Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart

Oberliga Süd 1957/58 - 19. Spieltag

1:0 (0:0)

Termin: 04.01.1958
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Beetz (Regensburg)
Tore: 1:0 Hans Weilbächer (59.)

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Eintracht Frankfurt VfB Stuttgart

 


  • Sawitzki
  • Retter
  • Liebschwager
  • Ahrendt
  • Blessing
  • Kaniber
  • Hinterstocker
  • Strohmaier
  • Tagliaferri
  • Simon
  • Praxl

 

Trainer Trainer
  • Georg Wurzer

 

(aus 'Der neue Sport' vom 16.12.1957)

 

 


 

 

(aus 'Sport-Magazin' vom 19.12.1957)

 


 

 

 

Die Fernsehstars

Das Deutsche Fernsehen weiß, wie attraktiv der Fußball in seinem Programm ist, und läßt sich eine solche Uebertragung etwas kosten. Freilich hat es in den letzten Wochen viel Pech gehabt; im Südwesten und in Norddeutschland wurden Spiele ausgewählt, die geeignet waren, die Volkstümlichkeit des Fußballs in Frage zu stellen. Jetzt machte man den ersten Versuch im Süden und kam zum Spiel Eintracht—VfB Stuttgart. Es wurde ein Riesenerfolg. Rudi Michel, der als Sprecher fungierte, mag hier und da an seine südwestdeutsche Heimat gedacht haben, wenn die Kombinationen über den Platz wirbelten.

Wir freuen uns über den Erfolg, der dreifach war:

  • Erfolg des Femsehens, dessen Uebertragung begeisterte, und das in diesem Fall wohl auch nicht einmal die Zuschauerkulisse erheblich beeinträchtigte (weil jeder sich den Ungarn Sztani ansehen wollte);
  • Erfolg des Fußballs, der gezeigt hat, daß seine Popularität nicht von ungefähr kommt, und daß ein schönes Spiel nicht nur in der früheren Zeit gespielt wurde;
  • Erfolg der Eintracht, die man als „Fernseh-Team", ja als „Show-Team", bezeichnen könnte, so herrlich liefen ihre Kombinationen.          wk.


Eintracht — VfB Stuttgart 1:0 (0:0)

Weiß leuchtete der Ball, damit er auf dem Fernsehschirm gut herauskam, und weiß leuchteten die Torbalken am Riederwald; aber wenn sich beides einander näherte, dann sahen die 8000 Zuschauer nichts als schwarz. Die Chancenkiller waren am Werk. Es gab kaum eine Chance, die die Eintracht nicht hatte, und keine, die nicht auf irgend eine Art kaputt gemacht wurde. Darin waren die Riederwälder erfinderisch wie ein Vierjähriger, der zu Weihnachten seine erste Eisenbahn geschenkt bekam. Hier nur eine kleine Blütenlese der Treffer, die ungeschossen blieben: Geiger auf Vorlage von Weilbächer völlig frei, schaufelt das Leder wachsweich in Sawitzkis Arme; Feigenspan auf Vorlage von Sztani völlig frei, jagt das Leder in den zweiten Stock; Feigenspan auf Vorlage von Sztani völlig frei, tritt dem Ball eine hinters Ohr, worauf dieser beleidigt abdreht; Kreß an Sawitzki vorbei, der an der Strafraumgrenze auf dem Boden liegt, wartet solange, bis der Stuttgarter Torhüter wieder zwischen den Pfosten steht. Alles passiert in der ersten Halbzeit. Einmal schüttelte sogar der Linienrichter sein weißes Haupt.

Daß dennoch ein Tor fiel, liegt wahrscheinlich daran, daß in diesem entscheidenden Augenblick gar keine Chance vorlag oder wenigstens keine von der Sorte wie die aufgezählten. Dafür war es ein Tor, das selbst einen Gewichtstein hochgerissen hätte. Genau nach einer Stunde krallte sich Weilbächer dreißig Meter feldeinwärts den weißen Punkt im Gelände, schlug zwei Haken um die beiden angreifenden Stuttgarter, stand nun zwei Meter innerhalb des Strafraums und legte seine ganze Wucht in einen halbhohen Schuß. Diesmal konnte Sawitzki, der die Riederwälder ansonsten schon durch seinen Anblick lähmte, nur noch einen Fluch ausstoßen. Der Sieg war gerettet. Durch einen Außenläufer.

