1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1928/29 - 6. Spiel

2:0 (2:0)

Termin: 17.03.1929
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Rettelbach (Ludwigshafen)
Torschützen: 1:0 Hornauer (42.), 2:0 Hugo Mantel (44., Eigentor)

 

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1. FC Nürnberg Eintracht Frankfurt

  • Stuhlfauth
  • Popp
  • Kugler
  • Geiger
  • Lindner
  • Kalb
  • Weiß
  • Wieder
  • Schmitt
  • Hornauer
  • Reinmann

 


 

Trainer
Trainer

Der Club führt sicher

1. FC. Nürnberg — Eintracht Frankfurt 2:0 (2:0)

Der Frühling kommt, der Frühling ist schon da! Zwar scheint die Sonne nicht allzu warm über die alte Noris — aber sie lächelt. Es ist die schönste Zeit für unser herrliches Fußballspiel — und einer sonnigen Fröhlichkeit sind heute 15.000 Menschen nach dem Zabo hinausgewandert, um was ganz Großes zu erleben.

Der nie versagende Empfangsausschuß Konrad Ulm & Co. war am Samstag-Abend wiedermal in Tätigkeit. Beim Club ist dies seit Jahren Ehrensache und in jedem gut geleiteten Verein sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein. Die Frankfurter wohnten im Hotel Wittelsbach und waren recht vergnügt. Nach dem Abendessen lauschte die Mannschaft noch etwas die Königshofkapelle unter der vorzüglichen Leitung von Willy Schönfeld und nachher ging es bald in die Betten. Albert Sohn, das unverwüstliche Ehrenmitglied von Eintracht, machte mit den Begleitern Buhlmann, Krembsler, Rist, Reiß, Schneider und mit dem Nürnberger Trio Ulm, Aichinger und Scholler einen kleinen Ausflug in die Sebaldusklause. In später Stunde stieß ich in Begleitung des sehr netten Herrn Altmann (Verwalter des Mannheimer Stadions) auf diese Corona, wobei sich Frau Lisl einen zwar unfreiwilligen aber glänzenden Witz erlaubte, indem sie in Herrn Altmann unverblümt einen morganatischen Sproß des Hauses Stoll vermutete!

Schon die Vorreklame in den hiesigen Tageszeitungen sagte alles. Großkampf im Zabo! Der Propagandachef des 1. FC. hatte seine Sache gut gemacht, und weil die Bodenverhältnisse ebenfalls günstig waren, so war ein Massenbesuch gesichert. Daß die Eintracht erst am letzten Sonntag auf ihrem eigenen Grund von den Münchner Bayern vermöbelt wurde, tat dem Interesse keinen Abbruch; so was kann jedem mal passieren! Eintracht genießt eben in Nürnberg-Fürth einen sehr guten Ruf, und ihr ganz hervorragendes Spiel im Vorjahr in Ronhof war ebenfalls noch in bester Erinnerung. Jedenfalls waren wir auf Eintracht mit dem frischgebackenen Internationalen Schütz, mit dem Dietrich, dem Mantel usw. sehr gespannt und in der Tat: Sie hat nicht enttäuscht. Die Mannschaft von der ein Schlappenstinnes stundenlang immer wieder nur Neues und Gutes zu erzählen weiß, überraschte als ganz gefährlicher Gegner und hinterließ in jeder Beziehung einen günstigen Eindruck.

Goldammer und Pfeiffer sind verletzt, Kissinger aus moralischen Gründen kaltgestellt. Die Elf stand bei Beginn mit folgenden Leuten: Judisch; Schütz, Kirchheim; Kübert, Mandel, Bechtolt; Schaller, Dietrich, Ehmer, Höhl und Kellerhoff. Beim Klub alle Mann an Bord - ich schenke mir also die Aufstellung, denn schließlich kennt sie jedes Kind. Als Unparteiischer amtierte der vorzügliche Rettelbach aus Ludwigshafen. Sein schnelles Mitlaufen ermöglicht ihm ein genaues Verfolgen des Kampfes: so unterlief ihm kein einziger Fehler in der Abseitsregel und auch seine Weitherzigkeit im erlaubten Rempeln war korrekt.

