Eintracht Braunschweig - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 10. Spieltag

-:- (3:0)

(Das Spiel wurde wegen Nebels zur Halbzeit abgebrochen und am 28.11.1972 wiederholt.)

Termin: 31.10.1972
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Hilker (Bochum)
Tore: 1:0 Merkhoffer (20.), 2:0 Michaelsen (32.), 3:0 Erler (38.)

 

 

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Eintracht Braunschweig Eintracht Frankfurt

  • Franke
  • Grzyb
  • Bäse
  • Kaack
  • Merkhoffer
  • Hellfritz
  • Haun
  • Michaelsen
  • Gerwien
  • Gersdorff
  • Erler

 


 

Wechsel
  • Konschal für Gerwien (37.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

 

Nebel und dicke Luft

Die Auswärtsbilanz der Eintracht ist seit mehr als zwei Spielzeiten erschreckend. Für 70/71 und 71/72 stehen nur je zwei Auswärtssiege auf der Habenseite. Und auch in dieser Saison verhindert die chronische Auswärtsschwäche eine bessere Platzierung, obwohl sich Spielführer Grabowski sicher ist: "Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir eine stärkere Mannschaft haben als in der letzten (Spielzeit) und wir auch eine gute Rolle spielen können."

Sieht man sich die Erfolge wie gegen den bis dahin ungeschlagenen Spitzenreiter Bayern München an, ist man versucht, Grabowski zuzustimmen, obwohl man bereits in der letzten Saison den damals ebenfalls ungeschlagenen Bayern eine Niederlage beigebracht hat. Betrachtet man allerdings die nachfolgende Niederlage am 8. Spieltag dieser Saison beim Tabellenletzten in Oberhausen, kommen doch leichte Zweifel am Leistungsvermögen der Eintracht auf fremden Plätzen auf.

"Es ist wie verhext mit dieser schwarzen Serie. Einmal muss das verdammte Pech doch vorbei sein. Wir sind keine Mannschaft, die mauern kann. Wir versuchen meist, auch auswärts mitzuspielen. Das aber ging bisher meist ins Auge. Das ist in jedem Spiel fast das Gleiche. Wir beginnen gut, wir spielen gut – ich möchte das ohne Übertreibung behaupten –, aber wir bleiben zu oft erfolglos. Und dann kommt das schleichende Gift. Es befällt fast jeden von uns. Dieses ‚jetzt schießt sicherlich bald der Gegner wieder ein Tor und alles Bemühen war umsonst’", ist Grabowski der Widerspruch zwischen der Heim- und der Auswärts-Eintracht bewusst. "Wo ständen wir, wenn uns die Siege in Hannover und Offenbach nicht noch entglitten wären? Genau da, wo ich es anfangs der Saison, als ich mir unseren Terminplan ansah, eigentlich erhofft hatte", so Grabowski weiter. "Wir wissen es ja aus eigener Erfahrung, dass eine Mannschaft daheim plötzlich noch einmal den großen Ruck nach vorn bekommt. Dass dann Tore fallen, mit denen keiner mehr rechnete. Und eben darum haben wir einige Spiele verloren, die wir nicht hätten verlieren müssen. Ich bin sicher, dass uns irgendwann auswärts ein Sieg gelingt, wenn niemand es wahrscheinlich erwartet. Ist der Bann erst einmal gebrochen, kann er auch öfter gebrochen werden."

Gebrochen werden soll dieser Bann möglichst schnell, am Besten bereits beim Namensvetter in Braunschweig. Die Niedersachsen sind mit drei Niederlagen in Folge in die Saison gestartet und waren bisher zu Hause alles andere als eine Macht. Am letzten Spieltag gelang dem Tabellen-15. allerdings ein 1:0-Sieg bei den Schalkern, die von den im Zusammenhang mit dem Bundesligabestechungsskandal verhängten Sperren gegen eine Reihe ihrer Stammspieler arg gebeutelt sind.

Bei der Eintracht, bei der erstmals in der Bundesliga Wienhold anstelle von Dr. Kunter im Tor steht, fehlt Körbel verletzt. "Heese wird einspringen", sagt Trainer Ribbeck und ist vor dem Spiel noch zum Scherzen aufgelegt: "Wenn Braunschweig 3:0 führt, kann ruhig Nebel kommen. Dann wird das Spiel abgebrochen." Eintracht Braunschweigs Präsident Ernst Fricke hat auch das bedacht und sicherheitshalber acht Stunden vor dem Spielbeginn angeordnet: "Holt Brennmaterial, damit wir den Nebel vertreiben können." 15 Zentner Stroh für 350 Mark wurden daraufhin besorgt und ins Stadion gebracht.

