Stettiner Sport Club - Eintracht Frankfurt

Deutsche Meisterschaft, Gruppe 1 1937/38 - 2. Spiel

5:6 (1:2)

Termin: 15.04.1938
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Jaehnichen (Leipzig)
Tore: 0:1 Adam Schmitt (7.), 1:1 Bonsack (27.), 1:2 Karl Röll (43.), 2:2 Schmoll (50.), 2:3 Albert Wirsching (54.), 2:4 Karl Röll (56.), 2:5 Fritz Linken (60.), 2:6 Adam Schmitt (62.), 3:6 Palinski (65.), 4:6 Liedtke (67.), 5:6 Palinski (73.)

 

>> Spielbericht <<

Stettiner Sport Club Eintracht Frankfurt

  • Kutz
  • Thiemann
  • Drews
  • Rudolf Wagner
  • Gahren
  • Hermann Schneider
  • Liedtke
  • Schmoll
  • Feth
  • Palinski
  • Bonsack

 


 

Trainer
Trainer

 

[...] Die Terminliste will es jetzt kurioserweise so, daß Eintrachts ganze Vorrunde auf fremden Plätzen ist. Man ist nicht bös darüber, sondern tut wie Till Eulenspiegel, der sich ein lustiges Liedlein pfiff, wenn er bergauf wanderte. Leute, die drob erstaunt fragten, wie man bei einer mühsamen Kletterei noch so munter tirilieren könne, wurden belehrt: „Ich freu mich schon, wenns den Berg hinunter geht!" In ähnlicher Weise freut sich die Eintracht, daß sie die ganze Rückrunde zu Hause hat. Sie hofft, daß sie die Geschichte dann regulieren kann, wenn es wirklich am Torverhältnis liegen sollte. Was nach den Berechnungen der Strategen offenbar so sein wird. Schauen Sie, sagte mir einer am ziffernbedeckten Marmortisch, schauen Sie, wir werden in Hamburg verlieren, je knapper, um so besser. Dafür müssen wir daheim gewinnen. Und sonst müssen wir halt gegen die Insterburger und Stettiner mehr Tore schießen als der HSV.

Das Probespiel enttäuschte.

Die Rechnung ist verblüffend. Sie ist beinahe zu glatt. Im Fußball kommt immer mal wieder was dazwischen. Das knappe 0:2-Unterliegen der Stettiner warnt die Eintracht mächtig vor der brillanten Verteidigung Stettins. Am Karfreitag muß der Riederwaldsturm zeigen, was er wirklich kann. Vor ein paar Tagen, in einem Abendspiel gegen Union Niederrad zeigte er's nicht Es ging nur mühsam 3:1 her, aber die Enttäuschten sind sicher im Unrecht. Niemand bei der Eintracht wollte sich bei dieser Gelegenheit ein Bein ausreißen.

Am zufriedensten ist Arheilger, der zwei Tage vor dem Saarbrückener Spiel geheiratet hatte und dann als Läufer einfach hinreißend operierte. Daß er jetzt Läufer bleibt, ist allen Beteiligten angenehm, vor allem auch dem Berichterstatter, dem es schon leid genug war, daß er dem strebsamen Spieler zuletzt immer wieder sagen mußte, seine Stürmerleistung genüge nicht.      r.o.k. (aus dem 'Kicker' vom 12.04.1938)

 

 


 

 

Stettin spielte groß

Stettiner SC. — Eintracht Frankfurt 5:6

Stettin, 15. April

Bereits in der 5. Minute verwandelt Schmitt einen 20-Meter-Strafstoß, den Wagner verwirkt hatte. Kutz hätte den scharf in die kurze Ecke geschossenen Ball halten müssen. Frankfurt operiert von hinten heraus mit weiten Vorlagen. Stubb überrascht mit weiten Abschlägen. SSC. hält spielend das vorgelegte scharfe Tempo. In der 26. Minute behält Schmoll gegen Stubb den Ball, seine weite Vorlage nach links erreicht Bonsek vor dem herauslaufenden Peutler und 1:1. Das Tempo wird noch schärfer. Vor den Toren überstürzen sich die spannendsten Momente. In der 42. Minute ist Drews einen Augenblick nicht im Bilde, und es heißt nach einem wunderbaren Zusammenspiel zwischen Wiersching und Röll 2:1 durch letzteren.