Vor der Pause lieferten die Gäste den Nürnbergern eine feine ebenbürtige Partie, und ihre Abwehr und Zerstörungskunst zeigte mitunter eine Gerissenheit, daß dem viel zu engmaschig arbeitenden Nürnberger Innentrio unmöglich ein Erfolg blühen konnte. Die Frankfurter Mantel, Kübert, Bechtolt, verlegten ihr Augenmerk nur auf Zerstörung und dazwischen putzten die stoßsicheren Verteidiger Schütz und Kirchheim mit einer stoischen Ruhe. -- So konnte sich der Nürnberger Angriff vorher nicht entwickeln, und die wenigen Weitschüsse hielt der kleine Judisch auch ohne Kopfzerbrechen. Allein dieses Abwehrsystem wird auf die Dauer nie gut sein, denn unter solchen Verhältnissen sperrt man sich selbst die Luft ab, und die beste Waffe, der Angriff, bleibt meist ohneArbeit. Der Frankfurter Sturm hatte gar keine Unterstützung, stets mußten sich Dietrich, Höhl und Kellerhoff die Bälle von hinten selbst holen und sowas macht den stärksten Gaul kaput. Von einem bestimmten System läßt sich beim Frankfurter Angriff schlecht sprechen, aber verschiedene Ansätze ließen doch in einzelnen Augenblicken erkennen, daß mit ihnen absolut nicht zu spaßen ist. Der Schweizer Dietrich ist ohne Zweifel ihr Bester inbezug auf Durchreißen und technisches Können. Aber Dietrich hat im gegebenen Moment auch gewisse Schwächen, denn es fehlt ihm die nötige Ruhe, um mit Intelligenz den Gegner zu überlisten; dazu zeigte Dietrich zu viel Ueberreitz und Nervosität. Der Mittelstürmer Ehmer ist ebenfalls technisch sehr gut; ein glänzender Dribbler, aber auch ihm fehlte die starke Gedankenarbeit — immerwieder blieb seine Künstelei beim Gegner hängen und so mißglückten ihm alle seine Aktionen. Der junge Höhl war im Angriff nicht der schlechteste und sein kühnes Draufgängertum wird den Eintrachtangriff mit der Zeit unbedingt schärfer machen. Etwas enttäuscht haben mich die beiden Flügel Schaller und Kellerhoff; ihre Flanken waren meist unbrauchbar und auch dem Zuspiel fehlte die Genauigkeit. Bei dem Können eines Geiger und Lindner ist allerdings nicht leicht aufzukommen, und zudem waren Popp und Kugler in einer solch blendenten Verfassung, daß ein gefährlicher Sololauf von Schaller und Kellerhoff kaum in Frage kam.

Bis zur 42. Minute hielten die Gäste in einem grandiosen Abwehrkampf dem Club die Stange, aber dann kam recht überraschend das Verhängnis. Balleinwurf von Kugler zu Lindner — Lindner drückt sich an Kübert und Schaller vorbei — Kalb täuscht Dietrich und Mantel — feine Kombination zwischen Wieder, Schmitt und Hornauer und über die Frankfurter Köpfe hinweg schießt Hornauer über den verdutzt schauenden Judisch den ersten Treffer. Eine Minute später — Lindner dirigiert den Ball zu Weiß — Flanke in die Mitte — Schütz und Kirchheim kommen zu spät — Judisch läuft aus seinem Kasten — Wieder schießt, und den Effektschuß lenkt Kübert oder Mantel ins eigene Netz. Also ein Eigentor der Club führt mit 2 zu 0 und geht selbstverständlich mit der besten Hoffnung in die Pause.

Nachher glaubte wohl jeder an eine hohe Frankfurter Niederlage, denn das ganze Clubspiel zeigte nun eine Form, die zu Beifall hinreißen mußte und 20 Minuten lang waren die Gäste tatsächlich abgemeldet. Und doch merkte man hier, daß es heute mit dem Club nicht ganz stimmte und nachdem der Angriff so eine halbdutzend Torchancen vermasselte, da rafften sieh die Frankfurter wieder auf und wurden zweimal recht gefährlich. Aber das Nürnberger Abwehrtrio Stuhlfauth, Popp und Kugler war eben doch zu gut, und so war die Gefahr nicht allzu groß, aber letzten Endes war man mit dem 2 zu 0-Resultat ganz zufrieden.

