Wacker Innsbruck - Eintracht Frankfurt

Intertoto-Cup 1977/1978 - Gruppe 3

1:1 (1:0)

Termin: 02.07.1977
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Latzin (Wörthersee)
Tore: 1:0 Boris Sikic (7.), 1:1 Sepp Stering (53., Eigentor)

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Wacker Innsbruck Eintracht Frankfurt

  • Friedl Koncilia
  • Werner Kriess
  • Dietmar Constantini
  • Bruno Pezzey
  • Boris Sikic
  • Sepp Stering
  • Peter Koncilia
  • Werner Zanon
  • Kurt Welzl
  • Werner Schwarz
  • Franz Oberacher

 


 

Wechsel
  • Manfred Gombasch für Peter Koncilia (70.)
  • Günther Rinker für Franz Oberacher (76.)
Wechsel
Trainer
  • Georg Kessler
Trainer

 

Steinschlag im Himmel

Der Auftakt in den Internationalen Fußball-Cup, der früher unter der Bezeichnung Intertoto-Cup veranstaltet wurde, verlief holprig: Ohne ihre sechs A- und B-Nationalspieler und den verletzten Kapitän Grabowski gab es im Waldstadion vor 5.000 Zuschauern nur ein schmeichelhaftes 2:2 gegen Inter Bratislava.

Heute ist die Eintracht in Innsbruck zu Gast, beim frischgebackenen österreichischen Meister Wacker. Die Eintracht bekommt den Auftritt im Herzen des malerischen Inntals finanziell versüßt: Es gibt 25.000 Schweizer Franken Reisezuschuss zu jedem Auswärtsspiel. Da es für den Gruppensieg noch einmal 15.000 Schweizer Franken gibt, haben weder Wacker noch die Eintracht heute etwas zu verschenken.

Nicht verschenkt, aber verloren hat der neue Innsbrucker Trainer „Sir“ Georg Keßler vor wenigen Wochen ein denkwürdiges Pokalfinale. Zum ersten Male musste ein deutsches Pokalendspiel wiederholt werden, weil sich Kesslers Hertha und der 1. FC Köln nach 120 Minuten nur auf ein Unentschieden einigen konnten. Das Wiederholungsspiel drei Tage später konnten die Kölner dann durch ein Tor von Dieter Müller für sich entscheiden.

Keßler, der von 1966 bis 1970 Bondscoach war und gerade aus der ehemaligen Hauptstadt Deutschlands in die Landeshauptstadt von Tirol gezogen ist, misst dem Vergleich mit der Eintracht besondere Bedeutung bei: „Ich habe meine Spieler aus dem Urlaub zusammengetrommelt und ein Trainingslager bezogen. Wenn die Eintracht komplett spielt, dann treffen wir auf eine der stärksten Mannschaften Europas. Ihre Rekordserie ist einmalig. Und meine Jungs bekommen gleich einen Vorgeschmack, was sie im Europapokal der Landesmeister erwartet.“

In Innsbruck erwartet die Frankfurter zunächst das gemütliche Tivoli-Stadion, das so herrlich inmitten des Inntals gelegen ist, dass Wolfgang Kraus beeindruckt ist: „Hier zu spielen ist wie im Himmel.“ Mit dem Anpfiff wird „Scheppes“ erster Eindruck wohl verflogen sein, denn weder die 15.000 Zuschauer noch die 11 Innsbrucker Akteure lassen der Eintracht Raum und Zeit die Umgebung zu genießen.

Frankfurts C-Trainer Pal Csernai hatte vor dem Spiel noch angekündigt: „Wir haben unseren Trainingsplan bis jetzt 120prozentig eingehalten.“ Das mag sein, aber für die Nationalspieler, die erst am 30. Juni ins Training eingestiegen sind, gilt das sicher nicht. Bernd Hölzenbein ist beispielsweise weit von seiner Normalform entfernt.

Es ist wohl kein Zufall, dass es gerade Hölzenbein ist, dem in der 7. Spielminute ein böser Fehler unterläuft, den die Innsbrucker nur zu dankbar als Einladung verstehen und annehmen: Sikic schießt ein und die Gastgeber führen mit 1:0.

Die Eintracht ist auch in der Folgezeit von dem Sturm und Drang der Hausherren ebenso überrascht wie der Schiedsrichter aus Kärnten mit der ungewöhnlich harten Gangart seiner Landsleute überfordert scheint. Dass in diesem Cup inländische Schiedsrichter eingesetzt werden, ist sicher bequem und spart zudem Reisekosten, aber ob der Unparteiische heute so parteilos ist wie er sein sollte, darf bereits im Laufe der ersten Halbzeit bezweifelt werden.

In den zweiten Durchgang starten die Gäste aus Frankfurt etwas besser vorbereitet. An die harten Attacken der Innsbrucker, die kämpfen als stünden sie in einem Pokalendspiel, gewöhnen sich die Eintrachtspieler in dieser Partie zwar sicher nicht mehr, aber das teilweise überhebliche Spiel der ersten 45 Minuten haben die Riederwälder erst einmal in der Kabine gelassen.