Nach der Halbzeit geht das Spiel mit unvermindertem Tempo weiter. In der 50. Minute verliert Stubb wieder gegen Schnell den Ball, und dieser kann aus kurzer Entfernung ausgleichen. Jetzt spielt aber nur noch Frankfurt. In der 54. Minute schießt Wiersching wunderbar ein. Wenige Augenblicke später überspielt der fabelhafte Linken alles. Kutz kann den placiert getretenen Ball nicht festhalten, und Röll vollendet zum 4:2 in der 57. Minute. SSCs. Spielweise wird härter. Einige Frankfurter sind angeschlagen. In der 60. Minute wird Linken von Wiersching hervorragend freispielt, und die Partie steht 5:2. In der 62. Minute läßt Röll nach guter Vorarbeit von Wiersching Kutz keine Abwehrmöglichkeiten, und Frankfurt führt 6:2. Jetzt läßt Frankfurt nach, SSC. dagegen steigert das Tempo. In der 65. Minute ist Feht schneller als Fürbeth und vermindert unhaltbar auf 6:3. Nach einer von Bonsek hervorragend hereingegebenen Ecke hat Peutler gegen Liedtke keine Chancen und es steht nur noch 6:4. Die Zuschauer rasen. Frankfurt schwimmt. Einen von Palinski fein vors Tor gegebenen Strafstoß verwandelt Feht in der 73. Minute durch Kopfstoß unhaltbar zum 6:5. Frankfurt hält jetzt mit der ganzen Mannschaft den winzigen Vorsprung. SSCs. verzweifelte Anstrengungen werden aber nicht mehr mit dem Ausgleich belohnt.

Seit Titanias Zeiten hat man in Stettin ein derart temporeiches und kämpferisches Spiel, das durch technisch durchaus verwöhnten Ansprüchen genügte, nicht wieder gesehen. Bei der Eintracht besonders gut: Wiersching, Linken, Arhlberger und Adam Schmitt als unauffälliger Aufbauspieler. Fürbeth und Stubb genügten nicht den Ansprüchen. Stubb ist in gewissen Momenten nicht mehr schnell geschmeidig genug.

SSCs. bot insgesamt eine hervorragende Leistung, reicht technisch noch nicht ganz an Frankfurt heran. In bezug auf Schnelligkeit der Eintracht ebenbürtig, an Kampfkraft und Elan sogar überlegen.

Schiedsrichter bis auf einige Vorteilspfiffe sehr gut. Auf Abseitsreklamationen beim zweiten Tor durch Röll ging er zu Recht nicht ein.

Reichsfachamtsleiter Linnemann äußerte sich über die gezeigten Leistungen durchaus zufrieden.      E.G.


Südwest

6:5 ist auch gewonnen! — Aber Eintrachts schwerer Gang kommt
erst nächsten Sonntag... gegen den HSV.!

Die Eintracht hat es nicht leicht. Nach dem schweren Endkampf im Gau muß sie reisen, reisen und nochmals reisen. Zuerst Insterburg, dann Stettin und nächsten Sonntag Hamburg. Gelingt es aber, auch Hamburg zu „überstehen", dann bleibt der Südwestmeister daheim und wird zum Favoriten, während die anderen reisen müssen. Viel, fast alles, hängt demnach vom nächsten Sonntag ab. Ein Unentschieden wäre schon ein großer Erfolg. Aber darf man ihn erhoffen?!

In zwei Spielen bewiesen die Eintrachtstürmer, daß sie schießen können. Die Abwehr aber hatte mehr Löcher als ein Schweizerkäse. In Stettin kam es darauf an: würde der Sturm mehr Tore schießen können, als die Verteidigung durchläßt? Er konnte es, denn das Spiel ging 6:5 aus. 6:5 ist auch gewonnen. Nur muß man daran denken, daß Hamburgs Abwehr eisern ist und sein Sturm besser als derjenige Stettins.

