Eintracht Frankfurt - Hertha BSC Berlin

Bundesliga 1982/1983 - 27. Spieltag

3:1 (2:1)

Termin: Sa 09.04.1983, 15:30 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Kurt Röthlisberger (Schweiz)
Tore: 0:1 Rolf Blau (5.), 1:1 Bum-Kun Cha (10.), 2:1 Bernd Nickel (34.), 3:1 Bum-Kun Cha (83.)

 


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Eintracht Frankfurt Hertha BSC Berlin

 


  • Gregor Quasten
  • Dieter Timme
  • Walter Gruler
  • Ole Rasmussen
  • Werner Schneider
  • Bernd Beck
  • Rolf Blau
  • Jürgen Mohr
  • Hubert Schmitz
  • Thomas Remark
  • Werner Killmaier

 

Wechsel Wechsel
  • Peter Mack für Thomas Remark (65.)
Trainer Trainer
  • Georg Gawliczek

 

Soll und Haben am Riederwald

Eine lange Karriere neigt sich dem Ende zu, aber Willi Neuberger, der in der nächsten Woche 37 Jahre alt wird und mit bislang 518 Erstligaeinsätzen Rekordspieler der 1. Bundesliga ist, hat sich mit dem Gedanken schon angefreundet: „Schneller, als die meisten Leute glauben.“ „Eins, zwei Spiele hätte ich vorher schon noch gerne gemacht“, gibt er zu: „Aber jetzt wird‘s schwer, in die eingespielte Elf noch mal reinzukommen.“ Außerdem werfen ihn, der am 19.2. beim Auswärtsspiel in Braunschweig zuletzt wenigstens nochmal auf der Ersatzbank saß, immer wieder alte Verletzungen und Blessuren zurück: „Mal geht‘s mir hervorragend. Tags darauf fühle ich mich miserabel.“

Besser gefühlt hat sich auch schon einmal Michael Künast, der vor knapp einem Jahr mit seinem 4:3-Siegtreffer gegen Bayern München im siebten Fußballhimmel schwebte, doch in dieser Saison lediglich am 2. Spieltag beim 5:0 gegen Bayer Leverkusen ins Schwarze traf. Nach einer vereiterte Zehe warfen den 22-Jährigen Muskelverletzungen zurück: „Ich musste danach jedes Mal ganz von vorn anfangen.“ Nach dem 7. Spieltag kam er nur noch einmal in der 1. Liga zum Einsatz: Ende Januar für fünf Minuten beim Auswärtsspiel in Leverkusen. Dass er in der Nachwuchsrunde im defensiven Mittelfeld oder als Vorstopper eingesetzt wurde, lässt den Stürmer kalt: „Die Position ist mir egal, ich brauche jetzt nur Spielpraxis.“

„Die Saison ist für mich vorbei“, erklärt der 19-jährige Uwe Müller vielleicht etwas voreilig: „Trotzdem bin ich mit drei Toren in elf Bundesliga-Einsätzen ganz zufrieden.“ Der Amateur musste jetzt seinen Wehrdienst antreten und wird zusammen mit Verteidiger Mike Kahlhofen die Grundausbildung im saarländischen Bexbach absolvieren, bevor er rechtzeitig zur Vorbereitung auf die neue Saison nach Mainz versetzt werden soll. Während Müller in der nächsten Runde sicher bei der Eintracht spielen wird, fragt sich Helmut Gulich, wo er sich wiederfinden wird, denn eine Vertragsverlängerung hat die Eintracht dem 22-jährigen Angreifer nicht angeboten: „Mit mir hat niemand geredet. Ein bisschen komisch finde ich das schon.“ „Wir halten uns an Trainer Zebec und warten die nächsten Wochen ab“, erklärt Schatzmeister Knispel dazu knapp, während Gulich sich darüber Gedanken macht, ob das ausbaufähige Interesse der Eintracht auch daran liegt, dass er in seinen bislang neun Einsätzen nicht getroffen hat: „Es gibt halt Phasen, da geht keiner rein. Chancen hatte ich …“