Klar, daß die Eintrachtfreunde wieder einmal mit ihrem Sturm haderten, und dies in einigen Punkten gewiß mit gutem Recht. Nur, wo die Chancen herkommen, danach fragen nur wenige. Derselbe Sturm, der die Chancen verdarb, spielte sie aber zunächst einmal heraus und darin wiederum kommt ihm so leicht keiner gleich. Die 8000 vom Riederwald hatten glänzende Vergleichsmöglichkeiten, denn der Stuttgarter Angriff wirkte — alles in allem — wie die genaue Kehrseite der Medaille. Er verdarb eigentlich nur die eine dicke Gelegenheit, als Tagliaferri kurz nach der Pause die aufgerückte Riederwälder Deckung durchbrach und schließlich an einer mutigen Parade von Loy scheiterte, aber mehr hatte dieser Angriff an echten Gelegenheiten auch nicht zu verderben.

Was dem Eintrachtsturm fehlte, war der Vollstrecker. Er fehlte trotz Feigenspan, der zum erstenmal wieder mitspielte. Mitrannte. Von ihm erwartete man die Explosionen vor dem Tor, an denen es bei der Eintracht mangelt, und er wußte das. Er explodierte ohne Unterlaß, aber immer nur wie eine Knallerbse. Geiger gelang im entscheidenden Moment ebenfalls so gut wie nichts. Beide waren die „Oberchancenkiller" der Eintracht.

Thema Eins: Sztani

Die übrigen Stürmer konzentrierten sich vornehmlich auf das Fabrizieren von Chancen und damit wären wir beim Samstags-Thema Nr. 1, dem Thema Sztani. „Der Bursch bringt alles mit, was ein Fußballer braucht. Nur ein bißchen Ernst muß er noch lernen", sagte sein Trainer vorige Woche. In der Tat, so ist es. Istvan Sztani aus Budapest ist in allen Belangen der legitime Nachfolger des Alfred Pfaff: Wunderbar weich, fast zärtlich seine Ballannahme, verwirrend seine Dribblings, präzis sein Zuspiel, abgewogen seine aus dem Fußgelenk geschlagenen Flanken und verblüffend seine Schüsse, wenn er das hoch zugespielte Leder mit der Brust auf das Schußbein drückt.

Bis zur Pause war er der große Fernsehstar. Aber dann ließ er plötzlich nach. Von den Zuschauern mit ihrem Beifall verwöhnt und von dem Gegner, die nun erkannt hatten, welche unerwartete Gefahr sie hier bedrohte, schärfer angepackt als vorher, schaltete Istvan sichtlich ein Gang zurück. Aber er war auch jetzt noch eine Augenweide, und das Verständnis mit seinem Nebenmann Richard Kreß nahm ständig zu.

Alfred Pfaff hatte die ganze Gewalt einer Abwehr ausgehalten, die offenbar im taktischen Unterricht auf ihn dressiert wurde. Hut ab vor ihm, daß er sich durch keinen Stoß entmutigen ließ, noch nicht einmal durch seinen temperamentvollen Kopfstoß an den Torposten, noch nicht einmal durch eigene Fehler und Mißerfolge. Er, Sztani und Kreß spielten fünf fünfe.

Und dies, obwohl die Stuttgarter Abwehr jeden Vergleich aushielt, selbst den mit der Riederwälder Abwehr. Besonders Sawitzki und Blessing hatten etwas Entnervendes für ihre Gegner in der kaltschnäuzigen Art, wie sie eingriffen. Mindestens genauso kaltschnäuzig freilich war Horvat, der im südländischen Feuer des quicklebendigen Tagliaferri wie eine Asbestpuppe wirkte. Horvat bannte in schonungslosem Einsatz auch die letzte Gefahr für die Eintracht im Kampf mit Praxl und wurde auf der Tragbahre seinen abgehenden Riederwäldern in die Kabine vorausgetragen. Ihm und den fast fehlerlosen Verteidigerathleten Höfer und Bechtold gebührt die Krone der Eintrachtabwehr. Dagegen fanden Weilbächer und vor allem Schymik im Stuttgarter Mittelfeldwirbel oft keine Reibfläche, an der sie sich entzünden konnten.      Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 06.01.1958)

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