Hamburger SV - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1966/1967 - 31. Spieltag

0:2 (0:0)

Termin: Sa 13.05.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter: Günther Baumgärtel (Hagen)
Tore: 0:1 Walter Bechtold (72.), 0:2 Walter Bechtold (86.)

 


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Hamburger SV Eintracht Frankfurt

  • Erhard Schwerin
  • Willi Schulz
  • Helmut Sandmann
  • Dieter Strauß
  • Egon Horst
  • Bernd Dörfel
  • Jürgen Kurbjuhn
  • Charly Dörfel
  • Hans Schulz
  • Peter Rohrschneider
  • Manfred Pohlschmidt

 


 

Trainer
  • Josef Schneider
Trainer

 

 

(K)eine Garbo

„Die Eintracht demonstriert überall höchste Fußballkunst und wird vom Beifall der Menschen in aller Welt überschüttet“, lobt Werner Bremser in seinem Artikel in der „Bild“ und zitiert Eintracht-Trainer Elek Schwartz: „Wer mit uns zaubern will, der wird verzaubert.“ Doch, so erinnert Bremser, es gibt eine „ganze Reihe von ‚ungeratenen‘ Vereinen, die gar nicht daran denken, zu zaubern“ und es – wie zuletzt die Nürnberger beim 4:1-Erfolg im Waldstadion – „mehr mit Härte und Sicherheit halten“. Und „von denen wendet sich die ‚Garbo‘ ab mit Grausen“, kommentiert Bremser, für den die Eintracht „die ‚Greta Garbo‘ des deutschen Fußballs ist: kapriziös, eitel, launisch, ausgestattet mit hohen künstlerischen Gaben.“

„Aber warten wir ab. Heute tritt die ‚Garbo‘ in Hamburg beim HSV auf. Wer weiß, vielleicht verwandelt sich die geniale Dame zur Abwechslung mal in einen ‚Ritter ohne Furcht und Tadel‘“, endet Bremsers Artikel: „Und wenn‘s ‚nur‘ zum Zwecke der Erringung der Deutschen Fußballmeisterschaft wäre.“ Neben einem Sieg in der Hansestadt wäre allerdings eine gleichzeitige Niederlage des Tabellenführers Braunschweig beim abstiegsgefährdeten KSC von Nöten, um nach Punkten mit dem Spitzenreiter gleichzuziehen.

Zudem hatte es die Eintracht in den zwei spielfreien Wochen seit der hohen Heim-Niederlage gegen die Nürnberger mit störenden Nebengeräuschen zu tun. So äußerte sich Wilhelm Huberts enttäuscht darüber, dass ihm die Eintracht die Freigabe zum Europameisterschaftsspiel der Auswahl Österreichs gegen die der Sowjetunion am 11.6. in Moskau verweigert hat. „Ich wundere mich nur, dass andere die Freigabe für ihre Nationalmannschaft erhalten. Ich hätte mich riesig gefreut, wenn ich in Moskau hätte dabei sein können“, sagte er und erinnerte daran: „Schon vor zwei Jahren erhielt mein Verband von der Eintracht eine Absage, als ich beim WM-Ausscheidungsspiel gegen die Ostzone bei Österreich spielen sollte.“ Die Eintracht jedoch zeigt sich unnachgiebig: „Wir brauchen Huberts bei den vielen Aufgaben, die uns bevorstehen!“ An dieser Stelle darf man allerdings kritisch nachfragen, ob es angesichts der Fülle und Schwere dieser Aufgaben in Meisterschaft, Intertoto-Runde sowie Alpen- und Messepokal sportlich sinnvoll war, in der pflichtspielfreien Zeit in die USA zu fliegen, um dort ein Freundschaftsspiel auszutragen …

