Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln

Bundesliga 1965/1966 - 25. Spieltag

0:0

Termin: Sa 12.03.1966, 16:00 Uhr
Zuschauer: 28.000
Schiedsrichter: Edgar Deuschel (Ludwigshafen)
Tore: ./.

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1. FC Köln

 


  • Fritz Ewert
  • Fritz Pott
  • Anton Regh
  • Wolfgang Weber
  • Matthias Hemmersbach
  • Wolfgang Overath
  • Hans Sturm
  • Hennes Löhr
  • Karl-Heinz Thielen
  • Franz-Peter Neumann
  • Christian Müller

 

Trainer Trainer
  • Georg Knöpfle

 

Die Kraftlosen

Es ist erst einen Monat her, als der 74 Jahre alte Paul Rist während des Heimspiels gegen Hannover 96 einen Herzschlag erlitt und verstarb, da muss die Eintracht den Verlust eines weiteren Ehrenmitglieds hinnehmen. Willi Pfeifer, der sowohl für den Vorgängerverein Frankfurter Kickers als nach den Fusionen ab 1911 auch für den FFV und ab 1920 für die Eintracht in insgesamt über 700 Spielen am Ball war, ist in der Nacht zum Samstag gestorben. Am 27.3. wäre der Ehrenspielführer der Frankfurter Eintracht 70 Jahre alt geworden.

Die 28.000 Zuschauer, die im Waldstadion das Spiel der Eintracht gegen den 1. FC Köln sehen wollen, haben die Nachricht vom Tode Willi Pfeifers noch nicht erfahren. Sie beschäftigt deswegen eher, dass beide Mannschaften nicht in den Aufstellung antreten, die noch am Tag zuvor verkündet wurden. Bei den Kölnern ist Karl-Heinz Thielen nach fünf Wochen wieder dabei und der junge Klaus-Peter Neumann hat den Vorzug vor Ole Sörensen bekommen. Krauthausen und Cebinac fehlen aus der Siegerelf vom letzten Wochenende, die den FC mit einem 3:1-Erfolg gegen den TSV 1860 München bis auf 4 Punkte an die beiden Münchener Vereine und auf 5 Zähler an den Tabellenführer aus Dortmund herangebracht hat. Und bei der Eintracht fehlen neben Friedel Lutz (Nasenbeinbruch) und Istvan Sztani (Bandscheibe) nun auch noch Georg Lechner mit einer Magen-Darminfektion sowie Rechtsaußen Jürgen Grabowski, der mit einer Mandelentzündung und 39 Grad Fieber das Bett hütet. Jürgen Friedrich kommt für Lechner und Oskar Lotz für Grabowski in die Mannschaft.

Ganz ersetzen können allerdings weder Friedrich noch Lotz die ausgefallenen Kameraden, auch wenn Lotz bereits in der 6. Minute mit einem Kopfball den Pfosten des von Fritz Ewert gehüteten Kölner Tores trifft. Sonst aber gehört die Anfangsphase den Gästen, die sich im Mittelfeld mit Overath und dem fleißigen Sturm ein Übergewicht verschaffen. Von dort werden die Kölner Angriffszüge inszeniert, bei denen besonders der muntere Thielen positiv auffällt und von Höfer oft nur mit vollem körperlichem Einsatz aufzuhalten ist.

Der Spielwitz des Meisters von 1964 hält jedoch nur etwa 20 Minuten an. Danach geht mit dem Verlust an Ideen gleichfalls die Schnelligkeit der Angriffszüge verloren, so dass die Begegnung fortan von den Abwehrreihen beider Mannschaften bestimmt wird. Hier wirken die Kölner mit Weber im Zentrum robuster und überdies insgesamt cleverer in den Zweikämpfen. Die Anzahl ihrer Schüsse übertreffen die der Gastgeber, doch daraus lässt sich kein Nutzen ziehen, denn die Abschlüsse sind zu ungenau.