*

Stettins bester Stürmer hieß Feth. Der kannte allerdings seine „Pappenheimer", denn er kommt aus einem Frankfurter Vorort. Entdeckt wurde er allerdings erst in Stettin. Es steht ja schon in der Bibel, daß der Prophet nichts in seinem Vaterlande gilt. (aus dem 'Fußball' vom 19.04.1938)

 

 


 

 

Nun haben wir am Karfreitag die berühmten Gäste aus Frankfurt am Main, Eintracht Frankfurt, zu Gast gehabt und dieses Spiel gegen den pommerischen Gaumeister SSC. dürfte noch lange zu den Marksteinen in der Geschichte des pommerschen Fußballs zählen, gelang es doch den Stettinern, in einem, die 6000 Zuschauer hinreißenden Kampf, der besonders in der zweiten Halbzeit reich an dramatischen Höhepunkten war, die Gäste nicht nur zur restlosen Hingabe ihres ganzen Könnens zu zwingen, sondern sie sogar, nachdem Eintracht schon mit 6:2 in Führung lag, in einem wundervollen Spurt an den Rand einer Niederlage zu bringen. Alle Erwartungen, die man nach dem Sieg des SSC. über York Insterburg und dem guten Abschneiden gegen den HSV. in Stettin für diesen Kampf gegen die zur deutschen Extraklasse gehörende Eintracht gehegt hatte, wurden übertroffen und selten oder noch nie standen wohl die Stettiner so geschlossen zu ihrem Meister wie beim Ablauf dieses Kampfes, durch dessen Ausgang, wenn er auch verloren ging, sich der als krasser Außenseiter in seiner Gruppe bezeichnete SSC mit einem Schlage den Anschluß an anerkannte, leistungsfähigste Mannschaften erkämpfte. Ein Erfolg, wie man ihn sich für eine pommersche Mannschaft nicht besser wünschen kann. Als die Mannschaften, voran Eintracht, geführt von Stubb, durch ein Spalier von Jugendlichen auf den Platz liefen, begrüßte sie herzlicher Beifall. Eintracht hatte Anstoß und schon mußte Kutz den ersten Abstoß treten. Sofort lief die Kombinationsmaschine der Gäste, während der SSC. in einem schnellen Gegenstoß die erste Ecke erzwang. Schon die siebente Minute brachte durch einen Strafstoß für Eintracht, den Schmitt von der Strafraumgrenze unheimlich scharf in die rechte Torecke schoß, den ersten Treffer für die Gäste. Sichtlich beeindruckt, spielt der SSC. in der Verteidigung, während Eintracht mit voller Kraft, aber wundervollem Zusammenspiel alle Register ihres Könnens zieht. Eintracht spielt mit zurückgezogenem Mittelstürmer, alle Angriffe werden aus der Deckung heraus aufgebaut und der Plan gelingt, denn die sonst konsequente Deckung des SSC. läßt sich durch diese Methode aus dem Konzept bringen.

Immer wieder finden die weiten Vorlagen der aufbauenden Eintracht-Läufer Lücken in der auseinandergezogenen SSC.-Deckung und schaffen so kritische Augenblicke vor dem Stettiner Tor. Besonders fallen die weiten Schläge von Stubb auf, auch im Freistellen, In-Stellung-Laufen und vor allem in der Ballabgabe und Kopfballtechnik sind die Gäste klar die Besseren. Trotzdem kommen auch die SSC.-Stürmer zu allerdings vereinzelten, aber schnellen Vorstößen, die sogar zwei weitere Ecken einbringen, jedoch sind es vorerst nur Einzelleistungen, der Zusammenhang fehlt. Immer schneller wieder das Tempo, und nun wird allmählich auch das Zuspiel der SSC.-Mannschaft genauer. In der 27. Minute ist plötzlich der Ausgleich da, als Stubb einen Ball in der Abwehr nach links lenkt, den Bonsack in fabelhaftem Antritt erreicht und durch einen prächtigen Schuß aus vollem Lauf unhaltbar flach ins Netz jagt. Urplötzlich zeigt nun der SSC.-Sturm sein wahres Können. Blitzschnell wechseln die Situationen, völlig offen ist auf einmal das Spiel, und zum erstenmal ist nun Eintracht für rund 15 Minuten in die Verteidigung gedrängt. Der SSC. hat sich auf die Spielweise des Gegners eingestellt und ist nun ein ebenbürtiger Gegner. Dann kommt es in der 43. Minute zu dem zweiten, umstrittenen Tor für Eintracht, als Wirsching Röll schön vorlegt und dieser, weit vorgelaufen, unhaltbar einschießt, trotzdem der Linienrichter vorher Abseits reklamiert hat. Kurz darauf ist Halbzeit. In dem vergangenen 45 Minuten war Eintracht ohne Zweifel tonangebend und beherrscht durch ihre überlegene Spielkultur meistens das Feld. Wird der SSC. das unheimlich schnelle Tempo durchhalten, hat die Deckung die Taktik des Gegners durchschaut? Diese und ähnliche Fragen beherrschen die Zuschauer während der Pause. Der Beginn der zweiten Spielhälfte sieht sofort wieder beide Mannschaften in vollster Kräfteentfaltung. Nachdem Bonsack, wohl der beste Stürmer des SSC., knapp am Pfosten vorbeigeschossen, fällt durch Schmoll in der 50. Minute der Ausgleich, als Feth, von beiden Verteidigern in die Zange genommen, am Boden liegt und Schmoll Stubb den Ball abnehmen kann, um dann aus kurzer Entfernung einzuschießen. Allgemein hatte man einen Elfmeter für den SSC. für die Zange erwartet.