Mit Abwanderungsgedanken befasst sich ebenfalls Michael Sziedat, wobei der Zeitpunkt bei ihm etwas weiter in der Ferne liegt: „Nächstes Jahr werde ich nach Berlin zurückkehren, wenn ich meine Laufbahn bei der Eintracht beendet habe“, sagt Sziedat, der 1980 von der Spree an den Main wechselte, aber beinahe schon im letzten Herbst wieder zur Hertha gegangen wäre: „Das Interesse war beiderseitig, aber nachdem Werner Lorant nach Schalke wechselte, legte Branko Zebec in meinem Fall sein Veto ein.“

Sziedats alter Verein, die Hertha, kommt an diesem Wochenende nach zwei Jahren in der 2. Liga als Aufsteiger zur Eintracht und steht knapp vor der Abstiegszone auf dem 15. Tabellenplatz. Beim Tabellenneunten Eintracht, die nach nur fünf Spieltagen und auf Platz 17 liegend den ehemaligen österreichischen Nationaltrainer Helmut Senekowitsch entlassen und Branko Zebec verpflichtet hatte, ist die Abstiegsgefahr noch nicht gänzlich gebannt.

Unter Zebec hat die Eintracht zwar zu einer beeindruckenden Heimstärke gefunden, auswärts gewinnen sie jedoch kaum einen Blumentopf, geschweige denn Punkte. Trainer Zebecs Abseitsfalle klappt auf fremden Plätzen nicht immer, „aber ohne diese Hilfe wären die Stellungsfehler in unserer Abwehr viel krasser“, glaubt Kapitän Bruno Pezzey. „Daheim kontrollieren wir Spiel, Tempo und den Gegner. Außerdem sind wir nicht mehr so konteranfällig“, setzt er auf einen Sieg gegen die Berliner: „Dann wäre die Abstiegsgefahr für uns endgültig vorbei.“

„Wir brauchen noch drei, vier Punkte, um ganz sicher zu sein“, meint dagegen Zebec: „Erst wenn wir die Punkte haben, können wir in Ruhe für die nächste Saison planen.“ Der Fußballlehrer, der weiß, dass Frankfurts letzter Bundesligaheimsieg gegen Berlin fast zehn Jahre zurückliegt, will von Angstgegnern nichts wissen: „Auch wenn jeder davon spricht, Hertha BSC ist kein Angstgegner. Meine Spieler müssen nur nervlich und körperlich stark genug sein. Dann denken sie überhaupt nicht an solche Serien.“ Außerdem hat die Eintracht 1981 im Pokalhalbfinale den damaligen Zweitligisten im Waldstadion bereits schlagen können, zwar nur mit 1:0, aber Körbel meint dennoch: „Dieser Sieg hat uns die Angst vor Berlin genommen.“ Das sieht Sziedat anders: „Im Unterbewusstsein bleibt immer etwas hängen, wenn man so lange gegen einen Verein nicht gewonnen hat. Da kann man die besten Vorsätze fassen und doch bleibt ein wenig die Furcht, dass es wieder danebengehen kann.“

Nicht mehr ganz so furchtbar, als dass man erneut um die Lizenz bangen müsste, aber immer noch angespannt, wird derweil die finanzielle Situation des Vereins dargestellt, der 1980 den UEFA-Cup und 1981 den DFB-Pokal gewonnen hat. Doch die Eintracht hat strukturelle Probleme. Obwohl man 1,8 Millionen Mark Ablöse für die Ex-Eintrachtler Nachtweih, Trapp und Lorant eingenommen hat, erwirtschaftete die Eintracht 1982 bei Gesamteinnahmen in Höhe von 11.143,044,72 Mark nur einen Gewinn von 44.476 Mark. „Davon könnte kein Unternehmer leben“, stellt Schatzmeister Wolfgang Knispel fest. „Wir hätten mit 927.675 Mark Gewinn abgeschlossen, wenn das alte Präsidium Einnahmen von 1982 nicht schon 1981 verbraten hätte“, berichtet Knispel über die Finanzsituation der Eintracht. Die weist ein Vereinsvermögen von rund 3,2 Millionen Mark aus, worin allerdings der Buchwert für Lizenzspieler in Höhe von 1.257.785 Euro enthalten ist. Dem gegenüber stehen immer noch knapp 4,46 Millionen Mark an Verbindlichkeiten. „Die Unterdeckung beträgt also 1,2 Millionen Mark“, rechnet Knispel vor.

