20.06.2006

Fanhistorie XXVIII

Vor ein paar Tagen war schon mal kurz die Rede von der Saison 77/78. Ich greife das einmal auf...

Wenn ich die alte Zigarrenkiste heraushole, in der ich meine ersten Eintrachttickets aufbewahre, wird mir bewusst, wie groß damals die Abstände zwischen den Spielen waren, die ich besuchen konnte. Als Kind ist man eben darauf angewiesen, " mitgenommen zu werden " und da mein Vater sich nicht für Fußball interessierte, kam bei mir nur ein Onkel in Betracht, der aber leider etwas weiter entfernt wohnte und entsprechend selten zur Verfügung stand.

Mir blieb also meist nur das Radio am Samstagnachmittag und solche Stimmen wie die von Heinz Eil, Erwin Dittberner oder Joachim Böttcher haben sich tief eingeprägt. Oft, wenn ich selbst in meinen Jugendmannschaften auf dem Platz stand, war es noch kärglicher, da gab es nur kurze Informationen von den Kumpels am Spielfeldrand ("1:0, Freistoss Dr. Hammer" oder "0:0, Funkturm und Trinklein hauen alles weg"), Zwischenergebnisse in der Pause und Endergebnisse vor dem Duschen in der Kabine. Abends dann Wolfgang Avenarius, Holger Obermann oder ... (die Feder sträubt sich) Wolfhard Kuhlins im Fernsehen.

Ein paar Jahre später, als Jugendlicher, gab es dann gelegentlich für mich noch die Option, bei den Jungs von unserer ersten Mannschaft im Wagen unterzukommen und mit ins Waldstadion fahren zu können.
Insgesamt aber waren es dennoch Ausnahmegelegenheiten.

Um so größer die Freude, als im November 1977 für mich einmal beide Varianten zogen und ich mittwochs mit der "Ersten" und samstags mit meinem Onkel fahren konnte; Gegner kurioserweise beides Mal der FC Bayern. Die erste Begegnung war das Heimspiel im Achtelfinale des UEFA-Cups, die zweite Begegnung das reguläre Bundesligaspiel am 16. Spieltag.

Künstliche Spannung brauche ich an dieser Stelle wohl nicht aufzubauen, die Partien waren in meiner Erinnerung auch nur in den ersten Minuten spannend, die Eintracht war letzten Endes beide Male dominant und siegte zweimal überlegen 4:0. Die Eintracht hatte damals eine gefestigte Mannschaft, die Bayern waren mitten im Umbruch und legten - meine ich mich zu erinnern - ihre schlechteste Bundesligasaison hin.
Völlig kurios dann die weiteren Wochen, in denen mitten in der Saison erst die Bayern den Eintrachttrainer Gyula Lorant und dann die Eintracht den Bayerntrainer Dettmar Cramer, den "Fußballprofessor", verpflichteten.

Bei dem Achtelfinalrückspiel war der Lorant schon weg und Grabi war als Interimscoach angegeben. Die Eintracht siegte aber auch diesmal - zum dritten Mal in zwei Wochen.

Die beiden, zeitlich so nah beieinanderliegenden Heimspiele, sind bei mir aber aus ganz anderen Grund wirklich haften geblieben: Es waren so ganz unterschiedliche Rückwege zum Parkplatz nach dem Spiel.
Zugegeben, ein etwas ungewöhnlicher Aspekt, aber Erinnerungen kann man eben nicht steuern.

Am Mittwoch gab es in Siegesstimmung einen trotzdem etwas unheimlichen und ewig langen Gang zurück durch den dunklen Stadtwald bis zur Isenburger Schneise. Der Weg war in der tiefen Novembernacht nur schlecht beleuchtet, die Richtung zurück zum Auto war mir unklar, so dass ich dringend darauf angewiesen war, die Gruppe nicht zu verlieren; also stolperte ich über Baumwurzeln, übersprang Matschpfützen und spürte den weichen Waldboden beim Überholen von langsameren Fußgängern. Als die Brücke über die Bahnlinie erreicht und dann das Auto glücklich wiedergefunden war, war der Sieg erst richtig perfekt.

Drei Tage später ein heller Samstagnachmittag, keine Furcht die Familie zu verlieren, aber dennoch ein unangenehmes Erlebnis : Am letzten Devotionalienstand erwarb ich nach dem Spiel von meinem Taschengeld einen schwarz - weißen Eintrachtschal, den ich aber eingepackt unter dem Arm zum Auto - diesmal auf dem Waldparkplatz - tragen wollte. Nach entsprechendem Drängen meines Onkels aber gab ich schließlich nach, packte den Schal aus und legte ihn mir auf der Brücke um.

Auf dem Waldparkplatz angekommen, besaß ich meine Neuerwerbung noch ca. 20 Meter, dann packte mich jemand völlig unvermutet, stieß mich in eine Gruppe ca. 20 kuttentragender Bayernfans, ein Schlag, ein Tritt, der Schal war weg und die Burschen gaben Fersengeld. Verletzt habe ich mich glücklicherweise nicht, geschockt war ich auch nicht, dass war mir wohl alles zu schnell gegangen. Geschockt war eher mein Onkel, weil er offenbar der Meinung war, zu schlecht auf mich aufgepasst zu haben. Wehgetan hat mir nur der Verlust meines Taschengeldes.

Dafür aber wurde ich entschädigt; drei Wochen später gab es für mich Eintracht - S04 mit Sitzplatz auf der Gegentribüne. Und einen neuen Schal. Schon vor dem Spiel.

So gesehen, doch ganz gut gelaufen.

owladler hört auch auf den Namen Andreas und hält die Eintracht-Enklave in Paderborn.

 

© text, artwork & code by fg