Eintracht Frankfurt - West Ham United

Europapokal der Pokalsieger 1975/1976 - Halbfinale, Hinspiel

2:1 (1:1)

Termin: 31.03.1976
Zuschauer: 50.000
Schiedsrichter: Rudnow (UdSSR)
Tore: 0:1 Paddon (9.), 1:1 Willi Neuberger (29.), 2:1 Wolfgang Kraus (47.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt West Ham United

 


  • Day
  • Coleman
  • Taylor
  • Bonds
  • Lampard
  • McDowell
  • Holland
  • Paddon
  • Brooking
  • William Jennings
  • Keith Robson

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Ronald Greenwood



Ob das reicht?

Mit diesem knappen Erfolg gegen West Harn United setzte die Frankfurter Eintracht zwar ihre ununterbrochene Siegesserie im Europapokal der Cup-Sieger fort, doch auf dem Papier haben nun die Engländer die weitaus besseren Chancen, über das Rückspiel am 14. April im Londoner Upton-Park das Finale zu erreichen. Nach dem Schlußpfiff warfen denn auch die Engländer die Arme hoch und feierten die Niederlage wie einen Sieg. Aber für die Eintracht ist natürlich noch nichts verloren, zumal ihr das Konterspiel in der Fremde liegt — siehe den Sieg in Madrid. Der Schock des frühen Gegentores saß der Eintracht zu lange im Nacken, zum Schluß fehlten gegen die ungemein athletischen Engländer die Kraftreserven, um einen klareren Vorsprung herauszuspielen. 45.000 Zuschauer sahen im Waldstadion ein rassiges, tempogeladenes, packendes Spiel, in dem sich West Ham als eine taktisch geschickt eingestellte Mannschaft entpuppte, deren spielerisches Können um Klassen besser war als ihr derzeitiger Ruf. Nach dem frühen Tor durch Paddon sorgten Neuberger und Kraus für den Eintracht-Sieg.

Die Zeit lief schon nach neun Minuten gegen die Eintracht. Ein kapitaler Fehler von Willi Neuberger, der bei einem Zuspiel Grabowskis über den Ball trat, führte zur totalen Konfusion in der Frankfurter Abwehr — eine Konfusion, die Graham Paddon mit einem überraschenden 30-Meter-Schuß ins linke Eck nutzte. Da gab's für Dr. Kunter nichts zu halten.

0:1 nach nur neun Minuten — das ganze Eintracht-Konzept war über den Haufen geworfen. Es dauerte, bis die Eintracht den Schock verkraftete, bis Willi Neuberger mit seinem zweiten Versuch, seine Scharte auszuwetzen, Erfolg hatte. Ein Zuspiel Grabowskis, diesmal in der gegnerischen Hälfte, drei Engländer, die den Eintracht-Libero nicht bremsen konnten, und ein 16-Meter-Schuß Neubergers, gegen den Day machtlos war, führten in der 29. Minute zum Ausgleich. Mit einem ähnlichen Schuß hatte Neuberger in der 12. Minute nur den Pfosten getroffen.

Endlich wurde das Eintracht-Spiel schneller, dauerte es nicht Minuten und Stationen, bis der Ball von dem weit zurückhängenden Grabowski aus der eigenen Hälfte nach vorne kam. West Ham spielte überaus geschickt und blitzschnell aus einer massiven Abwehr heraus. Nicht Broocking, der von Körbel bewacht und durch dessen Marathonmärsche in die Defensive gedrängt wurde, war die Schaltstation der Engländer, sondern Graham Paddon, den Wolfgang Kraus schalten und walten ließ. Die Engländer spielten hart und hatten in Rudnew aus der UdSSR auch einen überaus großzügigen Schiedsrichter.

Nach dem Ausgleich aber bekam Day im West-Ham-Tor Arbeit. Er verrichtete sie mit Fäusten und Ellnbogen. Körbel ging mit blutiger Nase und geschwollener Oberlippe schwer k. o. Eindrucksvoll bei der Eintracht spielte vor allem Gerd Simons, den Weise doch noch den Vorzug gegenüber Weidle gegeben hatte, und nicht nur, weil er Jennings fest im Griff hatte, sondern auch, weil er den Angriff mit weiten Pässen fütterte, wie man sie im Eintracht-Spiel seit langem nicht mehr gesehen hatte.