Zudem fehlen allein im Lizenzspielerbereich jährlich fast 2 Millionen Mark. 6.322.122 Mark Einnahmen aus dem Spielbetrieb stehen etwa acht Millionen Mark an Ausgaben gegenüber. Knispel will deswegen die Spielergehälter senken: „Bei zehn Prozent Gehaltskürzungen wären das über 600.000 Mark.“ „Ich wäre zufrieden, wenn unser neuer Etat (4.590.000 Mark Einnahmen sind geplant) in der Saison 83/84 ausgeglichen wäre“, sagt Knispel: „Die Aufgaben dürfen die Einnahmen nicht mehr übersteigen.“

„Wir senken den Profi-Kader von 22 auf 18 Lizenzspieler“, kündigt Vizepräsident Zenker flankierend an, will dabei aber angeblich auf keine Leistungsträger verzichten: „Wir sind uns mit Pezzey bei ersten Verhandlungen schon sehr nahe gekommen. Auch Körbel soll unbedingt bleiben.“

Zum Saisonende gehen will dagegen Bum-Kun Cha. Dessen bereits vorliegende schriftliche Kündigung nennt Präsident Schander „sicherlich vom Zeitpunkt her ein wenig überraschend für uns. Dass dahinter ein sogenannter Spielerberater steckt, überrascht uns ebenfalls, nachdem wir in den letzten Jahren stets ein offenes und faires partnerschaftliches Verhältnis mit Cha führten.“ Fraglich ist freilich, ob Cha, das auch so sieht. Denn nur einen Monat schneit dem Koreaner im Zuge des vom Vizepräsidenten und Steuerberaters Zenker vermittelten „Bauherrenmodells“ ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Lübecker Hypothekenbank über 200.000 Mark ins Haus, , nachdem er wie andere Eintrachtspieler – statt mit Zenkers Vorschlag Steuern zu sparen – in finanzielle Nöte gerät.

„Seinen Wunsch, am Ende seiner großartigen Laufbahn, noch einmal auf internationaler Bühne aufzuspielen, haben wir zu respektieren. Sei Entschluss, uns zu verlassen, darf dagegen nicht zu Panikmache führen. Bum-Kun Cha noch bessere Verdienstmöglichkeiten als bisher zu garantieren, wäre unverantwortlich gegenüber dem Verein und den anderen Spielern gewesen“, erklärt Schander weiter: „Ein Transfer von Cha dagegen wird der Eintracht eine Ablösesumme bringen, die sie in zwei Jahren nicht mehr erhalten hätte. Mit diesem Geld werden wir ein, zwei gute Ergänzungen für unsere Mannschaft suchen“, verspricht der Präsident in der Sportzeitung der Eintracht und sagt auch der „Bild“: „Wenn wir für ihn Ablöse bekommen, verstärken wir uns auf jeden Fall.“ Wenn – denn die Eintracht fürchtet, Cha könne als Amateur ablösefrei nach Südkorea zurückkehren. „Da kann man nicht planen, nur beten“, wird Knispel zitiert.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Trainer Branko Zebec die richtigen Mittel finden wird, den mit seinem Amtsantritt eingeleiteten Aufschwung fortzuführen“, setzt Schander seine sportlichen Hoffnungen auf den Fußballlehrer, der seine Alkoholkrankheit nur in den Augen der Öffentlichkeit in den Griff bekommen hat. Der so gelobte Zebec zeigt Verständnis für die Finanznöte des Klubs: „Bevor ich hierherkam, habe ich gehört, wie schlecht es der Eintracht geht. Seit ich hier bin, weiß ich, dass alles noch schlimmer ist, deshalb werde ich aber nicht meine Koffer packen, sondern aus den vorhandenen Möglichkeiten das Beste machen.“ „Das Gesicht der Eintracht hat sich in dieser Saison geändert. Jetzt müssen wir beginnen, zielstrebig für einzelne Positionen einzukaufen“, sagt Zebec, will aber Hektik bei den Personalplanungen vermeiden: „Wir sind uns einig, dass wir uns auf zwei, drei Positionen verstärken müssen. Dazu braucht es aber Geduld. Wir müssen abwarten und dann im richtigen Moment zuschlagen.“

