Eintracht Frankfurt - Hannover 96

Bundesliga 1972/1973 - 19. Spieltag

2:0 (0:0)

Termin: Fr 13.04.1973, 20:00 Uhr
Zuschauer: 5.000
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 1:0 Uwe Kliemann (56.), 2:0 Jürgen Grabowski (78.)

 


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Eintracht Frankfurt Hannover 96

 


  • Franz-Josef Pauly
  • Rainer Stiller
  • Jürgen Bandura
  • Peter Anders
  • Hans-Josef Hellingrath
  • Willi Reimann
  • Peter Rühmkorb
  • Roland Stegmayer
  • Ludwig Denz
  • Hans Siemensmeyer
  • Rolf Kaemmer

 

Wechsel Wechsel
  • Karl-Heinz Mrosko für Hans Siemensmeyer (46.)
Trainer Trainer
  • Hannes Baldauf  

 

 

Ein Berliner bricht den Beton

Im Nachholspiel gegen Hannover 96 muss die Eintracht auf ihren routinierten Stammtorhüter Dr. Kunter verzichten. Dr. Kunter hat sich im Abschlusstraining eine Oberschenkelzerrung zugezogen, die ihn für mindestens 14 Tage zum Zuschauer machen wird. Günter Wienhold, der zu Saisonbeginn zu den Hessen wechselte, erhält so seine erste Bewährungschance in der Bundesliga.

Trainer Ribbeck nimmt darüber hinaus noch weitere Änderungen an der Mannschaftsaufstellung vor: Für Thomas Rohrbach spielt heute "Kalla" Wirth Außenverteidiger und für den erfolglosen Stürmer Krauth steht Bernd Nickel in der Anfangself. "Wenn Hannover so defensiv spielt wie zum Beispiel Oberhausen, dann wird das für uns sehr schwer", fürchtet Ribbeck vor dem Anpfiff.

Schon nach wenigen Minuten sieht Ribbeck seine Befürchtungen bestätigt und den - trotz ermäßigter Eintrittspreise auf der Gegentribüne - nur 5.000 Zuschauern wird klar, dass sie sich am heutigen Freitagabend auf alles andere als ein Fußballfest gefasst machen dürfen. Aus Hannover sind 10 biedere Maurermeister angereist, die alle Igelliebhaber zu sein scheinen – jedenfalls lässt die taktische Ausrichtung dies vermuten.

Vor dem Kasten von Schlussmann Pauly rühren fast alle Feldspieler der Niedersachsen ab Anpfiff von Schiedsrichter Weyland so fleißig und unaufhörlich Beton an, als würden sie im Akkord arbeiten. Die Eintrachtfans, die in der Umbauphase des Waldstadions zur WM 74 in dieser Saison wahrlich genug Beton gesehen haben, fragen sich, was das unappetitliche Zeug nun auch noch auf ihren schönen grünen Rasen zu suchen hat ...

Immerhin kommt die Eintracht in der Anfangsphase zu einer guten Möglichkeit durch Grabowski, doch Hannovers Torhüter Pauly rettet mit einer sehenswerten Parade seiner Elf in der 6. Minute das Unentschieden. 180 Sekunden später liegt der Ball dann im Netz, doch Hölzenbeins Treffer bleibt die Anerkennung wegen einer Abseitsstellung des Schützen zu Recht verwehrt.

Bei allen optischen Vorteilen schießt die Eintracht zu wenig aus der zweiten Reihe. Außerdem scheinen die Spieler immer wieder ihren Kapitän zu suchen, was Grabowskis Bewacher Stiller die Arbeit zwar schwerer, aber die so leicht durchschaubaren Angriffe der Eintracht auch nicht schneller macht. Das Spiel auf ein Tor wird nur selten durch gelegentliche Gegenstöße der Gäste unterbrochen. In der 27. Minute steht allerdings Reimann bei einem dieser Angriffe frei vor Wienhold, verstolpert den Ball aber im letzten Moment.

Der Amateur-Nationaltorhüter Wienhold hat sich den Spielverlauf wohl anders erhofft. Da die Hannoveraner aufgrund ihrer arg defensiven Spielweise nicht zu nennenswerten Torchancen kommen, bekommt der junge Keeper keine Gelegenheit sich auszuzeichnen. In den wenigen Aktionen, bei denen Wienhold gefordert ist, strahlt er allerdings Ruhe und Gelassenheit aus. Vielleicht wird sich ja diese Partie für ihn als der ideale Auftakt zur viel schwereren Begegnung im Halbfinalrückspiel des Ligapokals gegen Gladbach am Ostersonntag erweisen, wenn es gilt, den 1:3-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen.

