Eintracht Frankfurt - SSV Reutlingen

Oberliga Süd 1957/58 - 24. Spieltag

0:1 (0:1)

Termin: 09.02.1958
Zuschauer: 7.000
Schiedsrichter: Bachmann (Conz)
Tore: 0:1 Grziwok (42.)

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Eintracht Frankfurt SSV Reutlingen

 


  • Bögelein
  • Falke
  • Skischuss
  • Vaas
  • Müller
  • Fritschi
  • Baur
  • Schlumpp
  • Grziwok
  • Jost
  • Ulaga

 

Trainer Trainer
  • Erwin Ammer

 

Eintracht traf nur Holz

Eintracht Frankfurt — SSV Reutlingen 0:1 (0:1)

Der Fußball ist rund! Der Reporter wird noch heute ein Wahrsagebüro aufmachen. Als beim ersten Eintrachtvorstoß die erste Chance verpuffte, weil Bäumler den Ball Bögelein auf den Leib schoß, da sagte eine innere Stimme dem Reporter: Schreib's auf, vielleicht ist das die einzige Chance! Vielleicht geht es heute schief. Der Reporter schrieb es auf, er schrieb noch viel mehr auf, denn es blieb nicht bei dieser einzigen Chance. Die Eintracht schüttelte sich die Chancen nur so aus dem Hemdärmel. Vielleicht verschloß man bei diesem Aus-dem-Aermel-Schütteln vor dem Ernst der Lage die Augen. Dafür gingen den Riederwäldern später die Augen auf — als es zu spät war.

Doch so eine Niederlage ist kein Weltuntergang. Am 15. Dezember verloren die Schalker zu Hause gegen den VfL Bochum 0:1! Heute erwischte es die Eintracht, und das Kuriose dabei ist, daß vor einiger Zeit Trainer Patek die Befürchtung äußerte, gerade gegen eine Mannschaft wie die Reutlinger könnte es schiefgehen.

Was macht eigentlich die Reutlingen so gefährlich? Im Grunde — und damit tun wir ihnen nicht weh — handelt es sich um eine Durchschnittsmannschaft. Ihre Gefährlichkeit ist für unsere Begriffe ihre Dickschädligkeit. Erinnern wir uns: Am 14. November 1954 führte die Eintracht am Riederwald gegen Reutlingen 4:1 und mußte froh sein, am Schluß einen 4:3-Sieg gerettet zu haben. Dieses Starrköpfige brachte den SSV einmal fast in die Endrunde. Gegen Favoriten stemmen sich die Reutlinger mit einem schwäbischen Trotz, der die Favoriten zur Verzweiflung und - wenn die Glücksgöttin es mit Reutlingen hält - auch zu Fall bringt.

Denn Glück gehört oft in doppelter und dreifacher Portion dazu. Beim Sieg am Riederwald schob das Glück den Reutlingern eine achtfache Portion zu. Zuerst traf Bäumler den herausstürzenden Bögelein (1. Minute). Dann spitzelte Bäumler den Ball genau auf die Spitze vom Lattenkreuz (10. Minute). Noch toller wurde es in der 12. Minute: Weilbächer zog einen Strafstoß an der Mauer vorbei. Bögelein sprang der Ball aus den Händen, und der zustoßende Sztani stieß den Ball an den Pfosten! Als Bögelein im Kampf um den Ball zusammen mit Weilbacher stürzte, schlug Vaas das auf der Torlinie rollende Leder weg (26. Minute).

Es sollte noch toller kommen. In der 43, Minute jagte Sztani aus 16 Meter einen Strafstoß an die Torlatte. Die Zuschauer rauften sich die Haare: Bäumler köpfte den Ball an den Pfosten, nahm das zurückspringende Leder sofort auf, schoß — und traf die untere Lattenkante. Der Ball tanzte zwei Sekunden auf der Torlinie und wurde dann weggeschlagen (58. Minute). Zum Schluß wäre den Gästen beinahe ein Selbsttor unterlaufen, doch Bögelein fischte im Verzweiflungssprung den Ball doch noch heraus (75. Minute).

Daneben nahmen sich die zwei Reutlinger Chancen kläglich aus. Aber, was machte es aus, daß Grziwoks Kopf Schlumps Zuspiel um Millimeter verfehlte (24. Minute)? Die zweite Chance brachte den Erfolg: Loy wollte den Ball wegfausten, Horvat stand ihm im Weg. Der Ball kam nicht weit genug weg, wurde von Ulaga sofort aufs Tor geschlagen und unterwegs von Grziwok in die Torecke abgefälscht (43. Minute).

Ein Mißgeschick in der Eintrachtabwehr, und schon verlor man das Spiel! Das sagte über den Sturm alles. Wie schön lief der Ball von Hanek zu Bäumler und Sztani, wie oft unternahm Kreß Sprints. Es blieb alles Stückwerk, denn die beiden Kraftspieler Weilbächer und Geiger wirkten im Sturm wie Fremdkörper. Dazu fehlte die nötige Konzentration, um die vielbeinige Gästeabwehr auszuspielen.

Doch die Entscheidung fand ihren Ursprung in der Verbissenheit der Reutlinger, die sagten: Bis hierher und nicht weiter! Ist nicht alles gesagt, wenn ein Mann wie Grziwok noch in der 80. Minute sich gegen drei Frankfurter durchsetzte. Ein Grziwok, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, der nach einer 15monatigen Pause (Krankheit) erst sein zweites Spiel bestritt. Mit einer bösen Fleischwunde trug man in der 59. Minute Linksaußen Ulaga vom Platz, er kehrte nicht wieder. Zwanzig Minuten vor Schluß wurde Fritschi angeschlagen, er biß die Zähne zusammen und blieb. Man igelte sich immer stärker ein — und schaffte die Sensation.

Sonst noch zu bemerken: Dem Schiedsrichter wurde unrecht getan. Er pfiff ein Foul für die Eintracht, doch Kreß hörte den Pfiff nicht und erzielte ein „Tor" (35. Minute). Deswegen war Bachmann doch kein Schieber!

Noch zu bemerken: In der 30. Minute gedachten Spieler und Zuschauer ihrer Sportkameraden von Manchester United. Totenstille, nur von Offenbach her brummelten die vier Motoren einer Super-Connie, die im azurblauen Himmel ihr Fahrgestell ausfuhr und zur Landung auf dem Flughafen ansetzte. So ist das Leben.      Horst Kickhefel (aus 'Der neue Sport' vom 10.02.1958)

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