Eintracht Frankfurt - 1. FC Saarbrücken

Oberliga Süd 1960/61 - 1. Spieltag Endrunde, Gruppe 1

1:1 (1:0)

Termin: 20.05.1961 im Stadion
Zuschauer: 48.000
Schiedsrichter: Zimmermann (Wolfsburg)
Tore: 1:0 Hans-Dieter Diehl (37., Eigentor), 1:1 Heinz Vollmar (59.)

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Eintracht Frankfurt 1. FC Saarbrücken

 


  • Helmut Maklicza
  • Albert Keck
  • Erich Rohe
  • Peter Krieger
  • Werner Hesse
  • Hans-Dieter Diehl
  • Horst Remark
  • Herbert Martin
  • Heinz Vollmar
  • Horst Thiel
  • Karl Meng

 

Trainer Trainer
  • Jenö Csaknidy

 

Das Tor der neunzigsten Minute

Ein Treffer, bei dem es um Sekundenbruchteile ging - Saarbrücken kämpfte verbissen

Der große Sonderbericht des „Neuen Sport" mit Beiträgen von Erich Wick, Bert Merz, Ludwig Dotzert und Horst Kickhefel

Eintracht Frankfurt — 1. FC Saarbrücken 1:1 (1:0)

Das erste Endrundenspiel der Eintracht gegen den Südwestmeister 1. FC Saarbrücken endete so turbulent, wie es angefangen hatte. Es stand 1:1, als plötzlich noch einmal Stein mit einem Kopfball zum Zuge kam, der am Tormann vorbei ins Netz schlüpfte. Der Schiedsrichter hatte, während der Ball ins Tor flog, das Spiel jedoch durch den Abpfiff beendet, was er meiner Meinung nach nicht tun durfte. Selbst wenn die 90. Minute gerade beendet war, hätte er auf Grund der Spielverzögerungen Saarbrückens und seiner unmißverständlichen Geste zum Torwart, er wolle die verzögerte Zeit nachspielen lassen, konsequenterweise auch eine Minute zugeben müssen.

Er machte es sich leicht, als er abpfiff und danach erklärte, er hätte andernfalls das Tor wegen Abseits nicht gegeben. Herr Zimmermann aus Wolfsburg war überhaupt nicht der richtige Mann für dieses Spiel. In der ersten Halbzeit ließ er das Spiel bei den unmöglichsten Situationen weiterlaufen. Erst in der Pause war er in sich gegangen, und nach der Pause zeigte er auf einmal, daß er sich auf sein Handwerk versteht. Kreuz und Kreß, die systematisch angegangen worden waren, schienen die Leidtragenden des vor der Halbzeit so „sanftmütigen" Schiedsrichters gewesen zu sein.

Im übrigen aber wäre es verkehrt, die Schuld auf den Schiedsrichter abzuladen. Die Saarbrücker haben sich ihr Remis verdient. Soviel Verbissenheit und Kampfgeist, wie sie vor allem von Mittelläufer Hesse und seinen Nebenspielern aufgebracht wurden, mußten das Konzept einer spielenden Eintracht verderben. Hinzu kam, daß diese Saarbrücker manchmal mit ihren direkt abgespielten Bällen und mit ihrer famosen Ballbehandlung das Spiel der Eintracht zu spielen schienen. Das war Klasse und durchaus einen Punkt wert! Vergessen wir auch nicht, daß das Tor der Eintracht nicht mehr als ein Selbsttor gewesen war. Ohne Tore zu schießen, kommt man in der Endrunde nicht durch.

Es fehlte einfach das Zwingende im Schuß (genau wie übrigens auch bei Saarbrücken). Die Nervenprobe war zu groß, das Regenwetter machte die Spieler verdrossen, der ohnehin schwierige Stadionrasen verdoppelte seine Tücken. Am kommenden Samstag ist das Favorit-sein-Müssen von der Eintracht abgestreift, vielleicht wird dann die innere Ruhe wieder vorhanden sein, mit der sie sich durchaus auch in Dortmund durchsetzen kann.

