Wormatia Worms - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1928/29 - 7. Spiel

3:1 (1:1)

Termin: 24.03.1929
Zuschauer: 4.000
Schiedsrichter: Bohn (Mannheim)
Torschützen: 1:0 Winkler (28.), 1:1 Willi Pfeiffer (44.) , 2:1 Deibert (47.), 3:1 Philipp (77.)

 

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Wormatia Worms Eintracht Frankfurt

  • H. Gispert
  • K. Völker
  • H. Klosset
  • A. Kiefer
  • F. Fries
  • J. Hartmann
  • Ph. Siegler
  • W. Winkler
  • L. Philipp
  • Deibert
  • H. Dietz

 


 

Trainer
  • Ludwig Philipp
Trainer

Wormatias erster Sieg

Wormatia Worms — Eintracht Frankfurt 3:1 (1:1).

Frühlingsanfang? Bestenfalls Vorfrühling. Es ist absolut nichts zu merken von wegen Frühling — außer den paar Graden Wärme und dem hellen Himmel. Die Bäume und Sträucher weigern sich konstant, Grün zu flaggen und die Fußballplätze kosten saure Wochen, gebefrohe Geldbeutel ... (In Nürnberg-Fürth nicht! Red.)

Wormatia aber blühte heute nicht nur ein sonnengoldner Tag über's Stadion hin — das Punktebäumlein, kahl wie eine Telegraphenstange, gab die ersten Hoffnungs-Sprößlein her, zwei Punktezweiglein zeigten sich den erstaunten Augen von 4000 Leutchen, zweie — wo man doch um einen schon gebangt hatte. Daß es einmal Frühling werden müsse — auch für den eisigen Winter der eingefrorenen Wormatia-Schwungkraft, war klar. Nur über den Zeitpunkt waren sich die Schrift- und Tippgelehrten nicht einig. Doch nun ist allem Zank ein Ende bereitet. Ein hübscher, runder und sattsam verdienter Sieg über eine in allen technischen Dingen überlegene Mannschaft verschaffte Wormatias lädiertem Ansehen die erste Politur.

Zweitausend Zuschauer zu wenig mußte der Kassierer konstatieren. Sinkt der Leistungsthermometer, dann fällt die Fieberkurve der Publikumsbegeisterung und Opferfreudigkeit automatisch mit. Also standen bestenfalls 4000 um die oft zitierten Barrieren. Als sie durch die Alzeyer Straße dann heimwimmelten, diese 4000, da gefiel ihnen der Sonnentag noch einmal so gut — Siege machen froh!

Das Treffen war... ja, was war es eigentlich? Es war merkwürdig: weil die technisch feinere Elf verlor. Es war aufschlußreich: weil man sah, daß die beste Hintermannschaft keinen schwachen Sturm ersetzen kann. Es war lobenswert: denn es war fair. Es war schön: denn die (nehmt alles nur in allem!) wirklich bessere Mannschaft siegte wohlverdient. Es war das netteste Spiel der Saison, weil es nie ausartete. Dabei fehlte die flüssig-elegante Beglückung des Nürnberger Spieles völlig. Die Aktionen waren mühsamer. Gekrampfter, hatten förmlich Schweißperlen. . .

Eintracht war komplett. Hatte diese Mannschaft: Judisch; Schütz, Kirchheim; Kübert, Goldammer, Mantel; Schaller, Ehmer, Pfeiffer, Dietrich, Kellerhoff. Wormatia kam mit einem sonderbaren Mannschaftsgebilde, denn Ludwig Müller fehlte immer noch und der Läufer Völker stand auf dem rechten Verteidigerposten, halblinks aber versuchte man es wieder einmal mit Deibert. Alles glückte. Glückte über alle Erwartungen gut.... Eifer allein schaffte es nicht. Man hatte sich die bitteren Erfahrungen der letzten Wochen zu Herzen genommen. Schneid paarte sich mit Aufmerksamkeit. Aus dem hypernervösen Gezappel der letzten Spiele Wormatias wurde eine selbstbewußte Ruhigkeit. Eintracht dagegen war im Sturm von allen guten Göttern verlassen. Das Innentrio hatte eine Bombenbesetzung. Aber Dietrich war ebenso langsam, wie unentschlossen. Pfeiffer zeigte gutes Köpfein und hübsche Vorlagen, sonst aber „genau nichts" und Ehmer alleine konnte den Braten auch nicht fett machen. Scha1ler lebt von seinem großen Namen, Kellerhoff besann sich nur ein- oder zweimal darauf, daß mit flachen Vorlagen nicht viel zu machen ist, wenn man sie ins Gewimmel der Leiber schiebt und so konnte nur der Kopfball Pfeiffers aus einer Kellerhof-Vorlage die Ehre -der Eintracht retten — eine Minute vor Halbzeit.

Da aber stand es schon 1:0 für Wormatia. Deibert hatte den tollkühnen Judisch angeschossen, der Ball prallte zu Winkler und der schoß in die obere Torecke, daß der Beifall nur so rauschte. In der zweiten Hälfte köpfte Deibert bildschön eine Sieglerflanke ein und in der letzten Viertelstunde schoß Philipp genau dorthin, wo kein Eintrachtmann den Weg zum Tor versperrte.

Daß es dem Gast an Chancen nicht fehlte, beweist das Eckenverhältnis von 7:3 für Eintracht. Daß er aber froh sein muß, daß es nicht höher ausging, ist ebenso sicher. Einmal hatte Schütz Gelegenheit, seine Geistesgegenwart zu beweisen, als er einen von Winkler zart ins Netz getupften Ball noch auf der Torlinie rettete. (Der Ball schwebte zwischen Erde und Querlatte und die Luftlinie konnte nicht verraten, ob der Ball die bewußte Grenze schon überschritten hatte.) Freilich hatten die Eintrachtstürmer genug Gelegenheit, das Torverhältnis zu verbessern, aber ungeschossene Tore sind unverdient.

Schiedsrichter Bohn (Mannheim) waltete über den Parteien als ein peinlich genauer, aber ohne Abseitsbrille erschienener Schiedsgeist. Er pfiff dreimal nicht, als Wormatiastürmer in aussichtsreicher (Abseits-)Stellung den Ball erhielten. Da schimpften die Tribünenbesucher aus Frankfurt. Er pfiff einmal, als Winkler nicht abseits stand, dennoch abseits. Da pfiffen tausend Leute. Sonst machte er keine Fehler. Tore entstanden aus den Abseitsfalschentscheiden nicht. Warum sollten wir den Mann mit Steinen bewerfen?

Die Wormser freuten sich schon, dank eines besseren Torverhältnisses den Borussen die letzte Stelle abtreten zu können, da kam die Mitteilung aus Neunkirchen, daß die ersatzgeschwächten Neckarauer einen Punkt in Saarabien ließen. Was die Freude in Worms aber nur wenig abschwächen konnte...!

Die Verzweiflung der Wormatiamannschaft über die Mißerfolge war verkehrt und verschlimmerte die Anarchie in der Elf. Uebermut über das gute Spiel wäre ebenso falsch. Immer mit den beiden Beenen auf dem bewußten Boden der Tatsachen stehen, wissen, was fehlt aber auch wissen um die Kunst der Konzentration und die Macht des Elans — solches ist der rechte Mittelweg.      Rudi Rambold. (aus dem 'Kicker' vom 26.03.1929)



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