Rot-Weiß Essen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1975/1976 - 12. Spieltag

4:3 (1:0)

Termin: Fr 31.10.1975, 20:00 Uhr
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Walter Horstmann (Hildesheim)
Tore: 1:0 Willi Lippens (29.), 1:1 Rüdiger Wenzel (48.), 2:1 Manfred Burgsmüller (55.), 3:1 Werner Lorant (63.), 3:2 Bernd Lorenz (67.), 3:3 Rüdiger Wenzel (70.), 4:3 Werner Lorant (87.)

 

>> Spielbericht <<

Rot-Weiß Essen Eintracht Frankfurt

  • Heinz Blasey
  • Hans-Günter Neues
  • Gerd Wörmer
  • Gerd Wieczorkowski
  • Hartmut Huhse
  • Manfred Burgsmüller
  • Eberhard Strauch
  • Dieter Bast
  • Werner Lorant
  • Hermann Lindner
  • Willi Lippens

 


 

Wechsel
  • Hans Dörre für Hartmut Huhse (21.)
  • Horst Hrubesch für Hermann Lindner (74.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

 

Gegen das Schicksal

Kaum dass Peter Krobbach wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen und mit dem Ball trainiert hat, kommen die Schmerzen zurück. "Geradeauslaufen geht, jedes Abwinkeln des Beines tut weh", berichtet Trainer Weise: "Wir werden noch einmal mit unserem Arzt Dr. Degenhardt über den Fall reden müssen." Danach steht fest: Peter Krobbach wird am kommenden Dienstag im Höchster Krankenhaus am linken Knie operiert. "Damit ist die Vorrunde futsch", weiß der geplagte Neuzugang und arrangiert sich mit seinem gesundheitlichen Schicksal: "Aber besser, als wenn ich weiter von Woche zu Woche neue Trainingsversuche unternommen hätte." Auf eine genaue Diagnose wartet Krobbach noch. "Innenbandschaden, vielleicht noch alte Ablagerungen, vielleicht Meniskus", rätselt er: "Sobald ich den Ball mit etwas Drehung schlug, spürte ich einen heftigen, direkt betäubenden Schmerz." Jürgen Grabowski hat eine Ahnung, wie es seinem Mannschaftskameraden geht. Er erinnert sich an die Zeit von Dezember 1970 bis Februar 1971: "Da hatte ich beide Knöchel abwechselnd in Gips und war völlig verzweifelt." Fortschritte macht dagegen der Heilungsprozess bei Wolfgang Kraus, der nach seinem Knöchelbruch wieder im Training ist. Mitte November soll er auch für die Pflichtspiele wieder einsatzfähig sein.

Beim nächsten Gegner Rot-Weiss Essen ist Manfred Burgsmüllers Teilnahme ungewiss. Nachdem der Fuß des Stürmers für vier Tage in Gips gepackt wurde, soll über seinen Einsatz nach dem Aufwärmen direkt vor dem Spiel entschieden werden. Sicher dabei ist Jürgen Grabowski, der in der Bundesliga zum 300. Mal für die Eintracht auflaufen wird. "Das habe ich gar nicht gewusst", ist der Kapitän der Eintracht über sein Jubiläum überrascht, "ich führe nämlich weder über meine Vereinsspiele noch über die Spiele in der Nationalmannschaft Buch." Was dem Weltmeister und Pokalsieger fehlt, weiß er aber auch ohne Unterlagen: eine deutsche Meisterschaft. "Damit wird’s in dieser Saison wohl wieder nichts, aber die Eintracht wird noch besser", verspricht er und ist zuversichtlich: "Ich glaube, dass wir im Europapokal weiterkommen, und hoffe, dass wir zum dritten Mal den DFB-Pokal nach Frankfurt holen."

Die Diskrepanz zwischen dem erfolgreichen Auftreten im Pokal und dem 13. Platz in der Meisterschaftsrunde bringt der Elf aktuell den Vorwurf des mangelnden Interesse und fehlendes Ehrgeizes im Ligaalltag ein. Das ärgert Bernd Hölzenbein: "Die Meisterschaft hat bei uns immer Vorrang. Es hat nicht viel zu sagen, dass wir im Mittelfeld liegen. Eine Serie von drei Siegen kann uns schon ganz nach oben bringen." Danach sieht es aber im Moment nicht aus, denn die Eintracht wartet seit nunmehr sechs Bundesligaspielen auf einen Sieg.