Dem Druck der Gäste können sich die Hessen kaum entziehen, weil ihr Angriff keine Entlastung bringt. Trimhold ist im Mittelfeld der stärkste in der Offensive der Frankfurter, doch im Sturm ist Bechtold mit seiner Aufgabe erneut überfordert, Lotz wirkt bei allem Einsatz zu unbeweglich und Solz’ Dribblings bleiben ohne Ertrag. Huberts ist noch der gefährlichste, doch fehlt die von ihm gewohnte Entschlossenheit und Nervenstärke vor dem gegnerischen Kasten.


Höfer verletzt
am Boden

Das zeigt sich besonders in der 51. Minute, nachdem die Eintracht im zweiten Durchgang stärker geworden ist und dem Führungstreffer nahe kommt: Doch Huberts vergibt die bis dahin beste Torchance der Frankfurter und befördert das Leder über das Kölner Gehäuse. Fünf Minuten später kommt es noch ärger für die Hessen, denn Kapitän Höfer muss verletzt vom Platz getragen werden. Im Zweikampf mit Thielen hat er sich eine Meniskusverletzung am linken Knie zugezogen.

Die Hausherren müssen nun die letzte halbe Stunde mit 10 Mann zu Ende bringen. Die nominelle Überlegenheit versuchen sich die Kölner natürlich zu Nutze zu machen und stürmen zeitweise mit sieben Mann nach vorne. Doch Dieter Lindner hält mit seiner Ruhe die eigenen Reihen zusammen, die sich nun um den eigenen Strafraum postiert haben. Blusch, der sich auf dem Platz von Lutz bestens zurecht findet, und Wirth, der jetzt die gesamte rechte Seite in Schach hält, bilden ein Bollwerk hinter dem Torwart Kunter vortreffliche Arbeit leistet.

Die Kölner machen es der gegnerischen Verteidigung allerdings auch nicht allzu schwer. Ihren Aktionen fehlt ein Organisator, ein Regisseur, der die Spielzüge gescheit anlegt. Viel zu oft wird in die Breite gespielt, ohne dass es gelingen würde, die Frankfurter Deckung auseinanderzuziehen. Mit einer variablen Raumdeckung gleichen die Mannen von Trainer Elek Schwartz die Überzahl der Kölner aus.

Übrigens: Dass die Meinungen zuweilen auseinander gehen, sieht man nicht nur daran, dass es Stimmen gibt, die im Mittelfeld ein gutes und schnelles Spiel ausmachen. In der Bewertung einer Aktion in der 76. Minute kann ebenso keine Einigkeit unter den professionellen Beobachtern erzielt werden: „Schiedsrichter Deuschel war diesem matten Spiel nicht gewachsen; der Gipfel: ein indirekter Freistoß vor der 16-m-Linie, als Solz im Strafraum ohne Foul gestürzt war“, berichtet Karl Seeger für den „kicker“, während Werber Ebert in der „Bild“ schreibt: „Empörung bei den Massen, als der auch ansonsten vor harten Entscheidungen sich drückende Deuschel einen Rempler von Weber an Solz vom Strafraum nach draußen verlegte.“ „Wenn überhaupt, dann war das doch Elfmeter“, kommentiert Eintracht-Trainer Schwartz die Szene.

Zwei Minuten später steht Kunter im Tor der Eintracht dann das Glück des Tüchtigen zur Seite, als Pott aus 35 Metern Entfernung zu einem gewaltigen Hieb ausholt und das Leder auf den Frankfurter Kasten donnert: Unerreichbar für den Frankfurter Schlussmann knallt der Ball an die Querlatte. So haben die Gäste, die in den letzten Minuten der Partie gegen eine unermüdlich rackernde Eintracht nichts mehr zuzusetzen haben, unter dem Strich zwar mehr Chancen und mehr Eckbälle (9:4) als die Gastgeber, aber eben nicht ein einziges Tor auf der Habenseite. Die Kölner müssen sich deshalb mit einem Punkt begnügen, der ihnen nicht reicht, um weiter von der Meisterschaft träumen zu können.

