Eintracht Frankfurt - Tennis Borussia Berlin

Deutsche Meisterschaft 1931/32 - Viertelfinale

3:1 (1:1)

Termin: 22.05.1932 im Stadion
Zuschauer: 22.000
Schiedsrichter: Dondelinger (Köln)
Tore: 1:0 Karl Ehmer (8.), 1:1 Handschuhmacher (41.), 2:1 Fritz Schaller (46.), 3:1 Hans Stubb (88., Elfmeter)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Tennis Borussia Berlin

 


  • Patrzek
  • Brunke
  • Emmerich
  • Martwig
  • Kauer
  • Thönnissen
  • Pahlke
  • Schmidt
  • Handschuhmacher
  • Klaas
  • Schröder

 

Trainer Trainer

 

Eintracht stieß auf Widerstand!

Tennis-Borussia nur 3:1 geschlagen. Regiefehler.

Berlins Meister, Tennis-Borussia, hatte vor einigen Jahren in Frankfurt einen zugkräftigen Namen, als nämlich Ende 1925 der Fußballsportverein zweimal von ihm furchtbar „überfahren" wurde. Berlins Fußballruf ist jedoch inzwischen stark gesunken und haftet fast nur noch an dem Namen „Hertha-B.S.C".

Nur die Tatsache, daß es sich um die Zwischenrunde zur DFB.-Meisterschaft handelte, konnte dem Treffen im Frankfurter Stadion noch Glanz und Gepräge geben. Man kannte Tennis-Borussia vom Vorjahre her, wo vor wenigen Tausend Zuschauern München 1860 den Sieg davontrug, man hatte den Eintrachtsieg vom Berliner Osterturnier noch frisch in Erinnerung und allgemein war bekannt, daß die Berliner nie ernsthaft als aussichtsreiche Bewerber in der DFB.-Meisterschaft angesehen wurden.

Was sollte also dieses Treffen bieten? Der Süddeutsche Meister war klarer Favorit. Die Berliner trauten sich wohl selbst keinen Sieg zu, denn für die nächsten Sonntage sind bereits längst Privatspiele abgemacht! Wenn trotzdem an die 20000 Zuschauer kamen, so war es eben nur der Reiz des Pokalspiels, die entfernte Möglichkeit einer Überraschung. Große Leistungen wurden nicht erwartet. Es wäre klüger gewesen, einen anderen Verein nach Frankfurt zu beordern, das hätte mehr Spannung gebracht. Auch ein interessanteres Spiel. So wurde es eine Art Privatspiel mittlerer Art und Güte. Mehr nicht. Woran übrigens die Eintracht die größere Schuld trägt, weil sie die Sache nicht ernst genommen hat.

Ein Schritt vorwärts.

Man muß wissen, daß die Eintracht mit dem Vorstoß in die Vorschlußrunde im Grunde genommen viel erreicht hat, denn sie war noch nie so weit. Gelingt ihr dann auch noch der letzte Schritt, den der Rivale Fußballsportverein in seiner Vereinsgeschichte noch voraus hat, die Teilnahme am Endspiel?

Allzuviel Optimismus scheint gar nicht am Platze. Die Ermüdungserscheinungen sind augenfällig, verschiedene Verletzungen verhängnisvoll. Das Fehlen des Linksaußen Kellerhoff hat dem Sturm viel an Beweglichkeit und Zusammenarbeit genommen. Kellerhoff verstand es stets, den Gegner zu beunruhigen, zu umspielen und genau zu flanken. Ohne ihn ist der Eintrachtsturm etwas „flügellahm" geworden...

Neue Verletzungen sind jetzt hinzugekommen. Mit neun Mann wurde das Treffen beendet. Ehmer, der unentbehrliche Mittelstürmer, und Möbs wurden hinausgetragen. Wenn sie nicht spielen können, sieht die nächste Zukunft keineswegs rosig aus. Sonst müßte man die Eintracht jedoch weiter favorisieren.

Die launenhafte Elf.

Tennis-Borussia genießt den Ruf, zuweilen viel zu können, dann aber wieder erheblich abzufallen. An Beispielen fehlt es nicht. Man denke z. B. an die letzten Privatspiele in Stuttgart und München.
Überragend ist die Elf auf keinen Fall, jedoch immerhin beachtenswert. Sie stützt sich auf einen zuverlässigen Hüter und eine sehr sichere Verteidigung. Brunke und Emmerich, beide international, werden nach Schütz-Stubb als beste deutsche Vereinsverteidigung angesprochen. Sie sind auf jeden Fall schwer zu überwinden, da gut eingespielt und bemerkenswert hart. Das aufbauende Zuspiel fehlt allerdings. Auch in der Schnelligkeit und Vollkommenheit des Kopfspiels stehen die Berliner hinter Schütz und Stubb zurück.