Willi Lippens

Rot-Weiss Essen hat die letzten beiden Heimspiele gegen Kaiserslautern und Duisburg mit 5:1 und 5:2 gewonnen, die letzten beiden Partien, die in Bochum und Köln absolviert wurden, jedoch verloren. Insgesamt weisen die Essener wie die Eintracht 10:12 Punkte auf, sind wegen der besseren Tordifferenz aber auf Platz 11 notiert. Das soll jedoch nicht für immer so bleiben: "Wir planen auf lange Sicht. Selbst die eine oder andere Verstärkung im Laufe des Herbstes lässt uns nicht von der Linie abweichen, den Durchbruch nach oben auf Dauer suchen zu müssen", kündigte Vereinspräsident Willi Naunheim an. Willi Lippens unterstützt das: "Es werden ohne Zweifel Rückschläge eintreten. Doch die müssen wir verkraften. Wir haben eine gute Mannschaft, die kämpfen und kontern kann. Und spielerisch war RWE wohl noch nie so reif. Aber die Zuschauer müssen Geduld mit uns haben", fordert "Ente" Lippens: "Es kann Jahre dauern, bis wir unser Stadion wieder einmal mehrfach pro Saison randvoll haben. Doch wir Spieler werden alles versuchen, um an alte RWE-Zeiten wieder anzuknüpfen." "Ich bin überzeugt, dass Bast - Burgsmüller - Lippens in ihrer Gefährlichkeit keinem anderen Vereinssturm der Bundesliga nachstehen", findet Naunheim und machte den intern gestiegenen Anspruch am Beispiel des Trainers deutlich: "Wir haben mit Herrn Horvat in keiner Phase, wie es früher üblich war, über eine Nicht-Abstiegsprämie verhandelt."

Dabei wäre für eine solche Prämie jetzt wieder Geld vorhanden: Im Juli fasste der Essener Stadtrat den einstimmigen Beschluss, das vereinseigene Georg-Melches-Stadion an der Hafenstraße zu kaufen. Im Zuge dessen übernahm die Stadt die Verbindlichkeiten von RWE in Höhe von dreieinhalb Millionen DM und zahlte obendrein noch 950.000 DM in die bislang so klamme Vereinkasse. "Uns haben die Zinsbelastungen allein schon aufgefressen", berichtete Paul Nikelski, der seit 1. Mai 1955 die Geschäftsstelle der Essener leitet: "Wir waren gezwungen, das Stadion zu verkaufen, obwohl niemand gern Grund und Boden hergibt." Eintracht Braunschweig ist nunmehr der letzte Bundesligaverein, der über ein eigenes Stadion verfügt.

Geblieben ist den Rot-Weißen ihr treuer Anhang, der allerdings auch schon negativ aufgefallen ist, wie am 13.2.1971 bei dem Messerwurf eines 17-jähigen Gymnasiasten in Richtung des Bayern- und Nationaltorhüters "Sepp" Maier. "Sportliches Denken ist mir selbst in den kritischsten Momenten geblieben", hat der Essener Hermann Erlhoff, der im Sommer sein Examen als Fußballlehrer abgelegt hat, kein Verständnis für Krawalle auf den Rängen: "Der Fußball darf nie ausarten, will er weiterhin so populär bleiben wie derzeit." Erlhoff wird bei den Rot-Weißen übrigens immer noch als Lizenzfußballer geführt: "Ich muss mich laut Order fit halten, um im Ernstfall jederzeit einspringen zu können, doch im Prinzip bin ich als Co-Trainer von Herrn Horvat, als Koordinator zwischen Lizenz-, Amateur- und Jugendabteilungen sowie zur Beobachtung von Talenten in der Umgebung tätig." "Ich muss zwar noch viel lernen, denn der Fußball entwickelt sich immer weiter. Doch ich kann mir auch ganz gut vorstellen, Nachfolger von Herrn Horvat werden zu können", wagt Erlhoff einen Ausblick in die berufliche Zukunft: "Jeder Trainer wird wohl mal gefeuert. Aber es kommt immer darauf an, dass man alles getan hat." Das tut er, denn er hält gewissenhaft alles schriftlich fest, was ihm bedeutsam erscheint: "Man darf sich als Trainer nie den Vorwurf machen, etwas vergessen zu haben."