Für den Ausgleichstreffer benötigen die Frankfurter dennoch etwas Glück und die Unterstützung des Gegners. Hölzenbein zieht in der 53. Minute ab und Stering lenkt den Ball unhaltbar für Österreichs Nationaltorhüter Friedl Koncilia ins eigene Netz.

Das schmeckt den Tirolern nun wieder gar nicht und sie legen sowohl einen Gang zu als auch eine noch härtere Gangart an den Tag. Besonders tut sich hierbei ihr Starverteidiger Bruno Pezzey hervor, der bei einem anderen Schiedsrichter schon längst wenigstens die Gelbe Karte gesehen hätte. Peter Reichel und Rüdiger Wenzel werden die Tiroler Grüße von Pezzey, die ihnen Prellungen an den Oberschenkeln bescheren, mit nach Hause nehmen.

In der 73. Minute gerät dann die Situation außer Kontrolle: Trinklein bringt Schwarz im Frankfurter Strafraum mit einem langen Bein zu Fall und des Schiedsrichters Pfeife bleibt überraschenderweise stumm. Laut wird es dagegen auf den Rängen. Die 15.000 einheimischen Fans können es nicht fassen, dass Latzin gerade in dieser Szene nicht für die Heimelf entschieden hat.

Aus dem anfangs so gemüt- und beschaulich erscheinenden Stadion wird endgültig ein Hexenkessel, in dem es brodelt und zischt. Untypisch für einen echten Hexenkessel sind allerdings die fliegenden Steine, die von den aufgebrachten Innsbrucker Fans auf Jupp Koitka geworfen werden. Der trägt zwar an dem nichtgegebenen Elfmeter die geringste Schuld, befindet sich jedoch für die mit Steinen bewaffneten Idioten in Wurfweite, was in ihren Augen für eine versuchte Körperverletzung offensichtlich Rechtfertigung genug ist.

Der Stadionsprecher bleibt trotz des steinernen Regens, der in Richtung Eintracht-Tor prasselt, betont höflich und bittet, „das Steineschießen auf den Frankfurter Keeper einzustellen.“ Immerhin scheint seine Ansage Wirkung zu zeigen, was Koitka besonders freut, der sichtlich überrascht sein Tor räumte, um den Werfern ihr Ziel zu nehmen. „Ich dachte mich trifft der Schlag,“ bemerkt der Schlussmann treffend.

Schiedsrichter Latzin, der Innsbrucks Trainer Keßler mit Spielabbruch gedroht hatte, wenn „das nicht sofort aufhört“, trägt in der 82. Minute auf seine Art zur weiteren Beruhigung des Publikums bei: Körbel und Trinkleins Attacke gegen Stürmer Welzl bietet die nicht unwillkommene Gelegenheit, den Fehler aus der 73. Minute zu berichtigen und des Volkes Seele zu besänftigen. Latzin entscheidet auf Elfmeter.

Pezzey, der trotz dreier grober Fouls immer noch keine Karte – die hat dafür Bernd Nickel wegen Meckerns erhalten - gesehen hat, tritt zum Strafstoß an. Pezzeys Pech: Die Steinwürfe haben dem Nervenkostüm von Koitka keinen Knacks versetzen können. Mit einer glänzenden Parade meistert der Keeper Pezzeys Elfmeter.

Endgültig der Lächerlichkeit preis gibt sich dagegen der Schiedsrichter drei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit: Nach einem Alleingang von Bernd Hölzenbein, der nur durch Festhalten gestoppt werden kann, entscheidet Latzin auf Freistoß für die Frankfurter, nimmt diese Entscheidung aber nach wütenden Protesten der Innsbrucker Zuschauer und Spieler wieder zurück und gibt stattdessen einen Freistoß für Wacker... Bernd Hölzenbein ist fassungslos: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Gut, dass das Spiel wenige Minuten später von Latzin abgepfiffen wird. Seine beste Entscheidung an diesem Tag.

Gyula Lorant zieht nach dem Spiel ein etwas säuerliches Fazit: „Nicht verloren und keine ernsthaften Verletzten. Da müssen wir heilfroh sein.“ Damit gibt der heißblütige Ungar aber natürlich noch keine Ruhe: „Die haben die Intertoto-Runde wohl mit dem Europapokal verwechselt.“ Der österreichische Meister spiele „wie im Balkan vor 30 Jahren.“

Auch Stürmer Rüdiger Wenzel findet: „Irgendwie sind die nicht normal.“ Mit „die“ meint er vor allen Dingen Bruno Pezzey, der nicht nur ihm ordentlich zugesetzt hat, aber straffrei aus dieser Partie hervorgegangen ist.

Lorant wäre jedoch nicht Lorant, wenn er seiner eigenen Mannschaft nicht eine Grußbotschaft hinterher schicken würde: „Wir werden noch intensiver trainieren. Die Spieler haben heute selbst gemerkt, dass wir noch eine Menge aufholen müssen.“

Bernd Hölzenbein, der gegen Ende der Partie doch arg mit konditionellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, zeigt sich einsichtig: „Noch fünf Spiele, Trainer, dann bin ich wieder fit.“ (rs)

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