Eintracht Braunschweig - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1965/1966 - 29. Spieltag

2:2 (1:1)

Termin: Di 26.04.1966, 19:00 Uhr
Zuschauer: 21.000
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 1:0 Dieter Krafczyk (28.), 1:1 Jürgen Friedrich (45.), 2:1 Klaus Gerwien (58.), 2:2 Wilhelm Huberts (87.)

 

 

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Eintracht Braunschweig Eintracht Frankfurt

  • Horst Wolter
  • Wolfgang Brase
  • Jürgen Moll
  • Walter Schmidt
  • Peter Kaack
  • Dieter Krafczyk
  • Joachim Bäse
  • Erich Maas
  • Wolf-Rüdiger Krause
  • Hans-Georg Dulz
  • Klaus Gerwien

 


 

Trainer
  • Helmuth Johannsen
Trainer

 

 

 

Zur Nachahmung empfohlen

In Braunschweig treffen heute Abend zu einem Nachholspiel des 29. Spieltages zwei Vereine aufeinander, die in der Bundesligatabelle weder etwas mit dem Wettstreit um die Meisterschaft noch mit dem Kampf um den Klassenerhalt tun haben. Neben zwei Punkten geht es für die Eintracht aus Frankfurt aber auch darum, die Eindrücke aus dem peinlichen 1:2 gegen das Kellerkind aus Neunkirchen vor drei Tagen vergessen zu machen. Der unerwartete Sieg der Saarländer, der noch einmal für Spannung im Abstiegskampf sorgte, wurde in der Liga mit ebenso überraschtem wie enttäuschtem Kopfschütteln aufgenommen.

Damit ist klar, was Eintracht Braunschweigs Trainer Helmuth Johannsen meint, wenn er darauf hinweist: „Nach der Heimniederlage gegen Neunkirchen müssen die Frankfurter etwas für ihr Ansehen tun.“ Auch sein Frankfurter Kollege Elek Schwartz ist sich der Bedeutung des Auftretens seiner Spieler bewusst: „Diesmal hoffe ich auf eine bessere Berufsmoral meiner Männer!“ Er verlässt sich jedoch nicht nur auf seine Hoffnung, sondern ersetzt zusätzlich Istvan Sztani durch den kampfstarken Jürgen Friedrich, der seine Mitte März erhaltene Chance zwar genutzt hatte, doch zuletzt gegen Neunkirchen Georg Lechner weichen musste.

Bei den Braunschweigern gibt es ebenfalls einen Wechsel: Johannsen muss Nationalspieler Lothar Ulsaß ersetzen, was bei dem spielstarken und torgefährlichsten Braunschweiger aber ein Ding der Unmöglichkeit ist: Es gibt in diesem Kader keinen, der an Ulsaß heranreicht. Wolf-Rüdiger Krause, der von 1963 bis 1965 in der Amateur-Mannschaft der Niedersachsen spielte, nimmt den frei gewordenen Platz ein und kommt so zu seinem dritten Bundesligaeinsatz. Krause ist schnell und verfügt über eine sehr gute Technik, doch fehlt dem 65 Kilogramm leichten Offensivspieler das Durchsetzungsvermögen. Dennoch hofft Johannsen, dass dem 21 Jahre alten Angreifer heute Abend sein zweiter Bundesligatreffer gelingt.

Was die 21.000 Besucher allerdings an diesem Dienstagabend zu einer recht bedeutungslosen Partie ins Stadion gelockt hat, kann man nur vermuten, aber was sich das Herz eines Fußballliebhabers wünscht, bekommt es hier und heute geboten. Tempo, Rasse und Klasse – dargeboten von zwei Mannschaften, die nichts zu verlieren haben und deswegen rücksichtslos auf Sieg spielen können und es auch tun.

Die Frankfurter Angriffszüge sprühen voller Ideen und Witz und ihre Kombinationen sind an Präzision vom Gegner nicht zu übertreffen. Der kämpft dafür umso beherzter und entfaltet auf diese Weise einen ungeheuren Druck. So kommt die Braunschweiger Führung nach einer knappen halben Stunde nicht von ungefähr. Über eine gelungene Kombination von Maas über Gerwien kommt das Leder zum emsigen Krafczyk, der Loy mit einem strammen Schuss aus 11 Metern Entfernung keine Abwehrmöglichkeit lässt.

Bei den Gästen weiß derweil besonders der linke Flügel mit den Technikern Huberts und Solz sowie der junge Friedrich zu gefallen, der sich mit dieser Leistung einen festen Platz in der von Schwartz trainierten Elf verdient haben sollte. Seine Leistung krönt der Frankfurter fast mit dem Halbzeitpfiff, als sein überraschender Schuss, den er hinter der Strafraumgrenze abfeuert, von Lechner abgefälscht wird und Horst Wolter im Tor der Braunschweiger das Nachsehen gibt.