Dem ehemaligen Eintrachtspieler und -trainer Horvat wird an der Hafenstraße seit Wochen etwas anderes vorgeworfen und das ist der Umgang mit Mittelstürmer Horst Hrubesch. In den Hintergrund tritt bei dieser Diskussion, dass der Trainer solide Arbeit leistet, obwohl er ein "Notnagel" für Udo Lattek ist. Der wechselte trotz eines unterschriebenen Einjahresvertrages, den er in Essener Kneipen mit Präsident Naunheim begossen hatte, wegen des besseren Angebots zu Borussia Mönchengladbach. Das trägt Präsident Nauheim dem Vertragsbrüchigen verständlicherweise nach: "Herr Lattek hat sich schäbig verhalten." Außerdem hat Horvat mit dem aus Schalke für 180.000 DM mitgebrachten Hartmut Huhse die Abwehr verstärkt und mit Hans-Günter Neues von Fortuna Köln einen neuen Publikumsliebling verpflichtet. Neues, bei dem der DFB die Ablösesumme nicht unumstritten auf 420.000 DM festgesetzt und so Neues zum "teuersten Abwehrspieler" gemacht hatte, wurde mittlerweile sogar von DFB-Trainer "Jupp" Derwall in den B-Kader der Nationalelf berufen. Dabei war sein Start durchaus holprig: "Ich hatte anfangs sehr gegen Vorurteile und meine Nerven anzukämpfen." Nicht nur er. "Ich habe Jensen nicht kommen sehen", verteidigte sich Keeper Jürgen Rynio nach dem Patzer gegen Gladbach am 5. Spieltag: "Gewiss, ich war nicht gut, aber das kann einem Torwart immer einmal passieren. Ich hoffe doch, dass ich weiterhin das Vertrauen von Trainer Horvat genieße." Dieses war jedoch nach dem 10. Spieltag beendet. Seitdem hütet Heinz Blasey das Tor.

Doch Horvat kann nicht in Ruhe arbeiten: Die Personalie Hrubesch überlagert alles andere. Der Hüne, den Borussia Dortmund nach einigen Tagen Probetraining für bundesligauntauglich erklärte und den auch der VfL Bochum nicht haben wollte, hat bei RWE als 24-Jähriger die Chance ergriffen, seinem sportlichen Schicksal eine Wende zu geben und doch noch Profi-Fußballer zu werden. Danach hatte es nämlich nicht mehr ausgesehen: Eine Knieverletzung stoppte ihn in der Verbandsliga beim Hammer SV und nach einer längeren Pause versuchte er es erst vor zwei Jahren wieder in der Kreisklasse beim SV Westtünnen. Dort erzielte er über 70 Tore und in der letzten Saison in der Bezirksklasse immerhin noch 51 Treffer. "In der Bundesliga werden es zwar sicherlich nicht so viele", meinte er schmunzelnd, "aber mir genügt es bereits, wenn ich im ersten Dutzend der Torjäger zu finden bin. Schließlich habe ich gerade erst vier Klassen übersprungen." Entdeckt hat ihn einer seiner aktuellen Mitspieler: "Ich habe unter meinem bisherigen Trainer in Westtünnen, Werner Lorant, meinem jetzigen Nebenmann, viel gelernt, habe vor allem im Training bei RWE immer die Augen offengehalten. Wenn man mir Zeit lässt, verspreche ich, noch viele angenehme Überraschungen zu schaffen." Diese Zeit wollte ihm Horvat ohnehin geben: "Man hat bei Kaczor gesehen, dass überhasteter Aufbau auf Dauer nicht nützlich sein kann. Außerdem ist Hrubesch nicht in allen Spielen von der Taktik her für einen Einsatz prädestiniert. Ich werde wahrlich nichts überstürzen."

