Eintracht Frankfurt - FSV Frankfurt

Oberliga Süd 1957/58 - 21. Spieltag

2:0 (0:0)

Termin: 19.01.1958
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Kandelbinder (Regensburg)
Tore: 1:0 Istvan Sztani (86.), 2:0 Istvan Sztani (89.)

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Eintracht Frankfurt FSV Frankfurt

 


  • Leichum
  • Mayer
  • Krone
  • Straub
  • Lurz
  • Niebel
  • Hamann
  • Jöst
  • Hoffmann
  • Buchenau
  • Rau

 

Trainer Trainer

 

Herzklopfen bis zur 87. Derbyminute

Ein Tag für die Eintracht

Ein Derby reif für eine Doktorarbeit

Eintracht Frankfurt — FSV Frankfurt 2:0 (0:0)

Dieses Derby wird so schnell keiner vergessen! Die Eintracht-Anhänger kamen sich vor, als wäre ihnen überraschend ein Totogewinn ins Haus geflattert, die Bornheimer Anhänger sanken in einen hundert Klafter tiefen Abgrund der Bitternis. Man stelle sich vor: noch vier Minuten waren zu spielen — und allgemein sprach man vom Unentschieden. Jeder wäre hohnvoll ausgelacht worden, der noch einen Sieg der einen oder anderen Seite prophezeit hätte. Da fiel das Eintrachttor, und wie es einem angeschlagenen Boxer ergeht, der sofort weitere Schläge einstecken muß, genauso erging es den Bornheimern, die noch ein zweites Tor hinnehmen mußten.

Und in der Eintrachtkabine summte es wie in einem Hornissennest: der Club geschlagen, die Kickers besiegt, der KSC nur unentschieden — wenn das kein Sonntag der Eintracht war. Doch dem FSV muß man ein großes Trostpflaster auferlegen: ein Unentschieden wäre seiner Leistung gerecht geworden, die Blauschwarzen haben alles getan, ihrem Rivalen den Weg zur Spitze zu verlegen.

Beide Tore schoß der Mann, auf den sich die Augen der 12000 richteten: Sztani. Trainer Patek hatte ihn als Mittelstürmer eingesetzt. Aber nicht als ein zurückgezogen spielender Mittelstürmer wie Hidegkutti. Sztani bildete die Angriffsspitze der Riederwälder. Eine Angriffsspitze, die manchmal etwas stumpf wirkte. Zur Erklärung: der tiefe Boden ist für ungarische Spieler Gift, ein Mann wie Sztani ist mehr ein aufbauender Spieler und kein Mittelstürmer. Aber was sollte Patek machen? Auch Lindner ist kein Mittelstürmer, Pfaff aber auch keiner. Da war Sztani noch die beste Lösung.

Doch wenn ich einem Spieler die höchste Note verleihen sollte, so wäre das Leichum. Leichum hat sich einen Fußballorden für seine Paraden verdient! Kurz vor den beiden Eintrachttoren riß er mit zwei tollen Paraden den Ball doch noch aus seinem Tor.

Ansonst war dieses Derby eine gute Gelegenheit, eine Doktorarbeit über den Frankfurter Fußball zu schreiben, denn die Stärken und Schwächen traten auf beiden Seiten klar zutage. Die Bornheimer verfügen nur über einen Stürmer, der schießen kann; er heißt Buchenau. Die Eintracht besitzt überhaupt keinen derartigen Stürmer. Und doch zwei Tore? Ja, so ist es bei der Eintracht schon seit Wochen. Chancen kann man dutzendweise herausspielen, aber wenn es ans Torschießen geht, dann überläßt einer dem anderen die Verantwortung.

War es so verwunderlich, daß die Eintracht die ersten 25 Minuten dominierte? Ihre Flügel Kreß und Lörincz rissen mit ihren Flankenläufen die Bornheimer Abwehr auseinander, besonders Krone sah lange Zeit gegen Kreß nicht gut aus und bedurfte der ganzen Unterstützung seines Mittelläufers Lurz. Werner Mayer benötigte einige Zeit, bis er sich auf Lörincz eingestellt hatte. Zweimal wäre ihm beinahe ein Selbsttor unterlaufen, wenn nicht Leichum toll reagiert hätte. Ein Zeichen, wie nervös Mayer war.

Die Bornheimer Außenstürmer Hamann und Rau verstanden es nicht auf die gleiche Weise, die gegnerische Abwehr auszuspielen. Doch nach der 25. Minute brach dieses Eintrachtspiel ab. Es wurde zu viel über den linken Flügel gespielt, dabei wurde es für Pfaff immer schwerer, sich der Bewachung des unerschrockenen Sträub zu entziehen. Nach der Pause zerfiel der Flügel Kreß-Lindner immer stärker, Kreß schien verärgert, weil man ihn vor der Pause zu wenig angespielt hatte. Aber bevor Lindner ganz in der Versenkung verschwand, fing er sich. Mit einer Verbissenheit sondergleichen entwickelte er sich zum gefährlichsten Eintrachtstürmer.

Von den Außenläufern war Weilbächer der beste und Niebel der schlechteste. Weilbächer ließ zu keiner Minute locker, Schymik kam da nicht mit. Doch der große Fehler bei der Eintracht war, daß der Ball entweder zu hoch oder zu stramm nach vorne gespielt wurde.

