Fortuna Düsseldorf - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1975/1976 - 4. Spieltag

1:1 (1:1)

Termin: Mi 27.08.1975, 20:00 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Günter Linn (Altendiez)
Tore: 0:1 Bernd Hölzenbein (15.), 1:1 Dieter Herzog (21.)

 

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Fortuna Düsseldorf Eintracht Frankfurt

  • Wilfried Woyke
  • Heiner Baltes
  • Gerd Zimmermann
  • Werner Kriegler
  • Fred Hesse
  • Wolfgang Seel
  • Gerd Zewe
  • Dieter Herzog
  • Dieter Brei
  • Egon Köhnen
  • Reiner Geye

 


 

Wechsel
  • Peter Czernotzky für Werner Kriegler (19.)
  • Frank-Michael Schonert für Egon Köhnen (77.)
Wechsel
Trainer
  • Josef Piontek
Trainer

 

 

Triumph der Taktik

Bei der Düsseldorfer Fortuna ist die Eintracht am heutigen Mittwoch zu Gast. Auf Platz 2 liegt die bislang ungeschlagene Mannschaft von Trainer Piontek, der zu Saisonbeginn von Werder Bremen an den Rhein gewechselt ist und dort Heinz Lucas abgelöst hat. In Düsseldorf hat die Eintracht in der Bundesliga in fünf Versuchen nur ein Mal gewinnen können und das liegt lange zurück, weil es während des einjährigen Gastspiels der Fortuna in der Saison 1966/67 gelang. Seit dem Wiederaufstieg 1971 hat die Eintracht dort zwei Mal mit 0:1 verloren und zwei Mal 2:2 unentschieden gespielt.

Austragen wird die Partie im vereinseigenen Stadion der Düsseldorfer am Flinger Broich. Dort hat die Fortuna zwischen 1930 und 1972 ihre Heimspiele absolviert, bevor das im Ausblick auf die WM 1974 von Grund auf umgebaute Rheinstadion neuer Spielort wurde. Das steht allerdings heute nicht zur Verfügung, was Fortuna-Präsident Bruno Recht ärgert: "Im Rheinstadion hätten wir 20.000 Besucher mehr gehabt. Aber gerade jetzt muss die Stadt dieses Stadion ausbauen."

"Selten war für mich ein Bundesligaspiel so bedeutungsvoll", bekennt Karl-Heinz Körbel vor am Anpfiff: "Für mich geht’s um den Posten in der Nationalmannschaft, ferner darum, dass die Eintracht vorne dranbleibt und dass wir durch ein gutes Ergebnis die Zuschauer zum Schalke-Spiel locken." "Ich werde seine Form überprüfen", hat Bundestrainer Helmut Schön seinen Besuch für das Spiel am Flinger Broich angekündigt, was Körbel nach seiner letzten Leistung ehrlich kommentiert: "Gut, dass er nach Düsseldorf kommt und auf unser Spiel gegen Uerdingen verzichtet hat." Körbel wird heute auf einen anderen Nationalspieler treffen Wolfgang Seel. Seel wiederum ist Eintrachttrainer Weise aus seiner Zeit in Kaiserslautern bestens bekannt und Weise bedauert noch heute, dass er aus Loyalität gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber, Seel bei seinem Wechsel nicht zur Eintracht mitgenommen hat. "Das gibt interessante Zweikämpfe", freut Weise sich aber auf das Wiedersehen und Seels Auseinandersetzung mit seinem neuen "Musterschüler" Körbel.

Bernd Hölzenbein lässt derweil den Kopf nicht hängen, weil ihn der Bundestrainer nicht ins Aufgebot für das Länderspiel gegen Österreichs Auswahl berufen hat. "Die Absage kam ja nicht aus heiterem Himmel. Bernd war innerlich darauf vorbereitet. Sie hat ihn deshalb auch nicht wie ein Keulenschlag getroffen. Bernd braucht doch nur zwei spektakuläre Spiele zu liefern und ein anderer auszufallen, dann läuft er wahrscheinlich sogar in Wien mit ein", meint Weise, der für das Düsseldorfer Spiel die Aufstellung seiner Elf nicht ändern wird: "Aber die Aufgaben werden vielfach anders verteilt." Der Kader, der bereits am Dienstag nach Düsseldorf abgereist ist, umfasst nur 14 Spieler, Winfried Stradt spielt am Mittwoch bei den Amateuren in der Hessenliga gegen die Spvgg. Neu-Isenburg. Weise begründet die Entscheidung, den jungen Stürmer seinem Assistenten Roos zu überlassen, so: "Spielpraxis ist für ihn wichtiger, als in der Bundesliga auf der Bank herumzusitzen."


