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VfL Bochum - Eintracht Frankfurt |
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Bundesliga 1974/1975 - 8. Spieltag
3:1 (2:0)
Termin: Mi 09.10.1974, 20:00 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Klaus Ohmsen (Hamburg)
Tore: 1:0 Paul Holz (38.), 2:0 Michael Lameck (45., Foulelfmeter), 3:0 Jupp Tenhagen (57.), 3:1 Thomas Rohrbach (81.)
VfL Bochum | Eintracht Frankfurt |
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Wechsel | Wechsel
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Trainer
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Späte Einsichten Es gibt keinen Grund vor dem Spiel in Bochum übermütig zu werden. Sicher, die Eintracht ist amtierender DFB-Pokalsieger, hat gerade RW Essen mit 9:1 deklassiert, damit den höchsten Sieg ihrer Bundesligageschichte gefeiert und die Tabellenführung übernommen. Außerdem ist sie auf fremden Plätzen in dieser Saison noch ungeschlagen, Europa-Cup und DFB-Pokal inklusive. Drei Siege in den ersten drei Auswärtsspielen, so erfolgreich ist keine andere Mannschaft in die neue Spielzeit gestartet. Und doch ist Vorsicht angebracht, auch wenn der VfL seine letzte Partie auf dem Bökelberg scheinbar klar mit 0:3 verloren hat.
Eine Serie wird heute auf jeden Fall enden, entweder die Siegesserie der Hausherren oder die der Gäste. Aber wie es auch kommen mag – bereits jetzt ist erstaunlich, wie gut der VfL den Abgang seines besten Stürmers Hans Walitza verkraftet hat, den der Verein aus finanziellen Gründen im Sommer zum 1. FC Nürnberg ziehen lassen musste. 600.000 DM Ablöse sollen die Franken für den Goalgetter hingelegt haben, der in Bochum Publikumsliebling war. Als Nachfolger von Hans Walitza kam der 21jährige Josef „Jupp“ Kaczor für 25.000 DM nach Bochum und übernahm die Nummer 10 seines Vorgängers. In den ersten sieben Spielen hat der junge Stürmer bereits dreimal getroffen, die Bochumer scheinen einen guten Fang gemacht zu haben. Ebenfalls gut eingeschlagen hat ein anderer Neuzugang: Paul Holz, der vom FC Schalke zum VfL gekommen ist. Angeschlagen ist vor dieser Parte Bochums Kapitän Dieter Versen, der heute nur auf der Bank Platz nimmt. Eine Knieverletzung, die ihn schon längere Zeit quält, fordert endgültig ihren Tribut und verhindert, dass der VfL in dieser Bundesligasaison zum achten Mal in Folge in der gleichen Aufstellung antritt.
Die Eintracht tritt in folgender Aufstellung an: Kunter – Reichel, Körbel, Trinklein, Beverungen - Kraus, Weidle, Grabowski, Nickel – Rohrbach und Hölzenbein. Im Vergleich zum Spiel gegen RWE ist nur eine Veränderung auszumachen, Thomas Rohrbach ist für Bernd Lorenz in die Mannschaft gekommen. Der schnelle Stürmer könnte heute in der Tat die bessere Wahl sein. Den besseren Start erwischen aber die Gastgeber, die den gegnerischen Strafraum wortwörtlich im Sturm zu nehmen versuchen. Die Eintracht setzt dem VfL leider herzlich wenig entgegen, die verlorenen Zweikämpfe im Mittelfeld werden nur noch durch die Vielzahl von Fehlpässen überboten, die sich Weidle, Kraus, Beverungen und allen voran Bernd Nickel leisten. Gerade „Dr. Hammer“ bringt kaum ein vernünftiges Zuspiel an den Mann, zumindest nicht an den eigenen. Die Hausherren agieren zwar auf dem Papier nur mit zwei Spitzen – Kaczor und dem schnellen Eggeling – aber auf dem Platz scheint fast die ganze Mannschaft zu stürmen. Franke, Eggert, Lameck, Tenhagen, Balte und Holz schalten sich immer wieder in das Angriffsspiel ein und setzen der Frankfurter Defensive gehörig zu. Während sich die Gäste fragen, mit welchem System der VfL ihnen eigentlich die Luft abschnürt, stellen ihnen die Bochumer mit ihren wilden Angriffen neue Aufgaben, die sie ebenfalls nicht zu lösen imstande sind. Das Spiel des VfL scheint für die Eintracht wie eine Gleichung zu sein, die nicht aufgeht – so ratlos stehen die Adlerträger den Kombinationen der Hausherren gegenüber. Speziell Paul Holz bekommen die Männer vom Riederwald trotz aller Bemühungen nie in den Griff, was heute aber auch eine besondere Herausforderung darstellt, weil Holz überall zu finden. Er ist der überragende Akteur bei den Bochumern und in dieser Partie der Beweis, dass es im Fußball manchmal eben doch eine Form der Gerechtigkeit gibt, denn es ist Holz, der den ersten Treffer markiert: Tenhagen schlägt in der 38. Minute eine Ecke maßgenau auf Holz, der mit einem Kopfballaufsetzer Dr. Kunter keine Abwehrchance lässt. Dass der Bochumer so unbedrängt einköpfen konnte, ist Roland Weidles Patzer geschuldet, der den hohen Ball falsch eingeschätzt und deswegen unterlaufen hat.
