Kickers Oxxenbach - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1957/58 - 7. Spieltag

1:0 (0:0)

Termin: 22.09.1957 im Waldstadion
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Jakobi (Mannheim)
Tore: 1:0 Kraus (79.)

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Kickers Oxxenbach Eintracht Frankfurt

  • Zimmermann
  • Nazarenus I
  • Schultheiß
  • Keim
  • Sattler
  • Schaum
  • Nothnik
  • Kraus
  • Gast
  • Kaufhold
  • Nazarenus II

 


 

Trainer Trainer

 

Kickers-Sieg im Stadion

„Die Mitglieder von Offenbach treffen sich am heutigen Abend in sämtlichen Wirtschaften unserer Heimatstadt", posaunte der Mann am Lautsprecher in der Pause über das Stadion am Walde. Du ahnungsvoller Engel, du, Die Wirtschaften werden überfüllt gewesen sein. Neunzig Minuten lang saßen die Offenbacher auf glühenden Kohlen, verwünschten den vom Nieselregen frisch gebohnerten Stadionrasen, auf dem General Zufall regierte, sehnten sich nach dem Bieberer Berg zurück, der wahrscheinlich genau so glatt war, und rechneten sich aus, daß die 25.000 „Schirmherren" und „Schirmdamen", die sich malerisch über die 90.000-Mann-Ränge verteilt hatten, daß die auch auf dem eigenen Gelände Platz gefunden hätten. Und dann wurde noch alles gut. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Allein das Tor, an dem sich die Geister schieden, war wert, daß man in Offenbach die Polizeistunde aufhob. Hundertmal in diesem Spiel scheiterte Gast an der „sanften Kunst" des Eintracht-Stoppers Horvat, womit bei Gott nichts gegen Gast gesagt sein soll, der an anderer Stelle groß herauskam. Aber gegen Horvat gelangen ihm nur Teilerfolge. Da, in der 79. Minute fand Gast den richtigen Dreh, wobei „Dreh" ganz wörtlich zu nehmen ist. Mit dem Ball zwischen den Füßen und Horvat im Rücken drehte er sich um seine eigene Längsachse und schleifte den Ball schließlich zu Berti Kraus hinüber, der ihn unter dem Körper hervor ins Netz schlenzte. Dieses Tor wog ein halbes Dutzend nicht geschossener Tore auf.

Mit oder ohne Geiger?

Aber nichts wäre falscher, als den Offenbacher Sieg auf einen einsamen lichten Moment zurückzuführen. Die Entscheidung schwelte unter der Oberfläche von Anfang an. Sie schwelte schon in den Spielausschuß-Sitzungen. Bis zum Samstag nachmittag plagte man sich bei der Eintracht mit dem Zweifel herum: mit oder ohne Geiger?


Keim klärt vor Geiger

Geiger hatte sich am vorigen Dienstag grippekrank gemeldet. In den letzten Tagen schien es aufwärts zu gehen und schließlich stellte man ihn auf, um die Einheitlichkeit der Mannschaft nicht zu gefährden. Das war der Fehler. Man schickte Geiger, der über den Platz trabte, als zöge er einen Handwagen hinter sich her, nach der Pause von halblinks nach linksaußen. Eigentlich hätte man ihn ins Bett schicken sollen. Aber wer konnte diesen Rückschlag voraussehen?

Die Folgen dieses Grippeanfalls pflanzten sich über den ganzen Platz fort; den dicksten Vorteil aber hatte Keim. Keim besaß Freiheiten wie selten in seiner Laufbahn und er befand sich akkurat in der Form, um das Aeußerste aus diesen Freiheiten herauszuschlagen. Er wirkte sozusagen wie ein Fundbüro für herrenlose Bälle; er war der Mann, der nach mißglückten Versuchen die Karten neu mischte und er war auch der Mann, der das Leder von der Torlinie wegputzte, wenn die ganze Offenbacher Hintermannschaft einschließlich Zimmermann schon geschlagen schien.

Solange Geiger halblinks spielte, besaßen die Kickers zwangsläufig auch deutliche Vorteile in der Verbindung. Bei ihnen paßte alles genau ins Konzept. Berti Kraus, diesmal als Halbrechter, schlug die Breschen und befand sich in einer Verfassung, daß sein Gegenspieler Bechtold bei aller Solidität mehr als einmal die Kontrolle verlor. Kraus operierte zeitweilig fast auf Höhe von Gast, mit dem er sich geschickt ablöste. Weiter hinten suchte Kaufhold nach Lücken für seine Pässe und gewann in Keim sofort einen unverhofften Bundesgenossen.

In diesem Viereck erstickte die Offensivkraft der Eintracht-Außenläufer. Bechtold und Schymik kamen über ihre Abwehraufgabe selten hinaus. Daß die Kickers dennoch auf keinen grünen Zweig kamen, oder doch nur auf einzelne, lag an den Außenstürmern. Nothnik und Nazarenus II prallten bei Hesse und Höfer gegen eine Wand. Bald ließ man die Flügel ganz hängen und der Kickers-Karren geriet ins Holpern. „So spielt man in Norddeutschland auch", verkündete der eigens aus Hamburg herübergekommene Rundfunksprecher seinen Hörern. Recht hat er, bis auf die halbe Stunde vor der Pause, als Offenbach so etwas wie zwei Kickers-Viertelstunden hinlegte.


Rutschpartie für Weilbächer und Schaum

Daß die Eintracht trotz aller Bruchstellen im Mannschaftsgefüge, trotz des Ausfalls von Geiger und trotz mäßiger Unterstützung durch die Außenläufer, mindestens das Gleichgewicht hielt und dem Sieg mindestens genau so nahe wir wie ihr Gegner, zeigt erneut, welche Energien sich hier im einzelnen entladen. Ein einziger Antritt von Kreß entsprach etwa vier gelungenen Kombinationszügen des Kickerssturms. Kreß brachte Schultheiß mit der Zeit an den Punkt, wo der gutmütigste Mensch seine Kinderstube vergißt; aber auch durch Ruppigkeiten ließ der tolle Richard nicht imponieren. Was ihm fehlte, war wiederum der Kopf und in der zweiten Halbzeit auch der Weilbächer, der sich von dem gewissenhaften Schaum mit der Zeit die Lust verderben ließ. Ein einziger Geistesblitz von Lindner verschaffte den Eintrachtstürmern mehr freien Raum als drei Rammstöße von Gast. Aber Lindner wurde zwischen Hochs und Tiefs hin- und hergerissen und Gast blieb beständig (bis auf seine grausigen Schlumpschüsse am Schluß). Pfaff fand bei dem ersten Nazarenus, der wie ein geborener Verteidiger spielte, mehr Gegenwehr als erwartet. Als er endlich mit Geiger wechselte, war es schon zu spät.

Wer dennoch an der Berechtigung des Kickerssieges zweifelt, der sei daran erinnert, daß Schultheiß eine Viertelstunde vor Schluß verletzt nach Rechtsaußen humpelte. Es war genau vier Minuten, bevor das Tor des Tages fiel. (Ludwig Dotzert in 'Der neue Sport' vom 23.09.1957)

 

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