Obwohl die Elf von Trainer Schwartz in den letzten acht Punktspielen bereits zum sechsten Mal ohne Torerfolg bleibt, wird sie von ihrer Anhängerschaft gefeiert, als habe sie die Begegnung für sich entscheiden können. Damit bedanken sich die Fans für die besondere Leistung ihrer Eintracht, die heute nicht durch ihre Spielkunst, sondern mit Kampf und Kondition beeindruckt hat.

„Meine Mannschaft hat gezeigt, dass sie kämpfen kann“, zeigt sich Eintracht-Trainer Schwartz aufgrund der Einstellung und Leistung seiner Elf entspannt: „Ich bin mit dem 0:0 sehr zufrieden, zumal Höfer ausgefallen ist.“ Schwer tut sich Schwartz nur mit der von Huberts vergebenen großen Gelegenheit, das Spiel zu entscheiden. „Ein Mann mit seiner Technik muss solch ein Tor auf jeden Fall machen“, hält Schwartz dem Österreicher vor.

Die stürmischen Probleme von Schwartz’ Kölner Kollegen Knöpfle sind aber weitaus größer: „Gegen nur zehn Spieler hätten wir in der letzten halben Stunde alles klar machen müssen“, schimpft Knöpfle: „Das war kein Ruhmesblatt, was unser Angriff vorführte, wirklich nicht. Wir müssen an eine Neuformierung, an einen Neubau des Sturmes heran.“ „Einzig und allein unser Sturm hat dieses Spiel verloren“, legt Knöpfle nach: „Ich muss verloren sagen, denn es hätte gut 2 oder 5:0 für uns stehen müssen. Nach der Pause war es einfach Unvermögen!“ Etwas Positives hat der überaus verärgerte Fußballlehrer aber auch gesehen: „Ich war von der Frankfurter Deckung beeindruckt, die meinen kraftlosen Angriff gut hielt.“

Diese Deckung muss jedoch jetzt auf Hermann Höfer verzichten. Nach einer ersten Diagnose hat der 31-Jährige eine Meniskusverletzung am linken Bein erlitten, die eine Pause von sechs Wochen wahrscheinlich macht. Das ist bitter für den Kapitän, der bereits eine Meniskusoperation am rechten Knie über sich ergehen lassen musste. Einen Vorwurf will Höfer seinem Gegenspieler aber auf keinen Fall machen: „Thielen trifft überhaupt keine Schuld.“


Epilog

Nachdem man im Europapokal ausgeschieden und der Titel in der Bundesliga in weite Ferne gerückt ist, treffen die Kölner am folgenden Wochenende im Nachholspiel des Achtelfinales des DFB-Pokals auf Bayern München. Der Aufsteiger hat am vorletzten Spieltag der Hinrunde in Köln eine empfindliche 1:6-Schlappe kassiert und brennt auf eine Revanche an der Isar. „Diesmal drehen wir den Spieß um“, kündigt Bayern-Trainer Cajkovski an und teilt seinen Spielern mit: „Wer von euch nicht bis zum Umfallen kämpft, und sein letztes gibt, der kann seine Koffer packen.“ „Wir werden kämpfen, als ginge es um unser Leben“, verspricht Mittelstürmer Gerd Müller, der eine persönliche Rechnung offen hat: „Beim Spiel gegen Köln hat mich Overath angespuckt. Diesmal werde ich dafür sorgen, dass er keine Zeit mehr zum Spucken hat.“ Overath hat dafür vor dem Spiel noch Zeit zum Reden und spuckt erneut, wobei es dieses Mal große Töne sind: „Die Bayern brauchen doch gar nicht erst anzutreten. Das ist vertane Zeit. Sie können gegen uns nicht gewinnen.“ Bayerns Spielausschussvorsitzender Robert Schwan ist nicht minder von der Stärke seines Teams überzeugt: „Ich bin sicher, dass wir nicht verlieren.“