Trainer Weise hat allen Grund, mit seinen beiden Unglücksraben unzufrieden zu sein, aber der Coach zeigt sich gewohnt väterlich: „Gewiss, man kann mit Weidle und Beverungen hadern, aber es wären dann sicher andere Treffer gefallen.“ Wer nun nach der Halbzeitpause damit gerechnet hat, dass sich die Bochumer auf die Sicherung ihres Vorsprungs beschränken würden, muss eine Fehleinschätzung einräumen. Die Hausherren stürmen weiter munter drauflos und stürzen die Hintermannschaft der Gäste von einer Verlegenheit in die nächste. Unter diesen Umständen ist der nächste Treffer nur eine Frage der Zeit. Eine Frage, die in der 57. Minute von Tenhagen mit „Köpfchen“ beantwortet wird. Dr. Kunter ist auch gegen diesen Kopfball machtlos. 3:0 nach nicht einmal einer Stunde Spielzeit – das hätten sich die Gäste vor dem Anpfiff nicht träumen lassen. Der Spitzenreiter der Liga wird nun teilweise regelrecht vorgeführt, wobei man der Eintracht zugutehalten muss, dass die Elf nicht aufgibt und den Kampf weiterführt – wenn auch auf verlorenem Posten. Selbst der Kapitän der Frankfurter kann seiner Mannschaft heute nicht wie gewohnt helfen. Eggert agiert auf Höhers Geheiß auf leicht vorgezogenem Posten und stört dabei die Kreise von Jürgen Grabowski früh und empfindlich.
Heute will er, doch es gelingt ihm nicht. An seinem Scheitern haben aber – wer will es den Bochumer Fans verdenken – die Zuschauer im Ruhrstadion ähnlich viel Spaß wie die Besucher des Benefizspiels beim SC Kanne. Immerhin führte Hölzenbein vor dieser Partie – wenn auch gemeinsam mit sechs anderen Schützen – die Torjägerliste der ersten Liga an und die Bochumer haben nicht gerade wenig Respekt vor dem Weltmeister vom Main. Auf der anderen Seite gelingt wenigstens Eggeling ebenfalls kein Treffer und das, obwohl er drei glasklare Einschusschancen hat. In der 75. Minute hat Trainer Höher ein Einsehen mit seinem erfolglosen Stürmer und wechselt ihn aus. Thomas Rohrbach ist es vorbehalten, neun Minuten vor dem Ende das Ergebnis für die Eintracht erträglicher zu gestalten. Doch ein wirklicher Trost kann der Ehrentreffer zum 1:3 nicht sein, denn jeder hat gesehen, dass die Eintracht bereits mit dem 3:0 besser bedient war, als sie es heute verdient hat. Auch Eintracht-Präsident Achaz von Thümen, der das Spiel auf der Tribüne miterlebt hat, ist das wahre Kräfteverhältnis während der 90 Minuten nicht verborgen geblieben: „So viele Patzer meiner Mannschaft in einem Spiel habe ich noch nie erlebt“, sagt er und man glaubt es ihm aufs Wort. Trainer Weise ist wie immer gefasst und hat gleich nach Spielende eine wichtige Begründung für die unerwartet klare Niederlage gefunden: „Im Mittelfeld fiel die Entscheidung, hier gewannen wir ja kaum einen Zweikampf.“ Das sehen auch die Eintrachtspieler so und diskutieren nach dem gemeinsamen Abendessen im Hotel „Duisburger Hof“ bis nach Mitternacht, bevor man sich darauf besinnt, dass man die Zimmer zur Übernachtung gemietet hat und endlich schlafen geht. Besonders Kapitän Grabowski will nach dem Spiel nicht zur Ruhe kommen: „Wir sind doch streckenweise vorgeführt worden. Wir haben undiszipliniert gespielt. Spieler, die hautnah decken können, taten es nicht. Sie wollten mitspielen. Da konnten uns die Bochumer mit ihrem unwahrscheinlichen Kampfeswillen überrollen und als die beiden unglücklichen ersten Tore gefallen waren, war auch das Spiel verloren.“ Trainer Weise ist mit den seinen, ob ihrer harten Selbstkritik zufrieden: „Das ist der große Vorteil meiner Mannschaft, dass sie ihre Fehler einsieht und sich jeder einzelne Spieler ehrlich bemüht, abzustellen, was er falsch machte.“ In Selbstzerfleischung soll das Ganze jedoch nicht ausarten: „Wir haben das Spiel zu den Akten gelegt.“
Nicht auszurechnen war der VfL also. Wenn die Eintracht
die verlorene Tabellenführung gegen die Fortuna zurückerobern
will, darf sie sich in der Tat keine Wiederholung der Gleichung von heute
erlauben, die einfach nicht aufgehen wollte. (rs) |