Nun scheint das Spiel seine entscheidende Wendung für Eintracht zu nehmen. Einen Strafstoß für Eintracht von rechts nimmt Wirsching wundervoll auf, und schon führt Eintracht 3:2 (54. Minute). Drews, der diesen Strafstoß verursacht hat, ist anscheinend auch hart mitgenommen, denn er ist für die Folge sehr unsicher. Eintracht nimmt die entstandene Lücke in der SSC.-Deckung wahr. Röll erhöht schon 2 Minuten später auf 4:2, und dann kann Linke den 5. Treffer in der 60. Minute buchen. Als Schmitt wieder 2 Minuten später mit einem Pfostenschuß, der ins Tor prallt, auf 6:2 erhöht, scheint der SSC. hoffnungslos geschlagen, denn 4 Tore in knapp 10 Minuten hinzunehmen, müßte bei einem Gegner wie Eintracht wohl noch andere Mannschaften wie den SSC. kapitulieren lassen. Aber jetzt zeigt der SSC. in einer nie geahnten und für unmöglich gehaltenen Energieleistung, was in ihm steckt. Gahren, der bisher wieder zu weit vorne spielte, geht zurück und, da auch Drews sich wieder erholt hat, riegelt Jetzt die Deckung hinten hermetisch ab. Damit beginnt eine neue Phase des Spieles.

Jetzt klappt es beim SSC. wie am Schnürchen. Eine machtvolle Gegenoffensive beginnt. Nach schweren, gefährlichen Angriffen verwandelt Feth einen Strafstoß Palinskis zum 6:3 und kaum ist der Anstoß vorbei, ist Liedtke rechts durch und krönt seinen Lauf mit gelungenem Torschuß. Jetzt steht es nur noch 6:4. Weiter diktieren die Stettiner den Spielverlauf und nur 6 Minuten später köpft Feth nach einem weiteren Strafstoß der sehr hart arbeitenden Eintracht-Verteidigung zum 6:5 ein. Angespornt durch den Jubel der Zuschauer, gibt die SSC.-Elf alles aus sich heraus, um das verdiente Unentschieden zu erzwingen, aber gegen die massierte Abwehr der Eintracht bleiben weitere Erfolge versagt. Als der Schiedsrichter, dessen Entscheidungen oft mehr als umstritten waren, den grandiosen Kampf abpfeift, ist Eintracht nur glücklicher Sieger.

Letzte Einsatzbereitschaft, gepaart mit steigendem Können an den Leistungen des Gegners, brachten das ummöglich scheinende zustande, daß nämlich aus dem klar Besiegten noch beinahe der Sieger wurde. Von den Gästen gefielen am besten Wirsching und Röll. Beim SSC. jemand hervorzuheben, hieße die anderen benachteiligen, jeder tat bis zum letzten Atemzug seine Pflicht. Der SSC. erbrachte erneut den Beweis, daß die Zeiten vorbei zu sein scheinen, wo Pommerns Vertreter in den Spielen um die deutsche Meisterschaft sang-und klanglos untergingen, mag auch der Ausgang des noch bevorstehenden schweren Spiels am Ostermontag gegen den HSV. eine Steigerung oder Wiederholung der Leistungen des SSC. kaum zulassen.      Bruno Jaecke. (aus dem 'Kicker' vom 20.04.1938)

 

 

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