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Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
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Bundesliga 1978/1979 - 25. Spieltag
1:2 (0:0)
Termin: Mi 04.04.1979, 20:00 Uhr
Zuschauer: 52.000
Schiedsrichter: Werner Burgers (Essen)
Tore: 0:1 Hans Müller (52.), 0:2 Dieter Hoeneß (86.), 1:2 Wolfgang Kraus (90.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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Wechsel
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Trainer | Trainer
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Rückkehr und Ende
Kapitän Grabowski aber soll zum Spiel gegen den VfB auf den Platz zurück kehren, nachdem eine Woche zuvor noch eine Meniskusoperation drohte. „Mensch, Grabi, mach’ keinen Unsinn“, hat ihm sein ehemaliger Mitspieler Horst Heese geraten, der Kickers Offenbach trainiert: „Mit so einer Verletzung ist nicht zu spaßen.“ „Wenn der Jürgen im Vollbesitz seiner Kräfte ist und keine Schmerzen hat - warum soll er dann nicht spielen?“, lautet dagegen Rauschs Frage an die Journalisten: „Jürgen gehört zu den 30 besten Fußballern der Welt. Wenn er fit ist, wäre ich dumm, auf ihn zu verzichten. Was ihm jetzt nach der langen Pause seit dem 6. Februar an Kondition in den Beinen fehlt, das hat Grabi im Kopf - und das brauchen wir.“ „Jeder hat gedacht, es geht ohne ihn nicht“, merkt Verteidiger Helmut Müller an, „und dann ging es doch.“ „Es ist ein einmaliges Gefühl, nach so langer Zeit auf einmal keine Schmerzen mehr zu haben, trotzdem darf ich es nicht gleich übertreiben“, gibt der Kapitän zu Protokoll: „Ab sofort nehme ich keine Tabletten und Zäpfchen mehr. Mal sehen, ob ich dann bis Mittwoch immer noch schmerzfrei bin.“ Seit Freitag kann er sein Knie voll belasten, beim letzten Training im knöcheltiefen Morast am Riederwald war er schon wieder der spielerische Mittelpunkt. Ob er tatsächlich auflaufen wird, will er vor dem Spiel mit Rausch abstimmen: „Wir werden gemeinsam eine Entscheidung treffen.“
In Sachen Lizenzspielerkaderplanung kann aber noch vor dem Spiel eine Personalie geklärt werden. Helmut Müller verlängert am Mittwochmorgen seinen Vertrag um zwei Jahre, „zu den Konditionen, die wir ihm angeboten haben“, wie Manager Udo Klug betont. „Wir führen Gespräche und irgendwann treffen wir uns. Es ist keineswegs so, dass einer in diesem und der andere in jenem Graben sitzt und wir uns bekriegen“, will Klug von angeblichen Konflikten bei den Verhandlungen nichts wissen. Auch die noch ausstehenden Unterschriften von Wenzel, Neuberger, Kraus und Koitka hofft Klug in den kommenden Tagen unter die Kontrakte zu bekommen. Karl-Heinz Körbel hat bereits unterzeichnet, im Fall von Bernd Hölzenbein hat die Eintracht von einer einjährigen Option Gebrauch gemacht.
Im Spiel ist vor 52.000 erwartungsfrohen Zuschauern von Rauschs vollmundiger Ankündigung eines Spießrutenlaufens freilich nichts mehr zu sehen. Lediglich Grabowski brilliert eine Viertelstunde lang und führt die Gastgeber zu einem furiosen Beginn. In der dritten Minute bedient er mit einem herrlichen Steilpass Nachtweih, dessen Schuss Roleder mit einiger Mühe aus der unteren Torecke heraus boxen kann. Und anschließend glänzt der Frankfurter Regisseur mit zwei präzisen Vorlagen an den Fünfmeterraum, die von seinen Mitspielern aber nicht verwerten können.