Schonert

Genau dort sitzt bei der Fortuna Frank-Michael Schonert, den die Düsseldorfer zur neuen Saison für eine Ablösesumme von 300.000 Mark verpflichtet haben. Über Schonerts Engagement bei Bayern München berichtete der "Spiegel" in einem Artikel vom 9.12.1974, in dem auch ein Zitat von Eintrachttrainer Weise zu finden ist: "Die Einkaufspolitik der Bayern ist katastrophal. Schon deshalb würde ich bei dem Verein nie Trainer werden." "Allein in den letzten fünf Jahren zahlten die Bayern schätzungsweise zehn Millionen Mark für 22 Spieler, von denen aber nur zwei einen Stammplatz bekamen: die späteren Nationalspieler Paul Breitner und Uli Hoeneß. Der Kölner Jupp Kapellmann (880.000 Mark) und der Duisburger Klaus Wunder (800.000 Mark) sind die bislang teuersten Spieler, die jemals in der Bundesrepublik gekauft wurden, beide von den Bayern. Vom vereinseigenen Nachwuchs rückte nie einer nach", kritisierte das Nachrichtenmagazin im letzten Dezember und berichtete: "Eines Tages tummelte sich ein bärtiger Athlet im weinroten Trainingsanzug unter den 20 Spielern. Der Neue hieß Frank-Michael Schonert und kam von Göttingen 05, einem Klub der 2. Bundesliga. "Herr Schwan hat mich eingeladen", verriet er. Schwan hatte sogar einen Kaufvertrag über 330.000 Mark mit Göttingen 05 abgeschlossen. Lattek mochte sich nach dem ersten Training nicht entscheiden, ob Schonert brauchbar sei. Schwan löste den Vertrag wegen "Verletzungsanfälligkeit" Schonerts." Nun hat also Düsseldorf zu-, Schonert aber bisher noch nicht eingeschlagen: Am 3. Spieltag wurde er in der Schlussphase beim Sieg in Bochum erstmals eingewechselt.

"Wir müssen auf der Hut sein und dürfen nicht bedingungslos stürmen. Die Eintracht ist eine Konter-Mannschaft", warnt Fortuna-Trainer "Sepp" Piontek: "Und wir müssen hautnah decken." Genau das fällt seiner Elf aber zu Beginn der Begegnung ausnehmend schwer. Die Fortuna weiß nicht damit umzugehen, dass die Eintracht nur mit zwei Stürmern – Wenzel und Lorenz – agiert, von denen einer – Lorenz – den wegen seiner Weitschüsse gefürchteten Vorstopper Zimmermann beschattet, wenn der über die Mittellinie geht. Flügelstürmer Geye wird seiner Gefährlichkeit beraubt, weil die beiden Frankfurter Außenverteidiger Peter Reichel und Willi Neuberger die Seiten tauschen, damit sich Geye nicht Neubergers Bewachung entziehen kann. Neubergers Offensivdrang Neubergers kann Geye zudem nicht bremsen.

Die Verwirrung der Fortuna ist in dieser Anfangsphase so groß, dass sie ständig die Bewacher von Grabowski, Hölzenbein und Nickel wechseln, ohne die Frankfurter in den Griff zu bekommen. In dieser Zeit der Düsseldorfer Konfusion setzt die Eintracht einen vorzüglichen Stich in Form einer Kombination aus dem Fußballlehrbuch. Nach einem langen Diagonalpass von Grabowski leitet Neuberger direkt zu Hölzenbein weiter, der unbewacht von Baltes den Ball eiskalt an Woyke vorbei ins Tor schiebt. Da schwärmt selbst Piontek: "Ein herrliches Tor!"

Das 1:0 für die Eintracht nach einer Viertelstunde provoziert eine Antwort der Gastgeber, die auch nicht auf sich warten lässt. Die Fortuna versucht nun mit Kraft und Tempo, die Taktik der Frankfurter zu durchkreuzen. Die frühe Auswechslung von Werner Kriegler, für den Peter Czernotzky in der 19. Minute ins Spiel kommt, tut dem keinen Abbruch.