„Vorne muss sich was tun, auch wenn Cha noch nicht endgültig weg ist. Noch hat er Zeit, seinen Entschluss zu ändern. Aber selbst wenn er bleibt, brauchen wir noch einen Mann“, lautet Zebecs Einschätzung. Er rät dem Präsidium zudem, die Vertragsgespräche mit den erfahrenen Leistungsträgern sogleich in Angriff zu nehmen: „Wir brauchen Pezzey, Sziedat, Nickel und Körbel. Sie haben in den Monaten der sportlichen Krise alles zusammengehalten. Sie haben die Jungen geführt und nie ein Wort darüber verloren. Alt und jung war und ist bei der Eintracht kein Thema. Bei uns zählt nur Leistung.“ Neben der Entwicklung der jungen Spieler freut den Trainer am meisten, dass auch die älteren Spieler noch immer lernbegierig und lernfähig seien: „Das beste Beispiel“, sagt Zebec, „ist Michael Sziedat. Er spielte seine neue Rolle in unserem System mit Begeisterung und Erfolg. Das macht jedem Trainer Freude.“

Der so gelobte Sziedat, der nach dem Abstieg der Hertha vor drei Jahren von der Spree an den Main wechselte, hat indes für das Spiel gegen seinen alten Klub nur einen Wunsch: „Ein frühes Tor gegen den Angstgegner!“ „Selbst bei unseren hohen 4:0 und 5:0-Siegen im Waldstadion hatten wir das Glück, dass der Eintracht in der Anfangsphase kein Treffer geglückt war.“ Und wenn es länger dauern sollte, setzt Körbel auf die Standardsituationen: „Das ist ein großes Plus. Bei diesen Gelegenheiten passiert bei uns immer etwas, und davor haben die Gegner Angst.“

„Da müssen wir einfach unser Spiel machen, uns nicht auf dem falschen Fuß erwischen lassen“, erwartet Zebec defensiv eingestellte Gäste: „So haben wir ja auch beim vermeintlichen Angstgegner Bochum gewonnen …“ Außerdem wird er Thomas Berthold in der Abwehr durch Ralf Falkenmayer ersetzen: „Falke ist wieder stark und dazu fast Nationalspieler geworden.“ Und für Thomas Kroth, der sich am Freitagabend mit einer Grippe abmeldet, kommt quasi über Nacht Ralf Sievers in die Mannschaft.

In der Elf der Berliner fehlt mit Stammspieler Horst Ehrmantraut ein alter Bekannter und auch auf ein Wiedersehen mit Rainer Bonhof, dem Weltmeister von 1974, der in der Winterpause vom 1. FC Köln zur Hertha wechselte, warten die 12.000 Zuschauer vergebens. In seinem fünften Einsatz für die Berliner musste der Weltmeister von 1974 Anfang März bereits nach acht Minuten vom Platz und fehlt seither verletzt.

Doch auch ohne die beiden fällt ein schnelles Tor, wobei sich Sziedats Wunsch nicht erfüllt, denn das 1:0 fällt auf der falschen Seite. Rolf Blau bringt die Hertha nach nur fünf Minuten in Führung. Dabei leistet der Schweizer Schiedsrichter Röthlisberger mit einer Fehlentscheidung die Vorarbeit, weil er nicht den Berliner Bernd Beck, sondern Pezzey als letzten Spieler am Ball sieht und statt auf Abstoß auf Eckball entscheidet. Den tritt Hubert Schmitz, Ole Rasmussen verlängert mit dem Kopf über die Fäuste von Jüriens und Blau köpft mühelos ein.


Das 1:1

Doch dieses Mal lässt sich die Eintracht von dem Gegner, der ihr früher Angst und Schrecken eingejagt hat, nicht so einfach aus dem Konzept bringen und ins Bockshorn jagen. Anstatt geschockt reagieren die Hausherren eher wie gereizte Stiere und gehen zum Gegenangriff über. Und so dauert es nur fünf weitere Minuten, bis Körbel einen Fehlpass von Rasmussen mit dem Kopf direkt zu Cha weiterleitet und sein stürmender Freund bedrängt von Gruler mit dem linken Fuß unhaltbar für Torwart Quasten zum Ausgleich ins linke Eck trifft.

