Eintracht Frankfurt - Bayern München

Bundesliga 1977/1978 - 16. Spieltag

4:0 (2:0)

Termin: Sa 26.11.1977, 15:30 Uhr
Zuschauer: 43.000
Schiedsrichter: Rainer Waltert (Paderborn)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (4.), 2:0 Rüdiger Wenzel (38.), 3:0 Wolfgang Kraus (56.), 4:0 Jürgen Grabowski (75.)

 

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Eintracht Frankfurt Bayern München

 


  • Sepp Maier
  • Kurt Niedermayer
  • Wolfgang Rausch
  • Georg Schwarzenbeck
  • Peter Gruber
  • Ulrich Hoeneß
  • Bernd Dürnberger
  • Gerd Müller
  • Erhan Önal
  • Franz Roth
  • Jupp Kapellmann

 

Wechsel Wechsel
  • Rainer Künkel für Franz Roth (59.)
  • Klaus Augenthaler für Erhan Önal (79.)
Trainer Trainer

 

Grabi verzaubert Gegner und Zuschauer

Auf den Rängen sangen sie „Lorant, Lorant." Das hatte man im Frankfurter Waldstadion lange nicht mehr gehört. Doch die Lobgesänge auf den Trainer waren verdient, denn innerhalb von vier Tagen besiegte die Frankfurter Eintracht vor 38.000 Zuschauern die Münchener Bayern zum zweitenmal mit 4:0 (2:0) Toren. Während Gyula Lorant mit erhobenen Händen und strahlendem Siegerlachen in die Kabine schritt, saß Dettmar Cramer, umlagert von einem Heer von Fotografen, geknickt auf seiner Bank — möglicherweise zum letzten Mal. Das Ergebnis war das gleiche, doch das Spiel war eine Klasse besser als am letzten Mittwoch. Das lag vor allem an dem Mut der Verzweiflung, mit dem sich die Bayern wie ein weidwundes Tier zur Wehr setzten. Ihr Pech, daß sie auf eine Eintracht trafen, die ihr bestes Spiel der Saison lieferte und in Jürgen Grabowski einen Spielregisseur hatte, der eine Weltklassepartie lieferte. Dabei mußte die Eintracht bereits nach neun Minuten einen Schlag einstecken, als Libero Lothar Skala verletzt ausschied. Doch Willi Neuberger bot auf diesem Posten durch sein souveränes Stellungsspiel eine fehlerlose Partie, wie überhaupt die Abwehr, sonst oft die Achillesferse der Eintracht, ein tadelloses Spiel lieferte. Da klappte das Wechselspiel auf der rechten Seite zwischen Helmut Müller und Roland Weidle wie am Schnürchen, da hatte Peter Krobbach auf der linken Seite den besten Bayern Uli Hoeneß bald sicher im Griff, und da lieferte Karlheinz Körbel als Vorstopper unter den Augen von Bundestrainer Helmut Schön sein bestes Spiel der Saison. Er war kopfballstark, souverän und sicher. Die Tore für die Eintracht schossen Hölzenbein, Wenzel, Kraus und Kapitän Grabowski.

Die Eintracht begann dort, wo sie am Mittwoch mit dem 4:0 im UEFA-Pokal gegen die Bayern aufgehört hatte: schon noch vier Minuten führten sie 1:0 durch Bernd Hölzenbein, der Im zweiten Versuch nach einem Musterpaß von Kraus und einer Musterflanke von Müller den Ball aus dem Gewühl heraus im Bayern-Tor unterbrachte. Der allgegenwärtige Jürgen Grabowski, der mit dem Türken Önal diesmal einen neuen Bewacher auf den Füßen hatte, hatte diesen herrlichen Angriff eingeleitet.

Doch das Scheibenschießen ging nicht munter weiter. Im Gegenteil: das war eine ganz andere Bayern-Mannschaft als zuletzt am Mittwoch, die sich sofort aufbäumte, kämpfte und wie ein verwundetes Raubtier wild und gefährlich zurückschlug. Nacheinander vereitelte Jupp Koitka mit Prachtparaden drei große Chancen von Gerd Müller, Hoeneß und Önal. Es entwickelte sich ein tolles, knüppelhartes, tempogeladenes Kampfspiel, in dem die Eintracht eine Viertelstunde lang in die eigene Hälfte gedrängt wurde.

Mit „Bulle" Roth („Mein erstes Spiel von Anfang an seit sechs Monaten, ich fühle mich zwar fit, aber mir fehlt eben noch Spielpraxis") hatte Dettmar Cramer den Prototyp des verbissenen Kampfes in seine Mannschaft gebracht. Es dauerte bis zur 20. Minute (Grabowski schoß knapp am Tor vorbei), bis die Eintracht wieder vor Sepp Maier auftauchte. Vorbildlichster Kämpfer bei den Bayern war Uli Hoeneß, der sich die Lunge aus dem Leib rannte und zusammen mit Gerd Müller den Sturm bildete.

Daß die Bayern in dieser Phase mit ihrer Überlegenheit kein Unheil anrichteten, lag einmal an der Kopfballstärke des souverän, sicher und kaltschnäuzig spielenden Karl-Heinz Körbel und dem Fleiß und der Frische von Roland Weidle. Unheil richteten die Bayern nur insofern an, daß Lothar Skala bei einer Rettungsaktion in der 9. Min. gegen Hoeneß sich so sehr verletzte, daß er ausscheiden mußte. Peter Krobbach kam für ihn, spielte linker Verteidiger und machte seine Sache gegen Hoeneß sehr gut. Willi Neuberger bezog den Libero-Posten.