Freilich möchte ich wiederholen, was ich auf einer Pressekonferenz dem Spielausschußvorsitzenden Berger und den anderen Eintrachtvertretern gesagt hatte: Meiner Meinung nach ist Eigenbrodt, der immer am Mann bleibt, der sich zu zerreißen versteht, dem bedächtigen Schymik als Verteidiger vorzuziehen, zumal sich auch bei Bedarf Möglichkeiten ergeben, Eigenbrodt auf einen anderen Posten — Stopper vor allem — zu versetzen. Daß Lindner mehr wert ist als Schämer, hat sich ebenfalls erneut erwiesen, und man darf hoffen, daß der blonde Dieter am Samstag eingesetzt werden kann.

Das Spiel der Eintracht war, das schreiben wir bewußt, keineswegs so entmutigend, daß die Finalchance damit abgeschrieben wäre. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß sich auch HSV und FC Köln gleiche oder größere Enttäuschungen leisteten. Es gibt Tage, da ein tapferer Gegner dem noch so überlegenen Team alles verdirbt, ein Tag, an dem der zwingende Torschuß bestenfalls am Pfosten landet. Gegen solche Ueberraschungen ist niemand, gefeit. Am kommenden Spieltag wird, sich erweisen, ob die Außenseiter die Stellung halten oder ob die Favoriten kampfstark aus einem Stahlbad herausgekommen sind. Erich Wick


Dreimal Pfosten oder Latte und drei Großchancen

Die Frage, um wieviel die Eintrachtelf von Ludwigshafen besser war als gegen Saarbrücken, ist nicht mit Sicherheit zu klären. Um wieviel sie erfolgreicher war, das besagen eben die Tore. Die fünf Treffer gegen den Südwestzweiten vor zwei Wochen haben den Riederwälder Angriff bei den Fußballfreunden hochgespielt. Daß er nun gegen den Meister aus Südwest nicht ein einziges Tor erzielte, war für manchen der Grund, ihn abzuwerten. Vielleicht liegt der treffende Punkt in der Frage, wie hätte das Resultat ausgesehen, wenn von den drei Bällen an Pfosten und Latte (Höfer, Kreß, Schämer) und den drei Großchancen, bei denen die Schützen (Stein, Kreß, Stinka) nur noch Aug' in Aug' mit dem Saarbrückener Hüter Maklicza standen, nur die Hälfte ihr Ziel gefunden hätte? Das Fußballglück rollte oft unsichtbar davon, wenn der Ball sichtbar das Ziel ansteuerte.

Bei allem Pech der Eintracht, die Saarländer verdienten sich ihr Glück mit einem unbändigen Kampfgeist, einer peinlich genauen Deckung und einem klug aus der eigenen Hälfte organisierten Angriffsspiel. Dieses Angriffsspiel hatte oft nur das Aussehen von Vorstößen, denn mehr als drei oder vier Leute im Saarbrückener Dreß waren selten in der Eintrachthälfte unterwegs. Egon Loy wurde wohl auch kaum einmal vor gleiche Probleme wie Saarbrückens Glückskind Maklicza gestellt. Zwei Schüsse der Außenstürmer vor der Pause fegten knapp am Eintrachttor vorbei, eine Minute vor dem Ausgleich schoß Vollmar aus ähnlicher Lage um Handbreiten zu hoch.

Sonst blieb nur die Angst, daß ein Vollmar oder Meng im meist verwaisten Eintrachtfeld bei den Ausreißversuchen nicht mehr zu stellen gewesen wäre. So war es dann auch beim 1:1, als ein Fehler im Mittelfeld Lutz zum Angreifen zwang und Vollmar wohl zum einzigen Mal in den Rücken des Eintrachtstoppers geriet. Die Gefahr bei Meng auf Schymiks Seite war viel größer, weil der Eintrachtmann wenig Geschick im Aufhalten des Gegners besitzt. Da auch viele Abgaben Schymiks wieder Saarbrückener Beine ansteuerten, wird der Ruf nach dem zähen Kämpfer Eigenbrodt als Verteidiger nicht verstummen. Schwierigkeiten von der rechten Gästeseite blieben aus. Es war das Verdienst von Höfer, der selten so stark, so sicher und so souverän seinen Part abspielte und seinen Gegner Remark beherrschte wie an diesem naßkalten Maiabend. Lutz ist fast in einem Atemzug mit Höfer zu nennen, denn er kontrollierte Vollmars Wege mit der Zuverlässigkeit eines Stellwerkmannes.