Das 1:1 ist ein gerechtes Zwischenergebnis, denn es ist ein hervorragendes Spiel von beiden Mannschaften, wie Schalkes Trainer Fritz Langner, der mit seiner Truppe am Samstag in Hannover antreten muss und mit ihr zusammen als Zuschauer auf der Tribüne weilt, lobt: „Beeindruckt hat mich vor allem das hohe Tempo, obwohl für beide Mannschaften nichts mehr auf dem Spiel stand.“

Das Fehlen von Ulsaß macht sich übrigens auch im zweiten Durchgang kaum bemerkbar. Amateurnationalspieler Krause fügt sich gut ein, der Formanstieg von Rechtsaußen Klaus Gerwien ist unverkennbar und Krafczyk ist der überragende Stürmer auf dem Feld. Er glänzt nicht nur mit gefährlichen Schüssen, er arbeitet zudem mehr für seine Mannschaft, als man es für gewöhnlich von ihm gewohnt ist. Auch an der erneuten Führung der Niedersachsen ist er beteiligt. Nachdem sein Abschluss zu einer „Kerze“ missraten ist, erzielt Gerwien aus fünf Metern das 2:1.

Entschieden ist die Begegnung damit freilich nicht. Die Elf vom Main steckt nicht auf und hält weiter dagegen. Lediglich Rechtsaußen Jürgen Grabowski fällt ab, was nach seinem krankheitsbedingten siebenwöchigen Ausfall und dem zweiten Spiel innerhalb von vier Tagen niemand ernsthaft verwundern kann. Doch auch ohne Grabowski in Normalform kommen die Frankfurter zum verdienten Ausgleich. Drei Minuten vor dem Ende trifft Huberts mit einem Schuss aus der Drehung.

Als beide Mannschaften den Platz verlassen, spenden die Zuschauer begeistert Beifall. „Wem dieses Spiel nicht gefallen hat, dem ist nicht mehr zu helfen“, findet Braunschweigs Trainer Johannsen trotz des vierten Unentschieden seiner Elf hintereinander und neutrale, aber berufsmäßige Beobachter sprechen gar vom besten Saisonspiel während der laufenden Saison. Der „kicker“ versieht seine kurze Nachbetrachtung deswegen auch mit der Überschrift:

„Ein gutes Spiel“, findet Eintracht-Trainer Elek Schwartz ebenfalls, der sich artig vor dem Gegner verneigt: „Mein Kompliment den Braunschweigern, die gut, hart und fair spielen.“ Weiterhin vermisst Schwartz in den eigenen Reihen einen Stürmer, der der spielerischen Klasse seiner Mannschaft in geschossenen Toren Ausdruck verleiht: „Uns fehlt lediglich ein Tank im Sturm, der für Dampf sorgt.“


Epilog

Vier Tage nach dem Unentschieden gegen die Frankfurter treten die Braunschweiger beim Abstiegskandidaten in Neunkirchen an. Sie verlieren durch einen Strafstoß mit 0:1, weil Walter Schmidt im Strafraum ein Handspiel unterläuft. „Ich bin nach der Flanke gesprungen, dabei geschoben worden und habe deswegen den Ball an den Arm bekommen“, beteuert der Übeltäter.

Der schmächtige Wolf-Rüdiger Krause, dem das Durchsetzungsvermögen für die 1. Liga fehlt, kommt in dieser Saison nicht mehr zum Einsatz. Auch als die Braunschweiger ein Jahr später Deutscher Meister werden, kann er nur in zwei Spielen seinen Beitrag leisten. Er wechselt daraufhin zum VfL Wolfsburg. „Heute wird ganz anders trainiert, da würde man sich körperlich in die Lage versetzen, das aufzuholen“, meint Krause über 45 Jahre später: „Das war letzten Endes der Grund, warum ich irgendwann gesagt habe, ich muss jetzt versuchen den Beruf in den Vordergrund zu stellen. Und wenn das beides nebeneinander geht, wie es in Wolfsburg der Fall war, dann ist das genau das, was ich brauche.“

Neue Stürmer fordert Eintracht-Trainer Schwartz immer wieder und bekommt sie wenige Wochen später. Siegfried Bronnert, vom Regionalligisten FC St. Pauli, ist der gesuchte „Tank“ und mit dem Braunschweiger Dieter Krafczyk kommt einer, der gegen die Frankfurter gezeigt hat, dass er Tore schießen kann – gegen die Hessen. Denn bevor er für die Braunschweiger gegen die Hessen traf, hatte er schon am 25.4.1964 bei der 1:3-Niederlage des 1. FC Saarbrücken im Waldstadion für die Saarländer den Ausgleich erzielt.

Am Ende erfüllen sich die Hoffnungen von Schwartz nicht. Weder bei Bronnert, der zwar anfangs auf eine erstaunliche Torquote verweisen kann, dem auf Dauer aber die spielerischen Mittel für die 1. Liga fehlen, noch bei Krafczyk. Nachdem dieser für Saarbrücken in 28 Punktspielen 14 Bundesligatreffer und für Braunschweig immerhin noch 13 in 42 Erstligapartien geschossen hatte, kommt er in Frankfurt lediglich auf sieben Pflichtspiele, in denen ihm nur ein einziges Tor glückt … (rs)


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