Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart

Bundesliga 1965/1966 - 23. Spieltag

3:2 (3:2)

Termin: Sa 26.02.1966, 15:00 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Rudibert Jacobi (Heidelberg)
Tore: 1:0 Walter Bechtold (17.), 1:1 Erwin Waldner (28.), 2:1 Wolfgang Solz (31.), 3:1 Jürgen Grabowski (39., Foulelfmeter), 3:2 Klaus-Dieter Sieloff (41.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt VfB Stuttgart

 


  • Günter Sawitzki
  • Gerd Menne
  • Hans Eisele
  • Günter Seibold
  • Klaus-Dieter Sieloff
  • Helmut Huttary
  • Theodor Hoffmann
  • Willi Entenmann
  • Hans Arnold
  • Erwin Waldner
  • Hans-Otto Peters

 

Trainer Trainer
  • Rudolf Gutendorf

 

Und wieder ein 3:2

„Jetzt bin ich sicher, dass wir eine gute Mannschaft bei der Weltmeisterschaft im Juli in England haben werden. Wir müssen nur noch feilen, aber wir brauchen nicht mehr zu rätseln“, freut sich Bundestrainer Helmut Schön trotz der 0:1-Niederlage im Londoner Wembley-Stadion beim Länderspiel gegen England. Für kurze Zeit meinte man gar ein Unentschieden bejubeln zu können, als der eingewechselte Münchner Alfred „Freddy“ Heiß nach einer Flanke des Dortmunder Debütanten Held in der 75. Minute zum 1:1 einschoss. Doch der Linienrichter hatte den Ball vor der Flanke im Aus gesehen – eine nicht unumstrittene Entscheidung.

Erfreulich aus Frankfurter Sicht war, dass in der DFB-Auswahl, die in dem von der Eintracht seit Elek Schwartz’ Amtsantritt favorisierten 4-2-4 antrat, Friedel Lutz sein Comeback feierte. Zuletzt hatte er am 7.6.1964 beim 4:1-Sieg in Finnland mitwirken dürfen, wo er nach 78 Minuten ausgewechselt worden war. Den Siegtreffer des zahnlosen „Nobby“ Stiles, der in der 42. Minute sein erstes (und einziges) Länderspieltor erzielte, konnte zwar auch Lutz nicht verhindern, doch er bekam gegen die Engländer durchgehend gute Noten. Die „Bild“ beispielsweise sah den Verteidiger „scharf und giftig, dazu schnell wie ein Kettenhund“.

Das Selbstvertrauen, das Lutz von seinem Ausflug auf die Insel mitgebracht hat, kann die Eintracht gut gebrauchen. Vier Niederlagen, zwei Unentschieden und nur ein Sieg gegen den Regionalligisten Alsenborn, das ist die magere Bilanz der Hessen aus den letzten sieben Pflichtspielen, von denen die letzten drei in Serie verloren wurden. Im DFB-Pokal ist man am letzten Wochenende mit der späten Niederlage beim 1. FC Nürnberg ausgeschieden und in der Liga auf einen enttäuschenden 8. Platz abgerutscht.

Heute kommt mit dem VfB Stuttgart, der mit drei Zählern weniger auf dem 11. Platz dümpelt, allerdings eine wenig furchteinflößende Elf, die in der Liga zwischen Gut und Schlecht im tabellarischen Niemandsland rangiert. Sechs Mal ist der VfB in diesem Jahr bisher zu einem Pflichtspiel angetreten, fünf Mal hat er verloren. Nur am letzten Spieltag gab es gegen den Titelanwärter TSV 1860 München zu Hause einen Achtungserfolg mit einem torlosen Unentschieden.

Eintracht-Trainer Elek Schwartz setzt auf Offensive und nimmt gegenüber der Aufstellung beim DFB-Pokal-Spiel in Nürnberg Blusch aus der Elf und Stürmer Bechtold hinein. Das erscheint nicht unvernünftig, denn die Schwaben stellen mit bislang durchschnittlich einem Treffer pro Partie eine der schwächsten Offensiven der Liga. Lediglich Schalke 04 mit 16 sowie die beiden Schlusslichter Neunkirchen mit 20 und Tasmania Berlin mit 10 Toren haben eine noch kläglichere Ausbeute.

