01.11.2006

 

Vom Kunden zum Fan

Am 5.Oktober 1990 erblickte im Unterfränkischen Bad Brückenau (an der Grenze zu Hessen, 35km von Fulda entfernt) ein kleiner Bub die Welt. Sein Vater, Vorstand beim FC Bayern München Fanclub Rhöndistel Zeitlofs, sorgte schon im Kindesalter dafür, dass die (Fußball-)Weichen zu den Roten nach München gehen. Schon vor dem Kindergarten hatte der kleine Junge sein erstes Fußballvereinstrikot, natürlich von den Bayern.

Dieser Junge, das war ich!

Kurz vor meinem 8.Geburtag hatte mich mein Vater gefragt, ob ich seinem Fanclub beitreten möchte (zu dieser Zeit fasste er so 90 Mitglieder), ich sagte natürlich ja. Ganz nach dem Vorbild des Vaters, bin ich ab diesem Augenblick zu jedem Spiel der Bayern, zu dem der Fanclub eine Fahrt organisiert hat, mitgefahren.

Die Fahrten liefen immer so ab: Am Freitagabend vor dem Spiel konnte ich nie einschlafen, da es ja am nächsten Tag ins Stadion ging! Als der nächste Morgen dann da war, sind wir um 6 Uhr morgens nach München aufgebrochen, ins Stadion! Das waren immer die Highlights im ganzen Jahr. Im Bus waren nur Bayernfans bzw. solche, die dachten, sie wären welche. Auf der Hinfahrt haben alle bis 8 oder 9 Uhr geschlafen, danach ab und zu ein Bier getrunken, und gewettet, wie hoch man denn heute gewinnt. Von Fangesängen und Schlachtrufen keine Spur. Das einzige, was darauf vermuten ließ, dass es zu einem Fußballspiel ging, waren die ganzen Trikots, Schals und die Fahne, die hinten an der Scheibe hing. Auf gut deutsch: Es war langweilig wie auf einem Friedhof (und da wird immerhin gesungen)! Ich fand die Fahrten aber trotzdem immer toll, denn es wurde die ganze Zeit über Fußball geredet.

Dann in München angekommen, ging es immer in die eine Wirtschaft zwischen Olympia-Eissporthalle und der einen langen Straße, wo die ganzen Busse geparkt haben, die sonst keinen Platz gefunden haben. Ich weiß noch, wir waren dort einmal beim Derby gegen den TSV 1860 München, da waren „Blaue“ in der Wirtschaft, die haben so kurze Lieder gesungen, in denen es nur um die „Löwen“ und Fußball ging. Mein Vater muss wohl gemerkt haben, wie verwundert ich geschaut hab´, da hat er nur gesagt: “Ist heut´ ein Derby“. Ich fand das Verhalten der Löwenfans trotzdem unmöglich.

Um 15:30 haben wir im Stadion immer auf der Haupttribüne gesessen, alles hat geschwiegen und in Ruhe das Spiel geschaut. Auch aus den Kurven habe ich nie was wahrgenommen ,(was mich heute bei dem Stadion und den "Fans" nicht mehr wundert). Die Heimfahrt verlief dann genauso wie die Hinfahrt, nur dass mehr Bier getrunken und über das Spiel geredet wurde.

Mein Fandasein sah also so aus: Im Jahr 2-mal ins Stadion gehen und sonst halt die Spiele im Radio verfolgen. Ich konnte mir auch damals nie vorstellen, Fan von einer Mannschaft zu sein, die „nur“ im Mittelfeld der Bundesliga steht. Ich sagte mir immer: „Was soll ich da? Die haben keinen Erfolg!“

Falls ihr euch fragt, warum ich soviel über die Bayern schreibe, dann lest weiter, dann versteht ihr es.
Es war in den Sommerferien zwischen der 6. und der 7.Klasse (Sommerpause nach dem Aufstieg gegen Reutlingen). Dieser Sommer sollte mein ganzes Leben durcheinander werfen. In Frankfurt wurde das neue Stadion gebaut und die Firma, bei der mein Vater Bauleiter war, hatte einen Auftrag im Waldstadion bekommen. Mein Vater wurde von der Firma hingeschickt. Als er abends dann anfing zu erzählen, dass die Eintrachtprofis neben seinem Baubüro trainieren, hat mich das nicht sonderlich beeindruckt, genauso wenig wie die Autogramme von einem Bindewald oder Schur ,(von denen ich noch nie etwas gehört hatte, man möge mir verzeihen).