Jetzt bestimmt die Eintracht die Partie, kann aber gleichwohl nicht verhindern, dass die Gäste zu guten Konterchancen kommen. Herthas Kapitän Jürgen Mohr, der in der Hinrunde beim Berliner Sieg gegen die Eintracht das einzige Tor erzielte, glänzt dabei mit langen Sprints, klugen Pässen und geschickten Dribblings. Am überragenden Pezzey kommt allerdings auch der gut aufgelegte Berliner Regisseur ein ums andere Mal nicht vorbei.

Die besseren, klareren Möglichkeiten hat ohnehin die Eintracht, bei der Sievers auf dem rechten Flügel mit schönen Flanken zu gefallen weiß und Vorstopper Körbel fast öfter vor dem Kasten der Hertha auftaucht als vor dem eigenen. Cha, der viel unterwegs ist, und Nickel haben die Chancen zum Abschluss, doch beide bringen jeweils das Leder nicht an Quasten vorbei. Bis zur 34. Minute. Dann kann Gruler „Jupp“ Kaczor nur mit einem Foul stoppen. Die Gelbe Karte dafür wird Gruler verschmerzen können, nicht aber Nickels Freistoßgeschoss, das der Frankfurter aus über 20 Metern zum 2:1 flach neben den Pfosten schmettert.

Die Gäste stecken nicht auf, sondern versuchen ihrerseits einen Gegenschlag. Doch es ist Sziedat, der ehemalige Herthaner, der gleich zwei Mal zweimal gefährliche Situationen im eigenen Strafraum bereinigt und dafür prasselnden Applaus von den Rängen erhält. Fünf Minuten vor der Pause kann aber auch er nicht mehr eingreifen, als Mohr auf Torwart Jüriens zusteuert und den Ausgleichstreffer auf dem Fuß hat. Doch Mohr, der grandiose Vorbereiter, verfehlt sein Ziel. Dem Aufsteiger, dem der Abstieg droht, fehlt ein Vollstrecker.

Das ändert sich auch nach dem Wechsel nicht, wobei die Gastgeber sich durch ihr abwartendes Verhalten von den Berlinern nun nach und nach das Spiel aus der Hand nehmen lassen. Der zuvor so zufriedene Anhang der Eintracht wundert sich so lange, bis seine Überraschung in Unmut umschlägt und durch Pfiffe deutlich gemacht wird.

Dieser Unmut und die Pfiffe erfahren eine Steigerung, nachdem die Eintracht nur durch günstige Umstände um den Ausgleich herumkommt. Nach einer knappen Stunde bringt Pezzey Remark im Strafraum zu Fall, doch der Schweizer Schiedsrichter wertet den Sturz des Berliner Stürmers als überflüssige Einlage und lässt das Spiel weiterlaufen. Und als eine Minute danach die Kugel in Jüriens‘ Kasten landet, erkennt Kurt Röthlisberger Blaus Treffer nicht an, weil der Linienrichter zuvor Mohr im Abseits entdeckt hat.

Die Gäste von der Spree haben Oberwasser, weil der Elf von Zebec teilweise die Luft ausgeht. Im Mittelfeld klafft ein Loch, das dadurch entsteht, weil vor allem Martin Trieb, aber auch Sievers und Nickel immer mehr abbauen. Lediglich Sziedat hält dort konditionell mit und durch, kann aber natürlich die Schwäche seiner Nebenleute nicht kompensieren. Nachdem nach einer Flanke von Schneider Killmaiers Kopfball denkbar knapp das Heiligtum der Frankfurter verfehlt hat, ist es erneut Mohr, dem sich in der 77. Minute die größte Ausgleichschance bietet. Dieses Mal jedoch scheitert der Mittelfeldspieler am glänzenden parierenden Jüriens.


Cha trifft zum 3:1

Nickel beweist in der Schlussphase aber dann, dass sein Spielwitz nicht von seiner Kondition abhängig ist. Das ist auch gut so, denn außer ihm verfügt keiner seiner Kollegen über diese Eigenschaft. Sein Steilpass in der 82. Minute auf Gulich wäre einen Treffer wert, doch der für Kaczor eingewechselte Stürmer ist und bleibt so glücklos wie sein Vorgänger, der ebenfalls noch auf seinen erstes Pflichtspieltor für die Eintracht wartet. Wie es gemacht wird, zeigt Cha 60 Sekunden später, als er Nickels traumhafte Vorlage zu seinem 14. Saisontor nutzt und den Widerstand der Gäste mit dem 3:1 endgültig bricht. Die müssen nach dieser Niederlage Bayer Leverkusen an sich vorbei ziehen lassen und stehen nun auf dem ersten Abstiegsrang.