Doch dann erzielte Hrubesch am ersten Spieltag bei seinem ersten Einsatz als Profi auf Anhieb zwei Tore und wurde mit einem Lattenkopfball nur knapp am dritten Treffer gehindert. Die Fans feierten ihn mit Sprechchören. "Ich bin glücklich", freute er sich: "Ich hoffe nur, dass ich nicht urplötzlich aus diesem schönen Traum erwache." Aber so kam es, obwohl Hrubesch in seinem zweiten Spiel den dritten Treffer folgen ließ. Denn danach verzichtete Horvat bis zum 10. Spieltag auf den Stürmer. "Hrubesch besitzt noch nicht die nötige Bundesligareife", lautete seine Begründung, die ihn zusehends in die Kritik brachte. Bei der 1:3-Heimniederlage gegen das von Lattek trainierte Gladbach riefen die Zuschauer in der letzten halben Stunde unentwegt nach Hrubesch, doch Horvat blieb unbeeindruckt: "Er hätte gegen Gladbach auch nichts ausrichten können. Aber vielleicht bekommt er schon in Kürze seine neue Chance ..."

Als Hrubesch diese nicht bekam, erhielt er Angebote von zwei anderen Bundesligisten und bat RWE um die Aufhebung seines Vertrages. Das wiederum brachte nun auch Präsident Naunheim gegen den Fußballlehrer auf: "Wenn Herr Horvat diesen talentierten Mann demnächst wirklich nicht aufstellen sollte, werde ich wohl einschreiten und ein ernstes Wort mit dem Trainer reden müssen", erklärte er. "Ich hatte Hrubesch bisher nicht gebracht, weil ich ihm das Schicksal vieler unterklassiger Amateure ersparen wollte, nach einigen guten Spielen kräftemäßig völlig abzufallen", versuchte Horvat seine Zurückhaltung zu erklären und beschwichtigte: "Doch jetzt hat er bewiesen, dass er schon dreißig Prozent in den wenigen Monaten hinzugelernt hat. Gegen Bochum wird er wohl von Anfang an eingesetzt." Hrubesch nahm daraufhin Abstand von seiner Bitte, aus dem Kontrakt entlassen zu werden: "Ich werde alles tun, um meine neuerliche Chance nützen zu können."

Das tat er, denn er erzielte bei der 1:2-Niederlage den Essener Treffer. Doch heute verzichtet Horvat erneut auf den "blonden Bomber", was in der Kabine und auf den Rängen für Unruhe und Unmut sorgt. Für Hrubesch ist Burgsmüller, der sich nach dem Warmmachen einsatzfähig gemeldet hat, wieder mit von der Partie. Außerdem spielt Lindner anstelle von Dörre, der vom 2. bis zum letzten Spieltag Stammspieler war.

Bei der Eintracht muss Klaus Beverungen auf die Bank, Helmut Müller beginnt als linker Verteidiger und Willi Neuberger spielt erneut im Mittelfeld. "Sonst müsste ich ihn in drei Spielen hintereinander auf drei verschiedenen Positionen einsetzen, und das wäre bestimmt nicht gut", begründet Trainer Dietrich Weise seine Maßnahme. Das Problem, das dadurch entsteht, dass die Gäste lediglich Trikots in den gleichen Farben wie Rot-Weiß mitgebracht haben, löst Weise zwischendurch elegant, in dem er Essen Mannschaftsbetreuer "Jupp" Breitbach einen Hunderter in die Hand drückt und dafür einen Satz blauer Trikots erhält. Auch Grabowski bekommt etwas: Willi Naunheim überreicht ihm zum 300. Bundesligaspiel einen Blumenstrauß.

Damit sind die Präsente der Heimmannschaft allerdings schon verteilt und der Gast macht sich daran, Geschenke zu verteilen. Diese bestehen unter anderem darin, es der gegnerischen Defensive mit hübsch anzuschauenden, aber schrecklich ineffektiven Kombinationen das Leben leichter als gewohnt zu machen: Statt in die Spitze läuft der Ball in die Breite und kommt dem Essener Tor nur selten gefährlich nahe. Das überrascht, denn RWE hat die letzten vier Pflichtspiele gegen die Eintracht verloren und in den letzten drei Ligabegegnungen gegen die Hessen eine erschütternde Bilanz von 1:20 Toren aufzuweisen.