Ärger gibt es zudem um Fahrudin Jusufi. Der hatte sich am 11. März nach dem Spiel der Eintracht beim MSV Duisburg für ein – dem Schiedsrichter verborgen gebliebenes – grobes Foul des Duisburgers Rühl revanchiert, indem er dem Kontrahenten einen Tritt verpasste. Die Eintracht forderte nach der Anklageerhebung in der ersten Verhandlung am 19. März vor dem DFB-Sportgericht Straffreiheit für Jusufi, da diesem aufgrund des großen Schmerzes nach dem Foul von Rühl eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zugutegehalten werden müsse. Zur Frage dieser Zurechnungsfähigkeit wurde daraufhin das ärztliche Gutachten von Professor Dr. Schoberth, dem Arzt der DFB-Auswahl bei der WM in England, eingeholt. Schoberth kommt darin zu der Auffassung, dass Jusufi zwar der Paragraf 51/2 zugebilligt werden könne, diese Feststellung jedoch die Möglichkeit einer kontrollierten Affekthandlung nicht ausschließe. Das Sportgericht wertete die Einlassungen Schoberths als strafmildernd und verzichtete auf die Mindeststrafe wegen Tätlichkeit, die eine Sperre von zwei Monaten nach sich gezogen hätte. Doch auch mit der Sperre von vier Wochen, die Jusufi vom 14. Mai bis 13. Juni verbüßen soll, gibt sich die Eintracht nicht zufrieden. Sie legt gegen das Urteil Berufung ein und zieht vor das DFB-Bundesgericht.

Derweil ist Jusufi privat ebenfalls angeeckt, als er in seinem Auto den Vorwärts- mit dem Rückwärtsgang verwechselte und auf das hinter ihm platzierte Fahrzeug auffuhr. Doch dieses Malheur nimmt er gelassen: „Eine kleine Karambolage“, sagt er und meint: „Schlimmer ist, wenn ich im Spiel in Hamburg den Ball nicht vorwärts spiele, sondern rückwärts ins eigene Tor.“

Das würde den Hanseaten gerade recht kommen, denn die erleben einen Absturz sondergleichen. Der HSV, nach dem 16. Spieltag noch Tabellenführer, hat in der Rückrunde lediglich gegen den KSC gewinnen können und das mit 1:0 auch nur denkbar knapp. Acht Punktspielniederlagen hat es in diesem Jahr für den HSV bereits gesetzt, davon fünf in den letzten sieben Punktspielen. Kurz: Die Hamburger sind die schlechteste Mannschaft dieser Rückrunde. Positiv ist allein der Einzug in das Finale des DFB-Pokals, das vor einer Woche mit dem 3:1-Heimsieg gegen den Regionalligisten Alemannia Aachen erreicht werden konnte.

Haben sich für diese Begegnung noch 34.000 Zuschauer interessiert, finden heute weniger als die Hälfte den Weg ins Volksparkstadion. Dort hat Trainer Josef Schneider die Elf gegenüber dem Pokalspiel verändert, indem er Hans Schulz anstelle von Reinhard Löffler in die Mannschaft genommen hat. Sein Frankfurter Kollege Schwartz tauscht im Vergleich zum letzten Pflichtspiel ebenfalls einen Akteur aus: Istvan Sztani, der sich beim Auftritt der Hessen in Washington gegen Cruzeiro Belo Horizonte zwar eine Knöchel-Blessur zugezogen hat, aber spielerisch zu überzeugen wusste, kommt zu seinem zweiten Punktspieleinsatz in dieser Saison. Sztani ersetzt den verletzten Jürgen Friedrich, der der stärkste Eintrachtler bei der 1:4-Heimniederlage gegen Nürnberg war.


Kunter

Nach dem Anpfiff machen sich die Gastgeber daran, das umzusetzen, was ihnen Sportdirektor Georg Knöpfle ins Pflichtenheft geschrieben hat: „Sonst haben wir uns immer dem Gegner angepasst. Heute wollen wir mal unser Spiel machen.“ Aus einer geordneten und stabilen Abwehr trägt der HSV über gefällige Kombinationen im Mittelfeld den Ball in die Spitze, wo mit Peter Rohrschneider sowie den Gebrüdern Dörfel schnelle und spritzige Stürmer warten. Gert „Charly“ Dörfel ist es auch, der in der 17. Minute Kunter zu einer Glanzparade zwingt. Der Schlussmann der Eintracht stößt blitzschnell zu Boden und meistert den Flachschuss des besten Hamburger Angreifers. Der taucht keine 60 Sekunden später erneut gefährlich im Frankfurter Strafraum auf, kommt dabei jedoch zu Fall.