Aufmerksam wurde ich dann erst als am 1.Spieltag die Bayern gegen die Eintracht in München gespielt hat und mein Vater beim 3:1 von Skela gesagt hat: „Schau, von dem hast du ein Autogramm“. Da war ich richtig stolz, ein Autogramm von jemandem zu haben, der ein Tor gegen Oliver Kahn - meinem damaligen Vorbild - geschossen hat.

Die Saison ging weiter und zu dem ersten Heimspiel der Eintracht (gegen Leverkusen müsste es gewesen sein) hatte mein Vater eine so genante „Arbeiter-Freikarte“ bekommen; er ging allein zum Spiel. Beim nächsten Heimspiel gegen Kaiserslautern hatte er zwei bekommen und er nahm mich mit. Wir saßen in der Ostkurve hinterm Tor. Ich sagte mir vorher: „Ich geh´ als neutraler Zuschauer“. Dieser Vorwand hat noch nicht mal bis zum Anpfiff gehalten. Ich sah diese Hammer-Choreographie in der Westkurve und danach musste ich einfach zur Eintracht halten.

Als ich gehört hatte, was die Fans im Stehblock für eine Stimmung machen, saß ich mit offenem Mund da. Was ist hier los? So etwas entsprach überhaupt nicht der Art, wie ich sie kennen gelernt habe, Fußball zu schauen. Über das Spiel weiß ich nicht mehr viel, nur das Kaiserslautern 3:1 gewonnen hat und ich nach dem Spiel Kopfschmerzen hatte.

Zu den nächsten Spielen nahm mich mein Vater wieder mit und es fing langsam an, dass mein Adlerherz das Pochen anfing. Mitte der Rückrunde war ich soweit, dass ich gesagt haben, dass ich zwei Vereine habe, die Bayern und die Eintracht. Als die Saison zu Ende war und die Bayern weiterhin Champions League und erste Bundesliga gespielt haben und die Eintracht, ja die Eintracht, war in der 2.Liga, stand ich vor einer Entscheidung: Juve, ManU oder Aue, Oberhausen. Ich entschied mich für die Eintracht und kehrte den Bayern den Rücken zu. In der folgenden Zweitligasaison sah ich von den 17 Heimspielen 11 Stück. Am Ende reichte es dann doch noch zum Aufstieg und am Römer wurde das glückliche Ende meiner ersten Saison mit dem Adler auf der Brust gefeiert.

Ab dieser Saison hab´ ich auch eine Stehplatzdauerkarte im Block 42 und meine erste selbst gemalte Fahne ist fast fertig. Zu Auswärtsspielen möchte ich eigentlich auch öfter fahren, da man aber mit 16 noch keinen Autoführerschein hat und ich niemand aus dem Raum Fulda/Schlüchtern kenne, der „Auswärts“ fährt, muss ich leider noch auf Arena zurückgreifen.

Falls mich heute einer fragen würde, ob ich in meinem Leben etwas ändern würde, würde ich nur eines anders machen: Ich würde einmal ins alte Waldstadion gehen, das ich leider nie zu Gesicht bekommen habe.

Dies war mein Weg vom Bayern-Kunden zum Eintracht-Fan. Es ist schon komisch, dass ich mich am Samstag über Leute aufgeregt habe, wie ich vor 4 Jahren selber noch einer war.

Auf eine erfolgreiche Saison 2006/07, dass in meiner dritten Saison der Erfolg anhält.

 

Rhön-Adler.


 

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