1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1959/60 - 7. Spiel

3:3 (1:1)

Termin: 18.10.1959
Zuschauer: 47.000
Schiedsrichter: Jakobi (Heidelberg)
Tore: 0:1 Alfred Pfaff (9.), 1:1 Strehl (34.), 2:1 Schweinberger (48.), 3:1 Dirrigl (51.), 3:2 Alfred Pfaff (53.), 3:3 Dieter Lindner (62.)

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1. FC Nürnberg Eintracht Frankfurt

  • Wabra
  • Zeitler
  • Hilpert
  • Zenger
  • Wenauer
  • Derbfuß
  • Dirrigl
  • Ammer
  • Strehl
  • Schweinberger
  • Feilhuber

 


 

Trainer
  • Franz Binder
Trainer

 

Duell auf höchster Ebene

Ludwig Dotzert berichtet aus Nürnberg

1. FC Nürnberg — Eintracht Frankfurt 3:3 (1:1)

Dieses Unentschieden wiegt für die Eintracht mehr als mancher Sieg. Es wurde erfochten von einer Mannschaft, die in Nürnberg ganz und gar auf das Fechten angewiesen war. Mit Spielen konnte sie am Dutzendteich nichts ausrichten. Hier brachen Gewalten los, zwischen denen das, was die Riederwälder an spieltechnischer Substanz besitzen, schon in den ersten Minuten zermalmt wurde. Bereits nach dreißig Sekunden rammte Strehl einen Ball an den Pfosten, den kein Tormann der Welt gehalten hätte. Der Schuß hatte für die Riederwälder sein Gutes. Er fegte die letzten Illusionen aus ihren Köpfen. Jetzt wußten sie genau, daß es in der dicken Luft dieses randvollen Stadions nur eins gab: sich seiner Haut wehren, so gut es eben gehen würde.

Fast stets befand sich die Eintracht im Druck. Einmal mehr, einmal weniger, aber doch ohne nennenswerte Unterbrechung. Fast neunzig Minuten hatte jedermann in der Hintermannschaft soviel zu tun, daß ihm noch nicht Zeit blieb, sich die Nase zu putzen. Trotz der drei Gegentore: diese Deckung hat in den anderthalb Stunden von Nürnberg für zehn gespielt, obwohl sie bis auf Ausnahmefälle nur aus den sechs Mann bestand, aus denen eine Abwehr einschließlich Tormann normalerweise besteht. Sie mußte es, weil es in Nürnberg ein Mittelfeldspiel der Riederwälder überhaupt nicht gab. Der Sturm kam entweder in drei Zügen nach gelungener Abwehraktion zu seiner Chance, oder er kam überhaupt nicht mehr dazu. Die Eintracht trug ihre Angriffe nicht vor, sie schoß sie förmlich in den Strafraum des Gegners. Alles, was nicht Blitz auf Schlag klappte, war schon verpaßt. Das führte zwar dazu, daß die Nürnberger von Zeit zu Zeit heillose Schrecken erlebten, es führte aber auch dazu, daß diese Nürnberger ansonsten der Eintrachtabwehr ständig wie böse Geister im Nacken saßen.

Warum es die Riederwälder in Nürnberg zu keinem Mittelfeldspiel brachten, ist schnell erklärt. Es fehlte Stinka, bei dem sich am Samstagabend plötzlich eine Hüftgelenkentzündung bemerkbar machte. Und an Stelle von Stinka zog sich Adolf Bechtold noch einmal das Ehrenkleid der ersten Mannschaft über. Bechtold gab alles, was er geben konnte. Unverdrossen und mit wachsender Wirkung pfuschte er den Nürnbergern im Kram herum und brachte am Ende manchen Ball aus der Gefahrenzone und manchen wackeren Schlachtenbummler im dichtbesetzten Eintrachtblock zum Aufatmen.