Dem Sturm der Hessen fehlt bei allen technischen Fertigkeiten der Einzelkönner wie Grabowski, Huberts und Solz diese Wucht und Durchschlagskraft des Gegners. Kompensieren können die Gäste diese Schwäche durch die Recken aus den hinteren Reihen. Blusch entscheidet den Zweikampf mit Manfred Pohlschmidt für sich und Schämer muss Bernd Dörfel zwar bisweilen ziehen lassen, doch nie lässt er zu, dass sich der Hamburger entscheidend in Szene setzen kann. Die größten Probleme mit seinem Gegenspieler hat Jusufi, der mit „Charly Dörfel allerdings auch dem überragenden Akteur des HSV Paroli bieten soll. Das gelingt Jusufi mithilfe seiner Nebenleute, die ihn im Kampf gegen Dörfel unterstützen, und vor allem Dingen mit seinem eigenen Offensivdrang, der belegt, dass Angriff zuweilen wirklich die beste Verteidigung ist: Mit seinen Ausflügen in die gegnerische Hälfte zwingt Jusufi seinen Gegner immer wieder bis an den Strafraum des HSV zurück. Es ist ein spannendes Duell, das sich die beiden großartigen Spieler hier liefern.

Zur Halbzeit sind hüben wie drüben keine Tore gefallen, doch die Stimmung in den beiden Lagern ist angesichts des Spielverlaufs alles andere als unentschieden: „Ich bin gar nicht zufrieden“, schimpft Schwartz, den man seine Verärgerung ansieht. „Es läuft bei uns!“, freut sich dagegen der verletzte Uwe Seeler auf der Tribüne. „Spielerisch ist das ja ganz schön. Fein anzuschauen“, meint er zum Gegner: „Nur leider fehlt der Eintracht der Druck.“ Willi Schulz aber mahnt: „Die kommen noch!“


Jusufi gegen Dörfel

Erst einmal kommen gleich nach Wiederanpfiff die Hamburger, doch Pohlschmidt hat so wenig Glück wie seine Kameraden vor ihm. Von den Hessen ist weiterhin nichts zu sehen und man fragt sich, ob die Elf nicht bereits hier und heute ihrem übervollen Programm an Spielen Tribut zollen muss? Nach 65 Minuten tauchen die Gäste endlich einmal im gegnerischen Strafraum auf, doch dabei hat Solz den Ball regelwidrig mit der Hand gestoppt. Der HSV bleibt der Führung näher: Kurbjuhn, dessen lange Pässe im Spielaufbau nicht nach jedermanns Geschmack sind, verpasst in der 69. Minute aber auch diese Gelegenheit.

Mit weiten Pässen versucht es im zweiten Durchgang die Eintracht gleichfalls. Bisher ist es ihr jedoch nicht gelungen, damit den Abwehrblock des HSV aus den Angeln zu heben. Dazu bedarf es der Unterstützung eines Gegners und diese liefert nach 72 Minuten Torhüter Schwerin unfreiwillig: Der Schlussmann kann – behindert von einem Gegenspieler – einen Freistoß von Huberts nicht festhalten und Bechtold sich daher die Torecke aussuchen.

Nach dem 0:1 fällt der HSV entweder seinem Anfangstempo zum Opfer oder es fehlt der Elf nach den vielen vergebenen Chancen schlicht der Glaube an sich selbst. Und so gelingt es den Gastgebern nicht mehr, das Steuer noch einmal herumzureißen. Fünf Minuten vor dem Ende kommt Hans Schulz noch einmal zu einer Möglichkeit, die jedoch wie alle anderen zuvor vom HSV verpasst wird.