Der VfB wirkt aber nun insgesamt giftiger in den Zweikämpfen und macht einen mannschaftlich geschlossenen Eindruck. Während der trickreiche Volkert einen ganz schweren Stand gegen Helmut Müller hat, sorgt der schnelle Kelsch für Entlastung, indem er gefährliche Angriffe inszeniert. Als beispielsweise Kelsch Dieter Hoeneß mit einer Flanke von rechts bedient, nimmt dieser den Ball mit der Brust am Strafraum an, und stemmt sich mit seiner körperlichen Präsenz an Pezzey, Wenzel und Körbel vorbei. Zum Glück für die Eintracht geht Hoeneß’ Schuss über Pahls Kasten. Bruno Pezzey ist ansonsten als Vorstopper ein unüberwindliches Hindernis für den „Schwabenpfeil“. Neben Neuberger, der in seinem 400. Bundesligaspiel eine makellose Partie als Libero abliefert, öffnet Pezzey zudem mit schnellen Pässen das Spiel nach vorn und bietet sich selbst immer wieder als Anspielstation an. Borchers, von dem man aufgrund seiner Statur etwas anderes erwartet, lässt sich von Bernd Förster den Schneid abkaufen, und köpft in der 37. Minute am Tor vorbei, als er endlich einmal zu einer Tormöglichkeit kommt. Vor große Herausforderungen werden beide Torhüter nicht gestellt. Auch Stuttgarts Linksaußen Volkert trifft eine Minute später nur das Außennetz des Frankfurter Tores. Müller und Grabowski werden weiterhin hautnah gedeckt, wobei Hadewicz in der 44. Minute für seine fortgesetzten Ruppigkeiten die Gelbe Karte erhält. Die hätte sich auch sein Kollege Hans Müller redlich verdient. Müller, der von Lorant kalt gestellt wird, zieht sich den Unmut des Frankfurter Publikums zu, als er zwei Mal den wieder mal enteilenden Lorant von hinten übel in die Beine tritt und jeweils zu Fall bringt. Müller, dem schon vor Spielbeginn ein gellendes Pfeifkonzert galt, ist jetzt erst recht der Buhmann. Aus der Kabine kommen beide Teams zur zweiten Halbzeit unverändert und die Eintracht hat die erste und bis dahin größte Chance, als Hölzenbein stark bedrängt aus spitzem Winkel den Ball knapp über das Tor hebt. Doch das Führungstor fällt auf der anderen Seite, nachdem dem enorm giftigen Außenverteidiger Wenzel in der 52. Minute 20 Meter vor dem eigenen Tor ein Handspiel unterlaufen ist. Hans Müller, der beim Länderspiel gegen die Türkei am Sonntag in Izmir schlecht ausgesehen hat, beantwortet die Pfiffe gegen ihn auf seine Art: Er zirkelt den Freistoß aus halbrechter Position durch eine kleine Lücke in der Frankfurter Mauer flach ins rechte untere Eck, wo Pahl nur noch mit den Fingerspitzen an den Ball kommt und das 0:1 nicht mehr verhindern kann. Rausch vergräbt das Gesicht in seinen Händen. Sechs Minuten später handelt er und nimmt seine beiden Grippekranken aus der Partie, um Mittelfeldmann Kraus und den schnellen Stürmer Elsener zu bringen. Lorants Auswechslung stößt dabei jedoch auf wenig Verständnis bei Journalisten und Zuschauern, zumal er seinen Gegenspieler Müller weiterhin sicher im Griff hatte. Rausch setzt auf eine verstärkte Offensive, wobei er ja mit Hölzenbein, Nachtweih und Borchers bereits drei Sturmspitzen aufgeboten hat. Nachtweih, dem zu viele fahrlässige Abspiele angelastet werden müssen, und der blasse Borchers enttäuschen allerdings und können nicht an ihre letzten Leistungen anknüpfen. Hölzenbein wehrt sich gegen Försters klettenähnliche Verbrüderungsversuche, kann sich aber ebenfalls nicht entscheidend durchsetzen. Und im Mittelfeld der Eintracht wird das kraft- und druckvolle Spiele der Rückrunde vermisst, was die Aufgabe gegen einen ungemein lauf- und spielfreudigen VfB, der keine Schwäche offenbart, nicht leichter macht. Während Elsener weder positiv noch negativ aufzufallen versteht, bringt die Einwechslung von Kraus für 20 Minuten etwas Frische in das Angriffsspiel der Eintracht, die kämpft und den VfB in seinen Strafraum drückt. Doch dort gibt es nur dichtes Getümmel und keine zwingende Torchance für die Frankfurter. Es fehlen die Ideen und überraschenden Aktionen, um diese Abwehr aus den Angeln zu heben. Hohe Bälle in dem Strafraum der Stuttgarter sind nicht das geeignete Mittel, sondern die sichere Beute der Gästeabwehr um den fangsicheren Roleder. Natürlich verteidigen die Stuttgarter ihre knappe Führung mit allen Mitteln. Bernd Förster, der Borchers unermüdlich bekämpft, sieht ebenso die Gelbe Karte wie Holcer. Der VfB bleibt allerdings auch mit seinen wenigen Kontern gefährlich. Hattenberger hat zweimal die Chance zum 2:0. Einmal zischt sein Weitschuss knapp am Lattenkreuz vorbei und zehn Minuten vor dem Ende, als er von Hans Müller herrlich frei gespielt wird, zögert der Österreicher zu lange, so dass Nachtweih rettend eingreifen kann. Die Gäste bringen die letzten Minuten des Spiels gegen eine nachlassende Eintracht, die den Glauben an sich und einen Torerfolg verloren zu haben scheint, clever über die Runden. Und in der 86. Minute avanciert Hans Müller dann endgültig zum Mann des Spiels, als er einen Eckball auf die Stirnglatze von Dieter Hoeneß setzt, der in diesem Moment sein erstes Kopfballduell gegen Pezzey gewinnt und zum 2:0 trifft, weil Torhüter Pahl schlussendlich auf der Linie verharrt.