Bei den Schwaben, die am letzten Wochenende Pflichtspielpause hatte, weil sie bereits in der 1. Runde beim Meidericher SV ausgeschieden sind, gibt es zwei Änderungen im Vergleich zum letzten Bundesligaspiel. Auf Trainer Gutendorfs Geheiß weicht Willi Entenmanns Bruder Rudi Theodor Hoffmann und Hans-Otto Peters kommt für Hartmut Weiß wieder in die Mannschaft. Hoffmann hat übrigens die Aufgabe Huberts zu bewachen, während Seibold auf Bechtold angesetzt ist. Willi Entenmann verstärkt zuweilen die Abwehr, während sich Arnold mit Lechner Duelle liefert.

Es dauert etwas mehr als eine Viertelstunde, dann punktet der sonst blasse Bechtold mit Hilfe des VfB-Schlussmanns gegen Seibold. Einen langen Schlag Lindner, der hoch in Strafraum der Stuttgarter gesegelt kommt, faustet der heute unsicher wirkende Sawitzki an Bechtolds Hinterkopf, von dem der Ball zur Frankfurter Führung ins Netz prallt. 1:0 für die Eintracht nach 17 Minuten.


Vergeblicher Rettungsversuch
Seibolds: 1:0

Es entwickelt sich ein offener Schlagabtausch zweier technisch beschlagenen Mannschaften, die auf Härten im Zweikampf verzichten, aber mit Tricks und Kombinationen nicht geizen. So ist auch der Angriffszug, der in der 28. Minute zum Ausgleich führt, sehenswert. Waldner startet in den Querpass von Willi Entenmann, umspielt Wirth, scheitert aber mit seinem Linksschuss an Keeper Kunter. Waldner nimmt den Ball auf, lässt Wirth ein zweites Mal stehen und trifft – nun mit dem rechten Fuß – unhaltbar für Kunter ins lange Eck.

Die Freude über das 1:1 währt bei den Gästen keine 180 Sekunden. Dann ist es wieder ein langer Schlag des offensiver agierenden Lindner, der Sawitzki in Bedrängnis bringt. Obwohl der Ball über 50 Meter unterwegs ist, verschätzt sich der Torhüter des VfB beim Herauslaufen. Solz ist zur Stelle, greift die Gelegenheit beim Schopfe, trickst erst Eisele aus und danach Sawitzki, bevor er das Leder zum 2:1 ins leere Tor schiebt.

Beim nächsten Treffer steht der Unparteiische im Mittelpunkt, denn wie im Länderspiel in England, wird darüber diskutiert, ob der Ball die Torauslinie überschritten hat oder nicht. Sicher ist nur, dass Trimhold von links kommend entlang der Linie versucht, an Eisele vorbei zu dribbeln und dabei von diesem zu Fall gebracht wird. Schiedsrichter Rudibert Jacobi steht etwas über 20 Meter vom Tatort entfernt und entscheidet ohne Zögern auf Strafstoß. Diesen verwandelt der stark aufspielende Grabowski nach 39 Minuten flach zum 3:1. Auf die Frage, ob der Ball vor dem Einsteigen Eiseles aus war, hat der gefoulte Trimhold eine klare Meinung: „Vielleicht hätte es kein Tor gegeben, aber der Ball war im Spielfeld.“

Keine zwei Meinungen gibt es zwei Minuten später, als Jacobi auf Freistoß für die Gäste entscheidet. Es sind 25 Meter bis zum Frankfurter Tor, doch die Hausherren machen es dem Schützen Sieloff leicht, denn die Mauer steht alles andere als gut. Halbhoch schickt der Mann, der sonst sicher Elfmeter verwandelt, den Ball an der Mauer, die ihren Namen nicht verdient, vorbei und zum erneuten Anschlusstreffer ins Netz. Mit dem 3:2 geht es auch in die Halbzeitpause.


Sawitzki - heute
kein Rückhalt
für den VfB

Die 12.000 Zuschauer, die in den letzten beiden Bundesligaheimspielen gegen Bayern München und Hannover 96 vergeblich auf ein Tor ihrer Lieblinge warteten, kommen heute auf ihre Kosten. Es ist eine Begegnung zweier nahezu unbeschwert auftretenden Gegner, die in beiden Strafräumen aufregende Szenen zu bieten wissen. Unglücklicherweise für den VfB weist das Nervenkostüm Sawitzkis heute einige Löcher auf. Bei flachen Bällen und bei Aufsetzern reagiert der 33-jährige ehemalige Nationaltorhüter übernervös.