Auf der soliden Grundlage dieser Verteidigung baut sich Berlins ganzes Mannschaftsspiel auf. Von den Läufern sind Martwig und Kauer international, doch keine ausgesprochen „internationale Klasse". Fast könnte man dem jungen Thönnissen eine größere Zukunft vorhersagen... Auch bei den Berliner Läufern fehlt eine Beherrschung des Zuspiels wie man es bei Mantel und Gramlich sieht. Dagegen dürfte Kauer besser sein als etwa Leis. Die große Linie erreicht auch er nicht.

Die Schwäche der Mannschaft ist der Sturm, der zwar gefährliche Vorstöße unternimmt, aber den Ball nicht im Angriff zu halten vermag. Dadurch wird die Hintermannschaft überlastet. Man sieht übrigens eine ausgesprochene W-Formation, bei der die Verbindungsstürmer wenig in Erscheinung treten. Der rotblonde Mittelstürmer Handschuhmacher, mehr Rasse als Klasse, paßt auf jede Chance auf, die hauptsächlich durch die Flügel Schröder und Pahlke geschaffen wird. Diese Flügel sind sehr zu beachten. Das besorgten allerdings Gramlich und Mantel so gut, daß die Berliner selten zur Entwicklung kamen.

Tennis-Borussia versucht zuweilen, den Ball flach zu halten. Aber es sind nur Ansätze zu süddeutschem Spiel. Sehr oft werden die Lehren vergessen, und dann kickt man munter hoch. An der stellenweise gut ausgefeilten Technik erkennt man übrigens die Hand des Lehrers: Herberger!

„Ein toller Einfall."

Das ist der Titel eines Films, der Freitag vor Pfingsten in Berlin uraufgeführt wurde (mit Willy Fritsch. Rosy Barszony, Dorothea Wieck usw.). Wirklich nett, dieser Film, aber wenn die Herren Autoren einmal wissen wollen, was ein wirklich ganz toller Einfall ist, dann müssen sie sich an den Eintracht-Spielausschuß wenden, der uns Schaller als Linksaußen präsentiert hat!

Der Spielausschuß beliebte nicht zu scherzen, wohlgemerkt. Es ist aber zu hoffen, daß er für seine originellen Einfälle andere Zeiten aussucht als gerade die Endspiele um die D.F.B.-Meisterschaft. Der Einfall war ein Reinfall. Vor Wiederholungen wird gewarnt.

Die Mannschaften:

Eintracht: Schmid, Schütz*, Stubb*, Gramlich*, Leis, Mantel*, Trumppler, Möbs ,Ehmer, Dietrich*, Schaller

Tennis: Patrzek, Brunke*, Emmerich*, Martwig*, Kauer*, Thönnissen, Pahlke, Schmidt, Handschuhmacher, Klaas. Schröder*

* „international". Also: Eintracht 5, Tennis-Borussia 5 Intemationale.

Temperamentvoller Anfang.

Die Menge fiebert noch nicht, als das Spiel beginnt. Man freut sich des Wetters, das angenehm kühl, und stellenweise doch sonnig ist. Der eben gemähte Rasen des Spielfeldes strahlt in sattem Grün und verbirgt die Tücken der durch den vorhergehenden Regen verursachten Glätte. Die Mannschaften ernten Beifall. Eintracht in sieggewohntem, schwarz-roten Dreß, Berlin; violett und weiß. Alles Kontraste.

Tennis eröffnet die Feindseligkeiten mit einem Vorstoß, der im Aus endet. Schaller; rast im Gegenstoß davon, läßt Emmerich auf der Strecke und schießt aus vollem Lauf. Der Ball prallt vom Torpfosten zurück.

Die Eintracht kombiniert und ist gefährlich. Berlin wird eingeschnürt. Der Schiedsrichter zerpfeift etwas das Spiel. Zwei Strafstöße gegen Berlin bringen nichts ein.

Handschuhmacher stößt mehrfach, vor. Die Verteidiger mag er nicht umgehen, das ist zu schwierig. Aber Schmidt stellt er einmal auf die Probe, und es zeigt sich, daß Eintrachts Hüter ganz unsicher ist. Leis muß im letzten Augenblick zur Ecke retten., Die Frankfurter müssen aufpassen, daß Tennis nicht in Führung geht, denn es handelt sich um eine Mannschaft, die wohl befähigt ist, nach einem Führungstreffer „zuzumachen"...

Bei der Eintracht glänzen die Außenläufer. Gramlich spielt ganz groß in seiner unauffälligen Art. Er hat seine Schwäche überwunden. Klare internationale Klasse, der vollendete Läufer.