Und das tun sie auch nicht, wobei es den Münchnern im eigenen Stadion entgegen kommt dass die Kölner ab der 13. Minute nur noch mit neun gesunden Feldspielern agieren müssen: Halbstürmer Krauthausen verletzt sich bei einer Attacke auf den Münchner Schlussmann Maier selbst und kann fortan nur noch als Statist mitwirken. „Das war eines der schönsten Geschenke, die mir meine Mannschaft je gemacht hat“, freut sich Cajkovski über den folgenden 2:0-Sieg seiner Elf und Schwan ist ebenfallszufrieden: „Diesen Sieg waren wir München schuldig. Das 1:3 von 1860 München in Köln haben wir heute gleich mitgerächt.“

Die Münchner verlieren danach zwar im dritten Aufeinandertreffen am vorletzten Spieltag zu Hause ersatzgeschwächt gegen Köln glatt mit 1:4, doch in der Abschlusstabelle liegen die Bayern 3 Punkte vor dem 5. aus der Domstadt auf Rang 3 und verpassen die Vizemeisterschaft gegenüber dem BVB nur wegen des schlechteren Torquotienten. Eine Woche später beschließt der Aufsteiger seine sensationelle Saison im Frankfurter Waldstadion nach einem 4:2-Finalsieg gegen den Meidericher SV als DFB-Pokalsieger.

Der 18-jährige Walter Bechtold, der trotz durchschnittlicher fußballerischer Leistungen mit 6 Treffern und 3 Torvorlagen in 17 Punktspielen auf sich aufmerksam machen konnte, hat sein letztes Spiel für die Eintracht in dieser Saison gemacht. Im „kicker“ füllt er im Spielbericht von Karl Seeger die Rubrik „die Enttäuschung“ der Partie, was Seeger so begründet: „Bechtold, von den vielen Kraftlosen der schwächste.“ Vor dem Freundschaftsspiel gegen Lugano Ende September, bei dem Bechtold erstmals wieder eingesetzt wird, erklärt der Gerügte den Grund für seine schwache Leistung: „Gegen den 1. FC Köln am 16. Oktober spielte ich zum ersten Mal und gegen denselben Klub am 23. März zum letzten Male. Da war ich eigentlich schon krank. Es war ein regelrechter Zusammenbruch. Erst Angina, die auf die Leber schlug. Dann noch eine Kreislauf-Geschichte. Drei Wochen lag ich im Bett, dann gab’s lange Zeit überhaupt keine Anstrengung für mich. Wir hatten damals Erfolge, fanden Anschluss an die Spitze, und ich hatte einen brennenden Ehrgeiz. Im Grunde war ich selber schuld, dass ich nicht ein, zwei Spiele vorher aufhörte.“ Es dauert bis zum 15. Spieltag der neuen Saison, bis Bechtold am 3.12.1966 seine Rückkehr in die Bundesliga feiern kann. Beim 4:1-Sieg gegen Werder Bremen erzielt er die letzten beiden Treffer der Partie.

Hermann „Stift“ Höfer kehrt nicht mehr auf den Rasen der Bundesliga zurück. Er steht zwar auch in der Saison 1966/67 noch im Kader der Frankfurter Eintracht, doch ein Pflichtspiel bestreitet er nicht mehr für sie. Das Mitglied der Meistermannschaft von 1959 bleibt seinem Verein aber erhalten und ist in der Saison 1981/82 Vizepräsident der Eintracht. Am 22.10.1996 stirbt Hermann Höfer im Alter von 62 Jahren. Drei Tage vor seinem Tod hat die im Sommer abgestiegene Eintracht im Waldstadion vor 12.500 Zuschauer gegen den von Willi Reimann trainierten VfL Wolfsburg 1:1 gespielt und steht in der Tabelle der 2. Liga auf dem 13. Platz. (rs)


>> Spieldaten <<


© text, artwork & code by fg