Wienhold fliegt vergebens - der Ausgleich zum 1:1

Die bis dahin so konsequent deckenden Gäste lassen nach 21 Minuten in der Person von Weidle Egon Köhnen laufen, der seine einmalige Freiheit zu einem mächtigen Schuss nutzt. Köhnens Geschoss kann Wienhold noch an die Querlatte lenken, doch beim Abpraller ist der besser postierte Herzog schneller als der Eintrachtkeeper, dessen Flugeinlage zu spät kommt – Herzog hat den Ball in Kopfhöhe und aus kürzester Distanz bereits neben dem rechten Pfosten ins Tor gedrückt.

Pionteks Truppe bieten sich nun einige Chancen, die sie geschickt und klug herauszuspielen verstehen. Doch zum einen ist Geye, der unter den Augen von Bundestrainer Schön recht nervös wirkt und seine starken Leistungen aus den ersten Partien nicht wiederholen kann, bei Neuberger in allerbesten Händen und zum anderen ist Wienhold für Geyes Kameraden, denen das Schusspech nicht so penetrant an den Stiefeln klebt, die letzte Instanz, von der sie bei jedem Versuch ein abschlägiges Urteil erhalten. Wienhold hält überragend und vereitelt alle Chancen der Gastgeber.

Während der Frankfurter Torhüter vom Publikum Anerkennung für seine Paraden erhält, zieht sich Schiedsrichter Linn den Unmut des Düsseldorfer Anhangs zu. In der 38. Minute, als Körbel Mittelstürmer Seel im Strafraum im Zweikampf etwas unsanft in die Parade fährt, lässt Schiedsrichter Linn weiterspielen und erntet ein Pfeifkonzert der Fans, die zu gerne einen Elfmeter geschenkt bekommen hätten. Wünsche erfüllt der Mann in Schwarz heute allerdings nicht, bis Weihnachten ist es ja auch noch einige Zeit hin …

Nach der Halbzeitpause bekommen die Hessen die Begegnung wieder besser in den Griff. Die halbstündige Sturm- und Drangphase der Fortuna hat Kraft gekostet, die den Gastgebern nun zu fehlen beginnt. Frankfurts Regisseur Grabowski nimmt das Tempo zwar in zurückgezogener Position in der eigenen Hälfte aus dem Spiel, verschärft es dann aber überfallartig mit blitzschnellen langen Pässe in die Spitze, wo der bienenfleißige Hölzenbein die Stürmer Wenzel und Lorenz unterstützt. Zu Dritt sorgen diese Herren im Strafraum des Gegners für helle Aufregung, wobei der selbstbewusste Wenzel sich auf dem linken Flügel über etwas häufigere Anspiele sicher nicht beklagen würde. Ungeachtet dessen ist Grabowski wieder einmal in Galaform. Weder Baltes im ersten Durchgang noch Brei jetzt sind in der Lage, den Spielmacher zu neutralisieren und Nickel ergänzt seinen Kapitän im Mittelfeld kongenial.

Zurzeit spielen sie lieber auswärts, haben die Spieler nach dem letzten Heimspiel im Waldstadion fast einmütig erklärt und diese Lust an Auswärtsspielen ist ihnen deutlich anzumerken. Im engen und vollgepfropften Stadion setzt diese ungemein clever auftretende Eintracht die Vorgaben ihres Trainers punktgenau um und erledigt dessen taktische Vorgaben mit einer fast militärisch zu nennenden Disziplin. Was Weise da ausgetüftelt hat, hat Hand und Fuß und seine Schützlinge hat der Trainer im Griff.

Peter Reichel, der von Geye einen Schlag mit dem Knie in den Rücken erhalten hat, kann nur unter heftigen Schmerzen und mit medizinischer Unterstützung weitermachen, aber er hält mit zusammengebissenen Zähnen bis zum Ende durch. So wie Lorenz weiterhin Düsseldorfs Vorstopper Gerd Zimmermann nicht aus den Augen lässt. Es ist harte, unerfreuliche Arbeit, die keinen Applaus von den Rängen bringt, doch Zimmermann kommt im ganzen Spiel nur zweimal dazu, aus der zweiten Reihe aufs Eintracht-Tor zu zielen. Beide Male kommen nur harmlose Schüsschen heraus.


