Pflicht in Pokal und Meisterschaft...
Frankfurt? Ungarn? Lüttich? Nach dem ersten Pflichtspiel
der neuen Saison - dem 3:1-Sieg gegen die Kickers im Viertelfinale des
Süddeutschen Pokals - ist klar, wohin der Weg von Istvan Sztani führt:
Er verabschiedet sich aus Frankfurt und wechselt zu Standard Lüttich.
Zudem verlässt Feigenspan die Eintracht gen München, da er dort
studieren möchte, und schließt sich 1860 an, Helmut Henig beendet
endgültig seine Karriere. Neu im Kader sind Kirchhof und Sorger.
Interessanteste
Neuverpflichtung ist jedoch Erwin Stein von Griesheim 02. Für den
frischgebackenen Nationalspieler bedeutet dieser Wechsel ins Profilager
das Ende der gerade erst mit einem Länderspiel begonnenen Karriere
in der DFB-Auswahl. Bundestrainer Herberger missfällt, dass Stein
durch seinen Wechsel nicht mehr für die Olympiaauswahl zur Verfügung
steht.
Anfang August geht es auf eine Kurzreise in die Sowjetunion und nach Finnland mit vier Freundschaftsspielen gegen Kishinev (1:5), Arsenal Kiew (1:0) Admiral Leningrad (3:2) und eine Stadtauswahl von Helsinki (2:0). Direkt im Anschluss steht das Halbfinal-Wiederholungsspiel im Süddeutschen Pokal gegen den VfB Stuttgart an, nachdem die ersten Begegnung 2:2 endete. Die Eintracht gewinnt deutlich mit 5:0, muss sich allerdings im Finale überraschend dem VfR Mannheim mit 0:1 geschlagen geben. In der Oberliga Süd setzen die Riederwälder ihren Erfolgskurs der letzten Saison zunächst fort, siegen unter anderem mit 11:0 gegen Bayern Hof und übernehmen am sechsten Spieltag durch einen 4:2-Sieg beim FSV die Tabellenspitze. Alle vier Tore erzielt Erwin Stein, der auf seinem Konto damit 13 Tore in den ersten sechs Spielen verbuchen kann.
Doch dann fordert die Dauerbelastung ihren Tribut, die Eintracht kann zwar den Kontakt zur Spitze halten, leistet sich aber Punktverluste durch Niederlagen und Unentschieden. Zum Jahreswechsel nimmt man den zweiten Tabellenplatz hinter dem KSC ein, rutscht aber bis Ende März auf den fünften Platz ab. Zwar profitiert man davon, dass Bayern München aufgrund überhöhter Zahlungen an die Spieler mit vier Punkten Abzug bestraft wird und kann sich bis zum Abschluss der Oberligaspiele mit 81:57 Toren und 37:23 Punkten noch auf den dritten Platz verbessern, der Einzug in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft wird aber verpasst. Besser läuft es im Süddeutschen Pokal: Nach Siegen gegen den FC Rödelheim (8:0), Darmstadt 98 (3:2) und den FC Freiburg (3:2) erreicht die Eintracht das Halbfinale und qualifiziert sich durch ein 4:2 gegen den FSV für das auf die nächste Spielzeit terminierte Endspiel.
... Kür in Europas Stadien...
Während die Spiele um Pokal und Meisterschaft für Spieler und Fans nur wenig Neues bringen, steht mit der Teilnahme am Europapokal der Landesmeister eine Premiere an - allerdings eine mit verzögertem Beginn. Denn der für die erste Runde zugeloste Gegner Kuopion Palloseura zieht seine Teilnahme am Wettbewerb zurück, da die Finnen für die auf Herbst '59 terminierte Partie aufgrund des frühen Bodenfrostes keinen bespielbaren Platz garantieren können.
So beginnt für die Eintracht am 4. November 1959 mit dem Spiel bei Young Boys Bern in das Abenteuer Europa - und das mit einem fulminanten Start. Im Berner Wankdorf-Stadion, das mit diesem Spiel auch die Einweihung einer neuen Flutlichtanlage erlebt, bringt Weilbächer die Eintracht bereits nach vier Minuten in Führung. Zwar können die Young Boys noch vor der Pause ausgleichen und drängen auf die Führung, Tore von Stein, Bäumler und Meier sichern der Eintracht aber den 4:1-Sieg.
Auch
das Rückspiel ist eine Flutlichtpremiere, dieses Mal im Frankfurter
Stadion. Mit dem beruhigenden Vorsprung aus dem Hinspiel im Rücken
bestimmt die Eintracht von Anfang an das Spiel. Die rund 40.000 Besucher
müssen sich allerdings bis zur 68. Minute gedulden, bis Bäumler
per Strafstoß das 1:0 erzielt. Zwar gleichen die Schweizer eine
Minute vor Schluss noch aus, das ändert aber nichts am souveränen
Einzug der Riederwälder ins Viertelfinale.