„Es musste ja mal kommen, dass unsere Serie reißt“, sagt Rausch nach dem Spiel, „aber es ist halt schade, dass es bei dieser tollen Kulisse geschehen ist. Der VfB war cleverer und routinierter als meine Mannschaft. Vorwürfe muss ich Torhüter Pahl machen, denn beide Tore waren nicht unhaltbar. Beim 1:0 allerdings stand auch die Mauer sehr schlecht. Meine Mannschaft hat stellenweise, besonders im Mittelfeld, zu hilflos gespielt. Körbel und Lorant musste ich wegen Erkältungen auswechseln.“ „Wenn meine Mannschaft Normalform gehabt hätte, hätten wir gegen den VfB eine gute Chance gehabt. Aber einige Spieler liefen ihrer Form hinterher. Mit ihnen werde ich harte Worte in den nächsten Tagen reden. Denn sie haben auch nicht gut gekämpft.“ „Ich sagte ihm: Grabi, Sie haben mein volles Vertrauen. Sie dürfen sogar mal schlecht spielen. Ich riskiere es auch, dass Sie vielleicht nach 20 Minuten aufhören“, erklärt Rausch zum Einsatz Grabowskis. „Die Schmerzen kamen nicht wieder. Deshalb entschloss ich mich zu spielen. Einmal muss es ja sein. Es war mein Pech“, glaubt Grabowski, „dass ich in eine Mannschaft gekommen bin, die nicht mehr so frisch wie zuletzt war. Natürlich war ich noch nicht in Bestform, und es gab auch einmal einen toten Punkt, aber so kaputt, dass ich mich hätte am liebsten auswechseln lassen, war ich nicht. Ich weiß, dass ich den Vergleich mit Hansi Müller und auch das direkte Duell mit Hadewicz verloren habe, aber ein Profi muss auch solche Spiele durchmachen.“ Dass er in der zweiten Hälfte physisch nicht überfordert wurde, lag am Spiel, das sich an der Stuttgarter Strafraumgrenze völlig festgefahren hatte: „Was gab es denn da im Mittelfeld noch viel zu tun? Uns hätte doch nur eins geholfen: vorn zwei 1,90 Meter große Brecher rein, die sonst mit Fußball nicht viel zu tun haben. Aber die haben wir nicht, und der Bruno Pezzey kann auch nicht ständig zwischen den beiden Strafräumen hin- und herhetzen.“ „Wenn man hier in Frankfurt zwei Punkte holt, dann ist man voller Freude. Vor allem muss ich meiner Mannschaft für die Art und Weise, wie der Sieg herausgespielt wurde, großes Lob spenden. Wir sind hier so diszipliniert aufgetreten wie noch nie zuvor in einem Auswärtsspiel“, ist VfB-Trainer Jürgen Sundermann zufrieden, aber nicht wunschlos glücklich: „Ich ärgere mich ein bisschen, dass dieses dumme Tor zum Schluss für die Eintracht noch fiel und dass die Frankfurter sogar noch hätten ausgleichen können. Ich denke da an Pezzeys Chance in der Schlussminute. Die Frankfurter haben nach gutem Beginn in der ersten und zweiten Halbzeit später den Mut zum Risiko vermissen lassen.“
„Wir haben heute viel verloren“, fasst Bruno
Pezzey zusammen: „Der Faden zur Spitze ist gerissen, wir haben Sympathien
bei den Zuschauern eingebüsst und wir haben auch viel Geld verloren.“
Und Bernd Hölzenbein. Es sei denn, Hölzenbeins Gegenspieler
Karl-Heinz Förster kann Hölzenbeins Unschuld beweisen: „Vielleicht
hat der gehört, dass ich ihn und nicht den Schiedsrichter beleidigt
habe.“ (rs)
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