Tatsächlich liegt leichter Nebel über dem Spielfeld, als Schiedsrichter Hilker die Partie anpfeift. Es liegt jedoch bestimmt nicht an den Schwaden, dass der Braunschweiger Deckung zu Beginn der Durchblick fehlt und sie einige Schwächen offenbart. Haun ist gegen Grabowski in den ersten Minuten klar unterlegen, und Parits gibt seinem Gegenspieler Kaack immer wieder das Nachsehen. Als auch Bäse Unsicherheiten zeigt, stellt Trainer Otto Knefler kurz entschlossen seine Abwehr um.

Der energische Außenverteidiger Grzyb kümmert sich nun um den ohnehin meist auf den linken Flügel ausweichenden Parits, Merkhoffer nimmt sich der Bewachung des jungen Hofmeister an und Kaack übernimmt dafür den quirligen Bernd Hölzenbein. Ein gelungener Schachzug, der dem Frankfurter Sturm zur Wirkungslosigkeit verurteilt. Auch um das Frankfurter Mittelfeld ist es nicht gut bestellt, weil Hellfritz Bernd Nickel neutralisiert und sich Michaelsen im Duell gegen Weidle durchsetzt.

Die Hoffnungen der Frankfurter auf einen Auswärtserfolg erleiden nach 20 Minuten denn auch den ersten herben Dämpfer: Franz Merkhoffer trifft zur Führung für die Gastgeber. Damit nicht genug: In der 32. Minute ist Michaelsen per Kopf zum zweiten Mal für die Niedersachsen erfolgreich. Getrübt wird die Freude bei den Braunschweigern bis dato lediglich durch den verletzungsbedingten Ausfall von Klaus Gerwien in 37. Minute.

Doch nur 60 Sekunden später hat die heimische Eintracht schon wieder Grund zum Jubeln: Erler erzielt nach Zuspiel von Gersdorff das 3:0 für Braunschweig. Allerdings hängt über dem klaren Heimsieg ein Damoklesschwert: der immer dichter werdende Nebel. Braunschweigs dritter Streich ist bereits nicht mehr von allen Plätzen im Stadion erkennbar. Immer dichter werden die grauen undurchsichtigen Schwaden, die der Wind ins Stadion treibt. Rund um das Spielfeld lodern nun die ersten Strohballen, doch so rasch wie Streichhölzer verlöschen sie wieder. Ein Spielabbruch droht.


Strohfeuer hinter dem Frankfurter Tor

Kaum sind die Spieler zur Pause in den Kabinen verschwunden, kehrt Schiedsrichter Hilker auf das Spielfeld zurück: "Wenn es nicht besser wird, können wir nicht weitermachen." Hilkers Linienrichter machen einen Test mit Fahnen aus leuchtend gelbem Stoff, aber in der Braunschweiger Waschküche leuchtet nichts mehr. Die verzweifelten Gastgeber bitten den Schiedsrichter nichts zu überstürzen und der kommt den Braunschweigern entgegen – er verlängert die Halbzeitpause: "Wir warten jetzt noch 15 Minuten."

Die Braunschweiger versuchen weiterhin, den Nebel zu vertreiben. Einige Zuschauer stecken sogar ihre Programmhefte in Brand und das Flutlicht wird abgeschaltet - ohne Erfolg. Noch einmal gewährt der Unparteiische den Braunschweigern einen Aufschub von 15 Minuten. Vereinspräsident Fricke ruft daraufhin die Feuerwehr an. "Da kann man nur mit einem Flächenbrand etwas ausrichten", antwortet diese. "Wir aber haben keine Ölwannen, mit denen wir eine gleichzeitige Grundwasser-Verschmutzung verhindern könnten."