Wie Willi Neuberger rächte sich auch Wolfgang Kraus mit einem Tor an Paddon. Am Elfmeterpunkt überließ ihm der ungemein druckvolle und wie ein Berserker kämpfende Körbel den Ball, und gefühlvoll überwand der kleine Wühler Kraus aus dem Gewühl heraus Torhüter Mervin Day. Die Eintracht, aufgeputscht durch dieses schnelle Tor nach der Pause, ging zur Sache, kämpfte, jeder lief, was die Lungen hergaben. Glück für West Ham, daß Bernd Nickel in dieser Drangperiode mit seinen Schüssen einfach kein Glück hatte. Paddon schlug einmal einen seiner Bälle sogar von der Linie.

Aber West Ham blieb mit seinen schnellen Kontern stets brandgefährlich. In der 67. Minute tauchte Broocking allein vor Kunter auf, doch mit einer bravourösen Fußabwehr verhinderte der „fliegende" Zahnarzt den möglichen Ausgleich. Zum Schluß waren es nicht nur Konter, die die Eintracht in Gefahr brachten. West Ham hatte die größeren Kraftreserven. Vor allem bei Jürgen Grabowski machte sich der Kräfteverschleiß in einer Fülle von unnötig verlorenen Bällen bemerkbar. Dr. Kunter mußte noch einige Male zupacken.

Stimmen zum Spiel

Dietrich Weise: „Wir sind froh, gewonnen zu haben, auch wenn es nur sehr knapp ist. West Ham hat bewiesen, daß es stärker ist als sein Ruf. Jeder Spieler meiner Mannschaft hat absolut alles gegeben. Daß es in den letzten Minuten nicht mehr so lief, dafür habe ich bei diesem Kraftaufwand vollstes Verständnis. Für das Rückspiel ist meiner Ansicht nach nun alles offen. Wir werden auch in London unsere Chance in der Offensive suchen. Wir haben gesehen, daß West Ham mit Haken und Ösen spielt. Besonders unfair war der Schlag von Torwart Day gegen Körbel. Kaum einer meiner Spieler ist unverletzt. Zum Schluß hat uns Dr. Kunter den Sieg mit zwei guten Paraden gerettet. Grabowski war kämpferisch sehr stark, aber in der zweiten Halbzeit schlichen sich Abwehrfehler ein. So eine schwache Schiedsrichterleistung habe ich lange nicht gesehen. West Hams Torwart stand viele Male mehr als 15 Sekunden im Strafraum und hielt den Ball fest, ohne daß er von Herrn Rudnew auch nur ermahnt wurde."

John Lyall, der Trainer von West Ham United: „Wir sind mit dem Ergebnis natürlich höchst zufrieden. Das Gegentor ist für uns sehr wichtig, und wir gehen nun mit großer Zuversicht in das Rückspiel. Der überragende Mann bei uns war dabei Kapitän Willi Bonds. Ein Vorteil für uns war auch, daß Graham Paddon im Mittelfeld unermüdlich arbeitete und ein großes Spiel lieferte und dadurch gewissermaßen unseren sonstigen Spielmacher Brooking ersetzte, der von Körbel großartig bewacht wurde und im ganzen Spiel dem Frankfurter nur dreimal davonlaufen konnte."

Londons Presse

Englands Presse, die gestern noch nicht einmal Falschgeld auf West Ham United setzen wollte, sieht die „Hammers" nach ihrer 1:2-Niederlage in Frankfurt nun bereits im Europapokal-Finale der Cup-Sieger. „Das war West Harns Fahrkarte ins Endspiel", wählte der „Daily Mirror" als Schlagzeile. Die „Daily Mail" stellte West Hams Torschützen Paddon als den Mann des Tages heraus und meinte: „Paddons Tor hat wahrscheinlich den Weg ins Endspiel geebnet."

Nur der Londoner „Evening Standard" blieb skeptisch: „Es wird noch sehr schwer für West Ham." Der „Guardian" schwärmt von Nickels großer Schußkraft und vergleicht ihn mit Bobby Charlton, der „Express" mit Brasiliens Rivelino. „Die Deutschen", so schreibt der Guardian, "spielten zwar erfindungsreichen Fußball mit schnellen Richtungswechseln, sie sind jedoch manchmal zu ihrem eigenen Nachteil zu schnell gewesen. West Ham geriet nicht in Panik, als eine Angriffswelle nach der anderen anrollte." Insgesamt zeigte sich die britische Presse überrascht von der starken Leistung des englischen Pokalsiegers, der zuletzt durch die Liga-Spiele eher „gestolpert" sei.

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