Gegner in der Runde der letzten Acht ist der Wiener SC, am 3. März 1960 findet im mit 33.000 Zuschauern nur halb gefüllten Frankfurter Stadion das Hinspiel statt. Im Dauerregen findet die Eintracht trotz des frühen 1:0 durch Lindner in der 17. Minute nur schwer ihren Rhythmus und muss kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit den Ausgleich hinnehmen. Zwar gelingt Meier in der 59. Minute der 2:1-Siegtreffer, die Wiener sind sich aber sicher, die Eintracht im Rückspiel zwei Wochen später klar besiegen zu können. Doch die Riederwälder agieren im Wiener Praterstadion zunächst überlegen, müssen allerdings in der 31. Minute das 0:1 hinnehmen. Aber in der 60. Minute kann Stein ausgleichen, die Frankfurter kontrollieren fortan das Spiel und ziehen verdient in die Runde der letzten Vier ein.
Als
die Rangers aus Glasgow am 13. April zum Halbfinalhinspiel im mit 77.000
Zuschauern ausverkauften Stadion auflaufen, sind sie siegessicher. Erste
Zweifel kommen bei den Schotten jedoch bereits in der achten Minute auf,
als die Frankfurter einen Elfmeter zugesprochen bekommen, den Kreß
allerdings verschießt. In der 28. Minute haben die Eintrachtfans
dann Grund zum Jubel - Stinka erzielt das 1:0. Bereits eine Minute später
können die Rangers per Elfmeter ausgleichen, das 1:1 hat bis zur
Halbzeit Bestand. Die zweiten 45 Minuten zählen zu den besten, die
das Frankfurter Stadion je erleben durfte: Pfaff bringt die Eintracht
durch einen Doppelschlag in der 52. und 55. Minute mit 3:1 in Front, und
die Eintracht stürmt erfolgreich weiter. Zunächst reiht sich
Lindner mit zwei Treffern in die Torschützenliste ein, dann setzt
Stein mit dem 6:1 in der 87. Minute der Schlusspunkt. Nach diesem klaren
Ergebnis ist das Rückspiel am 5. Mai im Ibrox Park nur noch Formsache,
zumal Lindner bereits in der achten Minute das 1:0 erzielt. Nach dem zwischenzeitlichen
Ausgleich kann die Eintracht bis zur Halbzeit auf 3:1 erhöhen. Zwei
weitere Tore der Schotten in der zweiten Hälfte fallen jedoch nicht
sonderlich ins Gewicht, da die Frankfurter durch Meier (2) und Pfaff derer
drei zum 6:3-Endstand erzielen. Mit stehenden Ovationen und einem Ehrenspalier
der Rangers-Spieler werden die Eintrachtler aus dem Stadion verabschiedet.
... furioses Finale in Glasgow
Am Mittwoch, den 18. Mai 1960, knapp zwei Wochen nach dem Halbfinaltriumph gegen die Rangers, tritt die Eintracht erneut in Glasgow an, dieses Mal allerdings im mit 127.621 Zuschauern restlos ausverkauften Hampden Park. Gegner im Endspiel um den Europapokal des Landesmeister ist mit Real Madrid die Mannschaft, die den seit 1955/56 ausgespielten Pokal bereits viermal gewonnen hat und damit einziger Titelträger ist.
Der
Eintracht werden gegen allenfalls Außenseiterchancen gegen die Vollprofis
aus Spanien eingeräumt - die sind die Frankfurter allerdings gewillt
zu nutzen. Denn zur Verblüffung der Zuschauer übernimmt die
Eintracht zunächst das Kommando auf dem Spielfeld. Nach Chancen durch
Stein und Meier ist es in der 18. Minute soweit: Auf Flanke von Erwin
Stein erzielt Richard Kreß das 1:0. Und die Eintracht will mehr.
Doch statt eines 2:0 - nach einem Kopfball von Lindner und einem Schuss
von Stein im Bereich des Möglichen - fällt in der 27. Minute
das 1:1 durch di Stéfano. Nun drehen die 'Königlichen' auf,
und bereits zwei Minuten später kann wiederum di Stéfano das
1:2 erzielen. Zwar setzt die Eintracht ihre Angriffsbemühungen fort,
aber es ist Puskás, der quasi mit dem Halbzeitpfiff das nächste
Tor zum 1:3 erzielt.
Nach Wiederanpfiff bemüht sich die Eintracht um den Anschlusstreffer, doch ein zweifelhafter Elfmeterpfiff - Lutz soll Gento gefoult haben - sorgt für die Vorentscheidung. Puskás verwandelt den Strafstoß zum 1:4. Zwei weitere Puskás-Tore folgen in der 60. und 70. Minute, ehe Erwin Stein in der 72. Minute nach Zuspiel von Pfaff auf 2:6 verkürzen kann. Knapp zwei Minuten später stellt di Stéfano den alten Abstand wieder her, ehe Stein ein Abstaubertor zum 3:7-Endstand erzielt.
Dieses Mal sind es die Frankfurter Spieler, die für ihren Gegner ein Spalier bilden. Die Zuschauer auf den Rängen verabschieden die beiden Mannschaften mit Beifall, viele mit der Gewissheit, eines der besten Fußballspiele in der europäischen Geschichte gesehen zu haben. Und auch zu Hause in Frankfurt ist man stolz auf die Eintracht: Nach dem Heimflug am Donnerstag jubeln mehr als 60.000 Menschen der Mannschaft auf ihrer Fahrt zum Empfang im Römer zu. (fgo)