Bis 21.35 Uhr hat Hilker die Frist gesetzt, danach muss ein Spiel unter regulären Bedingungen möglich sein oder er bricht die Begegnung ab. Eintracht-Trainer Erich Ribbeck hofft, dass der Nebel mit den Hessen im Bunde bleibt und zählt die Minuten. Die Anspannung zeichnet sich förmlich im Gesicht des Trainers ab. Die Braunschweiger unternehmen einen letzten Versuch und schaffen von einer nahe gelegenen Tankstelle Ölfässer heran, die die wirkungslosen Strohballen ersetzen sollen. Vergebens und zu spät. Der Nebel breitet sich weiter aus und dem Schiedsrichter bleibt keine Wahl mehr: "Der Nebel ist zu stark. Ich muss abbrechen." Heute sind die Frankfurter noch einmal davon gekommen. Das abgebrochene Spiel wird am 28. November wiederholt.

"Mir bleibt aber auch nichts erspart", klagt Präsident Fricke, "da führen wir schon mal zur Pause 3:0, und dann muss das Spiel abgebrochen werden." Die Maßnahme, schon fünf Stunden vor dem Anstoß am noch hellen Nachmittag im Braunschweiger Stadion das Flutlicht anzuschalten, hat nichts gebracht: "Vielleicht war das sogar falsch", zweifelt Fricke nun.

"So ein Mist", schimpft Trainer Otto Knefler, "da spielen wir die in Grund und Boden, und dann so etwas … Und wir hätten natürlich an diesem Tag gewonnen." Frankfurts Trainer Ribbeck dagegen freut sich: "Jetzt haben wir zum ersten Mal in dieser Saison auswärts Glück gehabt." Warum die Eintracht jedoch nicht niedergekämpft werden musste, sondern von Braunschweig ausgespielt werden konnte, bleibt bei einer spielstarken Elf wie den Frankfurtern ein Rätsel. Jürgen Grabowski startet einen Erklärungsversuch: "Die Niederlage gegen Oberhausen unmittelbar nach dem Bayern-Spiel hat bei uns einen Knacks verursacht. Dieser Punktverlust war nicht eingeplant und hat deshalb doppelte Wirkung auf uns gehabt."

Ähnlich negativ wie das Oberhausen-Spiel auf seine Mannschaft wirkt bei Erich Ribbeck eine Äußerung seines Spielers Gert Trinklein: "Er hat zu mir gesagt: Trainer, ich will mich nicht quälen, ich kann nur Libero spielen. Bei so einer Einstellung setzt es bei mir irgendwo aus." Doch beim als "Geheimfavoriten" auf den Titel in die Saison gestarteten Bundesligisten herrscht auch sonst dicke Luft, weil die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt werden können und die Eintracht sich im Mittelfeld der Liga wiederfindet. "Eine Enttäuschung! Und nun brodelt und gärt es in Frankfurt", schreibt die "Bild" und sorgt dafür, dass es mit dem Brodeln und Gären weitergeht: "Plötzlich hörte man in Frankfurt alle möglichen Gerüchte über die Gründe der Misere. Die Spieler hätten gefeiert, sie lebten nicht solide, Trainer Ribbeck nehme sie zu hart ran, er finde nicht die richtige Aufstellung, die halbe Mannschaft wolle weglaufen …" "Ich rätsele ja auch an manchem herum", lässt das Boulevardblatt den Eintrachttrainer zu Wort kommen: "Verschiedenes wurde mir zu getragen. Aber ich kann das ja nicht ernst nehmen, solange nur geredet wird und keiner mit Beweisen kommt. Solange ein Spieler mir glaubhaft versichert, dass er abends hübsch brav und nüchtern im Bett geht, muss ich mich doch vor ihn stellen und die Gerüchteerzähler zurückweisen."

Nicht alle Spieler glauben diese Rückendeckung des Trainers zu genießen. Trinklein, dessen Lebenswandel nun aber alles andere als ein Gerücht ist, beklagt sich laut "Bild" öffentlich: "Der Trainer hat was gegen mich." Wenig verwunderlich, dass das Präsidium der Eintracht beschlossen hat, Trinklein bei entsprechender Ablösesumme ziehen zu lassen. Diese Entscheidung führte allerdings tatsächlich zu neuen internen Verstimmungen, weil sich der der Verantwortliche für die Lizenzspielerabteilung Ernst Berger übergangen fühlt. "Herr Berger war an diesem Tag nicht zu erreichen", verteidigt sich Präsident Zellekens, um halbherzig darauf hinzuweisen: "Finanzielle Dinge sind aber eigentlich auch nur vom Präsidium zu entscheiden."