An der Eintrachtdeckung lag es, trotz einiger Pannen, wohl nicht, daß die Möglichkeit der großen Sensation bis zum Schluß blieb. Sie hatte den schwereren Teil, denn ihre Widersacher kamen über das weite freie Feld, nutzten die Fläche für ihre Spurts und standen oft nur Lutz und den Verteidigern gegenüber. Der Drahtzieher Martin ging nur in seltenen Fällen über die Mittellinie vor, der Halblinke Thiel, vor der Pause von Weilbächer oft unbehelligt, verzog sich später immer weiter in das Gebiet von Rohe und Diehl.

Diehls hartes Duell mit Kreuz

Dieser Läufer Diehl faßte seine Deckungsaufgabe an Kreuz wie ein Duell mit blanken Messern auf. Er brachte den Langen eine halbe Stunde lang bei jedem Zweikampf von den Beinen, und die Zuschauer empfanden es als eine Genugtuung, daß ausgerechnet Diehl das Eigentor unterlief. Aber trotz Diehl und Rohe waren Kreß und Kreuz die Leute im Eintrachtsturm, von denen die überraschenden Züge ausgingen. In der Mitte blieben die Wege dicht blockiert. Hesse schlug alles zurück, was an Bällen auf ihn zuflog. Oft legte er sich mit ganzer Breitseite vor die Angreifer, und immer hatte er Erfolg. Vielleicht lag es auch daran, daß die jungen Solz und Schämer am linken Flügel ihre Aufgabe zu brav und bar von Varianten abspielten. Als Schämer später plötzlich in einer Art innerer Aufwallung sich geschickt um manchen Gegner herumschlängelte, da hoffte man auf Lücken und Gassen im Saarbrückener Hinterland. Aber sie schlossen sich schneller als sie sich auftaten. Und bei den Schüssen, die Kreuz mehr als seine Nachbarn vom Stapel ließ, fehlte oft der berühmte Zentimeter.

Daß die Saarbrückener mehr boten als man erwarten durfte, mag eine optische Täuschung für viele gewesen sein. Die Verpflichtung, die einem Meister von Südwest in spielerischer Art obliegt, erfüllten die Saarländer. In kämpferischer Hinsicht übertrafen sie die Vorstellungen durch die Zähigkeit von Hesse und Rohe und ihr dicht gespanntes Abwehrnetz, das den Eintrachtlern ebenso wenig behagte wie der schwere Boden. Bert Merz

 


Herberger: Klare Chancen vergeben

Bundestrainer Sepp Herberger: „Das Unentschieden ist für Saarbrücken glücklich. Eintracht mußte mit zwei bis drei Toren Unterschied gewinnen. Solche klare Chancen darf man nicht vergeben. Das Angriffsspiel war längst nicht so zwingend wie früher gewohnt."

DFB-Trainer Helmut Schön: „Eintracht spielte im Angriff viel zu langsam, um Saarbrückens Abwehr aus dem Konzept bringen zu können. Natürlich ist das Unentschieden für den 1. FCS schmeichelhaft."

Trainer Jenö Csaknidy (1. FC Saarbrücken): „Ich kannte die Eintracht schon von meiner Fürther Tätigkeit her. Den Süd-Zweiten studierte ich in Ludwigshafen beim Qualifikationsspiel gegen Neunkirchen. Mit meiner Mannschaft bin ich natürlich hoch zufrieden, und ich meine, man kann noch nicht einmal sagen dieses Unentschieden wäre unverdient."

Eintracht-Vorsitzender Rudi Gramlich: „Das ist für uns natürlich deprimierend. Wir hatten keinen Spielmacher im Angriff. Hinzu kam, daß der linke Flügel enttäuschte."