Minute um Minute verrinnt, aber es bleibt dabei: Von Hannover ist bis auf die überdimensionale Betonmischmaschine vor dem eigenen Gehäuse nichts zu sehen. Sicher, Wirth und Reichel spielen einen abgeklärten Part als Außenverteidiger und blockieren erfolgreich die Flügel. Außerdem haben die Gästestürmer Probleme: Der mit 11 Treffern torgefährlichste 96er Willi Reimann spielt trotz einer Erkrankung und Hans Siemensmeyer muss zur Halbzeit wegen einer Verletzung das Feld für Mrosko räumen. Aber eine befriedigende Antwort ist das nicht, auf die Frage, warum die Niedersachen einen Fußball zum Abgewöhnen spielen. Dem Sturm der Gäste fehlt aber auch die Unterstützung aus dem Mittelfeld. Dort sind Denz und Rühmkorb bereits mit der Bewachung ihrer Gegenspieler ausreichend beschäftigt, um der eigenen Offensive Impulse zu geben reichen weder Zeit noch Raum.

Die Überlegenheit der Eintracht ist erdrückend, 10:1 Ecken stehen nach dem ersten Durchgang zu Buche, aber das Spiel steht immer noch 0:0. Den Gästen kommt entgegen, dass mit Grabowski, Hölzenbein und Nickel drei entscheidende Stammkräfte der Eintracht über Wochen verletzt ausgefallen und natürlich form- und kräftemäßig noch nicht wieder auf der Höhe sind. Hölzenbein baut deswegen auch in der zweiten Halbzeit etwas ab, während Nickel noch längst nicht wieder der Offensivspieler vergangener Tage ist. Jürgen Grabowski gelingt es dagegen bereits wieder seine bekannte Klasse aufblitzen zu lassen. Das ist auch bitter notwendig, weil sein Sturmpartner Thomas Parits – wie so oft in dieser Saison – kein Bein auf die Erde bringt.

So dauert es 56 Minuten bis die Eintracht ein Mittel findet, den Betonriegel der 96er zu knacken. Das Mittel ist nicht neu, ist des Frankfurter Publikums Liebling, kommt aus Berlin und hört auf den Namen Uwe Kliemann. Immer wieder hat sich der Hüne bei Eck- und Freistößen in den Angriff eingeschaltet, bislang aber erfolglos. Nun erreicht ihn eine Flanke von Grabowski maßgerecht und der Vorstopper der Eintracht erzielt das erlösende 1:0. Nicht unbeschadet hat Torhüter Pauly den Treffer überstanden, der angeschlagene Keeper beißt aber auf die Zähne und bleibt im Spiel.

Mit dem Beton der Gäste bricht auch das Eis auf den spärlich besuchten Rängen. Auf dem Platz müssen sich die Niedersachsen nun endlich umstellen. Die Gegend hinter der eigenen Mittellinie dürfte ihnen allerdings etwas fremd vorkommen, weil sie diese nach dem bisherigen Spielverlauf nur vom Hörensagen kennen können. Torchancen können sich die Hannoveraner denn auch nicht erspielen, während die Gastgeber den neu gewonnenen Raum zu nutzen wissen. Zwei Minuten nachdem Kraus für den erschöpften Nickel gekommen ist, nutzt Jürgen Grabowski eine der nun häufigeren Einschussmöglichkeiten zum 2:0. Im Stile Gerd Müllers dreht sich der Kapitän zweimal geschickt um die eigene Achse, ehe er freie Schussbahn hat und den Angriff erfolgreich abschließt. Nach 78 Minuten ist diese Partie entschieden. Es bleibt auch bis zum Ende bei diesem Spielstand, mit dem die Gäste noch glimpflich davon gekommen.

Dieser Sieg bringt die Eintracht um einen Platz nach vorne, man steht nun auf Rang 10. Hannover bleibt 12. "Das war unsere schwächste Auswärtsleistung unter meiner Regie", ist Hannovers Trainer Baldauf betrübt, kann sich aber auch eine kritische Anmerkung in Richtung des DFB nicht verkneifen: "Nichts gegen die Leistung des Schiedsrichters, aber ich finde es merkwürdig einen Mann aus Oberhausen anzusetzen." Manager Kleemann macht sich dagegen bereits Gedanken um die nächste Zukunft: "Wir müssen in 14 Tagen unbedingt die Bayern schlagen – sonst …"

Der zur Beobachtung anwesende Trainer Lattek lässt sich von den 15:4 Ecken für die Eintracht nicht beeindrucken: "Die Frankfurter machten zu wenig Dampf, Nickel spielte nur den Stehgeiger im Mittelfeld." Das sieht sein Kollege und Freund Erich Ribbeck allerdings etwas anders: "Seit Grabowski, Hölzenbein und Nickel wieder dabei sind, geht es bei uns aufwärts." Ribbeck freut sich dabei vor allem über Grabowski, "denn Jürgen hat eine sehr gute Form gezeigt!" "Der Jürgen ist wieder stark", erkennt auch Helmut Schön die Leistung des Frankfurter Kapitäns an, der sich über das Lob des Bundestrainers sicher besonders freuen wird. (rs)


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