen. Das Stadion füllt sich langsam. Werden das 18.000 heute? 20.000? Dann die ersten Spieler zum Warmmachen auf dem Platz. Der Torwart der Gegner bewegt sich gut. Und dann das Signal:

Eisenbach,
Leut´ vom Fach.
Alles unter einem Dach.

Das war so eine Art Fanfare. So wie die Eurovisionshymne, nur härter, dem Fußball angemessener. Im Stakkato vorgetragen, dunkel klingend. Damals kannte ich das noch nicht. Heute würde ich sagen: Gute Rhythmik, eingängige Textstruktur, prägnante Aussage. Eine Frühform des Rap. Es wurde schon was geboten, im alten Waldstadion.

Bei den großen Spielen gab es kunstvoll inszenierte Triumphzüge: einmal, manchmal zweimal herum um das Stadionoval kreisten die schönsten Autos der Welt, besetzt mit glitzernder Prominenz. Langsam vor der Haupttribüne, etwas schneller vor der Gegengeraden, noch etwas zügiger vor den Stehplätzen. Als hätte ein römischer Imperator gerade einen bedeutenden Feldzug siegreich abgeschlossen und zeigte stolz seine Beute dem jubelnden Volk. Na gut, für Autos habe ich mich nie besonders interessiert. Pakistanische Zeitungsverkäufer mit der Abendpost/Nachtausgabe eine Viertelstunde vor dem Abpfiff (stand da schon das Endergebnis drin?).

Und natürlich Fußballkunst in Vollendung. Wer hat vor ein paar Jahren die Freistöße von Roberto Carlos bewundert? Knallhart geschossen, in unglaublicher Flugkurve um die Mauer herum, unhaltbar für jeden Torwart? Ich sag´ euch was: Der hatte in früher Jugend ein Lehrvideo vom Riederwald, "Freistoßtore leicht gemacht. Von Dr. Hammer".

Unüberwindbare Innenverteidiger vom Stile der Lucios, Ismaels, van Buytens...? Hatten wir auch. Hießen früher Trinklein, Kliemann, später Pezzey, Körbel. Außenverteidiger, die nur nach vorne gehen und in den gegnerischen Abwehrreihen Verwirrung stiften ? Jusufi, Neuberger, Reichel. Intelligente Spielelenker aus dem Stamm der Zidanes, Riquelmes, Figos: Willy Huberts, Grabi. Katzengewandte Torhüter, Tempodribbler, Goalgetter mit untrüglichem Torinstinkt. Bitte selbst ausfüllen, alles da gewesen.

Erinnern möchte ich an dieser Stelle nicht an ein besonderes Spiel oder ein besonderes Ereignis, sondern an einen Spieler, der nur allzu kurz in Frankfurt sein Können aufblitzen lassen konnte, einen Spieler, gegen dessen Schnelligkeit heute selbst ein Odonkor verblassen würde: Ruedi Elsener war sein Name. Aus der Schweiz war er gekommen; ein Vorfahre von Spycher und Huggel, aber ein ganz anderer Spielertyp.

Er stürmte auf der rechten Seite und niemanden gab es in der ganzen Bundesliga, der seinem Antritt gewachsen war. Die Gegner kannten ihn kaum, sie sahen ja immer nur aus der Ferne seine Rückennummer. Schade, dass er selten vor der Außenlinie zum Flanken kam. Der Platz war einfach zu kurz für ihn.

Vielleicht lag es auch an der anderen Werbedurchsage, die ich noch von damals im Ohr habe. In etwas schriller, heller Jungenstimme, immer extra zu laut eingestellt, erschallte aus den Lautsprechern die Stimme des Zeitungsausrufers: "Sonntagszeitung !". Nur dieses eine Wort. Aber es bohrte sich durchs Ohr direkt ins Hirn und löste dort ein unangenehmes Gefühl aus. Ein Schaudern, ein Kältegefühl. Man fürchtete sich vor der Wiederholung. Die kam aber.

Vielleicht hat Ruedi Elsener das auch gespürt und gefürchtet. Das muss etwas in ihm ausgelöst haben. Er ging dann zurück nach Zürich, die Spielfelder sollen dort größer gewesen sein. Ich habe nichts mehr von ihm gehört.

owladler hört auch auf den Namen Andreas und hält die Eintracht-Enklave in Paderborn.

 

© text, artwork & code by fg