„Die Eintracht kann sich glücklich schätzen, dass sie einen Cha hat“, ist Hertha-Trainer Georg Gawliczek nach dem Schlusspfiff begeistert: „Mit einem solchen Stürmer hätten wir fünf, sechs Punkte mehr. Cha ist absolute Weltklasse.“ „Ohne Cha oder einen gleichwertigen Ersatz kämpfen wir auch nächstes Jahr gegen den Abstieg“, vermutet Michael Sziedat und Körbel fragt sich „Was soll nur aus uns werden? Zwei Spieler gibt es in der Bundesliga, die für ihre Klubs unersetzlich sind. Rummenigge beim FC Bayern und Bum-Kun Cha bei uns.“ „Noch ist er nicht weg“, hofft Pezzey und Schatzmeister Knispel fühlt bei Körbel, der mit Cha befreundet ist, vor, „ob vielleicht doch noch was zu machen ist“. „Wenn Cha einmal nein gesagt hat, dann bleibt es beim Nein“, antwortet Körbel: „Er ist eine sehr charakterfeste Persönlichkeit, die zu ihren Entscheidungen steht.“

„Noch höchstens dreimal werde ich hier im Waldstadion auftreten, dann sind die vier Jahre bei der Eintracht vorbei“, bestätigt Cha am Samstag nach dem Abpfiff dem „kicker“: „Dieser Gedanke macht mich traurig, denn Frankfurt ist meine zweite Heimat geworden. Ich bin froh, dass ich der Eintracht mit meinen Toren in diesem Jahr wenigstens aus der Abstiegsgefahr helfen konnte.“ „Ich werde auf jeden Fall nach Italien gehen“, kündigt Cha an: „Bei Inter Mailand würde ich gerne spielen, doch dort stehen schon zwei Ausländer unter Vertrag. Aber auch AC Mailand und vor allem AC Turin wurden mich reizen. In den nächsten vier bis acht Tagen fällt die Entscheidung.“

„Wir wissen, was Cha leisten kann, aber wir müssen und können ohne Cha leben. Wir müssen dies auch lernen“, meint Zebec: „Hertha lebt auch ohne einen Cha.“ Schon, aber die werden wohl auch absteigen … Zenker doziert dennoch ungerührt: „Auch Bayern München muss künftig ohne Breitner auskommen. Stuttgart fand ohne Hansi Müller zu einer schlagkräftigen Mannschaft. Bremen ging ganz neue Wege zum Erfolg. Dies sind Beispiele. Wir werden den Transfererlös für Cha in zwei erstklassige Stürmer stecken und sind mit Top-Leuten intensiv im Gespräch.“

„Die Mannschaft hat ein anderes Gesicht wie früher. Sie hat nicht mehr so viel Qualität wie zu Grabowskis Zeiten, aber sie findet neue Wege, um zum Erfolg zu kommen“, findet Zebec: „Die Eintracht hat sich als Einheit weiterentwickelt. Wir sind nicht mehr so zimperlich wie früher und können Siege erkämpfen. Das freut mich besonders.“ „Für uns hatte diese Partie ganz besondere Bedeutung, weil bei einer Niederlage wieder das große Zittern ausgebrochen wäre“, meint er und glaubt nun doch: „Wir haben uns heute wohl endlich vorm Abstieg gerettet. Deshalb ist es auch nicht so wichtig, dass die Partie nicht schön war. Viel wertvoller ist, dass wir nach dem 0:1 nicht aufgegeben haben, sondern versucht haben, den Zuschauern ein gutes Spiel zu liefern. Schließlich haben wir erreicht, was wir wollten. Unser Sieg war bestimmt nicht glücklich, denn wir hatten vor der Pause genug Chancen, um 3:1 oder 4:1 zu führen.“ Kurz: „Ich bin zufrieden, wir haben unser Ziel erreicht. Das ist das Wichtigste.“

Für den Lacher des Tages sorgte übrigens der Schweizer Schiedsrichter Röthlisberger, der auf die Frage, warum er bei einem Eckball auswechseln ließ, antwortet: „Ich wollte meinem Kollegen doch nicht den großen Auftritt vermiesen.“ Linienrichter Blattman hatte auf das Wechselzeichen an der Seitenlinie mit einem so imposanten wie entschlossenen Spurt über 50 Meter reagiert …


Epilog

Die Hertha holt aus den letzten sieben Spielen nur noch zwei Punkte und beendet die Runde als Tabellenletzter. Die nächste Rückkehr in die 1. Liga gelingt den Berlinern erst 1990, wobei auch dieses Gastspiel nur eine Saison dauert.