Für den Aufbau war außer den Stürmern überhaupt niemand da. Von den Außenläufern nach hinten zu bestand die Eintracht nur aus Verteidigern. Allerdings durchweg aus Klasseverteidigern. Lutz als Stopper legte in Nürnberg innerhalb von zehn Sekunden drei blitzende Paraden hin. Er löste die Aufgabe, den gefährlichen Strehl aus der Schußposition zu drängen, abwechselnd durch stoisches Abwarten und glänzende Bravourstücke eines draufgängerischen Athleten. Stoisch in der Aktion und im Stellungsspiel auch Höfer, der Dirrigl meistens schon stellte, bevor diesem die Einsatzkurve, gelang. Nur wenig schwächer Eigenbrodt und Weilbächer und dahinter ein Loy, dessen Nürnberger Leistung zur Zelt von keinem deutschen Torwart übertreffen werden dürfte. An dieser fanatischen Abwehr zerrieb sich der fanatische Angriff Nürnbergs. Es war ein permanentes Duell auf höchster Ebene.

Schwer denkbar, daß ein anderer Angriff als der Nürnberger an diesem Tag dreimal gegen die Eintracht-Abwehr erfolgreich gewesen wäre. Aber auch bei den Nürnberger Treffern half das Glück mit. Strehls Schuß zum 1:1 entwischte Loy nur deshalb, weil der Ball den Oberschenkel Weilbächers streifte. Strehl fand beim 2:1 für den Club nur deshalb Gelegenheit zu seiner Vorlage an Torschütze Schweinberger, weil das Leder im Zweikampf Clubs Mittelstürmer gegen Eintracht-Stopper tückisch durch die Beine des Riederwälders rollte. Das war kein Trick, das war keine Unaufmerksamkeit von Lutz. Das war einfach Zufall. Und Glück gehört schließlich auch dazu, um durch zwanzig Beine in die Ecke zu treffen, wie Dirrigl beim 3:1.

Wie dem auch sei, die Eintracht schien nach den drei Gegentreffern, von denen zwei kurz nach dem Wechsel innerhalb drei Minuten fielen, völlig erledigt. Mit zwei Toren voraus dampfte der Club höchsten Zielen entgegen. Da stürzte auch noch Alfred Pfaff in den Dreck, und seine verärgerte Handbewegung sagte dem Kenner der Eintracht alles. Na, dann! Aufgesteckt!

So kann man sich täuschen. Alfred, die Sphinx vom Riederwald, war in diesem Spiel rätselhafter denn je. Es mißlang ihm vieles, und manchmal schien ihm an dem Abschneiden seiner Eintracht nicht das geringste gelegen. Und dann war wieder er Hauptfigur bei sämtlichen drei Eintrachttoren und schlug sich zum Schluß mitten unter die Riederwälder Abwehr, um an ihrer Spitze den letzten großen Widerstandskampf gegen den Club zu führen. Alfred war beileibe nicht überall, aber er war da, wo es galt.

Er schoß den überraschenden Führungstreffer der Eintracht, als ihm Stein eine Vorlage durch die Gasse schob, die diesem Stein eigentlich niemand zutraut. Er hexte nach einem indirekten Freistoß den Ball von der Strafraumgrenze über eine ganze Volksversammlung hin ins entlegenste Eck, und er schlug jene Fritz-Walter-Paßdiagonale über die gegnerische Spielhälfte zum freistehenden Lindner, den nur er allein unter 50.000 freistehend gesehen hatte, und Lindner preßte den Ball an dem herauslaufenden Wabra vorbei uneinholbar in Richtung Tor. So machte Alfred also aus dem 1:3 ein 3:3. Klar, daß er anschließend höllisch aufpaßte, damit an diesem Unentschieden nichts mehr passierte.

Die übrigen Stürmer erlitten das Los derer, die tief im Feindesland auf sich selbst gestellt sind. Mit Note Drei waren Lindner und zeitweilig Bäumler noch am wertvollsten. Kreß kam mit dem stämmigen Debütanten Hilpert überhaupt nicht zu Rande, und ein Stein, der keine Gelegenheiten zum Schießen findet, sieht halt immer noch ein bißchen nach Amateur aus. (aus 'Der neue Sport' vom 19.10.1959)

 

 

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