Für die 15.000 Zuschauer war das Clubspiel ohne Zweifel eine Enttäuschung, denn nach den letzten großen Spielen erwartete man von ihm ein besseres Gesamtkönnen. Aber alle Tage ist kein Sonntag und schließlich sind die Clubspieler eben auch nur Menschen. Sehr gut waren außer der famosen Abwehr nur Lindner, Reinmann und Weiß. Hornauer schoß heute sehr ungenau — Seppl Schmitt war nicht in gewohnter Stimmung, und Wieder war oft so zerstreut, daß man sich nur wundern mußte. Auch der Mittelläufer Kalb spielte weit unter seiner sonstigen Form! Wie ich höre war er grippekrank! Sein Spiel war recht matt und ungenau und sehr oft fehlte ihm im Aufbau die Initiative des bewußten Selbsthandelns. Es fehlte sein seriöses Können, mit dem er seine vielen Freunde schon ganz verwöhnt hat, und bei einem solch populären Spieler fällt bekanntlich ein auffallend schwaches Spiel viel schwerwiegender in der Kritik.      Hans Stoll.

*

Stimmung in und um Zabo.

Man sieht es genau: mit den aufsteigenden Leistungen der Spitzenvereine nehmen auch die Zuschauerzah1en wieder zu. In Nürnberg und Fürth nämlich. Anderwärts wirds gerade so sein, aber für die „Hochburg" ist es eine typische Erscheinung. Selbst die strenge Winterkälte — unseligen Angedenkens — hat diese Skala nicht übermäßig beeinflussen können. Höchstens das Radio! Dem wird aber, hoffentlich nachhaltend, vorgebeugt! Für unsere Meistermannschaft ergibt sich aus dieser Tatsache von selbst alles weitere.

Des bewundernswerten 1. FC. aufwärts gerichtete Erfolgserie bringt die Massen wieder auf die Beine. Und auf die Pneus! War das am Sonntag ein Fußgänger- und Autobetrieb nach dem Zabo! Die Zahl der Autos schien sich in Nürnberg über Nacht verdreifacht zu haben — oder die der Autobesitzer? In endloser Schlange rollte um die zweite Mittagsstunde Wagen hinter Wagen, dazwischen Motorräder, in Richtung Zabo. Weise Verkehrsregulierung an der Regensburger Straße sorgte dafür, daß unliebsame Verkehrsstockungen vor der Peterskirche vermieden wurden. Aus den Fenstern der Peterhaider Mietskasernen und Siedlungshäuser reckten die biederen Antisportler die Hälse, oder die Familie des ausgerückten Sportpapas äugte ihm nach und dem gesteigerten Verkehr zu. Es gab reizende Bilder.

Ein Taxilenker hatte es besonders eilig und rannte mit ziemlicher Wucht auf einen haltenden Wagen. Außer einigen Beulen am gerammten Wagen und dem Schrecken der Fahrgäste hatte die Sache keinen weiteren Nachteil.

Auf den Zugangswegen zum Zabo bewegten sich dichte Fußgängerkolonnen dahin. Menschen aller Klassen und jeden Alters, die der schönste Rasensport in seinen Bann schlug. Ueber den Menschen lachte die liebe Sonne im bezauberndsten, wärmenden Licht, mit eitel Wonne über die Frühlingswelt und von hochgespannten Erwartungen auf ein grandioses Meisterspiel im Zabo erfüllt, wollten die 12.000 Interessenten dahin. Es war ein Bild, wie man es bei großen Sportereignissen im Sportpark des 1. FCN. gewohnt ist.

War das ein Staunen, als man nach mühevoller Kletterei über die letzten Ueberreste traurig-vergehender Winterpracht (das waren Pfützen und Lachen) endlich den Zugang zum Hauptplatz des Clubs erreicht hatte und das Spielfeld inspizierte! War das eine Freude, den völlig trockenen, brettlebenen und erstes frisches Grün schüchtern ansetzenden Sportplatz erblickte! Hier mußte doch ein prächtiger Fußball geboten werden können!

Immer enger schloß sich der Zuschauerwall, füllte die Masse die restlichen Lücken auf den Rängen aus. Auf der Tribüne hub ein frohes Grüßen und Begrüßen, besonders auf den Prominentensitzen und an den Pressebänken, an. Ja, die Frankfurter, die bringen immer Schwung in die Bude. Eintrachts Gefolgschaft ist auch in Nürnberg groß und die Fachkollegen der Mainmetropole geben ihrer Gruppenmeisterelf immer das Geleite, wenns gegen Nürnberg oder Fürth geht. Der gestrenge Rechtsgelehrte Dr. C. Laenge wurde sichtbar, der immer so nette Einzelheiten aus dem Frankfurter Vereinsleben zum besten gibt; Kollege Weingärtner aus „Offebach am Mäh" war gekommen, um Papa Bensemann gruppierten sich Herren der Club- und der Eintrachtvorstandschaft und der Ho11enstans erklärte den jüngeren Nachbarn die Einzelheiten der Frankfurter Aufstellung.