Doch auch Bernd Hölzenbein, dem der Trainer für die Niederlage in Oberhausen eine große Mitschuld vorgeworfen hat und nachträgt, ist unzufrieden und hegt angeblich Abwanderungsgedanken. Bislang verließ Hölzenbein aber lediglich am vergangenen Freitag verärgert das Trainingslager, als er hörte, dass er nicht von Anfang an spielen sollte. "Ich wollte ein Vorstandsmitglied sprechen, well ich mich ungerecht behandelt fühlte", erklärt Hölzenbein. Das Gespräch kam zustande, ein weiteres mit Ribbeck. "Wir sind wieder zusammengekommen", berichtet der Eintrachtspieler. "Ich habe eingesehen, dass er seine Autorität wahren muss, und er wohl, dass ich vielleicht nicht gut spielte, aber dass es kein schlechter Wille war."

Einen Tag später, am 2. November, gibt Albert Zellekens in Sachen Hölzenbein Entwarnung. "Hölzenbein hat soeben seine Einwilligung erklärt, für weitere zwei Jahre zu unterschreiben und eine nachfolgende Option für weitere zwei Jahre einzugehen", verkündet Präsident Albert Zellekens auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz im "Frankfurter Hof", in der es darum geht, zu den in den letzten Tagen veröffentlichten Pressestimmen und den umlaufenden Gerüchten rund um die Lizenzspielermannschaft des Vereins Stellung zu nehmen. Vorher haben die Spieler durch ihre selbst gewählten Sprecher Jürgen Grabowski, Friedel Lutz, Thomas Rohrbach und Thomas Parits vor dem Präsidium schon Einigkeit demonstriert: "Es gibt keine Gruppen oder Grüppchen in der Mannschaft und keine Fronten gegen Trainer Ribbeck." "Es herrscht keine Zwietracht bei der Eintracht, das ergab unser Gespräch mit der Mannschaft", erklärt der Präsident also den Journalisten.

Im Fall von Horst Heese gibt es nichts Neues. Des Spielers Wechselpläne in die Schweiz sind zwar geplatzt, aber Heese will immer noch weg. "Wenn es nach mir geht, muss er bleiben", bekräftigt Ernst Berger, der Betreuer der Lizenzspielermannschaft, seine Position. "Ich würde auch Trinklein halten", fügt Kapitän Grabowski hinzu. Albert Zellekens begründet derweil den Beschluss des Präsidiums, Gert Trinklein auf die Transferliste zu setzen. "Es lag an dem Verhalten des Spielers Trinklein selbst, dass wir zu dem einstimmigen Beschluss kamen, ihn auf die Liste zu setzen." Über Horst Heese aber sei noch keine Entscheidung gefallen. Es besteht aber kein Zweifel, dass im nächsten Monat noch einmal darüber gesprochen werden muss, ob der Spielerkader verkleinert werden soll. Die Finanzdecke des Vereins ist knapp.

Entgegen aller öffentlichen Beteuerungen ist außerdem offensichtlich, dass es zwischen Albert Zellekens und Ernst Berger Differenzen und Streit um Kompetenzen gibt. "Dass man Heese und Trinklein auf die Transferliste setzen will, habe ich aus der Zeitung erfahren", ist Berger weiterhin verärgert. Die Absprache des Vorjahres, "Berger hat Sitz und Stimme im Präsidium", wird nun von Zellekens eingeschränkt: "Ernst Berger kann nicht als Verwaltungsratsmitglied Kontrollfunktion haben und gleichzeitig im Präsidium mitentscheiden. Wir haben ihn bisher immer gehört, wenn es um Lizenzspielerfragen ging, aber im Fall Trinklein war eine schnelle Entscheidung erforderlich." Zellekens bietet aber für die Zukunft eine Kompromisslösung an: "Wenn Ernst Berger bereit ist, den Posten eines Lizenzspielerobmannes zu übernehmen, will ich mich auf der nächsten Hauptversammlung dafür einsetzen, ihn zu schaffen. Dann muss Ernst Berger aber aus dem Verwaltungsrat ausscheiden." Der Nebel in Braunschweig ist längst verzogen, aber die dicke Luft bei der Eintracht hat einstweilen Bestand. (rs)

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