Es sind noch drei Minuten zu spielen und die Hamburger haben lediglich noch acht Feldspieler auf dem Platz: Bernd Dörfel ist bereits verletzt außerhalb des Rasens, als auch Willi Schulz zur Behandlung hinter die Linie gebracht wird. Die Eintracht kontert und Bechtold bleibt dabei für seine 19 Jahre erstaunlich kaltschnäuzig. Im Strafraum macht er Hans Schulz glauben, er wolle rechts an diesem vorbei gehen, schlägt jedoch dann einen Haken, an dessen Ende der Verteidiger auf dem Hosenboden sitzt, während Bechtold dem Torwart entgegen eilt. Und auch Schwerin spielt der junge Stürmer mit großer Nervenstärke aus, bevor er zum entscheidenden 0:2 einschießt.

HSV-Trainer Josef Schneider beklagt nach dem Schlusspfiff zum einen das Schusspech, zum anderen jedoch den Umgang seiner Elf mit ihren Chancen. Vorwürfe macht er seinen Spielern zudem wegen ihres Auftretens nach dem Rückstand: „Selbst nach dem 0:1 war aber nichts verloren, wenn konzentriert und zielbewusst weitergespielt worden wäre.“ Dann knöpft er sich einen seiner Schützlinge besonders vor: „Bernd Dörfel muss ich den Vorwurf machen, zu wenig Mannschaftsspieler zu sein. Er läuft eineinhalb Stunden auf dem Platz herum, zeigt einige schöne Einzelleistungen, aber insgesamt kommt nichts dabei heraus!“ Bernds Bruder, Kapitän „Charly“ Dörfel, will unterdessen des Trainers Schelte gegen die Offensive so nicht gelten lassen: „Wir haben vorn bestimmt einige Möglichkeiten nicht ausgenutzt, aber uns Stürmern hat es auch niemand so leicht gemacht, wie unsere Abwehr den Frankfurtern beim ersten Tor.“

„Mit diesem Spiel haben wir wohl bewiesen, dass wir keine Sphinx sind und dass wir nicht so launisch wie Greta Garbo sind“, triumphiert derweil Eintracht-Trainer Schwartz: „Wir hatten die bessere Kondition und mussten deshalb gewinnen.“ Schwartz räumt jedoch gleichfalls ein: „Wir hatten nicht unseren besten Tag und haben in der ersten Hälfte sogar bescheiden gespielt.“ „Die Kraft wird reichen“, glaubt er angesichts der vielen noch ausstehenden Spiele, „aber ich fürchte die Verletzungen, von denen es nun schon einige gegeben hat.“ Immerhin stellt sich die Armverletzung, die Jusufi heute erlitten hat, als nicht schwerwiegend heraus.

„Ich bin kein ‚Superoptimist‘, weil wir noch Auswärtsspiele bei 1860 und vorher in Bremen haben, und auch Dortmund in Frankfurt ein schwerer Gegner ist“, fährt der erfahrene Trainer angesichts der unerwarteten 0:3-Niederlage des Spitzenreiters aus Braunschweig fort, „doch wenn wir uns nach einer guten Leistung nicht zum Schluss noch einmal die Finger verbrennen, dann haben wir eine Chance in der deutschen Meisterschaft.“ „Wir sind alle sehr müde“, gibt derweil Kapitän Lindner zu: „Es war eine harte Saison, und niemand bei uns mag so recht an eine echte Titelchance glauben, aber nach diesem Spieltag lohnt es sich doch noch, alles zu geben.“

Die Eintracht denkt im Übrigen bereits über die laufende Runde hinaus und hat die auslaufenden Verträge mit Bechtold, Grabowski, Kunter, Lotz, Schämer und Wirth um je zwei Jahre verlängert. Loy und Höfer werden aus dem Lizenzspieleraufgebot ausscheiden, doch ein Neuzugang steht auch schon fest: Vom VfL Wolfsburg wird Horst-Dieter Bellut an den Riederwald kommen. „Ich freue mich schon auf Frankfurt“, sagt der Mittelstürmer. (rs)

 

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