Darauf war man am meisten gespannt. Daß die Eintracht viel kann, daß die Meisterelf vom Main weit besser ist, als es nach der vorausgegangenen Niederlage gegen Bayern München (1:5) anzunehmen war, stand für jeden Einzelnen der 12.000 im Zabo fest. Um so größer wurde die Enttäuschung, als man vernahm, daß die Gäste wieder stark auf ihre Reserven zurückgreifen mußten, weil die Spieler Goldammer (der auf der Tribüne saß), Maurischat, Pfeiffer und Armbrüster verletzt sind und Kissinger, der Zugvogel, plötzlich nach Iseburg ausgewandert ist. Mit geschwächter Elf gegen den komplett startenden Altmeister antreten — wie soll das für Eintracht enden?

Nun, es ist nicht schlimm geworden. Eine 0:2-Niederlage vom Club auf dessen Platz zu beziehen, ist keine Schande. Das ist schon Größeren passiert. Wenn zudem aus den Kampfhandlungen für beide Parteien gleichviel richtiggehende Torchancen resultierten, so ist dies noch weniger blamabel. Dann hat eben der Glücklichere gegen den Pechjungen gesiegt. Scherz beiseite: es wäre leicht möglich gewesen, daß der Kampf unentschieden ausgegangen wäre, denn die Frankfurter hatten kurz vor Spielschluß zwei große Möglichkeiten, gleichzuziehen. Als Dietrich zwischen den Verteidigern durchpreschte und am entgegenlaufenden Heiner Stuhlfauth vorbei das Leder aufs leere Tor lenkte, hätte es 2:1 heißen können (der Club führte 2:0); und als Stuhlfauth wenig später eine Fußabwehr ausführte, der Ball an einem Gegner absprang und aufs Tor (ungedeckte Ecke) zurollte, wäre das 2:2 möglich gewesen. Aber es hat nicht sein sollen. Weitere Gelegenheiten dieser Art boten sich den Gästen nicht wieder. Sie waren überhaupt im ganzen Spiel selten. Außerdem murkste der Frankfurter Sturm reichlich, so daß nur der Zufall und das Glück hätten helfen können.

Andererseits hätte das Ergebnis auch höher ausfallen können. Zwar war der erste Treffer, von Hornauer in der 42. Minute mit Schrägschuß erzielt, eine saubere Leistung und der Schuß von Wieder in der 44. Minute hätte auch ohne die gütige Nachhilfe von Mantel sein Ziel erreicht, so daß es bei Halbzeit 2:0 stand. Damit waren aber des Club Torgelegenheiten nicht erschöpft. Wieder schoß drei solch famose Bälle, daß mindestens einer den Enderfolg verdient hätte. Kalbs Hans, der trotz starker Grippe spielte, jagte einen Strafstoß unheimlich scharf knapp an der Frankfurter Kajüte vorbei und dirigierte einen Fernschuß aus etwa 30 Meter so genau, daß nur noch die Querlatte das Eindringen des Balles ins Netz vereiteln konnte. Hornauer und Schmitt verschossen je zwei weitere Sachen mit Wucht und Reinmann knallte von außenher eine saftige Flanke an den Kasten. Das waren hochwertige Kaliber, die schon etwas gelten müssen bei Abwägung des tatsächlichen und des möglichen Ergebnisses.

Auffallend war die Gleichheit der — Schwächen in beiden Mannschaften. Gleichzeitig damit hielten sich die starken Positionen die Wage. Mau waren die Leistungen der Sturm-Innentrios. Beiderseits fehlerhaft und ungenügend, auch die Halfreihen nicht überzeugend. Gut die jeweiligen Außenstürmer, dabei die Nürnberger ganz groß. Sehr stabil und produktiv die beiderseitigen Verteidigungen, wobei die Sicherheit des Frankfurter Paares noch besonders angenehm überraschte. Beim Tormann neigte sich die Spielüberlegenheit naturgemäß wieder deutlich zu Gunsten Nürnbergs.

Es wurde fair gekämpft, einige Härten unterliefen im Eifer des Gefechtes. Eintracht ertrug ihr Schicksal mit Würde. Rettelbach- Ludwigshafen hatte wenig zu beanstanden. Riß der Kampf auch nicht zur Begeisterung hin, so hinterließ er doch einen recht angenehmen Eindruck.      O. Fischer. (aus dem 'Kicker' vom 19.03.1929)



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