Körbel, Krobbach und Weidle
gegen Zimmermann

Körbel liefert sich die von Weise erhofften "interessanten Zweikämpfe" mit dem ausgesprochen fleißigen Seel und beherrscht dabei seinen Kontrahenten, Libero Krobbach überzeugt mit seinem Stellungsspiel, aber die gesamte Frankfurter Mannschaft verdient Lob. Sie spielt im Stile einer Spitzenmannschaft, deckungstreu in der Abwehr und mit blitzartigen Kontern doch immer gefährlich. In der Schlussphase konzentriert sich die Eintracht allerdings mehr und mehr auf ihre Abwehraufgaben. Weises Elf ist mit dem Remis zufrieden und die Fortunen haben nichts mehr zuzusetzen und trauen sich offensichtlich auch nicht, noch einmal alles auf eine Karte zu setzen und das Glück vielleicht doch noch zu zwingen. Auch Schonerts Einwechslung für Köhnen in der 77. Minute bleibt folgenlos.

Mit gesenkten Köpfen verlassen die Spieler des Gastgebers den Rasen, bei der Eintracht feiert man das Unentschieden dagegen fast wie einen Sieg. Die Eintracht ist mit diesem Punkt zufrieden, die Fortuna nicht. Die Stimmung in der Kabine wird erst besser, als die Düsseldorfer von der unerwarteten Niederlage des bisherigen Tabellenführers Bayern München erfahren: Durch zwei Tore von Lorenz-Günther Köstner hat der zweifache Europapokalsieger der Landesmeister beim Erstliganeuling Bayer 05 Uerdingen die erste Niederlage kassiert, während die Krefelder, die am Samstag noch knapp der Eintracht unterlegen waren, ihren ersten Saisonsieg eingefahren haben. Die Fortuna liegt mit nun 6:2 Punkten hinter den punktgleichen Tabellenführer aus Gladbach und der Braunschweiger Eintracht auf Platz 3 vor den Bayern, zu denen sie am kommenden Wochenende reisen müssen. (Anmerkung: Die Düsseldorfer gehen am 5. Spieltag bei den Bayern mit 0:5 unter.) Die Eintracht rutscht in der naturgemäß nach dem 4. Spieltag wenig aussagekräftigen Tabelle einen Rang ab und steht nun auf Platz 6.

Karl-Heinz Körbel ist in diesem Spiel in gleich zwei Duellen siegreich geblieben: Gegen Gerd Zimmermann, der von der örtlichen Presse als Vorstopper für die Nationalmannschaft angepriesen wurde, und gegen Wolfgang Seel. "Körbel hat seine Sache gut gemacht, denn schließlich ist ein Irrwisch wie Seel schwer zu beschatten", ist Bundestrainer Schön mit dem Eintrachtspieler zufrieden: "Karl-Heinz ist in Form und hat berechtigte Aussichten, in Wien zu spielen." Trainer Weise lobt auch Willi Neuberger, "der Herzog in der zweiten Halbzeit zum Verteidiger degradiert hat." Helmut Schön zeigt sich vom gesamten Spiel beeindruckt: "Ein dramatischer Kampf, in dem Düsseldorf mehr und bessere Chancen hatte." Ob es das bisher beste Saisonspiel der Frankfurter gewesen sei, fragt Sportjournalist Wolfgang Thiel Jürgen Grabowski, der wie immer von Autogrammjägern umlagert wird. "In Bremen waren wir noch stärker", findet der Eintrachtkapitän.

Weise ist froh darüber, dass er die Düsseldorfer bei ihrem 5:2-Heimsieg über Rot-Weiß Essen beobachtet hat: "In diesen 90 Minuten hatte ich erkannt, wie man diese Fortuna aus dem Rhythmus bringen kann. Fortuna war zwar in der ersten Halbzeit besser, aber das Ergebnis ist insgesamt doch gerecht." "Mit ihrem System blieben die Frankfurter das ganze Spiel gefährlich und wir waren in Gefahr, unser Spiel noch zu verlieren", erklärt Fortuna-Trainer Piontek indes die abwartende Haltung seiner Elf in der zweiten Halbzeit und auch die anwesenden Journalisten sehen in der von Weise entworfenen Marschroute die Grundlage für den Punktgewinn der Gäste. Weise aber wehrt wie immer bescheiden ab: "Ich bin nicht so vermessen, das Unentschieden der Taktik zuzuschreiben."

Im nächsten Heimspiel wird es zudem eine andere Ausrichtung geben, kündigt Weise an, weil die Frankfurter Zuschauer nicht nur nach seiner Einschätzung anspruchsvoller sind als anderswo: "Wenn wir uns zu Hause in der zweiten Halbzeit mit einem 1:1 zufriedengegeben hätten, wären wir vom Platz gepfiffen worden. Kein Pfiff in Düsseldorf, obwohl die eigene Mannschaft zum Schluss mehr Angst vor dem Risiko hatte als wir." (rs)


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