Die Gastgeber - allen voran Kapitän Lippens - überzeugen mit Kampfgeist und lassen sich auch nicht durch die verletzungsbedingte Auswechslung von Huhse nach 21 Minuten aus dem Konzept bringen, das auf schnelle Konter ausgelegt ist. Damit bringen die Rot-Weißen die Deckung um den unsicher wirkenden Libero Trinklein immer wieder in Schwierigkeiten. Zudem zieht Burgsmüller Körbel geschickt aus dem Abwehrverbund, was dem Frankfurter Vorstopper in den Zweikämpfen gar nicht gut bekommt. Der gewiss nicht lauffaule Weidle hat außerdem Mühe, mit Lorant Schritt zu halten und selbst Neuberger muss gegen Lindner aufpassen. Als die Essener folgerichtig in der 29. Minute durch Lippens in Führung gehen, sehen die Frankfurter ihre Felle schon wieder davonschwimmen.

Doch kurz nach Beginn des zweiten Durchgangs scheint die Eintracht-Welt wieder halbwegs im Lot. Rüdiger Wenzel, der sich schon vor der Halbzeitpause als einziger Eintracht-Stürmer regelmäßig gegen seinen Bewacher durchsetzten konnte, gibt Wörmer nach guter Vorarbeit seiner Mannschaftskameraden erneut das Nachsehen: 1:1 nach 48 Minuten. Die Freude bei Weises Elf ist aber nicht von Dauer, denn nur sieben Minuten später trifft Burgsmüller zum 2:1. Ganz lang werden die Gesichter der Riederwälder in der 63. Minute: Aus 17 Metern drischt Lorant das Leder zum dritten Mal ins Netz der Gäste.

Die Mängel bei der Eintracht lassen zu diesem Zeitpunkt eine Niederlage unausweichlich erscheinen. Die beginnen im Tor, wo der auf der Linie so famos reagierende Wienhold nicht zum ersten Mal Mängel in der Strafraumbeherrschung zeigt, setzen sich fort bei seinen Vorderleuten, die es dem Gegner selbst bei eigener Überzahl gestatten, völlig frei zum Schuss zu kommen, gehen über das Mittelfeld, in dem Neuberger blass bleibt, bis zum Sturm, wo Bernd Nickel ein Totalausfall ist, weil er nicht einmal den Versuch unternimmt, den geforderten Linksaußen zu spielen.

Doch dann gibt Trainer Weise der Partie in der 67. Minute mit einer Einwechslung eine Wende: Er bringt Bernd Lorenz für Nickel. Und kaum ist der zeitweise in Ungnade gefallene und in dieser Saison verhinderte Torjäger im Spiel, schlägt Neuberger einen nicht unumstrittenen Freistoß vom rechten Strafraumeck vor das Essener Tor, wo sich für Lorenz offensichtlich noch niemand zuständig fühlt, denn der Stürmer ist ungedeckt. Gegen seinen Kopfball hat Blasey keine Abwehrchance, es steht nur noch 3:2. Nun wittern Weises Schützlinge in den Abendstunden Morgenluft und nur drei Minuten später ist Wenzel in den Essener Strafraum eingedrungen. Wenzels Schuss kann Blasey abwehren, doch gegen den Nachschuss des Frankfurters ist Blasey machtlos.

Nun ist es an Horvat zu reagieren und er tut es in der 74. Minute zur Freude des Essener Anhangs mit der Einwechslung des von ihnen geforderten Hrubesch für den verletzten Lindner. Horvat hofft auf die Kopfballschwäche der Gäste und seine Spieler schlagen die Flanken nun serienweise in den Frankfurter Strafraum. Immerhin hat man gegen die Gäste mit dem Kopf bereits einen Treffer erzielen können und einen weiteren vorbereitet. Die Zeit verrinnt allerdings und das vierte Tor will weder hüben noch drüben fallen.