Das Tor, das vier Zehntelsekunden zu spät kam

Beide Mannschaften begannen nervös, auf beiden Seiten wirkte das Spiel zerfahren. Die erste Chance bot sich den Saarbrückern, doch Schymik rutschte im Spagat in Mengs Schuß und lenkte zur Ecke ab. Doch dann bot sich der Eintracht eine große Gelegenheit: Diehl trat über den Ball, Kreuz ließ sofort einen Flachschuß vom Stapel, den Maklicza gerade noch mit den Fingerspitzen aus der Richtung bringen konnte. Den Eckball zog Solz raffiniert vor das Gästetor, Maklicza faustete das Leder rücklings über Kreß. Doch er wird abgewehrt und im Gegenzug rutschte ein Schuß Mengs knapo vorbei (8. und 9. Minute).

Erst in der 20. Minute erlebte man wieder eine torreife Situation. Thiel (ungedeckt) spielt zu Remark (völlig freistehend), doch der verschießt: Als Vollmar den Ball zu seinem Rechtsaußen schickt, überläuft Remark Höfer, Lutz eilt nach außen und nimmt Remark den Ball ab. Den Rest erledigen Höfer und Loy (29. Minute).

In der 33. Minute spurtet Kreß an Rohe vorbei. Hesse läßt ihn auflaufen. Weilbächer führt den Freistoß aus. Saarbrückens Abwehr verursacht eine Kerze. Eckball. Maklicza faustet den Ball aus dem Strafraum. Höfer stürzt sich auf den Ball und schießt aus etwa 30 Meter aufs Tor. Blitzschnell bückt sich Solz, um den Schuß passieren zu lassen — er landet am Pfosten!

Und dann fällt das 1:0. Schämer läuft außen durch, seine Flanke verfehlt Maklicza. Diehl erwischt den Ball mit dem Gesicht zum Tor — und schießt ihn aus vier Meter Entfernung ins eigene Tor! Die Abwehr der Gäste scheint aus den Fugen zu kippen, mancher Fehlschlag verrät die Nervosität. Selbst Krieger verliert die Uebersicht und spielt Kreß an.

In der 46. Minute rollt eine schöne Kombination von Kreß über Stein zu Schämer, bei dessen Schuß Maklicza nachgreifen muß. Eine Flanke Kriegers nimmt Vollmar aus der Luft — vorbei (47.). Dann spielt Solz Keck den Ball durch die Beine zu Kreuz, der bedient Stein, der aus drei Metern über das Tor schießt! (49.). Ein Steilangriff Rohe— Meng—Vollmar zerstört Loy durch Fußabwehr (52.).

In der 57. Minute spielt Thiel zum freistehenden Remark, der aus zehn Metern über das Tor schießt. Aber Saarbrücken kommt eine Minute später doch zum Ausgleich. Martin fädelt ein, Vollmar setzt sich gegen Lutz durch, und Loy ist geschlagen.

Stinka stellt Maklicza auf die Probe (60), Kreß schießt, Maklicza lenkt ab, wehrt auch den Nachschuß Stinkas ab und pariert auch den anschließenden Kopfball Stinkas (65). Als Schymik zu Kreß spielt, landet dessen Schuß am Pfosten und Krieger rettet zur Ecke (70). Ein Kreuz-Schuß geht handbreit am Gästetor vorbei (74.). Die Saarbrücker wollen das Ergebnis halten, oftmals sind alle Spieler in der eigenen Hälfte. Wieder geht ein Kreuz-Schuß haarscharf vorbei (80 ), dann trifft Schämer die Latte (81).

Es scheint beim 1:1 zu bleiben, da fällt doch noch ein Eintrachttor. Stein ist der glückliche Schütze. Die Frankfurter reißen die Arme hoch, die Saarbrücker lassen die Köpfe hängen. Plötzlich wandelt sich das Bild: die Gäste umhalsen sich. Das Tor hat keine Bedeutung mehr. Zimmermann hatte vier Zehntelsekunden vorher abgepfiffen. Horst Kickhefel (aus 'Der neue Sport' vom 23.05.1961)

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