Für Uwe Müller ist die Saison doch noch nicht vorbei: Er kommt an den letzten drei Spieltagen zum Einsatz. Und auch Willi Neuberger darf seinen 518 Erstligaeinsätzen noch zwei weitere hinzufügen. Mit der 0:1-Heimniederlage gegen Werder Bremen am vorletzten Spieltag und dem folgenden 1:5 im Saisonfinale bei Fortuna Düsseldorf endet seine Laufbahn als Profi.

Michael Künast kommt für die Eintracht in keinem Pflichtspiel mehr zum Einsatz und spielt in der folgenden Saison beim KSC in der 2. Liga. Mit diesem steigt er auf und erzielt eines seiner sieben Erstligatore für die Badener bei der 2:4-Niederlage des KSC im Waldstadion.

Helmut Gulich, der für die Eintracht bis zum Ende der Runde auf insgesamt 15 Einsätze in der 1. Liga, aber zu keinem Treffer kommt, wechselt zu Bayer Uerdingen und erzielt dort in der Saison 1983/84 in 24 Punktspielen 9 Tore. Im Gegensatz zu Künast geht er gegen die Eintracht aber leer aus.

Michael Sziedat kommt in seiner letzten Saison bei der Eintracht nur noch auf 17 Punktspiele. Das liegt vor allen Dingen an zwei Platzverweisen, die er sich in den beiden letzten Bundesligaduellen der Eintracht mit Kickers Offenbach einhandelt. Nach dem zweiten Platzverweis wird er von Trainer Weise nur noch ein einziges Mal eingewechselt. In der Saison 1984/85 beendet er mit 16 Zweitligaspielen für Hertha seine Profi-Laufbahn.

Mit dem Ende der Saison 1982/83 verlassen neben Cha auch Nickel und Pezzey die Eintracht. Pezzey muss gehen, damit die um ihre Lizenz kämpfende Eintracht überhaupt neue Spieler verpflichten kann. Jürgen Mohr, der nach seinen beiden überragenden Partien gegen die Frankfurter von der Hertha zur Eintracht wechselt, kann Nickel auch verletzungsbedingt nicht ersetzen, einen Nachfolger für Cha gibt es nicht und der von Hessen Kessel verpflichtete Eymold erinnert an Pezzey nur frisurentechnisch. Mit Glück und dem Geschick des als Trainer zurückgekehrten Dietrich Weise können seine „Bubis“ den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt in der Relegation sichern.

Bum-Kun Cha kann seinen 14 Treffern in den letzten sieben Spielen nur noch einen einzigen hinzufügen: Er trifft bei der 1:4-Niederlage der Eintracht in Dortmund zum 1:3. Zebecs Elf verliert ohne die Treffsicherheit des Südkoreaners vier der sieben Partien und gewinnt lediglich am 31. Spieltag gegen den Absteiger Schalke 04 mit 3:2.

„Wir werden Bum-Kun Cha den ihm gebührenden Abschied geben“, hatte Schander vor dem Spiel gegen die Hertha in der Sportzeitung der Eintracht angekündigt, doch der Präsident war vor dem letzten Heimspiel gegen Bremen wie Zenker schon nicht mehr im Amt und Cha erhielt zum Abschied nicht einmal Blumen, was dem sonst immer freundlichen Stürmer rat- und fassungslos hinterließ: „Doch warum ich keine Blumen? Eintracht weiß, dass ich definitiv weggehe. Was habe ich gemacht, dass Sie mir keine Blumen geben? Zählen UEFA-Pokal und DFB-Pokal, die ich gewinnen half, nicht mehr? So ein Abschied ist nicht normal. Hätte ich nicht bei Eintracht für möglich gehalten.“ (rs)


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