Lorant köpft das 4:3

Drei Minuten sind noch zu spielen, als Neues eine weitere Flanke in den Sechzehner der Frankfurter Eintracht bringt. Alle Gästespieler verteidigen in und um den Strafraum, doch es wird ihnen zum Verhängnis, dass alle mit einem Auge bei der vermeintlich größten Gefahrenquelle Hrubesch hängenbleiben. Während dieser von Reichel und anderen bewacht wird, kann sich Lorant in der Luft gegen Müller durchsetzen und wuchtig zum 4:3 einköpfen. Das ist die Entscheidung. Die Eintracht kann in der Liga auch im siebten Spiel infolge nicht gewinnen und rutscht auf Platz 15 ab.

"Ein tolles Spiel, tolle Tore", schwärmt nach dem Schlusspfiff Horvat, der es kurz vor dem Spiel bei Bekanntgabe der Mannschaftsaufstellung noch mit murrenden Spielern zu tun hatte, die sich unerwartet auf der Ersatzbank wiederfanden: "Die Umstellung hat wohl überrascht", erklärt Horvat: "Doch mir ist erst nachmittags der Gedanke mit Lindner als Prellbock für den offensiven Reichel gekommen. Also musste Hrubesch auf die Bank."

Seinem Kollegen Weise fehlen kurzzeitig die Worte fehlen: "Kein Kommentar. Das muss ich erst verdauen." Wie auch Kapitän Grabowski, der sichtlich angefressen ist: "Drei Tore in einer Halbzeit haben wir geschossen und doch noch verloren!" "Wenn nicht mal drei Tore auswärts zu einem Punktgewinn reichen …", stimmt Wenzel in die Klage ein. Von Horvat bekommt er derweil für seine Kaltschnäuzigkeit beim Abschluss ein Lob: "Das kann ein echter Torjäger werden." "Das war genau die Leistung, die ich von Rüdiger erwarte", kommentiert Weise trocken die tolle Leistung seiner Neuverpflichtung.

Einen Vorwurf will der Trainer seiner gebeutelten Truppe ohnehin nicht machen: "Sie hat prächtig gekämpft und alles gegeben. Wir haben zu keiner Phase aufgesteckt. Das ist ein erfreuliches Zeichen. Nur so kommen wir aus unserer Krise heraus." Selbst den von den Journalisten hart kritisierten "Dr. Hammer" nimmt er in Schutz: "Nickel wird auch am Mittwoch spielen." "In Madrid hat es noch geheißen, wir besäßen eine der weitbesten Abwehrreihen", weist der Trainer die Journalisten zurecht, "aber heute mussten wir schließlich stets einem Vorsprung nachlaufen. Da muss die Deckung schon mal etwas offener werden." Auch Karl-Heinz Körbel ist sich kaum einer Schuld bewusst: "Man muss doch auch in Betracht ziehen, was für Tore die Essener geschossen haben." "Nur das Glück hat gefehlt", hadert Weise mit dem "Schicksal, das in dieser Saison einfach gegen uns zu sein scheint."


Epilog

Hermann Erlhoff löst am 27.9.1976 den entlassenen Ivica Horvat ab. Er kann aber den Abstieg der Essener nicht verhindern und wird in der 2. Liga im Januar 1978 ebenfalls gefeuert. In der Saison 2000/2001 coacht er im Frauenfußball den Bundesligisten FFC Flaesheim-Hillen und zieht mit seinem Team ins DFB-Pokalendspiel in Berlin ein. Das Finale gewinnt jedoch der 1. FFC Frankfurt mit 2:1.

Horst Hrubesch steht im Sommer 1978 vor einem Wechsel zu Eintracht Frankfurt, landet aber trotz unterschriebenen Vertrages beim Hamburger SV. Dort avanciert er 1981 zum Bundesligatorschützenkönig und 1980 zum Nationalspieler. Er wird mit dem HSV dreimal Deutscher Meister und gewinnt 1983 den Europapokal der Landesmeister. Mit der DFB-Auswahl wird er 1982 Vize-Weltmeister und 1980 Europameister. Beim 2:1-Finalsieg gegen Belgien erzielt er seine ersten beiden Länderspieltore. (rs)

 


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