Die Verteidiger (inklusive Stopper) waren die Ueberlegenen in diesem Streit, auch wenn sie es auf dem tiefen Boden sehr schwer hatten. Eine Frage, die man nie beantworten wird: wäre der Eintracht der Sieg gelungen, wenn Mayer (von der 67. Minute bis zur 71. Minute draußen) nicht wegen einer Zerrung nach vorne gegangen wäre. Hamann gelang es nicht mehr sich bis zum Schluß auf seine neue Rolle richtig einzustellen.

Ueber beide Torhüter kann man nur Lobenswertes sagen, wobei Leichum die schwereren Situationen zu bewältigen hatte. Schiedsrichter Kandelbinder unterliefen in der zweiten Halbzeit einige Fehler, aber ihm raubte der Boden ebenso viel Kraft wie den Spielern.       Horst Kickhefel

Da war Leichum machtlos

Als die Tore fielen, war der FSV zermürbt. Sie fielen in den letzten drei Minuten. Eben schien wieder einer der Gewaltangriffe Riederwaids abgewehrt, als Lindner - wo nahm der Bursche diesmal nur die Kraft her? — den Ball aus der Rechtsaußenposition akkurat zur Mitte flankte. Weiß der Himmel wie es geschah, Sztani kam im dichtbesetzten Bornheimer Strafraum unbedrängt zu einem herrlichen Sprungkopfstoß. Leichum reckte sich vergebens. Das Mysterium der 87. Minute, einst die Schicksalminute der Eintracht, hatte sich nach langer Pause endlich wiederholt.

Aber damit nicht genug. Sekunden vor dem Abpfiff rammten sich Sztani und Leichum auf der Jagd nach einer Flanke von Kreß. Leichum entglitt das schwere Leder und da lag es nun wie ein Stein auf der Torlinie, daneben lag Leichum und rang nach Luft, daneben hing Sztani, verstrickt in einem Knäuel. Es dauerte Jahrzehnte, bis der Stein unter Mithilfe von Sztani und dem herbeigeflitzten Lörincz schließlich ins Netz kullerte; aber es geschah immerhin noch vor dem Schlußpfiff.

Mit steifen Gelenken erhoben sich die beiden Trainer von ihren Marterbänken. Sie schienen um Jahre gealtert. Bei Gott, da machste was mit. Zuerst fegte die Eintracht über den graugrünen Rasen, als wollte sie das alles im Handgalopp erledigen. Das war die Zeit, als Debütant Lörincz auf Linksaußen noch ahnungslos seine Energien verschleuderte, als Werner Mayer noch keine Einstellung zu dem unorthodoxen, windigen Mann mit der Figur einer Gerte fand. Drei große Chancen verschaffte Lörincz seinen Nebenmännern Pfaff und Sztani, ehe die Bornheimer zu geplanten Gegenaktionen kamen. Aber der Druck der Riederwälder mäßigte sich bereits nach zehn Minuten. Nach einer Viertelstunde konnte man nur noch von einer bescheidenen Ueberlegenheit sprechen und in den letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit drückte der FSV.

Er hatte zwar kaum Chancen von der Sorte wie die Eintracht, bei denen 12000 Zuschauern der Atem stockte; aber er hatte dafür die Fernschüsse Buchenaus, der sich Schymik immer weit genug vom Leibe hielt, um vor der Strafraumgrenze frei zum Schlagen zu kommen. Er hatte seinen Jöst, der auch etwas von Fernschüssen versteht, und einmal klatschte auch ein Hofmann-Schuß an das äußere Netz. Als sich die Spieler in den Kabinen zum Tee trafen, stand die Partie nicht nur dem Ergebnis nach, sondern in allen Details pari. Der FSV hatte seine Maximalleistung gebracht, die Eintracht nur — sagen wir — 75 Prozent davon, und so traf man sich ziemlich genau auf derselben Ebene. Was die Riederwälder zu ihrer Entschuldigung anführen konnten, war lediglich die begeisternde Tormann-Partie ihres schwersten Gegners, des auf der Linie und im Herauslaufen gleichermaßen unverletzbaren Leichum; aber der gehörte ja schließlich auch zu den Bornheimern.

Der eigentliche Zermürbungskampf begann nach dem Wechsel. Jetzt ging die Eintracht konsequent zum Athleten-Fußball über; jetzt wurden die Perioden der Bornheimer Ueberlegenheit kürzer und kürzer; jetzt kam die Stunde des Weilbächer und des Richard Kreß, und jetzt notierte man die unausbleiblichen Opfer der wuchtigen Ausbrüche, die dieses Derby kennzeichneten. Daß sie Werner Mayer trafen, der zehn Minuten lang behandelt werden mußte, und gegen Ende auch noch Hofmann, der die letzte Viertelstunde ein Bein nachschleppte, wa reine Bosheit des Schicksals gegen Bornheim. Aber die Bornheimer Abwehrkraft büßte dadurch kaum etwas ein; denn der zurückgezogene Hamann wurde zu einem neuen kantigen Hindernis für die Eintracht, deren Endspurt gerade am stärksten tobte.

Das 0:0 stand fest wie ein Fels. Da passierten die letzten drei Minuten. Bornheim hatte sich 180 Sekunden früher leergekämpft als die Eintracht. Das war's. Ein Derby, das wir nicht vergessen. Schade, daß es mit einem leichten Mißklang endete. Leichum, der größte von allen, wurde nach dem zweiten Eintracht-Tor auf der Tragbahre hinausgetragen, und es gab viele schrille Pfiffe.      Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 20.01.1958)

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