Gelbe Karten für Weidle und Kapellmann kennzeichneten die Härte des Kampfes, in dem die Eintracht den Sturm und Drang der Bayern geschickt überstand und gegen Ende der ersten Halbzeit wieder den Gegner und das Spiel souverän in den Griff bekam. Helmut Müller übernahm auf der rechten Seite die sonstige Aufgabe Neubergers, mit Flankenläufen das Spiel nach vorn zu treiben, Roland Weidle tat's durch die Mitte und hatte nach einem herrlichen Doppelpaß mit Krobbach (25.) die Chance zum 2:0, zielte aber knapp neben das Tor.

In der 32. Min. Entsetzen auf der Eintracht-Bank, als Neuberger sich bei einer Rettungsaktion gegen Hoeneß verletzte und liegenblieb. Doch zum Glück konnte er bald weiterspielen. Die letzte Viertelstunde gehörte wieder ganz der Eintracht: Grabowski zauberte, Hölzenbein war wieder torgefährlich und quirlig, und Wenzels unermüdlicher Einsatz wurde in der 38. Min. belohnt, als er nach einem Eckstoß von Grabowski den raffiniert angeschnittenen Ball mit dem Kopf unhaltbar für Maier zum 2:0 ins Tor wuchtete.

Mit Tempo und Technik ging die Eintracht die zweite Halbzeit an, versetzte die Bayern mit ihren Bilderbuchkombinationen in heillose Verwirrung und die Zuschauer in helle Begeisterung. Ein Superpaß von Kraus quer durch den Strafraum, ein direkter Volleyschuß von Nickel und eine Prachtparade von Sepp Maier — das war der Auftakt.

Das 3:0 fiel in der 56. Minute — ein Tor wie auf dem Reißbrett, das in Wolfgang Kraus seinen Vollstrecker in Grabowski aber seinen genialen Wegbereiter hatte. Nickel und Grabowski, ein Doppelpaß zu Hölzenbein und der Eintracht-Kapitän hatte nur noch Maier vor sich, stürmte an dem Bayern-Torhüter vorbei, machte kurz vor der Torauslinie halt, ein Blick , ein Paß zum freien Kraus, der den Ball nur noch ins leere Tor zu schieben brauchte. Weltklasse war das!

Was einem bei den Bayern imponierte, war der Mumm und die Moral, mit der sie trotz der unvermeidlichen Niederlage weiterkämpften. In der 59. Minute schicktet Dettmar Cramer den einstigen Darmstädter Rainer Künkel ins Spiel, der mit einem strammen Schuß knapp neben das Tor und einem „Lupfer" auf die Querlatte seine Gefährlichkeit bewies.

Dennoch: die weitaus größeren Chancen hatte die Eintracht. Wenzel, von Grabowski herrlich freigespielt, zögerte am Elfmeterpunkt einen Moment zu lange und wurde von Schwarzenbeck noch vom Ball gedrängt. Ein Absatzkick von Hölzenbein nach einem Hinterhaltschuß von Neuberger hätte Maier beinahe überrascht. Und ein direkter 20-Meter-Flachschuß von Helmut Müller knallte an den Pfosten.

Das 4:0 fiel in der 75. Minute und war die Krönung von Grabowskis grandioser Leistung. Nach einem Abspielfehler von Niedermayer erkämpfte sich Hölzenbein den Ball, paßte sofort zu Grabowski, der, verfolgt von Gruber, allein auf Maier zustürmte, den Bayern-Torwart abermals ausspielte, nur daß er diesmal selbst den Ball ins Tor schob.

Nun waren die Bayern fix und fertig. Hölzenbein (ein Meter vor dem Tor drüber) und Wenzel (an den Pfosten) hatten sogar das 5:0 auf dem Kopf. In den letzten Minuten brachte die Eintracht Bihn für Hölzenbein und die Bayern Augenthaler für Önal.

Stimmen zum Spiel

Dettmar Cramer (Bayern München): „Es war ein gutes Spiel, und zu einem guten Spiel gehören bekanntlich zwei. Wir haben uns viel vorgenommen, und das hat man auch gesehen. Doch leider konnten wir unseren Willen nicht in ein zählbares Resultat umsetzen. Die Eintracht war besser, aber uns hat in der ersten Halbzeit etwas Glück gefehlt. Ich gratuliere meinem Kollegen Gyula Lorant und vor allem dem Kapitän der Eintracht, Jürgen Grabowski. Ich habe ihn schon oft gut Fußball spielen gesehen, aber so gut wie heute selten. Diese Bayern-Mannschaft wird jedoch nicht absteigen. Ob ich bei den Bayern bleibe, darüber hat das Präsidium zu entscheiden. Ich weiß, daß Konsequenzen gezogen werden müssen, wenn ein Trainer ein Hindernis geworden ist."

Gyula Lorant (Eintracht Frankfurt): „Ich wußte, daß dieses Spiel viel härter werden würde als am Mittwoch. Nach dem ersten Tor wollten die Bayern es mit Gewalt wissen. In dieser Phase hatten wir Glück gehabt, weil wir etwas durcheinandergeraten sind. Der Fehler der Bayern ist, daß sie es mit Härte versuchen, anstatt sich bemühen, wieder spielerisch zu ihrer Linie zu finden. Bei uns war Weidle unerwartet stark, auch Kraus scheint jetzt durchzuhalten, gut hat auch Müller gespielt."


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