Führungstor durch Ehmer.

Die überlegenen Frankfurter erhalten einen Strafstoß zugesprochen. Mantel jagt den Ball aus weiter Entfernung Richtung Ehmers Kopf und Tor. Patrzek stürzt heraus. Zu spät! Ehmer lenkt den Ball weiter (er „verlängert" ihn, wie es in der Fachsprache heißt), rennt mit Patrzek zusammen. Patrzek liegt am Boden, Ehmers Kopfstoß sitzt. 1:0 für Eintracht in der 8. Minute.

Borussias Hüter erholt sich wieder. Schaller greift an. Mantel ist mit weiteren Strafstößen nicht mehr erfolgreich. Schauer verpaßt eine ganz große Chance. Dann flaut das Treffen ab. Das Spiel läßt nach.

Die Frankfurter lassen sich von ihrer eigenen Überlegenheit in Sicherheit wiegen. Sie kämpfen nicht mehr. Die Initiative geht auf die Gäste über. Kauer tritt einen Strafstoß aufs Tor, der unsichere Schmidt läßt den Ball fallen. Die Situation ist sehr gefährlich. Schütz rettet jedoch in einer Manier, die an die besten Zeiten Sepp Müllers erinnert. Er ist ein ganz großer Verteidiger geworden.

Berlin spielt kämpferisch und hart. Die Frankfurter lassen den lieben Gott einen guten Mann sein. Leis verschuldet einen Strafstoß vor der Strafraumgrenze. Dietrich muß retten. Tennis kommt langsam auf. Der ungeschickte Schmidt prallt mit Handschuhmacher zusammen, worauf der Berliner einige Minuten das Spielfeld verlassen muß. Schaller beschäftigt sich mit Eckbällen, deren Hereingabe ihm jedoch sichtliche Schwierigkeiten bereitet. Wahrscheinlich kam ihm von Linksaußen das ganze Spiel wie eine verkehrte Welt vor. Man hatte wenigstens diesen Eindruck.

Der Ausgleich.

Man sieht den Ausgleich langsam, aber sicher herannahen. Pahlke flankt, Schmidt verfehlt, doch Stubb naht mit Riesenschritten und rettet im letzten Augenblick.

Wieder flankt Pahlke. Schmidt weiß sich nicht zu helfen. Schröder zögert mit dem Schuß aus spitzem Winkel, hebt den Ball zu Handschuhmacher, ein genauer Kopfstoß, der Ball sitzt! ; 1:1 in der 41. Minute!

Die Eintracht spielt wirklich lahm. Möbs fällt fast ganz aus. Schaller kann von links nicht flanken. Trumppler fällt andauernd hin. Leis bemüht sich vergeblich, die Zügel in die Hand zu bekommen. Mantel macht es mit der Ruhe. Aber nur er und höchstens noch Dietrich dürfen sich so etwas leisten, ohne dadurch der Mannschaft zu schaden.

Die Überrumpelung.

Nach der Pause stößt Ehmer an, geht elegant vor, wird energischer, läßt zwei Gegner auf der Strecke, zieht noch mehr Gegner auf sich und legt steil an Trumppler durch. Die Flanke trifft Dietrich und Schaller freistehend. Ehe man sich versieht, zieht Schaller halb aus der Luft den Ball auf und ins Tor. Alles ist verblüfft. Eintracht führt 2:1 in der 1. Min.

Die Sorgen der Pause sind schnell verscheucht. Eintracht ist ganz überlegen, drängt und drängt. Schaller verpaßt eine von Ehmer großartig herausgearbeitete „totsichere" Chance. Dann legt Ehmer überlegt Möbs vor, der unplaciert schießt, so daß auch diese Kapitalchance verdorben ist.

Tennis erzielte eine Ecke. Dann hat Ehmer mit einem Weitschuß offenbar Pech. Der Eintrachtmittelstürmer spielt großartig. Schade, daß er keinen „linken Fuß" hat... Aber er erfaßt die Situationen, läßt eich nicht abdrängen, führt seinen Sturm. Um ihn dreht sich das ganze Angriffsspiel der Eintracht.

Auf Strafstoß Gramlichs hin kann Dietrich einen Koptball anbringen. Patrzek hat Mühe, mit einer Ecke davonzukommen. Schaller tritt die Ecke Richtung Mittellinie. (Ob rechts oder links ist eben ein großer Unterschied!)

Der Endkampf.

Tennis-Borussia gibt sich noch nicht geschlagen. Die Verteidigung hält das Resultat. Der Ausgleich kann immer noch kommen und dann die Verlängerung...