Auch im Sturm hat der VfB Sorgen, denn der zu Saisonbeginn von Leverkusen aus der Regionalliga zu den Stuttgartern gewechselte Peters ist technisch stark, aber im Zweikampf nicht durchsetzungsstark genug. Und einen Vollstrecker hat die Elf Gutendorfs ohnehin nicht in den Reihen, was sich auch in der 58. Minute zeigt, als Waldner die größte Chance zum 3:3 nicht zu nutzen versteht.

Bei der Eintracht gibt es gleichfalls neben Licht einiges an Schatten. Während Lindner zusammen mit Lutz bei den Hessen glänzt, wirkt Lechner in dieser Begegnung matt. Auch Solz bleibt vieles schuldig und bleibt vor allem aufgrund seines Treffers in Erinnerung. Insgesamt erweisen sich die Stürmer der Eintracht, bei denen der unerfahrene Bechtold ein weiteres Mal nicht die erforderliche Bundesligareife nachweisen kann, trotz dreier Treffer im Abschluss wieder einmal als nicht schussstark und treffsicher genug. Auch Huberts bildet hier keine Ausnahme.

Obwohl die zweite Halbzeit ohne Treffer bleibt, mangelt es in diesem Durchgang keinesfalls an turbulenten Szenen, die sich überwiegend vor dem Heiligtum der Schwaben abspielen. Nicht verschwiegen werden soll aber, dass sich die Frankfurter mit der Abseitsfalle der Gäste schwer tun. Auch der sonst nur positiv auffällige Grabowski hat mit ihr seine Probleme.

In der Schlussphase der Begegnung hat die Eintracht dann zwei Mal Glück. Zuerst als Peters in der 84. Minute im Strafraum blockiert wird, der VfB einen Strafstoß beansprucht, doch damit Jacobi nicht beeindrucken kann. Und dann kurz vor dem Ende, als Entenmann den unter dem Strich unverdienten Ausgleich auf dem Fuß hat, doch sein Schuss am von Kunter verlassenen Gehäuse vorbei geht.

Es ist kurios. Drei Mal sind die beiden Vereine bisher in der Bundesliga im Waldstadion aufeinander getroffen und jede dieser Partien endete mit 3:2: Vor zwei Jahren für die Eintracht, im letzten Jahr für den VfB und nun wieder für die Frankfurter. Die haben die Auseinandersetzung etwas spannender als notwendig gemacht, denn das Eckballverhältnis von 17:4 zugunsten der Hessen beschreibt die Überlegenheit der Gastgeber deutlicher als das Endergebnis.

VfB-Trainer Gutendorf sieht das ein wenig anders. „Die Frankfurter waren besser – sagen wir um ein Tor“, räumt er leidglich ein. „Vom Spiel meiner Elf bin ich nicht enttäuscht, aber von der Schiedsrichterleistung“, sieht er die Verantwortung für die Niederlage überwiegend beim Unparteiischen: „Mit einer aufreizenden Nonchalance wurde auf Elfmeter erkannt, und beim Foul an Peters wurden beide Augen zugedrückt.“

„Es hat sich wieder erwiesen, dass wir keinen durchschlagskräftigen Stürmer besitzen“, sieht Gutendorf ein grundsätzliches Problem in seinem Kader und fügt hinzu: „Aber diesmal war ich auch mit der Abwehr nicht zufrieden.“ „Nein, gegen Torwart Sawitzki will ich nichts sagen; er hat uns schon viele andere Spiele aus dem Feuer gerissen“, wehrt er zuerst ab, kreidet seinem Keeper aber dann doch das erste und zweite Tor an.

„Wir haben verdient gewonnen. Ich bin mit meiner Elf zufrieden, dass sie auf Sieg gespielt hat“, sagt der erleichterte Eintracht-Trainer Schwartz. „Das Spiel war nervös, aber trotzdem schön, weil es schnell war“, findet er, bemängelt aber das Verhalten beim 3:2: „Beim zweiten Gegentor war die Mauer äußerst schlecht gestellt. So konnte der Freistoß von Sieloff ungehindert einschlagen.“

Keinen Grund für eine Rüge liefert Friedel Lutz seinem Trainer. Nach seinem überzeugenden Auftritt auf dem kräfteraubend tiefen Geläuf des regennassen Rasens im Wembley-Stadion vor drei Tagen liefert er erneut eine starke Partie. So gut, dass ihn die „Bild“ zum vierten Fall in dieser Saison in die „Nationalelf der Woche“ stellt. Es bleibt abzuwarten, ob Bundestrainer Schön die Leistung des Frankfurters ähnlich einschätzt. (rs)


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