Brunke und Emmerich wenden die Abseitsfalle an. Ehmer ist der erste, der hineingeht. Aber dann geht er prächtig durch, doch Schaller ist nicht auf dem Posten. Der durchweg gute Schiedsrichter entscheidet einmal offenbar falsch abseits und korrigiert sich durch Niederwurf. Irren ist menschlich. Erfreulich, wenn der Irrtum eingesehen wird. Das Publikum nahm auch gegenüber diesem Unparteiischen eine anerkennende Haltung ein. Können setzt sich doch gewöhnlich durch.

Einen Strafstoß jagt Ehmer unüberlegt an die menschliche „Mauer" der verteidigenden Borussen. Dietrich köpft nochmals an die Latte. Er hat mit seiner Spezialität, dem Kopfball, diesmal Pech.

In der 38. Minute wird Möbs, der durchweg schwach war, verletzt und scheidet aus. Wir finden jetzt den alten Fuchs Dietrich hinter den Läufern in der Abwehr.

in der 43. Minute geht Ehmer durch, um das Resultat endlich zu verbessern. Brunke „nimmt" ihn im Strafraum. Ehmer bricht zusammen und wird herausgetragen. Klarer Elfmeter! Aber wer soll ihn schießen, wo der planmäßige Schütze verletzt ist?

Da eilt Stubb heran, und wir lernen diesen vielseitigen Mann von einer neuen Seite kennen. Ohne lang zu fackeln, mit sichtlichem inneren Wohlbehagen, jagt er den Ball dem guten Patrzek flach in den Kasten, daß alles nur so staunte. Das war Stubbs Geschoß... 3:1 für Eintracht.

Dietrich ist wieder vorne. Ein viertes Tor ist in Vorbereitung, schon erwartet man den Schuß, da ertönt der Schlußpfiff des Unparteiischen. Die Spielführer reichen sich die Hände. Der harte, aber ritterliche Kampf hat sein Ende gefunden.

Der Sieger.

Trotz mäßiger Gesamtleistung — wir sind verwöhnt — hatte die Eintracht drei Glanzpunkte: Schütz, Gramlich, Mantel. Stubb hatte große Momente, schlug aber auch zuweilen munter Kerzen. Leis war gut im Nahkampf, schlecht in der Organisation des Spiels. Immerhin wäre die Hintermannschaft ohne ausgesprochene Schwäche gewesen, wenn Schmidt nicnt derartige Unsicherheiten gezeigt hätte. Das war man von ihm bisher nicht gewöhnt. Verfällt er in seinen alten, schon vergessenen Fehler der Ballunsicherheit? Wir wollen es nicht hoffen.

Im Sturm war Ehmer der beste Mann. Er brauchte allerdings Zeit, um in Schwung zu kommen. Neben ihm Dietrich klug und zweckmäßig, kein Dränger, doch ein Aufbauspieler. Zur harmonischen Ergänzung, fehlte allerdings der geeignete Nebenmann. Man weiß, daß die große Kombination der Eintracht von dem Dreieck Mantel-Kellerhoff-Dietrich ausging. Schaller paßte da nicht hinein. Er hatte gute Momente, die seine Form verrieten, doch wäre er rechts sicher viel erfolgreicher gewesen. Trumppler dagegen fehlt die Rasanz. Er fiel immer wieder hin, konnte sich nicht durchsetzen. Allerdings wurde er auch von Möbs nur mäßig unterstützt.

Schiedsrichter Dondelinger, Köln, war gut.

Süddeutsches Finale?

Im Augenblick sind die Paarungen der nächsten Runde noch nicht bekannt. Auf jeden Fall: Schalke steht allein gegen Süddeutschland, so daß aller Wahrscheinlichkeit nach der Süden das Ende „im eigenen Heime" ausmachen wird. Gibt es eine Revanche Bayern — Eintracht oder die Kraftprobe zwischen Nürnberg und Frankfurt? Auf jeden Fall dürften die übriggebliebenen Mannschaften ziemlich gleichwertig sein.

Eintrachts Stärke ist nach wie vor die fast unüberwindliche Verteidigung mit einem Sturm, der immerhin für zwei Tore gut ist. Man kann es immer nur wieder bedauern, daß diese großartige Elf durch das unsinnige Spielsystem so mitgenommen worden ist, daß sie ihre volle, wahre Spielstärke nicht mehr zeigen kann. Trotz allem hat sie es aber fertiggebracht, sich außerhalb Süddeutschlands ganz gehörig in Achtung zu setzen, und die wird ihr verbleiben, auch wenn sie „nur" der Titel eines Süddeutschen Meisters schmückt.      Dr. C. E. L. (aus dem 'Fußball' vom 24.05.1932)

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg